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Verkehrsteuern


Begriff und Abgrenzung der Verkehrsteuern

Verkehrsteuern sind eine bedeutende Kategorie der Steuerarten im deutschen Steuerrecht. Sie besteuern den rechtlichen oder wirtschaftlichen Vorgang des Verkehrs von Gütern, Rechten oder Dienstleistungen, also insbesondere bestimmte Rechtsgeschäfte, Transaktionen oder Handlungen, ohne Rücksicht auf damit erzielte Einkünfte oder vorhandenes Vermögen. Verkehrsteuern sind von Ertragsteuern und Substanzsteuern eindeutig abzugrenzen. Ihr zentrales Merkmal liegt darin, dass der Rechtsverkehr bzw. wirtschaftliche Verkehr Steuergegenstand ist.

Anders als Besitz- oder Substanzsteuern (z. B. Einkommensteuer, Grundsteuer) knüpfen Verkehrsteuern nicht an das Halten oder den Besitz von Vermögenswerten, sondern an den Vollzug eines rechtlichen oder wirtschaftlichen Vorgangs an. Beispiele sind insbesondere die Umsatzsteuer, Grunderwerbsteuer und Versicherungsteuer.

Rechtliche Grundlagen der Verkehrsteuern

Gesetzliche Grundlagen

Grundlage für das Erheben von Verkehrsteuern bieten verschiedene Steuergesetze auf nationaler Ebene. Die wichtigsten Vorschriften finden sich in:

  • Umsatzsteuer: Umsatzsteuergesetz (UStG)
  • Grunderwerbsteuer: Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG)
  • Versicherungsteuer: Versicherungsteuergesetz (VersStG)
  • Kraftfahrzeugsteuer: Kraftfahrzeugsteuergesetz (KraftStG, historisch teils Verkehrsteuer, heute Sonderstellung)

Die Verkehrsteuern sind im deutschen Steuerrecht nicht systematisch in einem speziellen Gesetz verbunden, sondern jeweils in Einzelgesetzen geregelt.

Systematik und Abgrenzung

Verkehrsteuern zählen zum Bereich der sogenannten Objektsteuern, weil sie sich auf bestimmte Vorgänge richten. Sie werden weiter unterteilt in:

  • Allgemeine Verkehrsteuern (z. B. Umsatzsteuer)
  • Besondere Verkehrsteuern (z. B. Grunderwerbsteuer, Versicherungsteuer, Kraftfahrzeugsteuer)

Sie grenzen sich von Besitz- und Ertragsteuern (die dauerhafte Zustände bzw. Einkünfte erfassen) sowie von Verbrauchsteuern (die den Verbrauch oder Verbrauchsvorgang eines Gutes belasten, z. B. Tabaksteuer) ab.

Einzelne Verkehrsteuern im Überblick

Umsatzsteuer

Die Umsatzsteuer ist eine der wichtigsten Einnahmequellen des Staates. Besteuert wird der Austausch von Leistungen (Lieferungen und sonstigen Leistungen) gegen Entgelt im Rahmen eines Unternehmens (§ 1 UStG). Steuergegenstand ist der Umsatz; die Bemessungsgrundlage ist das Entgelt. Sie ist eine sogenannte Mehrwertsteuer, da sie grundsätzlich auf jeder Wirtschaftsstufe erhoben, jedoch mittels des Vorsteuerabzugs keine Kaskadeneffekte hervorrufen soll.

Sonderregelungen

Die Umsatzsteuer kennt einen Regelsteuersatz sowie verschiedene ermäßigte Steuersätze. Für bestimmte Transaktionen wie Ausfuhren oder innergemeinschaftliche Lieferungen gelten steuerliche Besonderheiten.

Grunderwerbsteuer

Die Grunderwerbsteuer fällt an beim Erwerb von Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten (§ 1 GrEStG). Sie ist eine einmalige Steuer, die beim Wechsel des Eigentums an bestimmten inländischen Immobilien oder Grundstücken entsteht. Bewegliche Sachen sind grundsätzlich ausgenommen.

Bemessungsgrundlage ist regelmäßig der Kaufpreis bzw. die Gegenleistung. Die Steuersätze sind nicht bundeseinheitlich, sondern werden von den Bundesländern festgelegt und betragen zwischen 3,5 % und 6,5 % des Kaufpreises (Stand 2024).

Versicherungsteuer

Versicherungsteuer wird auf den Abschluss zahlreicher Versicherungsverträge erhoben (§ 1 VersStG). Bemessungsgrundlage ist das Versicherungsentgelt. Es bestehen umfangreiche Ausnahmen, beispielsweise für Krankenversicherung oder bestimmte Sozialversicherungen.

Der Steuersatz beträgt derzeit in der Regel 19 %. Steuerpflichtig ist der Versicherungsnehmer, Steuerschuldner nach dem Gesetz ist aber in der Regel das Versicherungsunternehmen.

Weitere Verkehrsteuern

  • Kfz-Steuer: Obwohl heute eher als mobilitätsbezogene Steuer eingeordnet, wurde die Kraftfahrzeugsteuer früher den Verkehrsteuern zugerechnet, da sie an die Zulassung von Fahrzeugen zum Verkehr anknüpft.
  • Lotteriesteuer und Rennwettsteuer: Diese werden auf bestimmte Glücksspiele und Wetten erhoben, und zählen streng genommen ebenfalls zu den Verkehrsteuern.

Trägerschaft und Verwaltung der Verkehrsteuern

Gesetzgebungskompetenz

Nach Art. 105 GG hat der Bund die Gesetzgebungskompetenz für die meisten Verkehrsteuern. Die Verwaltung und das Erhebungsrecht liegen jedoch teils bei den Ländern, teils beim Zoll bzw. den Finanzbehörden des Bundes.

Steueraufkommen und Verteilung

Das Aufkommen der einzelnen Verkehrsteuern steht je nach Steuerart dem Bund, den Ländern oder den Gemeinden zu. Besonders das Aufkommen der Umsatzsteuer wird in einem festgelegten Schlüssel zwischen Bund und Ländern geteilt, während etwa die Grunderwerbsteuer den Ländern zufließt.

Bedeutung und Funktion der Verkehrsteuern

Fiskalische Bedeutung

Die Verkehrsteuern stellen insbesondere bei der Umsatzsteuer eine maßgebliche Einnahmequelle des Staates dar. Sie machen einen erheblichen Anteil am Gesamtsteueraufkommen aus. Die Erhebung erfolgt regelmäßig unabhängig von den wirtschaftlichen Verhältnissen des Steuerpflichtigen und ist stark an die wirtschaftliche Aktivität gekoppelt.

Lenkungsfunktion

Verkehrsteuern verfolgen im Regelfall keinen besonderen Lenkungszweck, sind also nicht darauf ausgelegt, direkt wirtschaftliche oder gesellschaftliche Entwicklungen zu steuern. Sie können jedoch indirekte Lenkungseffekte entfalten, etwa im Immobilienmarkt durch die Grunderwerbsteuer.

Rechtsgeschichtliche Entwicklung der Verkehrsteuern

Die Verankerung der Verkehrsteuern in der deutschen Steuertradition ist eng mit der Modernisierung des Steuerrechts im 19. und 20. Jahrhundert verbunden. Die Umsatzsteuer wurde in der Weimarer Republik als Allphasensteuer eingeführt und nach dem Zweiten Weltkrieg in ein Mehrwertsteuersystem umgewandelt. Die Grunderwerbsteuer als eigenständige Verkehrssteuer gibt es bereits seit dem 19. Jahrhundert.

Abgrenzungsprobleme und aktuelle Rechtsfragen

Doppelbesteuerung und Steuerwettbewerb

Konflikte entstehen insbesondere an den Schnittstellen zu anderen steuerlichen Normbereichen. Im Bereich der Umsatzsteuer existiert durch die europarechtliche Harmonisierung teilweise eine Überschneidung der Regelungskompetenzen. Die unterschiedlichen Grunderwerbsteuersätze in den Bundesländern führen zu sogenannten „Steuertourismus“-Effekten.

Internationale Aspekte

Verkehrsteuern sind vielfach Gegenstand internationaler Koordinierungs- und Harmonisierungsvorgaben, insbesondere im Bereich der Mehrwertsteuersystemrichtlinie der Europäischen Union.

Literatur und weiterführende Vorschriften

Zum vertiefenden Verständnis bieten sich insbesondere folgende Gesetze und Kommentare an:

  • Umsatzsteuergesetz mit Mehrwertsteuerrichtlinie (EU)
  • Grunderwerbsteuergesetz
  • Versicherungsteuergesetz
  • Kraftfahrzeugsteuergesetz (sowie zurückliegende Gesetzesfassungen)

Zusammenfassung

Verkehrsteuern stellen eine wesentliche Säule des Steuerrechts dar, indem sie gezielt wirtschaftliche und rechtliche Vorgänge erfassen und besteuern. Ihre Detailregelungen finden sich in Einzelgesetzen und unterliegen einer ständigen Fortentwicklung durch Gesetzgebung, Finanzverwaltung und Rechtsprechung. Sie sind sowohl von erheblicher fiskalischer als auch von wirtschaftspolitischer Bedeutung, wobei ihre rechtliche Struktur zahlreiche Besonderheiten aufweist, die im Einzelfall einer eingehenden Prüfung bedürfen.

Häufig gestellte Fragen

Wie erfolgt die Festsetzung der Verkehrsteuer rechtlich?

Die Festsetzung der Verkehrsteuern erfolgt grundsätzlich durch die zuständigen Finanzbehörden auf Basis der gesetzlichen Grundlagen, welche sich insbesondere aus den Einzelsteuergesetzen, wie etwa dem Grunderwerbsteuergesetz, der Umsatzsteuer oder der Versicherungssteuer, ergeben. Nach Eingang einer steuerlich relevanten Anzeige, eines Steuererklärungsformulars oder eines entsprechenden Rechtsvorgangs (wie etwa eines notariellen Kaufvertrages beim Grundstückserwerb), prüft die Behörde die maßgeblichen Tatbestandsvoraussetzungen. Im Rahmen des Veranlagungsverfahrens werden sämtliche rechtlich relevanten Merkmale – wie zum Beispiel Steuerpflicht, Entstehungstatbestand, Bemessungsgrundlage und etwaige Steuerbefreiungen – sorgfältig geprüft. Die Festsetzung erfolgt in der Regel mittels schriftlichem Steuerbescheid, der an den Steuerpflichtigen oder gegebenenfalls dessen Vertreter adressiert wird. Rechtsgrundlage ist § 155 AO für Steuerbescheide. Die Zustellung an die Beteiligten bewirkt dabei den Beginn des Rechtsbehelfszeitraums, innerhalb dessen gegen die Festsetzung Einspruch eingelegt werden kann. Wesentlich ist ferner der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, der die Behörde verpflichtet, Steuern exakt nach dem Gesetz zu erheben.

Welche Rechtsmittel stehen gegen einen Steuerbescheid bei Verkehrsteuern zur Verfügung?

Gegen einen Steuerbescheid im Bereich der Verkehrsteuern hat der Steuerpflichtige das Recht, fristgerecht (meist innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe des Bescheids) Einspruch einzulegen. Dieser ist rechtlich im § 347 der Abgabenordnung (AO) geregelt. Der Einspruch bewirkt eine Überprüfung des gesamten Steuerfalles durch die Finanzbehörde. Dabei kann sowohl zu Gunsten als auch zu Ungunsten des Steuerpflichtigen entschieden werden (Verböserungsverbot gilt nur eingeschränkt). Sollte der Einspruch durch die Behörde zurückgewiesen werden, steht dem Steuerpflichtigen der Rechtsweg zum Finanzgericht offen (§ 40 Finanzgerichtsordnung). Dabei wird im gerichtlichen Verfahren nicht nur die Rechtmäßigkeit der behördlichen Entscheidung, sondern auch die richtige Anwendung des Steuerrechts überprüft. Weitere Rechtsmittel nach Entscheidung des Finanzgerichts sind die Revision zum Bundesfinanzhof und unter bestimmten Voraussetzungen die Beschwerde.

Welche Mitwirkungspflichten bestehen für den Steuerpflichtigen bei Verkehrsteuern?

Gemäß § 90 AO ist der Steuerpflichtige verpflichtet, bei der Ermittlung der steuerlichen Grundlagen mitzuwirken. Das umfasst insbesondere die wahrheitsgemäße und vollständige Angabe von steuerlich relevanten Tatsachen, die Einreichung notwendiger Unterlagen (wie Verträge, Rechnungen oder Nachweise über Befreiungstatbestände) und die Beantwortung von Auskunftsersuchen der Steuerbehörde. Sollte der Steuerpflichtige seinen Mitwirkungspflichten nicht oder nur unzureichend nachkommen, kann die Finanzbehörde nach § 162 AO eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen vornehmen, was oftmals zu steuerlichen Nachteilen für den Verpflichteten führt. In besonderen Fällen, etwa bei internationalen Sachverhalten, können erweiterte Aufklärungs- und Nachweispflichten hinzukommen.

In welchen Fällen sind Verkehrsteuern von der Steuerbefreiung ausgenommen?

Steuerbefreiungen im Bereich der Verkehrsteuern sind grundsätzlich abschließend im jeweiligen Einzelsteuergesetz geregelt. Es gilt dabei der strikte Grundsatz des Gesetzesvorbehalts: Eine Steuerbefreiung oder Steuervergünstigung kann ausschließlich gewährt werden, wenn eine entsprechende gesetzliche Grundlage besteht. Im Bereich der Grunderwerbsteuer etwa sind bestimmte Erwerbsvorgänge, wie der Erwerb eines Grundstücks durch Ehegatten untereinander (§ 3 Nr. 4 GrEStG), steuerbefreit. Andere Verkehrsteuern, wie die Versicherungssteuer, kennen im Gesetz definierte Ausnahmen für bestimmte Vertragsarten. Eine Ausdehnung von Befreiungstatbeständen ist ohne gesetzliche Grundlage im Wege der Auslegung oder analogen Anwendung ausgeschlossen.

Welche Verjährungsfristen gelten bei Verkehrsteuern?

Für Verkehrsteuern gelten die allgemeinen steuerlichen Verjährungsfristen gemäß §§ 169 ff. AO. Die reguläre Festsetzungsfrist beträgt vier Jahre und beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist bzw. die Steuererklärung eingereicht wurde. Bei leichtfertiger Steuerverkürzung verlängert sich diese Frist auf fünf Jahre, bei Steuerhinterziehung sogar auf zehn Jahre. Innerhalb dieser Frist kann die Steuer festgesetzt oder geändert werden. Zudem sind auch die Zahlungsverjährung und spezielle Hemmungs- oder Unterbrechungstatbestände (etwa bei Rechtsbehelfsverfahren) zu berücksichtigen. Das Ende der Verjährung schließt grundsätzlich die Festsetzung oder Änderung der Steuer aus.

Wie erfolgt die rechtliche Haftung Dritter bei Verkehrsteuern?

Die rechtliche Haftung Dritter bei Verkehrsteuern ergibt sich regelmäßig aus spezialgesetzlichen Regelungen, wie etwa § 13 GrEStG (Haftung des Vertragspartners bei der Grunderwerbsteuer), aber auch aus allgemeinen steuerlichen Regelungen der AO (§§ 34, 35 AO – Haftung von Vertretern oder gesetzlichen Erben). Die Haftung kann als Gesamtschuldner (Mehrere sind gemeinsam zur Steuerzahlung verpflichtet) oder als gesetzliche Haftung in Sonderfällen ausgestaltet sein. Im Rahmen von Unternehmensumstrukturierungen, Immobiliengeschäften oder Pflichtverletzungen (z.B. durch Notare, die zur Anzeige bestimmter Vorgänge verpflichtet sind) sieht das Gesetz teils explizite Haftungsregelungen vor. Selbständige Einziehungs- oder Haftungsbescheide sind gegenüber den Betroffenen zu erlassen und können entsprechend mit Rechtsbehelfen angefochten werden.

Welche Besonderheiten gelten für grenzüberschreitende Verkehrsteuervorgänge?

Bei grenzüberschreitenden Verkehrsteuervorgängen, wie der Umsatzsteuer im Binnenmarkt (EU-Auslandslieferungen, Reverse-Charge-Verfahren) oder der Versicherungssteuer bei Auslandspolicen, sind stets die einschlägigen unionsrechtlichen Vorschriften und internationalen Abkommen zu beachten. Das deutsche Steuerrecht verweist hier auf die Mehrwertsteuersystemrichtlinie der EU sowie auf bilaterale oder multilaterale Abkommen, um Doppelbesteuerung und Steuerausfälle zu vermeiden. Insbesondere die Bestimmungen zur Bestimmung des Leistungsortes, des Steuerschuldners und zur Nachweisführung im internationalen Geschäftsverkehr nehmen eine zentrale Rolle ein. Auch Melde- und Dokumentationspflichten sind umfangreich ausgestaltet und können durch nationales oder EU-Recht verschärft werden. Verstöße gegen diese Pflichten werden mit Bußgeldern oder zusätzlichen Steuerfestsetzungen sanktioniert.