Definition und Grundlagen von Verkehrsordnungswidrigkeiten
Verkehrsordnungswidrigkeiten sind Rechtsverstöße, die gegen Vorschriften des Straßenverkehrsrechts verstoßen, jedoch nicht den Rang einer Straftat erreichen. Sie werden durch das Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) in Verbindung mit spezifischen verkehrsrechtlichen Regelungen, insbesondere der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO), der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) und dem Straßenverkehrsgesetz (StVG), geregelt. Verkehrsordnungswidrigkeiten unterscheiden sich von Verkehrsstraftaten, wie beispielsweise Trunkenheit im Verkehr oder Unfallflucht, durch geringeren Unrechtsgehalt und mildere Folgen.
Abgrenzung zu Verkehrsstraftaten
Verkehrsordnungswidrigkeiten zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie im Gegensatz zu Verkehrsstraftaten keine Eintragung im Bundeszentralregister zur Folge haben und überwiegend mit Bußgeldern, Punkten im Fahreignungsregister (FAER, umgangssprachlich „Punkte in Flensburg“) und gegebenenfalls mit Fahrverboten geahndet werden. Verkehrsstraftaten, wie etwa Gefährdung des Straßenverkehrs oder fahrlässige Körperverletzung, ziehen hingegen regelmäßig strafrechtliche Konsequenzen wie Geld- oder Freiheitsstrafe nach sich.
Gesetzliche Regelungen
Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG)
Das Ordnungswidrigkeitengesetz bildet die rechtliche Grundlage für das Verfahren bei Verkehrsordnungswidrigkeiten. Es regelt unter anderem die Feststellung, Ahndung und das Verfahren zur Durchsetzung von Sanktionen bei Ordnungswidrigkeiten. Grundlegend ist hierbei § 1 OWiG, wonach eine Ordnungswidrigkeit eine rechtswidrige und vorwerfbare Handlung ist, die den Tatbestand eines Gesetzes erfüllt, das mit einer Geldbuße bedroht ist.
Straßenverkehrs-Ordnung (StVO)
Die Straßenverkehrs-Ordnung enthält die zentralen Vorschriften zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Straßenverkehr. Die meisten Verkehrsordnungswidrigkeiten werden durch Verstöße gegen die StVO, wie beispielsweise Geschwindigkeitsüberschreitungen, Vorfahrtsverletzungen oder Rotlichtverstöße, begründet.
Straßenverkehrsgesetz (StVG)
Das Straßenverkehrsgesetz regelt weiterführende Rahmenbedingungen, bei denen Zuwiderhandlungen mit Bußgeld oder Fahrverbot geahndet werden können, etwa im Zusammenhang mit der Fahrerlaubnis oder dem Halten eines Fahrzeugs ohne Versicherungsschutz.
Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV)
Die Bußgeldkatalog-Verordnung konkretisiert die Sanktionen bei bestimmten Verkehrsverstößen und legt Regelsätze für die Verhängung von Bußgeldern, Punkten und Fahrverboten fest.
Typen von Verkehrsordnungswidrigkeiten
Bewegungsverstöße
Bewegungsverstöße liegen vor, wenn Verkehrsteilnehmer gegen Vorschriften über das Verhalten im Straßenverkehr verstoßen. Zu den häufigsten Bewegungsverstößen zählen:
- Geschwindigkeitsüberschreitungen
- Überfahren einer roten Ampel (Rotlichtverstoß)
- Missachtung von Vorfahrtsregeln
- Abstandsverstöße
- Überholen trotz Überholverbots
Ruhende Verstöße
Ruhende Verstöße betreffen das Halten und Parken von Fahrzeugen. Typische Beispiele sind:
- Parken im Halteverbot
- Parken auf Geh- und Radwegen
- Missachtung von Parkzeitbeschränkungen
- Unberechtigtes Parken auf Behindertenparkplätzen
Fahrzeugbezogene Verstöße
Hierzu zählen Verstöße, die mit dem technischen Zustand des Fahrzeugs oder den Pflichten des Halters zusammenhängen, zum Beispiel:
- Fahren mit abgelaufener Hauptuntersuchung
- Nicht genehmigte Fahrzeugumbauten
- Mangelnde Sicherung der Ladung
Verfahren bei Verkehrsordnungswidrigkeiten
Feststellung und Ahndung
Die Feststellung von Verkehrsordnungswidrigkeiten erfolgt in der Regel durch Polizeibeamte, Mitarbeiter der Ordnungsbehörden oder durch automatische Überwachungseinrichtungen wie Blitzer. Der Betroffene erhält in einem ersten Schritt regelmäßig einen Anhörungsbogen oder direkt einen Bußgeldbescheid.
Anhörung des Betroffenen
Nach Bekanntwerden eines Tatvorwurfs wird der Betroffene zur Stellungnahme aufgefordert. Die Anhörung dient dem Zweck, dem Beschuldigten Gelegenheit zur Äußerung zu geben, bevor ein Bußgeldbescheid erlassen wird.
Bußgeldbescheid
Mit dem Bußgeldbescheid werden dem Betroffenen die Tat, die festgestellten Verstöße, das verhängte Bußgeld und gegebenenfalls weitere Maßnahmen (z. B. Punkte oder Fahrverbot) mitgeteilt. Der Bußgeldbescheid ist ein förmlicher Verwaltungsakt und beinhaltet Rechtsbehelfsbelehrungen.
Rechtsbehelfe und Einspruch
Gegen den Bußgeldbescheid kann innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung schriftlich oder zur Niederschrift bei der zuständigen Behörde Einspruch eingelegt werden. Nach fristgerechtem Einspruch entscheidet die Verwaltungsbehörde erneut oder gibt das Verfahren an das zuständige Amtsgericht ab, welches dann durch Beschluss oder Hauptverhandlung entscheidet.
Sanktionen und Nebenfolgen
Ordnungswidrigkeitenrechtliche Maßnahmen
Typische Sanktionen sind Geldbußen, deren Höhe sich nach dem Bußgeldkatalog richtet. Darüber hinaus können das Fahreignungsregister mit Punkten und fahrerlaubnisbezogenen Nebenfolgen, insbesondere einem Fahrverbot von bis zu drei Monaten, betroffen sein.
Punkte im Fahreignungsregister
Schwerere Verkehrsordnungswidrigkeiten werden mit Punkten im Fahreignungsregister des Kraftfahrt-Bundesamts in Flensburg registriert. Je nach Schwere des Verstoßes werden 1 bis 3 Punkte eingetragen. Erreicht ein Fahrer die Grenze von 8 Punkten, erfolgt die Entziehung der Fahrerlaubnis.
Fahrverbot
Bei besonders schwerwiegenden Verstößen werden neben Geldbußen auch Fahrverbote von ein bis drei Monaten verhängt. Während dieser Zeit ist das Führen von Kraftfahrzeugen untersagt.
Verjährung von Verkehrsordnungswidrigkeiten
Verfolgungsverjährung
Die Verfolgungsverjährung beträgt bei Verkehrsordnungswidrigkeiten regelmäßig drei Monate nach Beendigung der Tat, sofern keine behördliche Maßnahme zur Unterbrechung der Verjährung erfolgt ist. Nach Erhebung des Bußgeldbescheids verlängert sich die Verjährungsfrist auf sechs Monate.
Vollstreckungsverjährung
Nach Eintritt der Rechtskraft des Bußgeldbescheids beträgt die Frist für die Vollstreckungsverjährung je nach Höhe der Geldbuße zwischen drei und fünf Jahren.
Bedeutung und Ziele der Ahndung
Die Ahndung von Verkehrsordnungswidrigkeiten dient dem Schutz der Allgemeinheit und der Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit. Durch die Sanktionierung von Verkehrsverstößen sollen Verkehrsteilnehmer zur Einhaltung der geltenden Vorschriften angehalten und das Unfallrisiko gesenkt werden.
Quellen:
- Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG)
- Straßenverkehrs-Ordnung (StVO)
- Straßenverkehrsgesetz (StVG)
- Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV)
- Kraftfahrt-Bundesamt (KBA)
Dieser Lexikoneintrag vermittelt einen umfassenden Überblick über das Thema Verkehrsordnungswidrigkeiten und beleuchtet die rechtlichen Grundlagen, Arten, das Verfahren sowie die möglichen Sanktionen im deutschen Rechtssystem.
Häufig gestellte Fragen
Was passiert nach Erhalt eines Anhörungsbogens wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit?
Nach dem Zugang eines Anhörungsbogens ist der Empfänger zunächst verpflichtet, wahrheitsgemäße Angaben zu seiner Person zu machen (§ 111 OWiG). Die eigentliche Tat muss jedoch nicht eingeräumt werden, da niemand verpflichtet ist, sich selbst zu belasten. Im Anhörungsbogen wird mitgeteilt, welche Verkehrsordnungswidrigkeit zur Last gelegt wird und welche Beweismittel vorliegen (z. B. Blitzerfoto, Zeugenaussage). Innerhalb der gesetzten Frist kann der Betroffene Stellung zur Sache nehmen oder schweigen. Die Behörde prüft nach Eingang der Stellungnahme oder nach Ablauf der Frist, ob die Tat nachgewiesen werden kann und erlässt dann entweder einen Bußgeldbescheid oder stellt das Verfahren ein. Die Anhörung bietet dem Betroffenen die Möglichkeit, entlastende Umstände vorzubringen oder einen anderen Fahrer zu benennen, sofern dieser zum Tatzeitpunkt das Fahrzeug geführt hat.
Welche Fristen sind bei Verkehrsordnungswidrigkeiten zu beachten?
Im Zusammenhang mit Verkehrsordnungswidrigkeiten sind insbesondere zwei Fristen relevant: die Verfolgungsverjährung und die Einspruchsfrist gegen den Bußgeldbescheid. Die Verfolgungsverjährung beträgt in den allermeisten Fällen drei Monate ab Tatbegehung (§ 26 Abs. 3 StVG, § 31 Abs. 2 Nr. 4 OWiG), sofern in dieser Zeit kein Bußgeldbescheid erlassen oder eine Anhörung erfolgt ist. Nach Zustellung eines Bußgeldbescheids beträgt die Einspruchsfrist zwei Wochen (§ 67 OWiG). Innerhalb dieser Zeitspanne muss der Einspruch bei der zuständigen Behörde eingegangen sein, andernfalls wird der Bescheid rechtskräftig.
Wann ist ein Fahrverbot nach § 25 StVG möglich, und wie wird dieses vollstreckt?
Ein Fahrverbot kann nach § 25 StVG bei besonders schwerwiegenden Verkehrsordnungswidrigkeiten (z. B. erheblich überhöhte Geschwindigkeit, Alkohol am Steuer, grobe Pflichtverletzungen) angeordnet werden. Die Dauer beträgt mindestens einen Monat und maximal drei Monate. Die Anordnung erfolgt durch Bußgeldbescheid, und die Frist zur Abgabe des Führerscheins beginnt regelmäßig mit Rechtskraft des Bescheides. Bei Ersttätern besteht oft – aber nicht immer – die Möglichkeit, das Fahrverbot innerhalb eines Zeitraums von vier Monaten anzutreten. Wiederholungstätern wird diese Option in der Regel nicht eingeräumt. Während des Fahrverbots befindet sich der Führerschein in amtlicher Verwahrung; das Fahren während des Verbots ist eine Straftat (§ 21 StVG).
Wer trägt im Ordnungswidrigkeitenverfahren die Kosten?
Die Kosten des Verfahrens trägt grundsätzlich der Betroffene, wenn er verurteilt wird. Zu den Kosten zählen neben der Geldbuße die Gebühren und Auslagen des Verfahrens gemäß § 105 OWiG i. V. m. dem Kostenverzeichnis des Gerichtskostengesetzes (GKG). Dazu können auch Sachverständigenkosten – etwa für Messgutachten – kommen. Bei einem erfolgreichen Einspruch oder Freispruch trägt hingegen die Staatskasse die Kosten. Wird das Verfahren eingestellt, können Kosten ebenfalls ganz oder teilweise der Staatskasse auferlegt werden. Bei nur teilweisem Erfolg des Einspruchs findet eine Quotelung der Kosten statt.
Was ist die Bedeutung des Rechtsbehelfs „Einspruch“ gegen den Bußgeldbescheid?
Der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid ist der zentrale Rechtsbehelf bei Verkehrsordnungswidrigkeiten (§ 67 OWiG). Er ermöglicht die vollständige oder teilweise Anfechtung des Bußgeldbescheids. Der Einspruch ist schriftlich oder zur Niederschrift bei der zuständigen Behörde einzulegen. Nach Einlegung des Einspruchs prüft die Behörde, ob sie den Bescheid aufrechterhält, ändert oder zurücknimmt. Wird der Bescheid nicht zurückgenommen, erfolgt Abgabe an das Amtsgericht, das über die Ordnungswidrigkeit letztinstanzlich in einer Hauptverhandlung entscheidet. Die gerichtliche Prüfung erstreckt sich auf alle rechtlichen und tatsächlichen Aspekte der Tat. Ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Amtsgerichts ist nur eingeschränkt (Rechtsbeschwerde) möglich.
Welche Rechte hat der Betroffene im Ordnungswidrigkeitenverfahren?
Der Betroffene hat im Verfahren umfangreiche Rechte: Er darf sich nicht selbst belasten müssen („nemo tenetur“-Grundsatz), kann Akteneinsicht (in der Regel durch einen Anwalt) beantragen, hat das Recht auf rechtliches Gehör und eine faire Behandlung (§§ 46 OWiG, 136 StPO analog). Er kann Beweise benennen, Antrag auf Zeugenvernehmung stellen und sich eines Verteidigers bedienen. Nach Erhalt einer gerichtlichen Ladung ist der Betroffene verpflichtet, persönlich zu erscheinen, außer das Gericht entbindet ihn hiervon. Im gerichtlichen Verfahren gilt der Unmittelbarkeitsgrundsatz, sodass das Gericht alle relevanten Tatsachen neu bewerten kann.
Welche Rolle spielen Messfehler und Fehlerquellen bei Verkehrsordnungswidrigkeiten?
Geschwindigkeits- oder Rotlichtverstöße werden häufig durch technische Messverfahren dokumentiert. Fehler in Messaufbau, Bedienung oder Wartung der Geräte können zu Messfehlern führen und damit Zweifel an der Zuverlässigkeit der Messergebnisse begründen. Der Verteidiger kann Akteneinsicht anfordern und Einsicht in Messdaten, Eichscheine und Wartungsprotokolle verlangen. Werden formelle oder technische Mängel festgestellt, kann ein Beweisverwertungsverbot oder zumindest die Aufhebung des Bußgeldbescheids erreicht werden. Vor Gericht sind derartige Einwände oft entscheidend, wenn es um die Frage der Beweislast und der ordnungsgemäßen Dokumentation geht.