Verkehrsberuhigter Bereich – Definition und rechtlicher Rahmen
Ein verkehrsberuhigter Bereich (im allgemeinen Sprachgebrauch umgangssprachlich auch als „Spielstraße“ bezeichnet) stellt eine besondere Verkehrsfläche innerhalb des öffentlichen Straßenraums dar, auf der spezifische Verkehrsregeln zum Schutz schwächerer Verkehrsteilnehmer und zur Erhöhung der Aufenthaltsqualität gelten. Grundlage der Anordnung und Ausgestaltung eines verkehrsberuhigten Bereichs sind in Deutschland insbesondere die Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) sowie einschlägige technische Regelwerke.
Begriffserklärung und Abgrenzung
Der verkehrsberuhigte Bereich ist nach § 42 Abs. 4a StVO in Verbindung mit dem Verkehrszeichen 325.1 geregelt. Er unterscheidet sich rechtlich und inhaltlich von der Fußgängerzone, in der motorisierte Fahrzeuge grundsätzlich ausgeschlossen sind, sowie von der Tempo-30-Zone, bei der lediglich eine Geschwindigkeitsbegrenzung gilt.
Verkehrszeichen
Der verkehrsberuhigte Bereich wird durch das Verkehrszeichen 325.1 angekündigt und durch das Verkehrszeichen 325.2 beendet. Das Zeichen zeigt stilisiert spielende Kinder, einen Erwachsenen sowie einen Pkw.
Rechtliche Grundlagen des verkehrsberuhigten Bereichs
Gesetzliche Bestimmungen und Anordnung
Straßenverkehrs-Ordnung (StVO)
Nach § 42 Abs. 4a StVO ist ein verkehrsberuhigter Bereich eine durch die zuständige Straßenverkehrsbehörde ausdrücklich eingerichtete Zone, die durch entsprechende Beschilderung gekennzeichnet wird. Die rechtliche Grundlage ergibt sich schwerpunktmäßig aus den nachfolgenden Paragraphen:
- Die Definition und die Rechtsfolgen regeln § 42 StVO sowie die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO).
- Die Anordnung erfolgt gemäß § 45 StVO (Verkehrsraumregelung und Verkehrszeichenanordnung).
- Weitere Regelungen ergeben sich aus den Landesstraßengesetzen und den örtlichen Satzungen.
Voraussetzungen der Einrichtung
Die Einrichtung eines verkehrsberuhigten Bereichs setzt nach der VwV-StVO eine besondere Situation voraus. Dies ist etwa dann gegeben, wenn die Straße überwiegend dem Aufenthaltszweck dient und der Durchgangs- und Anliegerverkehr untergeordnet ist.
Verkehrsvorschriften im verkehrsberuhigten Bereich
Die Verkehrsregeln im verkehrsberuhigten Bereich sind zwingend und gelten für sämtliche Verkehrsteilnehmer:
Schrittgeschwindigkeit
Kraftfahrzeuge dürfen ausschließlich mit Schrittgeschwindigkeit verkehren (§ 42 Abs. 4a StVO). Die Schrittgeschwindigkeit wird in Rechtsprechung und Verwaltungspraxis zumeist mit 4 bis 7 km/h angenommen. Das Überschreiten dieser Geschwindigkeit stellt eine Ordnungswidrigkeit dar und kann gemäß Bußgeldkatalog sanktioniert werden.
Vorrang von Fußgängern
Fußgänger dürfen die gesamte Fahrbahn benutzen. Sie haben gegenüber Fahrzeugen Vorrang. Fahrzeuge müssen jederzeit anhalten, sofern dies erforderlich ist. Auch spielende Kinder genießen Schutz; Fahrzeuge müssen besonders aufmerksam fahren.
Parkregelungen
Das Halten und Parken ist ausschließlich auf dafür ausdrücklich gekennzeichneten Flächen zulässig (§ 42 Abs. 4a StVO). Das Parken auf Gehwegen, Fahrbahnrändern oder außerhalb markierter Plätze ist unzulässig und wird nach § 12 StVO geahndet.
Verhalten von Fußgängern
Fußgänger dürfen den Fahrzeugverkehr nicht unnötig behindern. Dies bedeutet, dass ein gegenseitiges Rücksichtnahmegebot existiert. Verkehrssicheres Verhalten ist ebenso erforderlich wie die Vermeidung von Gefährdungen des Fahrzeugverkehrs.
Sanktionen und Ahndung von Verstößen
Typische Ordnungswidrigkeiten
Typische Verstöße im verkehrsberuhigten Bereich sind insbesondere:
- Überschreiten der Schrittgeschwindigkeit
- Unerlaubtes Parken außerhalb markierter Flächen
- Missachtung des Vorrangs von Fußgängern
- Unnötige Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer
Bußgelder und Punkte
Verstöße werden nach dem bundeseinheitlichen Bußgeldkatalog geahndet. Beispielsweise wird das Überschreiten der Schrittgeschwindigkeit grundsätzlich mit Bußgeld und ggf. zusätzlich mit Punkten im Fahreignungsregister (FAER) bewertet. Zusätzlich können im Falle von Gefährdungen oder Schadensereignissen weitergehende straf- und zivilrechtliche Haftungsfolgen entstehen.
Anforderungen und Gestaltung des verkehrsberuhigten Bereichs
Bauliche Ausgestaltung
Für die bauliche Anordnung sind die Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (RASt), die Empfehlungen für die Anlage von verkehrsberuhigten Bereichen (EFA), die Verwaltungsvorschrift zur StVO sowie lokale Bestimmungen maßgeblich. Typisch ist die niveaugleiche Gestaltung von Fahrbahn, Gehweg und Aufenthaltsflächen.
Elemente typischer Ausgestaltung:
- Pflasterung oder niveaugleiches Design zur optischen Verkehrsberuhigung
- Fahrbahnverengungen, Bepflanzung und Möblierung zur Reduzierung der Fahrgeschwindigkeit
- Deutliche Kennzeichnung von Parkflächen
Verkehrsplanerische Aspekte
Die Einführung eines verkehrsberuhigten Bereichs erfordert in der Praxis eine sorgfältige Planung und Abstimmung mit den örtlichen Gegebenheiten. Entscheidungskriterien sind insbesondere die Bedeutung der Straße, die Verkehrsbelastung sowie das Konfliktpotenzial zwischen den unterschiedlichen Nutzungsformen (Verkehr und Aufenthalt).
Rechtsprechung und Auslegung
Wichtige Urteile
Die Rechtsprechung hat wesentliche Eckpunkte zur Auslegung des Begriffs „Schrittgeschwindigkeit“ gesetzt (zuletzt bestätigt durch das Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 17.07.2017, Az. 9 U 8/16) und zahlreiche Bußgeldentscheidungen zum Verhalten im verkehrsberuhigten Bereich getroffen. Bereits die Missachtung der Verkehrsbeschilderung oder der Vorrangsregeln kann im Haftungsfall zu einer Mitverantwortung führen.
Haftungsfragen
Bei Verkehrsunfällen im verkehrsberuhigten Bereich kommt es regelmäßig zu einer erhöhten Haftungskraftfahrzeugführern gegenüber Fußgängern und Kindern, da die StVO erhöhte Sorgfaltspflichten präzisiert. Minderjährige, insbesondere Kinder, genießen einen besonderen Schutz.
Internationale Vergleiche
Ähnliche Konzepte existieren in anderen Ländern, etwa als „Shared Space“ (Niederlande, Vereinigtes Königreich) oder „Zone résidentielle“ (Frankreich). Die konkrete Ausgestaltung und die Verkehrsregeln unterscheiden sich jedoch im Detail.
Zusammenfassung
Der verkehrsberuhigte Bereich ist ein spezifisch geregelter Abschnitt des öffentlichen Straßenraums mit erhöhtem Schutz für nichtmotorisierte Verkehrsteilnehmer und besonderem Rücksichtnahmegebot für alle Verkehrsteilnehmer. Die rechtlichen Grundlagen umfassen die Anordnungskompetenz durch die Straßenverkehrsbehörde, die verpflichtende Schrittgeschwindigkeit, das eingeschränkte Parken und die Vorrangregelung für Fußgänger. Verstöße werden geahndet und können haftungsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Ziel ist die Erhöhung der Aufenthaltsqualität und Sicherheit im urbanen Raum.
Häufig gestellte Fragen
Welche Geschwindigkeitsbegrenzung gilt im verkehrsberuhigten Bereich?
Im verkehrsberuhigten Bereich, umgangssprachlich oft als „Spielstraße“ bezeichnet, gilt gemäß § 42 Abs. 3 StVO i.V.m. Zeichen 325.1 eine maximale Schrittgeschwindigkeit. Diese ist rechtlich nicht exakt definiert, wird aber in der Rechtsprechung und Verwaltungspraxis mit etwa 4 bis 7 km/h angegeben. Fahrzeuge dürfen also nur so schnell fahren, wie Fußgänger üblicherweise gehen. Überschreitungen dieser Geschwindigkeit werden als Ordnungswidrigkeit geahndet und können Bußgelder sowie Punkte in Flensburg nach sich ziehen. Bei Unfällen kann darüber hinaus eine wichtige haftungsrechtliche Rolle spielen, ob die Schrittgeschwindigkeit eingehalten wurde. Auch Fahrräder und Elektrokleinstfahrzeuge sind von dieser Regelung umfasst und dürfen den Bereich höchstens mit Schrittgeschwindigkeit befahren.
Gibt es im verkehrsberuhigten Bereich eine Vorrangregelung zwischen Fußgängern und Fahrzeugen?
Rechtlich sind im verkehrsberuhigten Bereich Fußgänger gegenüber Fahrzeugen bevorrechtigt. Nach § 42 Abs. 3 StVO ist es Fahrern von Fahrzeugen – hierzu zählen Autos, Fahrräder und andere Fahrzeuge, ausgenommen Krankenfahrstühle – lediglich gestattet, Schrittgeschwindigkeit zu fahren, und sie müssen auf Fußgänger besondere Rücksicht nehmen. Fußgänger dürfen die Straße in ihrer gesamten Breite nutzen und sind nicht auf Gehwege beschränkt. Fahrzeuge müssen jederzeit anhalten können. Beim Zusammentreffen besteht für Fahrzeugführer eine besondere Sorgfaltspflicht, um Gefährdungen oder Behinderungen der Fußgänger auszuschließen.
Wie ist das Parken im verkehrsberuhigten Bereich geregelt?
Das Parken ist im verkehrsberuhigten Bereich nach § 42 Abs. 4 StVO ausschließlich auf entsprechend gekennzeichneten Flächen erlaubt. Ein Halten zum Ein- oder Aussteigen sowie zum Be- oder Entladen ist zwar zulässig, darf aber den übrigen Verkehr, insbesondere den Fußgängerverkehr, nicht behindern. Das Parken außerhalb markierter Flächen – etwa auf Gehwegen oder am Fahrbahnrand – stellt eine Ordnungswidrigkeit dar, die von der Polizei oder dem Ordnungsamt mit einem Bußgeld geahndet werden kann. Wiederholtes oder grob verkehrswidriges Parken kann zu höheren Strafen und im Einzelfall zur Abschleppung des Fahrzeugs führen.
Welche Bedeutung hat das Schild „Verkehrsberuhigter Bereich“ für Radfahrer?
Radfahrer werden im verkehrsberuhigten Bereich rechtlich wie alle anderen Fahrzeugführer behandelt. Dies bedeutet vorrangig, dass sie ebenfalls Schrittgeschwindigkeit einhalten müssen. Darüber hinaus sind sie verpflichtet, besonders auf Fußgänger zu achten und nötigenfalls zu warten beziehungsweise bei Begegnungen Vorrang zu gewähren. Radfahrern ist die Benutzung der gesamten Fahrbahn gestattet, sie dürfen jedoch den Bereich nicht als Fahrradstraße oder Vorrangstraße ansehen. Ebenso ist das Abstellen von Fahrrädern nur auf dafür gestatteten Flächen zulässig, wenn diese ausgewiesen sind.
Welche Konsequenzen drohen bei Verstößen gegen die Verkehrsregeln im verkehrsberuhigten Bereich?
Verstöße gegen die speziellen Regelungen im verkehrsberuhigten Bereich nach § 42 Abs. 3 und 4 StVO werden mit Bußgeldern geahndet. So kostet beispielsweise das Fahren mit überhöhter Geschwindigkeit (über Schrittgeschwindigkeit) mindestens 30 Euro, bei Gefährdung oder Unfall können die Summen und auch die Eintragung von Punkten im Fahreignungsregister steigen. Falsches Parken oder Halten kann je nach Fall mit 10-35 Euro belegt werden, Abschleppkosten sind im Einzelfall möglich. Bei Unfällen aufgrund Missachtung der Fußgängervorrangs oder der Geschwindigkeit kann auch das Zivilrecht (Haftung, Schadenersatz, Schmerzensgeld) eine Rolle spielen. Ferner kann eine Mithaftung bei Unfallereignissen in sonst klaren Verkehrslagen entstehen, falls mit unangemessener Geschwindigkeit gefahren wurde.
Dürfen Lieferfahrzeuge, Einsatzfahrzeuge oder Anwohner im verkehrsberuhigten Bereich anders behandelt werden?
Für Lieferfahrzeuge, Einsatzfahrzeuge und Anwohner bestehen grundsätzlich keine Sonderregelungen bezüglich Geschwindigkeit oder Vorrangs. Auch sie sind an Schrittgeschwindigkeit und die Rücksichtnahmepflicht gegenüber Fußgängern gebunden. Ausnahmen bestehen lediglich für Einsatzfahrzeuge im Rahmen eines dringenden Einsatzes, wobei diese ebenfalls stets die besondere Gefährdungslage zu beachten haben. Lieferverkehr ist ansonsten nur so weit zulässig, wie er den Fußgängerverkehr und das Wohnumfeld nicht über Gebühr beeinträchtigt. Anwohner dürfen ebenfalls nicht schneller fahren oder auf nicht markierten Flächen parken.
Wie endet ein verkehrsberuhigter Bereich und welche rechtlichen Folgen hat dies?
Das Ende eines verkehrsberuhigten Bereichs wird durch das Verkehrszeichen 325.2 angezeigt. Nach Passieren dieses Zeichens gelten wieder die allgemeinen Verkehrsregeln der Straße (zum Beispiel rechte Seite befahren, geltende Höchstgeschwindigkeit laut StVO oder weiterer Beschilderung). Die Vorrangregelung für Fußgänger entfällt, und Park- und Geschwindigkeitsvorschriften richten sich nach den ab dort geltenden Regelungen. Beim Ausfahren aus einem verkehrsberuhigten Bereich besteht die Pflicht zur besonderen Rücksichtnahme; Fahrzeugführer haben gemäß § 10 StVO den einmündenden Verkehr auf der bevorrechtigten Straße durchfahren zu lassen, also eine Wartepflicht einzuhalten.