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Verjährungshemmung


Begriff und Grundlagen der Verjährungshemmung

Die Verjährungshemmung bezeichnet im deutschen Zivilrecht die zeitweilige Unterbrechung oder das Ruhen des Ablaufs der gesetzlichen Verjährungsfrist, innerhalb derer ein Gläubiger einen Anspruch gegenüber dem Schuldner geltend machen kann. Die Regelungen zur Hemmung der Verjährung dienen dazu, Gläubigern in bestimmten Fällen zusätzlichen Schutz zu gewähren und ihnen die Rechtsverfolgung zu ermöglichen, ohne dass Ansprüche wegen Zeitablaufs nicht mehr durchsetzbar werden. Die gesetzlichen Normen hierzu finden sich insbesondere in den §§ 203 bis 209 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).


Überblick zur Verjährung

Die Verjährung ist ein wesentliches Institut des Zivilrechts mit dem Ziel, durch Zeitablauf Rechtssicherheit zu schaffen und mögliche Einschränkungen der Durchsetzbarkeit von Forderungen zu regeln. Nach Eintritt der Verjährung ist der Schuldner berechtigt, die Leistung zu verweigern (sog. Einrede der Verjährung).


Tatbestände und Wirkungen der Verjährungshemmung

Gesetzliche Hemmungstatbestände

Gemäß §§ 203 ff. BGB tritt in bestimmten, im Gesetz abschließend geregelten Fällen eine Hemmung der Verjährung ein. Typische Hemmungstatbestände sind:

1. Verhandlungen (§ 203 BGB)

Befinden sich Gläubiger und Schuldner in ernsthaften Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände, so ist die Verjährung für die Dauer der Verhandlungen gehemmt. Die Hemmung endet drei Monate nach dem Abbruch der Verhandlungen.

2. Höhere Gewalt/Unmöglichkeit der Rechtsverfolgung (§ 206 BGB)

Ist die Rechtsverfolgung infolge höherer Gewalt oder anderer nicht zu vertretender Umstände vorübergehend unmöglich, wird die Verjährung ebenfalls gehemmt.

3. Familiäre und gesetzliche Sonderverhältnisse (§§ 204 ff., 207, 208 BGB)

Weitere Hemmungstatbestände bestehen beispielsweise bei Ansprüchen zwischen Ehegatten, Eltern und Kindern während bestimmter Zeiträume, bei Minderjährigen sowie Betroffenen von Betreuungs- oder Pflegschaften.


Hemmung durch Rechtsverfolgung (§ 204 BGB)

Einer der praktisch bedeutendsten Hemmungstatbestände ist die Hemmung der Verjährung durch die Rechtsverfolgung. Sie tritt insbesondere dann ein, wenn der Gläubiger seinen Anspruch gerichtlich geltend macht. Typische Maßnahmen, die zur Hemmung führen, sind:

  • Erhebung einer Klage
  • Beantragung eines Mahnbescheids
  • Zustellung der Streitverkündung
  • Anmeldung eines Anspruchs im Insolvenzverfahren
  • Zustellung eines Arrest- oder einstweiligen Verfügungsantrags

Die Hemmung tritt ab Einreichung bzw. Zustellung der jeweiligen Verfahrenshandlung ein und wirkt bis zur rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des Verfahrens fort, zuzüglich einer Nachwirkungsfrist von sechs Monaten nach Abschluss des Verfahrens.


Weitere gesetzliche Hemmungstatbestände

  • Durch Anmeldung zur Gütestelle nach § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB
  • Bei Schlichtungs- und Mediationsverfahren
  • Im Rahmen von vollstreckbaren Vergleichen oder Anerkenntnisurteilen

Wirkungen der Verjährungshemmung

Zeitraum der Hemmung

Während der Hemmung ist der Schutzzweck der Verjährung ausgesetzt: Der Ablauf der Verjährungsfrist ruht, d.h., der Zeitraum der Hemmung wird nicht auf die Verjährungsfrist angerechnet. Die Frist läuft nach Ende der Hemmung weiter und verlängert sich entsprechend.

Beginn und Ende der Hemmung

Die Hemmung beginnt mit Eintritt der im Gesetz bestimmten Hemmungsgründe und endet mit deren Wegfall. So läuft bei Verhandlungen beispielsweise die Verjährungsfrist nach drei Monaten ab deren Ende weiter.


Verhältnis zu anderen instituten: Unterbrechung und Neubeginn

Im Gegensatz zur Hemmung bewirkt die Unterbrechung der Verjährung (heute: „Neubeginn“ nach § 212 BGB) nicht nur eine Pause im Fristenlauf, sondern setzt die Verjährungsfrist insgesamt neu in Gang. Neubeginn tritt insbesondere durch Anerkenntnis des Schuldners oder bestimmte Vollstreckungshandlungen ein. Die Hemmung hingegen verlängert nur die Gesamtdauer bis zum Ablauf der Verjährungsfrist.


Praktische Bedeutung und Anwendungsbereich

Die Verjährungshemmung ist von erheblicher praktischer Bedeutung für die Geltendmachung und Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche. Gläubiger sind häufig nach Eintritt eines Anspruchs auf Fristverlängerung angewiesen, etwa, wenn Verhandlungen laufen, Beweissicherung betrieben werden muss oder ein Anspruch bei Gericht anhängig gemacht wird. Im täglichen Rechtsverkehr ist es daher wichtig, die einschlägigen Hemmungstatbestände zu beachten, um Rechtsverluste durch Fristversäumnis zu vermeiden.


Exemplarische Hemmungsfälle

  • Ein Anspruch aus einem Kaufvertrag wird im Rahmen eines Mediationsverfahrens verhandelt.
  • Ein Versicherungsnehmer reicht innerhalb der Verjährungsfrist Klage gegen den Versicherer ein, sodass die Verjährung gehemmt wird.
  • Die Geltendmachung von Ansprüchen ist infolge einer Naturkatastrophe (höhere Gewalt) zeitweise nicht möglich.

Internationale Aspekte

Während die Verjährungshemmung innerhalb des deutschen Zivilrechts detailliert geregelt ist, finden sich in anderen Rechtsordnungen vergleichbare Regelungen, wenn auch unter anderen Bezeichnungen und mit abweichender Wirkungsweise. Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten kommt der Kollision verschiedener nationaler Regelungen Bedeutung zu, weshalb internationale Konventionen wie das UN-Kaufrecht (CISG) oder EU-Verordnungen zu berücksichtigen sind.


Literatur und Quellenhinweise

  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), §§ 194 ff., insb. §§ 203-209
  • Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, aktuelle Auflage
  • Münchener Kommentar zum BGB, aktuelle Auflage

Zusammenfassung

Die Verjährungshemmung ist ein zentraler Bestandteil des deutschen Zivilrechts zur Flexibilisierung und Verlängerung von Verjährungsfristen unter bestimmten, gesetzlich normierten Voraussetzungen. Sie ermöglicht eine effektive Rechtsdurchsetzung und wahrt zugleich das Prinzip der Rechtssicherheit. Übersicht und sorgsame Anwendung der Hemmungstatbestände sind für die Wahrung und Verfolgung von Ansprüchen von zentraler Bedeutung.

Häufig gestellte Fragen

Was bewirkt die Verjährungshemmung im rechtlichen Kontext?

Die Verjährungshemmung hat zur Folge, dass der Ablauf der Verjährungsfrist für eine bestimmte Zeit unterbrochen oder gehemmt wird. Dies bedeutet, dass die Zeit, in der ein Anspruch verjähren könnte, für einen bestimmten Zeitraum nicht weiterläuft. Die Hemmung des Ablaufs ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) insbesondere in den §§ 203 bis 209 geregelt. Während der Hemmung können die Ansprüche nicht verjähren, sodass der Gläubiger mehr Zeit hat, seine Ansprüche durchzusetzen. Nach Wegfall des hemmenden Ereignisses läuft die Verjährungsfrist weiter, wobei die bereits vor Eintritt der Hemmung abgelaufene Zeit angerechnet wird. Verjährungshemmende Umstände können zum Beispiel laufende Verhandlungen, höhere Gewalt oder das Einreichen einer Klage sein.

Wann beginnt und endet die Verjährungshemmung?

Der Zeitpunkt, ab dem die Verjährungshemmung einsetzt, hängt vom jeweiligen hemmenden Tatbestand ab. Beispielsweise beginnt die Hemmung bei Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände mit deren Aufnahme (§ 203 BGB). Die Hemmung endet, sobald die Verhandlungen beendet sind, also wenn eine Partei die Fortsetzung verweigert oder endgültig abbricht; die Parteien müssen darüber nicht einvernehmlich sein. Auch bei einer Klageeinreichung wird die Verjährung ab dem Zeitpunkt der Klageerhebung gehemmt und dauert bis zur rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des Verfahrens (§ 204 BGB).

Welche rechtlichen Handlungen führen zu einer Hemmung der Verjährung?

Verschiedene rechtliche Handlungen können eine Hemmung der Verjährung bewirken. Dazu zählt insbesondere die Aufnahme von ernsthaften Verhandlungen zwischen Gläubiger und Schuldner über den Anspruch (§ 203 BGB), die Zustellung der Klage oder eines gerichtlichen Mahnbescheids (§ 204 BGB), die Anmeldung des Anspruchs im Insolvenzverfahren, die Einleitung von Beweissicherungsverfahren sowie bestimmte Vollstreckungsmaßnahmen. Außerdem lösen auch die Erhebung einer Widerklage und Schlichtungs- oder Schiedsverfahren grundsätzlich eine Hemmung aus. Entscheidend ist dabei jeweils, dass die Handlung auf die Geltendmachung des konkret betroffenen Anspruchs gerichtet ist.

Gibt es Fristen, die trotz Hemmung weiterlaufen?

Die Verjährungshemmung stoppt ausschließlich den Lauf der Verjährungsfrist, nicht jedoch andere Fristen, die außerhalb des Verjährungsrechts bestehen. So können beispielsweise prozessuale Fristen wie Gerichtstermine, Fristen zur Einlegung von Rechtsmitteln oder zur Vorlage von Unterlagen durch die Hemmung der Verjährung nicht beeinflusst werden. Zuständige Stellen müssen daher stets genauer prüfen, auf welche Fristen sich die Hemmungswirkung tatsächlich erstreckt. Gesetzliche Ausschlussfristen können, soweit sie nicht explizit unter das Regime der Hemmung fallen, unbeeinträchtigt ablaufen.

Was geschieht nach dem Ende der Verjährungshemmung?

Nach dem Ende der Verjährungshemmung wird der Ablauf der Verjährungsfrist fortgesetzt, wobei die bereits vor Eintritt der Hemmung verstrichene Zeit berücksichtigt wird. Es beginnt also nicht von Neuem zu laufen, sondern die Hemmung unterbricht die Frist lediglich temporär. Bei fortbestehenden Ansprüchen ist somit genau zu ermitteln, welche Zeitabschnitte bereits aufgebraucht sind und welcher Zeitraum nach Beendigung der hemmenden Umstände noch zur Verfügung steht. Eine Besonderheit gilt, wenn nach der Hemmung nur noch weniger als sechs Monate der Frist verbleiben: Dann verlängert sich die Frist auf sechs Monate (§ 203 Satz 2 BGB).

Welchen Unterschied gibt es zwischen Verjährungshemmung und Verjährungsunterbrechung?

Im geltenden deutschen Recht wird zwischen Hemmung und Unterbrechung nicht mehr systematisch unterschieden, da der Gesetzgeber mit der Schuldrechtsreform 2002 die Unterbrechung abgeschafft hat und durch die Hemmung ersetzt wurde. Früher bedeutete Unterbrechung, dass die Verjährungsfrist nach Beendigung des Unterbrechungsgrundes komplett von vorn begann, während bei der Hemmung die bereits vergangene Zeit erhalten blieb. Heute ist nur noch die Hemmung vorgesehen, sodass nach deren Beendigung die Restlaufzeit der ursprünglichen Verjährungsfrist genügt.

Gibt es Ausschlussgründe für die Verjährungshemmung?

Ja, es existieren bestimmte Umstände, unter welchen die Verjährungshemmung nicht eintritt. Dazu zählt, dass nicht jede Handlung des Gläubigers oder Schuldners automatisch als Verjährungshemmung gewertet werden kann, sondern die Handlung im Sinne der gesetzlichen Regelungen eindeutig auf die Geltendmachung oder Wahrung des Anspruchs gerichtet sein muss. Ferner finden einige hemmbare Tatbestände wie schwebende Verhandlungen keine Anwendung bei gesetzlichen Ausschlussfristen (eine spezielle Form absoluter Fristen), die unabänderlich laufen und durch keine Handlung gehemmt werden können. Auch strafrechtliche oder öffentlich-rechtliche Verjährungsregelungen können im Einzelfall spezielle Vorgaben enthalten, die eine Hemmung ausschließen.