Definition und Bedeutung der Verjährungsfrist
Die Verjährungsfrist bezeichnet im Rechtssystem den Zeitraum, nach dessen Ablauf ein Anspruch rechtlich nicht mehr durchgesetzt werden kann. Die Verjährung bewirkt, dass Schuldner die Leistung verweigern können, ohne dass der Gläubiger einen Anspruch auf gerichtliche Durchsetzung hat. Hauptziel der Verjährung ist die Schaffung von Rechtssicherheit und Rechtsfrieden durch die Begrenzung der Zeit, in der ein Anspruch geltend gemacht werden kann.
Verjährungsvorschriften finden sich im deutschen Recht insbesondere im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), aber auch in zahlreichen weiteren Gesetzen, die Sonderregelungen für bestimmte Anspruchsarten enthalten.
Allgemeine Grundsätze der Verjährung
Beginn der Verjährungsfrist
Maßgeblich für den Beginn der Verjährungsfrist ist in der Regel der Zeitpunkt, zu dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen sowie der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen (§ 199 BGB). Bei sogenannten Leistungsansprüchen beginnt die Frist häufig mit dem Schluss des Jahres, in dem beide Voraussetzungen vorliegen (Jahresendregelung).
Regelmäßige Verjährungsfrist
Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt gemäß § 195 BGB drei Jahre. Sie gilt grundsätzlich für Ansprüche, für die keine andere spezielle Verjährungsvorschrift gilt, beispielsweise Zahlungsansprüche aus Kauf- oder Dienstleistungsverträgen.
Berechnung der regelmäßigen Verjährung
Die dreijährige Frist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entsteht und der Gläubiger Kenntnis erlangt. Beispiel: Entsteht ein Anspruch am 15. April 2022 und erlangt der Gläubiger noch im Jahr 2022 Kenntnis, beginnt die Verjährung am 31. Dezember 2022 und endet mit Ablauf des 31. Dezember 2025.
Sonderverjährungsfristen
Neben der regelmäßigen Verjährungsfrist existieren zahlreiche abweichende Verjährungsfristen, die sich aus besonderen gesetzlichen Vorschriften ergeben. Zu den wichtigsten Sonderfristen zählen:
Kurze Verjährungsfristen
Einige Ansprüche, insbesondere aus Miet-, Pacht- oder Werkverträgen, unterliegen kürzeren oder durch Vertragsbedingungen modifizierbaren Verjährungsfristen. Beispielsweise beträgt die Verjährung für Mängelansprüche bei beweglichen Sachen im Kaufrecht zwei Jahre (§ 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB).
Längere Verjährungsfristen
Für einige Sachverhalte sieht das Gesetz längere Verjährungsfristen vor. Zu den wichtigsten gehören:
- Zehnjährige Frist: Ansprüche, die sich auf Eigentum oder sonstige dingliche Rechte an einem Grundstück beziehen (§ 196 BGB).
- Dreißigjährige Frist: Speziell für bestimmte Ansprüche, wie die Herausgabe aus Eigentum, familien- und erbrechtliche Ansprüche (§ 197 BGB), Rückzahlungsansprüche aus rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidungen oder Schadensersatzansprüche wegen vorsätzlicher Körperverletzung.
Hemmung, Neubeginn und Unterbrechung der Verjährungsfrist
Hemmung der Verjährung
Durch die sogenannte Hemmung wird die Verjährungsfrist für eine bestimmte Zeitspanne „angehalten“. Die Hemmungsgründe sind in § 203 ff. BGB geregelt, insbesondere:
- Verhandlungen zwischen Gläubiger und Schuldner (§ 203 BGB)
- Höhere Gewalt (z. B. gerichtliche Verfolgung derzeit unmöglich)
- Rechtshängigkeit eines Anspruchs (z. B. Klageerhebung, Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids, § 204 BGB)
Nach Wegfall des Hemmungsgrundes läuft die Verjährungsfrist weiter.
Neubeginn der Verjährung
Ein Neubeginn der Verjährung tritt nach § 212 BGB insbesondere ein, wenn der Schuldner den Anspruch durch Anerkenntnis bestätigt oder es zu einer gerichtlichen oder behördlichen Vollstreckungshandlung kommt. Mit dem Neubeginn startet die Verjährungsfrist erneut in voller Länge.
Unterbrechung der Verjährung
Das Institut der „Unterbrechung“ wurde mit der Schuldrechtsmodernisierung im Jahr 2002 weitgehend durch die Regelungen zu Hemmung und Neubeginn abgelöst. Frühere Unterbrechungsgründe sind heute als Hemmungs- oder Neubeginnstatbestände geregelt.
Rechtsfolgen der Verjährung
Nach Ablauf der Verjährungsfrist wird der Anspruch zwar nicht automatisch erloschen, er ist jedoch rechtlich „durchsetzbarkeitsgehemmt“. Der Schuldner ist berechtigt, die Erfüllung zu verweigern (§ 214 BGB). Leistet der Schuldner dennoch, kann er das Geleistete in der Regel nicht zurückfordern, da die Leistung trotz Verjährung wirksam erbracht werden kann.
Eine Ausnahme stellen bestimmte Rückforderungs- oder Anfechtungstatbestände dar, bei denen auch nach Verjährung eine Rückabwicklung möglich ist.
Besondere Verjährungsvorschriften und Beispiele
Verjährung im Kaufrecht
Mängelansprüche beim Kauf neuer Sachen verjähren in der Regel nach zwei Jahren ab Ablieferung (§ 438 BGB). Für Bauwerke gilt eine Verjährung der Mängelansprüche von fünf Jahren.
Verjährung im Arbeitsrecht
Ansprüche auf Zahlung von Arbeitslohn unterliegen in der Regel der Verjährung in drei Jahren. Allerdings finden in Tarifverträgen häufig Ausschlussfristen mit kürzeren Geltendmachungsfristen Anwendung.
Verjährung im Strafrecht
Das Strafrecht kennt ebenfalls Verjährungsfristen, die sogenannte Strafverfolgungsverjährung (§ 78 StGB). Hier richten sich die Fristen nach der jeweils angedrohten Höchststrafe und betragen zwischen drei Jahren und dreißig Jahren. Mit Ablauf der Verjährungsfrist erlischt das Recht, eine Straftat zu verfolgen.
Bedeutung der Verjährungsfrist für die Rechtsordnung
Durch die klare Abgrenzung der Zeiträume, innerhalb derer Ansprüche durchgesetzt werden können, sorgt die Verjährungsfrist sowohl im Zivilrecht als auch im Straf- und öffentlichen Recht für Planungssicherheit. Sie dient dem Schutz des Schuldners vor der Inanspruchnahme aus „uralten“ Ansprüchen und berücksichtigt, dass mit fortschreitender Zeit die Beweisführung erschwert wird.
Literaturhinweise und Nachweise
- Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), insbesondere §§ 194 ff.
- Zivilprozessordnung (ZPO)
- Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche (EGBGB)
- Strafgesetzbuch (StGB)
- Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentierung zu § 194 ff.
- Münchener Kommentar zum BGB, §§ 194 ff. BGB
Hinweis: Dieser Artikel gibt einen Überblick über gesetzliche Regelungen rund um die Verjährungsfrist und verweist auf einschlägige Paragraphen. Für Rechtsanwendung im Einzelfall empfiehlt sich stets individuelle Prüfung der jeweiligen Sach- und Rechtslage.
Häufig gestellte Fragen
Wann beginnt die Verjährungsfrist im rechtlichen Sinne zu laufen?
Die Verjährungsfrist beginnt in der Regel mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen sowie der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen (§ 199 Abs. 1 BGB). Allerdings gibt es Ausnahmen, insbesondere im Bereich der sogenannten Höchstfristen und bei besonderen Anspruchsarten, wie etwa im Kaufrecht (§ 438 BGB) oder Werkvertragsrecht (§ 634a BGB), wo der Fristbeginn abweichend gesetzlich bestimmt ist – etwa mit Ablieferung der Kaufsache oder Abnahme des Werkes. Ferner gibt es Fälle, in denen die Verjährung erst mit der Fälligkeit des Anspruchs oder durch ein besonderes Ereignis (z.B. Beendigung eines laufenden Mietverhältnisses) ausgelöst wird. Der genaue Zeitpunkt des Verjährungsbeginns ist also stets unter Berücksichtigung des jeweiligen Anspruchstyps und der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften zu beurteilen.
Welche Ansprüche unterliegen besonderen Verjährungsfristen?
Neben der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB) gibt es im deutschen Recht eine Vielzahl von Sonderregelungen, die für bestimmte Ansprüche gesonderte Fristen vorsehen. Beispielsweise verjähren Gewährleistungsansprüche beim Kauf von beweglichen Sachen in zwei Jahren ab Ablieferung (§ 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB), bei Bauwerken und Mangeln an Bauwerken in fünf Jahren (§ 438 Abs. 1 Nr. 2 BGB, § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB). Ersatzansprüche aus unerlaubter Handlung sowie Herausgabeansprüche aus Eigentum besitzen ebenfalls spezifische Fristen – so gilt beispielsweise für Schadensersatz aus unerlaubter Handlung nach § 199 BGB eine Frist von drei Jahren ab Kenntnis, spätestens aber zehn Jahre nach dem schädigenden Ereignis. Im Steuerrecht, Wettbewerbsrecht, Arbeitsrecht und weiteren Rechtsgebieten finden sich ebenfalls spezielle Regelungen, die dem Zweck des jeweiligen Rechtsgebietes Rechnung tragen.
Was passiert, wenn die Verjährung eingetreten ist?
Ist die Verjährungsfrist abgelaufen, wird der Anspruch nicht mehr durchsetzbar – der sogenannte Anspruch ist „verjährt“. Das bedeutet, dass der Schuldner berechtigt ist, die sogenannte „Einrede der Verjährung“ geltend zu machen (§ 214 Abs. 1 BGB). Wird diese Einrede erhoben, kann der Gläubiger seinen Anspruch zwar weiterhin rechtlich geltend machen, die Gerichte sind aber verpflichtet, die Klage abzuweisen, sofern der Schuldner sich auf die Verjährung beruft. Es handelt sich um eine materiellrechtliche Einwendungsbefugnis des Schuldners. Die Forderung besteht jedoch weiterhin als „Naturobligation“, sie wird jedoch nicht mehr vollstreckbar. Freiwillige Leistungen des Schuldners trotz Verjährung können in der Regel nicht zurückgefordert werden (§ 214 Abs. 2 BGB).
Wie kann die Verjährungsfrist gehemmt oder unterbrochen werden?
Die Verjährung kann durch verschiedene Ereignisse gehemmt oder unterbrochen werden. Eine Hemmung bewirkt, dass der Ablauf der Verjährungsfrist für die Dauer der Hemmung stillsteht, die bereits verstrichene Zeit jedoch bestehen bleibt (§ 209 BGB). Typische Hemmungsgründe sind Verhandlungen zwischen den Parteien über den Anspruch (§ 203 BGB), höhere Gewalt (wie z. B. Naturkatastrophen, § 206 BGB), das schwebende Verfahren im Rahmen einer rechtlichen Geltendmachung (z. B. Klageerhebung, § 204 BGB) oder die Anmeldung eines Anspruchs im Insolvenzverfahren. Die Hemmung endet, sobald der Hemmungsgrund entfallen ist. Wird eine Hemmung durch Klageerhebung oder ähnliche Maßnahmen (Rechtsverfolgung) ausgelöst, so beginnt nach Beendigung der entsprechenden Maßnahme eine neue Frist von mindestens sechs Monaten (§ 204 Abs. 2 BGB). Früher unterschied das Gesetz auch zwischen Hemmung und Unterbrechung, heute beruht das Verjährungsrecht ausschließlich auf dem Hemmungsbegriff.
Gibt es Fälle, in denen die Verjährungsfrist verlängert oder verkürzt werden kann?
Die gesetzlichen Verjährungsfristen können grundsätzlich durch Parteivereinbarung angepasst werden, soweit nicht zwingende gesetzliche Vorschriften entgegenstehen. Im unternehmerischen Geschäftsverkehr ist eine Abweichung von der gesetzlichen Regelung zum Teil zulässig, im Verbraucherschutz jedoch stark eingeschränkt. Nach § 202 Abs. 1 BGB kann die Verjährung durch Rechtsgeschäft höchstens auf 30 Jahre verlängert werden; eine vertragliche Verkürzung der Verjährungsfrist ist bei bestimmten Ansprüchen zulässig, darf jedoch im Falle von Verbraucherverträgen die Schutzvorschriften des § 309 Nr. 7 und 8 BGB nicht umgehen, insbesondere wenn sie die Rechte bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Schädigung einschränken. Im Arbeitsrecht sind tarifvertraglich abweichende Fristen häufig. Die Vereinbarung einer völlig abweichenden Frist unterliegt aber im Einzelfall der richterlichen Kontrolle gem. §§ 305 ff. BGB.
Welchen Einfluss hat ein gerichtliches Mahnverfahren auf die Verjährungsfrist?
Die Einleitung eines gerichtlichen Mahnverfahrens ist eine häufig genutzte Möglichkeit, um die Verjährung zu hemmen. Mit Eingang des Mahnantrags bei Gericht wird die Verjährungsfrist gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB gehemmt. Die Hemmung gilt jedoch nur dann fort, wenn der Gläubiger das Mahnverfahren ordnungsgemäß betreibt. Nach Zustellung des Mahnbescheids muss bei Widerspruch des Schuldners innerhalb einer bestimmten Frist Klage auf den streitigen Anspruch erhoben werden, ansonsten tritt die Hemmung wieder außer Kraft. Wird das Verfahren nicht fortgeführt, kann es zum Fristablauf und damit zur Verjährung kommen. Die Auswirkungen einer Hemmung durch das Mahnverfahren sind insbesondere für Gläubiger von Bedeutung, um kurzfristig und effektiv die Durchsetzbarkeit ihrer Ansprüche zu sichern.
Inwieweit hat die Kenntnis oder Unkenntnis des Gläubigers Auswirkungen auf die Verjährung?
Die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Gläubigers von dem Anspruch und vom Schuldner ist hinsichtlich des Beginns der regelmäßigen Verjährungsfrist zentral. Grundsätzlich beginnt die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Gläubiger Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners erlangt hat (§ 199 Abs. 1 BGB). Liegt grobe Fahrlässigkeit vor, wird die Unkenntnis dem Gläubiger zugerechnet. Bei vollständiger Unkenntnis (und keiner groben Fahrlässigkeit) verschiebt sich der Lauf der Verjährung entsprechend nach hinten. Es existieren jedoch absolute Höchstfristen, nach deren Ablauf der Anspruch selbst ohne Kenntnis spätestens nicht mehr durchgesetzt werden kann (z. B. zehn Jahre bei Schadensersatzansprüchen wegen unerlaubter Handlung oder dreißig Jahre bei bestimmten Herausgabeansprüchen).