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Vergleich, Vergleichsbehörde in Privatklagesachen


Vergleich, Vergleichsbehörde in Privatklagesachen

Der Begriff Vergleich sowie die Vergleichsbehörde in Privatklagesachen haben im deutschen Rechtssystem einen besonderen Stellenwert. Sie beziehen sich auf außergerichtliche und gerichtliche Möglichkeiten der Streitbeilegung vor allem im Rahmen der Privatklage. Privatklageverfahren und das Instrument des Vergleichs dienen sowohl einer Entlastung der Gerichte als auch einer einvernehmlichen Klärung der Rechtsverhältnisse zwischen den Parteien. Dieser Artikel beleuchtet den Vergleich und die Rolle der Vergleichsbehörde in Privatklagesachen umfassend unter dogmatischen, verfahrensrechtlichen und funktionalen Gesichtspunkten.


Definition und Bedeutung des Vergleichs

Allgemeine Darstellung des Vergleichs

Ein Vergleich ist eine vertragliche Einigung zwischen Parteien zur Beilegung eines Streits oder Rechtsunsicherheit durch gegenseitiges Nachgeben. Im deutschen Recht ist der Vergleich in § 779 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) geregelt. Er liegt vor, wenn die Parteien durch gegenseitiges Nachgeben einen Streit durch Vertrag aus der Welt schaffen oder eine ungewisse Rechtslage klären.

Typisch ist hierbei, dass jede Partei von ihrer ursprünglich vertretenen Rechtsposition abrückt, um im Gegenzug einen sicheren und endgültigen Zustand zu erreichen. Der Vergleich kann sowohl außergerichtlich als auch im Rahmen von Gerichtsverfahren geschlossen werden.

Rechtswirkungen des Vergleichs

Das Zustandekommen eines Vergleichs bewirkt, dass die betroffene Streitigkeit erledigt ist. Mit Abschluss des Vergleichs entfällt das Prozessinteresse, ein darauf gerichtetes Klageverfahren wird in der Regel für erledigt erklärt oder eingestellt. Der Vergleich ist rechtlich bindend und schließt grundsätzlich einen weiteren Rechtsstreit über denselben Streitgegenstand aus (sog. Einigungswirkung). Auch ist ein Vergleich vollstreckbar, sofern er vor einer zur Vollstreckung befugten Stelle geschlossen worden ist oder der Titel entsprechend ausgestaltet wurde.


Privatklage und Aufgaben der Vergleichsbehörde

Begriff der Privatklage und Abgrenzung

Die Privatklage ist ein besonderer Weg der Strafverfolgung, bei dem nicht die Ermittlungsbehörden, sondern die geschädigte Privatperson selbst die Verfolgung bestimmter Straftaten betreiben kann (§§ 374 ff. StPO). Typische Privatklagedelikte sind zum Beispiel Beleidigung (§ 185 StGB), Hausfriedensbruch (§ 123 StGB) und Körperverletzung (§ 223 StGB), sofern keine öffentlichen Interessen am Einschreiten der Staatsanwaltschaft bestehen.

Notwendigkeit der Verfahrenseinleitung

Bevor eine Privatklage erhoben werden darf, ist gemäß § 380 Abs. 1 StPO ein Sühneversuch erforderlich. Dies soll es den Parteien ermöglichen, eine einvernehmliche Lösung anzustreben und Gerichte von Bagatellsachen zu entlasten. Die vorrangige Rolle kommt in diesem Verfahren der Vergleichsbehörde zu.


Die Vergleichsbehörde in Privatklagesachen

Rechtsgrundlagen und Funktion

Die Vergleichsbehörde ist gesetzlich nach §§ 380 ff. StPO vorgesehen. Ihre Hauptfunktion besteht darin, einen Schlichtungsversuch in bestimmten strafrechtlichen Streitigkeiten (insbesondere bei Privatklagedelikten) durchzuführen. Zentrale Rechtsgrundlagen:

  • § 380 StPO: Vor Erhebung der Privatklage ist grundsätzlich ein Sühneversuch vor einer Vergleichsbehörde zu unternehmen.
  • § 382 StPO: Regelt die Zuständigkeit der Vergleichsbehörde.

Ausschlaggebend ist die Dezentralisierung privater Rechtskonflikte und eine gerichtsentlastende Beilegung minder schwerer Delikte.

Zuständigkeit und Besetzung

Vergleichsbehörden sind meist eigens eingerichtete Gremien bei den Gemeinden. In manchen Bundesländern wurden Aufgaben und Kompetenzen auch auf Friedensrichter oder Schiedspersonen übertragen. Die konkrete Besetzung und örtliche Zuständigkeit richten sich nach Landesrecht.

Die Vergleichsbehörde besteht i.d.R. aus einer unparteiischen Sitzungsleitung (z.B. Friedensrichter, Schiedsperson, Schiedsmann/-frau), welche die Parteien zu einer Einigung anhalten soll. Der Ablauf orientiert sich an den Vorgaben des jeweiligen Schlichtungsrechts der Länder.

Verfahren vor der Vergleichsbehörde

Der Ablauf erfolgt typischerweise wie folgt:

  1. Antragstellung: Die geschädigte Partei beantragt einen Sühneversuch bei der zuständigen Vergleichsbehörde.
  2. Ladung der Parteien: Die Beteiligten werden zu einer mündlichen Verhandlung geladen.
  3. Schlichtungsgespräch: Moderierte Verhandlung, in der Einigungsmöglichkeiten ausgelotet werden.
  4. Abschluss eines Vergleichs: Kommt eine Einigung zustande, erfolgt der Abschluss eines Vergleichs, welcher von der Behörde protokolliert wird.
  5. Ergebnis: Wird keine Einigung erzielt, erhält der Kläger hierüber eine Bescheinigung („Sühnebescheinigung“), welche für die Zulässigkeit einer anschließenden Privatklage erforderlich ist.

Rechtswirkung und Bedeutung des vor der Vergleichsbehörde geschlossenen Vergleichs

Der vor der Vergleichsbehörde geschlossene Vergleich ist bindend und zivilrechtlich wie ein außergerichtlicher Vergleich zu behandeln. Oft wird dieser Vergleich auch vollstreckbar ausgestaltet, sofern die Rechtsgrundlage eine solche Befugnis vorsieht (z.B. §§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Kommt keine Einigung zustande, dient die Verhandlung dennoch der Prozessökonomie, da sie einzelfallbezogen Streitpunkte klärt und das folgende Verfahren vor dem Strafgericht auf das Nötigste konzentrieren kann.


Abgrenzung zu weiteren Schlichtungsverfahren

Vergleichsbehörden im Unterschied zu anderen Einrichtungen

Vergleichsbehörden sind rechtlich von anderen Schlichtungsstellen zu unterscheiden. Sie sind originär darauf ausgerichtet, Privatklagesachen vor Gericht zu vermeiden und beziehen sich auf einen genau umgrenzten Deliktskatalog. Andere Verfahren wie Mediation, Gütestellen oder Schiedsstellen im Zivilrecht betreffen regelmäßig weitergehende oder andere Rechtsbereiche.


Bedeutung in der Praxis

Prozessökonomische Funktion

Die Durchführung eines Sühneversuchs bei der Vergleichsbehörde ist nach deutschem Strafprozessrecht für die Erhebung der allermeisten Privatklagesachen zwingend vorgeschrieben. Nur in Ausnahmefällen (etwa bei erfolglosem Versuch, Nichterscheinen des Antragsgegners oder bei Verurteilung im Strafverfahren) kann hiervon abgesehen werden. Statistisch führt dieses Verfahren in einer großen Zahl der Fälle zur Erledigung vorgerichtlicher Streitigkeiten und somit zu einer Entlastung der Strafgerichte.

Rechtsfolge bei Fehlen eines Sühneversuchs

Wird trotz gesetzlicher Verpflichtung kein Versuch vor der Vergleichsbehörde unternommen, ist die Privatklage unzulässig. Dies wird vom Gericht in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen geprüft.


Literatur und weiterführende Regelungen

  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), insbesondere § 779 BGB
  • Strafprozessordnung (StPO), §§ 374-394b StPO
  • Zivilprozessordnung (ZPO), § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO
  • Landesgesetze über das Schiedsamt und Schlichtungsstellen

Zusammenfassung

Der Vergleich ist ein zentrales Instrument zur einvernehmlichen Beilegung von Streitigkeiten und trägt wesentlich zur Prozessökonomie bei. Im Bereich der Privatklagesachen stellt die Vergleichsbehörde ein eigenständiges, rechtlich verpflichtendes Schlichtungsorgan dar, das vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens die Parteien zu einer Einigung anhalten soll. Ihre Tätigkeit unterliegt klaren gesetzlichen Regelungen und ist ein maßgebliches Element zur Vermeidung strafgerichtlicher Auseinandersetzungen bei Bagatell- und Ehrendelikten. Die praktische Bedeutung für das deutsche Rechtswesen ist insbesondere in der Verlagerung von Streitfällen aus den Gerichten auf außergerichtliche Einigungsstellen zu sehen.

Häufig gestellte Fragen

Welche Aufgaben hat die Vergleichsbehörde in Privatklagesachen?

Die Vergleichsbehörde übernimmt in Privatklagesachen eine zentrale Rolle, da sie als erste Anlaufstelle vor Einleitung eines gerichtlichen Strafverfahrens dient. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, einen außergerichtlichen Ausgleich zwischen dem Privatkläger und dem Beschuldigten herbeizuführen. Gemäß § 380 StPO sind Privatklagedelikte, also Straftaten, bei denen die Strafverfolgung in der Regel dem unmittelbaren Betroffenen überlassen ist, vor der förmlichen Klageerhebung zwingend der Vergleichsbehörde vorzulegen. Dadurch soll ein Versöhnungsversuch unternommen werden, um, sofern möglich, eine Einigung ohne Einschaltung des Gerichts zu erzielen. Die Vergleichsbehörde organisiert einen Termin, lädt die Beteiligten und sorgt für einen geregelten Ablauf des Einigungsversuchs. Kommt ein Vergleich zustande, kann das Privatklageverfahren oft schon hier beendet werden. Die Behörde dokumentiert das Ergebnis (Vergleich oder Scheitern des Einigungsversuchs) und stellt im letzteren Fall eine notwendige Bescheinigung aus, die für das weitere gerichtliche Verfahren Voraussetzung ist.

Wer ist als Vergleichsbehörde zuständig?

Die Zuständigkeit für die Vergleichsbehörde ist gesetzlich geregelt. In der Regel ist dies das Amtsgericht, in dessen Bezirk der Beschuldigte bzw. Angeschuldigte wohnt oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (§ 380 Absatz 1 Satz 2 StPO). In manchen Bundesländern können auch kommunale Schiedspersonen, Schiedsämter oder besondere Vergleichsstellen in Betracht kommen, je nach Landesrecht. Es ist wichtig, auf die jeweiligen landesgesetzlichen Besonderheiten zu achten, da das Schieds- und Vergleichswesen nicht bundeseinheitlich geregelt ist. Die örtliche und sachliche Zuständigkeit richtet sich zudem nach dem Wohnsitz/gewöhnlichen Aufenthalt des Gegners zur Zeit der Antragstellung.

Welche Privatklagedelikte sind dem Vergleichsverfahren voranzustellen?

Nicht jede Straftat ist für das Privatklageverfahren geeignet. Es handelt sich vor allem um weniger schwerwiegende Delikte, wie beispielsweise Beleidigung (§ 185 StGB), Hausfriedensbruch (§ 123 StGB), Körperverletzung (§ 223 StGB), Sachbeschädigung (§ 303 StGB) oder Verletzung des Briefgeheimnisses (§ 202 StGB). Bei diesen Delikten ist der Geschädigte berechtigt, selbst die Strafverfolgung als Privatkläger zu betreiben, vorausgesetzt, die Staatsanwaltschaft sieht von der öffentlichen Anklage ab. Vor Einreichung der Privatklage ist zwingend ein erfolgloser Einigungsversuch vor der Vergleichsbehörde nachzuweisen (§ 380 StPO). Bei besonders schweren Fällen, bei besonderem öffentlichen Interesse oder bei Vergehen, die eine höhere Strafe nach sich ziehen, bleibt die Strafverfolgung in der Regel Sache der Staatsanwaltschaft.

Welche rechtlichen Konsequenzen hat ein erfolgreicher Vergleich vor der Vergleichsbehörde?

Kommt es vor der Vergleichsbehörde zu einer Einigung zwischen den Parteien, ist der Rechtsstreit in der Regel abgeschlossen. Der Vergleich kann materielle (z.B. Schadensersatzzahlung, Unterlassungserklärung) und immaterielle Vereinbarungen enthalten. Oftmals wird im Vergleich auch eine Rücknahme des Strafantrags oder der Klage vereinbart. Ein vor der Vergleichsbehörde geschlossener Vergleich ist für beide Parteien grundsätzlich bindend. Wird der vereinbarte Vergleich nicht eingehalten, kann der Geschädigte ggf. die gerichtliche Durchsetzung der Ansprüche (z.B. Zahlung) im Zivilverfahren betreiben. Die zuständige Behörde hält den Vergleich aktenkundig fest und stellt darüber eine Bescheinigung aus. Die Staatsanwaltschaft und das Gericht werden – falls es zu einem Verfahren kommt – über den Vergleich in Kenntnis gesetzt. Durch einen wirksam geschlossenen Vergleich ist ein gerichtliches Privatklageverfahren regelmäßig ausgeschlossen.

Was passiert, wenn der Einigungsversuch vor der Vergleichsbehörde scheitert?

Scheitert der Einigungsversuch vor der Vergleichsbehörde, erhält der Privatkläger eine Bescheinigung über die Erfolglosigkeit des Vergleichsversuchs (§ 380 Abs. 1 Satz 3 StPO). Diese Bescheinigung ist zwingende Voraussetzung, um überhaupt Privatklage beim Amtsgericht erheben zu können. Ohne diesen Nachweis wäre die Privatklage als unzulässig abzuweisen. Die Bescheinigung dokumentiert, dass die vorgeschriebene außergerichtliche Klärung tatsächlich versucht wurde, aber keine Einigung möglich war. Nach Erhalt dieser Bescheinigung kann der Privatkläger formell Privatklage bei Gericht erheben, die sodann das ordentliche Klageverfahren in Gang setzt.

Besteht Anwaltspflicht beim Verfahren vor der Vergleichsbehörde?

Im Verfahren vor der Vergleichsbehörde besteht grundsätzlich keine Anwaltspflicht. Die Beteiligten können eigenständig agieren und müssen sich nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Dennoch kann es im Interesse der Beteiligten sein, sich vorab rechtlich beraten zu lassen, insbesondere, wenn die Sache rechtlich oder tatsächlich komplex ist. Bei minderjährigen, bevormundeten oder geschäftsunfähigen Beteiligten kann ggf. ein gesetzlicher Vertreter erforderlich sein. Die Anwesenheit eines Anwalts ist freiwillig und nicht vorgeschrieben; sie kann jedoch die Erfolgsaussichten erhöhen und dazu beitragen, die Einigung rechtssicher zu gestalten.

Welche Kosten entstehen bei einem Vergleichsverfahren vor der Vergleichsbehörde?

Das Vergleichsverfahren vor der Vergleichsbehörde ist in der Regel kostengünstiger als ein anschließendes Gerichtsverfahren. Die Kosten richten sich nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften und können variieren. Bei Schiedsamtsverfahren fällt beispielsweise eine pauschale Gebühr an, die häufig im unteren zweistelligen Bereich liegt. Kommt es zu einem erfolgreichen Vergleich, können zudem weitere Gebühren für die Ausfertigung und Beglaubigung anfallen. Im Falle eines erfolglosen Einigungsversuchs entstehen dem Antragsteller meist nur die Kosten für das Vergleichsverfahren selbst. Hinzu kommen etwaige Auslagen (z.B. für Zustellungen) und, falls ein Anwalt hinzugezogen wurde, dessen Gebühren nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Eine Kostenübernahme durch die Staatskasse erfolgt in Privatklagesachen in der Regel nicht.