Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Baurecht»Vergabefremde Aspekte

Vergabefremde Aspekte

Was sind vergabefremde Aspekte?

Vergabefremde Aspekte sind Erwägungen, die in einem öffentlichen Beschaffungsverfahren nicht berücksichtigt werden dürfen, weil sie keinen hinreichenden Bezug zur ausgeschriebenen Leistung haben. Sie stehen außerhalb der rechtlich zulässigen Kriterien, die sich auf die Eignung der Unternehmen, die Qualität und Wirtschaftlichkeit der Angebote sowie auf klar definierte Bedingungen der Vertragsausführung beziehen. Die Grundidee lautet: Entscheidend ist, wer die ausgeschriebene Leistung am besten, zuverlässigsten und wirtschaftlichsten erbringt. Gesichtspunkte, die daran nichts ändern, sind vergabefremd.

Abgrenzung zu zulässigen Kriterien

Eignungskriterien

Sie betreffen die Befähigung eines Unternehmens, den Auftrag auszuführen (z. B. technische Leistungsfähigkeit, Fachkunde, Referenzen, wirtschaftliche Leistungsfähigkeit). Sie sind zulässig, wenn sie sich auf die konkrete Leistung beziehen und für deren ordnungsgemäße Erbringung aussagekräftig sind.

Zuschlagskriterien

Sie bestimmen, welches Angebot den Zuschlag erhält. Dazu zählen Preis, Kosten und qualitative Merkmale wie Funktionsqualität, Ästhetik, Lebenszykluskosten, Service oder Lieferperformance. Zulässig sind sie, wenn sie eindeutig, transparent, diskriminierungsfrei und messbar sind sowie erkennbar mit der Leistung verknüpft bleiben.

Vertragsausführungsbedingungen

Das sind rechtmäßige Vorgaben für die Durchführung des Auftrags, die die Auftragnehmer nach Zuschlagserteilung zu beachten haben (z. B. Anforderungen an Lieferfristen, Qualitätskontrollen, Einhaltung arbeits-, sozial- und umweltbezogener Vorgaben, soweit sie die Leistung betreffen). Sie müssen im Vergabeverfahren angekündigt werden und dürfen die Leistungserbringung nicht unverhältnismäßig belasten.

Der erforderliche Leistungsbezug

Der Leistungsbezug (Konnexität) ist das zentrale Abgrenzungskriterium. Ein Aspekt ist regelmäßig dann leistungsbezogen, wenn:

  • er die Qualität, Funktionalität, Sicherheit, Nachhaltigkeit oder Wirtschaftlichkeit der konkreten Leistung beeinflusst,
  • er für Bieter vorab klar, objektiv überprüfbar und inhaltlich bezogen auf den Auftragsgegenstand beschrieben ist,
  • er geeignet ist, einen tatsächlichen Mehrwert bei der Vertragserfüllung zu bewirken, und
  • er im Verhältnis zum Auftragsgegenstand angemessen und nicht diskriminierend ist.

Typische Erscheinungsformen vergabefremder Aspekte

  • Regionale oder örtliche Bevorzugung allein wegen Unternehmenssitz oder Steueraufkommen vor Ort.
  • Berücksichtigung von Sponsoring, Spenden, Vereinsengagement oder sonstigen Zuwendungen unabhängig von der Leistung.
  • Anforderungen an allgemeine Unternehmenspolitik ohne erkennbaren Leistungsbezug (z. B. generelle CSR-Selbstverpflichtungen ohne Bezug zur Leistung oder zum Vertrag).
  • Umsatz- oder Mitarbeitergrenzen ohne Zusammenhang mit Kapazität und Leistungsfähigkeit für den konkreten Auftrag.
  • Bezugnahme auf vergangene Geschäftsbeziehungen ohne objektiven Mehrwert für die aktuelle Leistung.
  • Berücksichtigung fiskalischer Interessen der Vergabestelle (z. B. erwartete Steuereinnahmen) als Zuschlagsargument.
  • Vorgaben, die faktisch bestimmte Marken oder Anbieter privilegieren, ohne durch technische Besonderheiten der Leistung gerechtfertigt zu sein.

Zulässige Querschnittsziele und ihre Grenzen

Ökologische, soziale und innovationsbezogene Ziele können in Vergabeverfahren eine Rolle spielen. Sie sind keine vergabefremden Aspekte, wenn sie mit dem Auftragsgegenstand verbunden sind und als Eignungsanforderung, Zuschlagskriterium oder Ausführungsbedingung transparent festgelegt werden. Beispiele sind Anforderungen an Energieeffizienz, Emissionen, Reparierbarkeit, barrierefreie Nutzung oder bestimmte soziale Ausführungsbedingungen, sofern sie die Leistung betreffen, messbar beschrieben sind und gleichbehandelnd wirken. Ohne erkennbaren Leistungsbezug oder bei unverhältnismäßiger Ausgestaltung werden sie vergabefremd.

Rechtliche Maßstäbe

  • Wettbewerb: Der Wettbewerb soll offen und wirksam sein; sachfremde Beschränkungen sind unzulässig.
  • Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung: Bieter dürfen nicht aufgrund unsachlicher Kriterien bevorzugt oder benachteiligt werden.
  • Transparenz: Kriterien und deren Gewichtung müssen vorab klar mitgeteilt sein; nachträgliche Änderungen sind unzulässig.
  • Verhältnismäßigkeit: Anforderungen und Kriterien müssen geeignet, erforderlich und angemessen sein.
  • Leistungsbezug: Alle Anforderungen müssen sich auf den konkreten Auftragsgegenstand oder dessen Ausführung beziehen.

Verfahrensphasen, in denen vergabefremde Aspekte auftreten können

Bedarfsanalyse und Leistungsbeschreibung

Sachfremde Vorgaben können bereits in der Markt- und Bedarfsdefinition entstehen, etwa bei Vorgaben, die einzelne Anbieter ohne technischen Grund bevorzugen. Die Leistungsbeschreibung soll funktions- oder leistungsorientiert sein und darf keine unnötigen Marktbeschränkungen enthalten.

Eignungsprüfung

Vergabefremd sind Eignungsanforderungen, die die tatsächliche Leistungsfähigkeit für den konkreten Auftrag nicht abbilden oder unverhältnismäßig sind, etwa überhöhte Mindestumsätze ohne Bezug zum Auftragsvolumen.

Angebotswertung

In der Zuschlagsentscheidung sind Kriterien vergabefremd, die nicht angekündigt wurden, keine objektive Messbarkeit aufweisen oder keinen Bezug zur Auftragsqualität, -kosten oder -funktionalität haben.

Vertragsdurchführung

Ausführungsbedingungen werden vergabefremd, wenn sie keinen Bezug zur Leistung haben oder den Wettbewerb nachträglich sachwidrig beeinflussen. Zulässig ist die Kontrolle der angekündigten und leistungsbezogenen Bedingungen.

Folgen des Einsatzes vergabefremder Aspekte

Die Berücksichtigung vergabefremder Aspekte kann zur Beanstandung des Verfahrens führen. Mögliche Folgen sind die Wiederholung von Verfahrensschritten, die Aufhebung des Vergabeverfahrens, Verzögerungen und Mehrkosten. Zudem können Ansprüche von Unternehmen entstehen, etwa auf erneute Wertung oder auf Ersatz des entstandenen Aufwands. Dokumentations- und Begründungspflichten gewinnen in solchen Situationen an Bedeutung.

Beispiele zur Einordnung

  • Zulässig: Berücksichtigung der Lebenszykluskosten eines Produkts, wenn Berechnungsmethode und Datenbasis vorab festgelegt und objektiv überprüfbar sind.
  • Vergabefremd: Zuschlagsvorteil wegen lokaler Steuerzahlungen, wenn dies keinen nachweisbaren Einfluss auf die Leistungserbringung hat.
  • Zulässig: Anforderungen an Emissionsgrenzwerte für Fahrzeuge im Lieferauftrag, sofern messbar, marktverfügbar und verhältnismäßig.
  • Vergabefremd: Berücksichtigung eines früheren Sponsorings der Vergabestelle bei der Angebotswertung.
  • Zulässig: Reaktionszeiten im Servicevertrag als Zuschlagskriterium, wenn sie konkret definiert, messbar und leistungsrelevant sind.
  • Vergabefremd: Allgemeine Präferenz für Unternehmen mit Sitz in der Region ohne funktionalen Leistungsbezug.

Häufig gestellte Fragen

Was bedeutet „Leistungsbezug“ im Vergabeverfahren?

Leistungsbezug meint den sachlichen Zusammenhang zwischen einem Kriterium und dem konkreten Auftragsgegenstand oder dessen Ausführung. Ein Kriterium ist leistungsbezogen, wenn es die Qualität, Wirtschaftlichkeit, Funktionalität, Sicherheit oder Nachhaltigkeit der zu erbringenden Leistung erkennbar beeinflusst und objektiv überprüfbar ist.

Sind Umwelt- oder Sozialkriterien automatisch vergabefremd?

Nein. Umwelt- oder Sozialkriterien sind zulässig, wenn sie mit der Leistung verknüpft, transparent beschrieben, messbar und verhältnismäßig sind. Fehlt dieser Bezug oder führen sie zu sachfremder Bevorzugung oder Benachteiligung, gelten sie als vergabefremd.

Darf die Nähe des Bieters zum Auftragsort berücksichtigt werden?

Eine bloße räumliche Nähe ist vergabefremd. Relevanz kann bestehen, wenn die Entfernung nachweisbar die Leistungserbringung beeinflusst, etwa bei garantierten Reaktionszeiten oder logistischen Anforderungen, die objektiv beschrieben und bewertet werden.

Ist die Förderung regionaler Unternehmen in der Wertung zulässig?

Eine direkte Bevorzugung regionaler Unternehmen in der Zuschlagsentscheidung ist vergabefremd. Maßnahmen, die den Zugang kleiner und mittlerer Unternehmen erleichtern, sind demgegenüber zulässig, sofern sie wettbewerbsoffen, diskriminierungsfrei und leistungsbezogen gestaltet sind.

Dürfen fiskalische Interessen der Vergabestelle in die Entscheidung einfließen?

Allgemeine fiskalische Erwägungen wie lokale Steuereinnahmen oder haushalterische Effekte außerhalb der Leistungs- und Kostenbewertung sind vergabefremd. Maßgeblich bleiben die objektiven Kriterien, die die Beschaffung selbst betreffen.

Welche Konsequenzen haben vergabefremde Aspekte für das Verfahren?

Sie können zur Beanstandung, Verzögerung, Wiederholung von Verfahrensschritten oder zur Aufhebung führen. Zudem kommen Ansprüche betroffener Unternehmen in Betracht, etwa auf erneute Wertung oder Ersatz bestimmter Aufwendungen.

Wie werden Interessenkonflikte eingeordnet?

Das Ziel ist die Unparteilichkeit des Verfahrens. Persönliche oder wirtschaftliche Verflechtungen dürfen die Entscheidung nicht beeinflussen. Die Berücksichtigung solcher Bindungen als positives oder negatives Zuschlagskriterium ist vergabefremd; relevant ist die Sicherung eines neutralen, nachvollziehbaren Entscheidungsprozesses.