Verfügung von Sachen
Die Verfügung von Sachen ist ein zentraler Begriff im deutschen Sachenrecht und bezeichnet jede rechtlich erhebliche Handlung, durch die die Rechtslage an einer Sache unmittelbar geändert wird. Insbesondere im Kontext des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) kommt ihr entscheidende Bedeutung zu, etwa bei der Übertragung des Eigentums oder der Belastung einer Sache mit einem Recht. Der folgende Artikel erläutert umfassend die rechtlichen Grundlagen, Formen, Voraussetzungen und Wirkungen von Verfügungen über Sachen.
Rechtsgrundlagen der Verfügung von Sachen
Allgemeine Definition
Unter einer Verfügung versteht man allgemein ein Rechtsgeschäft, das auf die Begründung, Übertragung, Belastung, Änderung oder Aufhebung eines dinglichen Rechts an einer Sache gerichtet ist. Die Verfügung wirkt unmittelbar auf das dem Verfügenden zustehende Recht ein („dingliches Geschäft“), im Unterschied zu schuldrechtlichen Geschäften, die lediglich persönliche Verpflichtungen begründen.
Einordnung im Sachenrecht
Das Sachenrecht unterscheidet streng zwischen Verpflichtungsgeschäft (z. B. Kaufvertrag) und Verfügungsgeschäft (z. B. Eigentumsübertragung). Während Verpflichtungsgeschäfte lediglich einen Anspruch auf Übertragung eines Rechts begründen, bewirkt die Verfügung selbst die Veränderung der Rechtslage an der Sache.
Arten der Verfügung
Übertragung von Rechten
Die wohl häufigste Form der Verfügung ist die Übertragung eines dinglichen Rechts, insbesondere des Eigentums. Im deutschen Recht geschieht dies in der Regel durch Einigung und Übergabe (§§ 929 ff. BGB bei beweglichen Sachen) oder durch Einigung und Eintragung im Grundbuch (§ 873 BGB bei Grundstücken).
Belastung von Sachen
Eine weitere Verfügung ist die Belastung einer Sache mit einem Recht zugunsten eines Dritten, wie zum Beispiel die Bestellung einer Hypothek, Grundschuld oder Dienstbarkeit bei Grundstücken (§§ 1113 ff., 1191 ff., 1018 ff. BGB) bzw. eines Pfandrechts bei beweglichen Sachen (§ 1204 BGB).
Aufhebung dinglicher Rechte
Auch die Aufhebung eines bestehenden dinglichen Rechts (z. B. die Rückübertragung des Eigentums, Löschung einer Grundschuld) stellt eine Verfügung dar.
Voraussetzungen der Verfügung
Verfügungsbefugnis
Zentrale Voraussetzung für eine wirksame Verfügung ist die Verfügungsbefugnis. Nur diejenige Person, welche das Recht innehat, kann wirksam darüber verfügen. Verfügt ein Nichtberechtigter über eine Sache, ist die Verfügung grundsätzlich unwirksam (§ 185 BGB regelt hierzu die Genehmigung durch den Berechtigten).
Verfügungsgeschäft
Das Verfügungsgeschäft selbst ist ein Rechtsgeschäft und unterliegt den allgemeinen Vorschriften über Rechtsgeschäfte, insbesondere den Vorschriften zur Geschäftsfähigkeit (§§ 104 ff. BGB) und zum Willensmangel (§§ 119 ff. BGB). Bei Grundstücken ist zudem die notarielle Beurkundung notwendig (§ 311b BGB).
Übergabe, Eintragung und Publizitätsprinzip
Für die Wirksamkeit einer Verfügung ist oft ein sogenanntes Publizitätsmedium erforderlich: die Übergabe bei beweglichen Sachen (§ 929 BGB), die Eintragung im Grundbuch bei Grundstücken (§ 873 BGB), bzw. die Eintragung in das entsprechende Register bei Rechten (z. B. Schiffsregister).
Besonderheiten und Rechtsfolgen
Abstraktionsprinzip
Das deutsche Recht folgt im Sachenrecht dem Abstraktionsprinzip: Die Wirksamkeit des Verfügungsgeschäfts ist unabhängig vom zugrundeliegenden Verpflichtungsgeschäft. Selbst wenn der Kaufvertrag nichtig ist, kann die Verfügung – etwa die Eigentumsübertragung – trotzdem wirksam sein, sofern das Verfügungsgeschäft an sich keine Mängel aufweist.
Schutz des gutgläubigen Erwerbers
Nach deutschem Sachenrecht wird unter bestimmten Voraussetzungen auch eine Verfügung durch Nichtberechtigte wirksam, wenn der Erwerber gutgläubig handelt (§ 932 BGB für bewegliche Sachen, §§ 892, 893 BGB für Grundstücke). Hierdurch soll der Rechtssicherheit und dem Vertrauensschutz im Rechtsverkehr Rechnung getragen werden.
Unterscheidung: Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft
Die Unterscheidung zwischen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft ist vor allem bei der Lösung von Streitfragen im Zusammenhang mit Rückabwicklungsvorschriften (§§ 812 ff. BGB) und im Zusammenhang mit der Behandlung von Fehlern in den Rechtsgeschäften von Bedeutung.
Verfügung im internationalen Kontext
Auch im internationalen Privatrecht ist die Verfügung grundsätzlich nach dem Recht des Staates zu beurteilen, dem die Sache angehört (lex rei sitae). Unterschiede bestehen jedoch insbesondere bei der Übertragung von Eigentum an beweglichen Sachen, bei der verschiedene nationale Rechtsordnungen unterschiedliche Anforderungen an Verfügung und Publizität stellen.
Zusammenfassung
Die Verfügung von Sachen ist eine Grundfigur des Sachenrechts und beschreibt jede Rechtsvorgang, durch den unmittelbar das Eigentum oder ein anderes dingliches Recht an einer Sache verändert wird. Sie setzt Verfügungsbefugnis, ein wirksames Verfügungsgeschäft und häufig Publizität voraus. Die gesetzlichen Regelungen zu Verfügungen, insbesondere im Bürgerlichen Gesetzbuch, dienen der Rechtssicherheit und dem Schutz des Rechtsverkehrs. Die genaue Trennung von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft ist kennzeichnend für das deutsche Recht und muss zu jeder Zeit beachtet werden, insbesondere bei der Übertragung, Belastung und Aufhebung von Rechten an Sachen.
Häufig gestellte Fragen
Wer ist verfügungsberechtigt über eine Sache, und wie wird das Verfügungsrecht bestimmt?
Das Verfügungsrecht über eine Sache steht grundsätzlich dem Eigentümer zu. Er kann allein entscheiden, ob und wie er über die Sache rechtlich verfügt, das heißt sie verkauft, verschenkt, belastet oder anderweitig überträgt. Das Verfügungsrecht kann jedoch durch gesetzliche Vorschriften oder vertragliche Vereinbarungen eingeschränkt sein. Beispielsweise kann ein Eigentümer durch die Bestellung eines Nießbrauchs oder eines Pfandrechts in seinen Verfügungsbefugnissen beschränkt werden. Überdies sind auch Fälle denkbar, in denen jemand als Ermächtigter oder Vertreter über eine Sache verfügungsbefugt ist, ohne selbst Eigentümer zu sein, etwa im Rahmen der Geschäftsführung ohne Auftrag oder auf Basis einer Vollmacht. Im Fall von Gemeinschaftseigentum, wie es etwa bei einer Erbengemeinschaft oder einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts vorliegt, ist für Verfügungen häufig die Zustimmung aller Mitberechtigten erforderlich. Die Feststellung, wer verfügungsberechtigt ist, erfordert daher stets eine genaue Prüfung der Eigentumsverhältnisse, der bestehenden Belastungen und der etwaigen Vertretungs- oder Ermächtigungsverhältnisse.
Welche Arten der Verfügung über Sachen gibt es im deutschen Recht?
Im deutschen Recht werden unter Verfügung insbesondere Rechtsgeschäfte verstanden, die unmittelbar auf die Veränderung, Übertragung, Belastung oder Aufhebung eines bestehenden Rechts an einer Sache gerichtet sind. Zu den wichtigsten Verfügungsarten zählen die Übereignung (z.B. nach §§ 929 ff. BGB beim unbeweglichen und beweglichen Sachen), die Belastung (z.B. durch Bestellung eines Pfandrechts, einer Hypothek, Grundschuld oder Dienstbarkeit), die Aufgabe des Eigentums (§ 928 BGB) und die Aufhebung bestimmter Rechte (wie die Löschung eines Nießbrauchs). Das Gesetz unterscheidet zwischen Verfügungen über bewegliche und unbewegliche Sachen, wobei jeweils besondere Formvorschriften und materielle Voraussetzungen zu beachten sind. Beispielsweise bedarf die Übertragung von Grundeigentum der notariellen Beurkundung und Eintragung in das Grundbuch, während die Übereignung beweglicher Sachen durch Einigung und Übergabe erfolgt.
Welche Rolle spielt die Verfügung im Sachenrecht neben dem Verpflichtungsgeschäft?
Im deutschen Zivilrecht herrscht das sogenannte Trennungs- und Abstraktionsprinzip, welches zwischen dem schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäft (z.B. dem Kaufvertrag) und dem sachenrechtlichen Verfügungsgeschäft unterscheidet. Während das Verpflichtungsgeschäft lediglich die Verpflichtung zur Übertragung einer Sache begründet, erfolgt die eigentliche Rechtsänderung – also der Eigentumsübergang – erst durch die Verfügung, beispielsweise durch Einigung und Übergabe bei beweglichen Sachen (§ 929 BGB). Fehler im Verpflichtungsgeschäft berühren daher grundsätzlich die Wirksamkeit der Verfügung nicht unmittelbar, und umgekehrt. Erst bei besonderen Umständen, also zum Beispiel bei Nichtigkeit des Verpflichtungsgeschäfts wegen Sittenwidrigkeit, kann dies durch die sogenannte Fehleridentität auf die Verfügung rückwirken.
Können auch Dritte wirksam über eine Sache verfügen, und unter welchen Voraussetzungen?
Grundsätzlich kann nur der Eigentümer oder ein von ihm Ermächtigter über eine Sache verfügen. Ausnahmen ergeben sich insbesondere in den Fällen der gesetzlichen Vertretung (zum Beispiel Eltern für ihre minderjährigen Kinder oder ein Betreuer für eine betreute Person) und einzelvertraglich eingeräumter Vertretungsmacht. Ein weiterer wichtiger Fall ist die sogenannte gutgläubige Erwerbskonstellation (§§ 932 ff. BGB). Hier kann ein Nichtberechtigter über eine Sache verfügen und, sofern der Erwerber gutgläubig ist und die übrigen gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, einen rechtmäßigen Eigentumserwerb des gutgläubigen Erwerbers herbeiführen. Solche Ausnahmen dienen dem Schutz des Rechtsverkehrs und der Verkehrssicherheit. Fehlt jedoch die Vertretungsmacht oder sonstige Legitimationsgrundlage, ist die Verfügung grundsätzlich unwirksam.
Was ist der Unterschied zwischen der Verfügung über eine bewegliche und eine unbewegliche Sache?
Die Verfügung über bewegliche Sachen (z.B. Fahrzeuge, Möbel) erfolgt in der Regel durch Einigung (sogenanntes „Einigungsgeschäft“) und Übergabe an den Erwerber nach § 929 BGB. Ein Besitzkonstitut (§ 930 BGB) oder die Abtretung des Herausgabeanspruchs (§ 931 BGB) können die Übergabe ersetzen. Dagegen ist für die Verfügung (z.B. Eigentumsübertragung) über unbewegliche Sachen, also Grundstücke, ein strengeres Verfahren vorgesehen: Neben der notariellen Beurkundung der Einigung (Auflassung, § 925 BGB) ist auch die Eintragung im Grundbuch erforderlich (§ 873 BGB). Diese formellen Anforderungen dienen insbesondere dem Schutz des Rechtsverkehrs und der Beweissicherung bei besonders wertvollen oder dauerhaften Rechtsgütern.
Welche Schutzvorschriften gibt es für den gutgläubigen Erwerb trotz fehlender Verfügungsbefugnis?
Das deutsche Recht schützt unter bestimmten Voraussetzungen den gutgläubigen Erwerber einer beweglichen Sache vor dem Risiko, dass der Veräußerer nicht verfügungsberechtigt ist. Nach §§ 932 ff. BGB kann jemand Eigentum an einer beweglichen Sache erwerben, obwohl der Veräußerer gar nicht Eigentümer ist, wenn der Erwerber gutgläubig ist und die Sache nicht abhandengekommen ist. Für Grundstücke gibt es mit § 892 BGB eine vergleichbare Regelung, dort ist jedoch die Richtigkeit des Grundbuchs schutzwürdig, und der Erwerber wird durch gutgläubigen Erwerb des eingetragenen Rechts verteidigt. Diese Regelungen fördern das Vertrauen auf den äußeren Rechtsschein und erhöhen die Sicherheit des Rechtsverkehrs.
Kann eine Verfügung rückgängig gemacht werden, und unter welchen Bedingungen?
Eine einmal wirksam vorgenommene Verfügung ist grundsätzlich endgültig und kann nicht einseitig rückgängig gemacht werden. Eine Rückabwicklung ist aber möglich, wenn ein Rücktritt des Verpflichtungsgeschäfts vorlag, etwa wegen eines Rücktrittsrechts, oder durch Anfechtung, falls ein relevanter Willensmangel (Irrtum, Täuschung, Drohung) vorlag. Auch die Rückübertragung durch ein neues Verfügungsgeschäft wäre möglich, etwa durch eine erneute Übereignung. Im Fall eines gutgläubigen Erwerbs sind Rückabwicklungen grundsätzlich ausgeschlossen, sofern die Voraussetzungen des gutgläubigen Erwerbs vorliegen; dem früheren Eigentümer bleibt dann lediglich ein Anspruch auf Wertersatz oder Schadenersatz gegen den Veräußerer. In bestimmten Fällen, etwa bei Insolvenz des Verfügenden, kommen zudem insolvenzrechtliche Anfechtungstatbestände zur Anwendung, die eine Verfügung nachträglich unwirksam machen können.