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Vererblichkeit


Definition und rechtliche Grundlagen der Vererblichkeit

Unter dem Begriff Vererblichkeit versteht man im rechtlichen Kontext die Fähigkeit von Rechten, Pflichten, Vermögenspositionen und Rechtsverhältnissen, im Todesfall einer Person (Erblasser) auf eine oder mehrere andere natürliche oder juristische Personen (Erben) überzugehen. Die Vererblichkeit ist ein zentrales Prinzip des Erb- und Nachlassrechts und wird maßgeblich durch das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) sowie gegebenenfalls durch weitere spezielle Rechtsnormen bestimmt.

Begriffserläuterung und Abgrenzung

Die Vererblichkeit unterscheidet sich von der Übertragbarkeit. Während mit der Übertragbarkeit die Möglichkeit gemeint ist, eine Rechtsposition zu Lebzeiten auf andere Personen zu übertragen (z. B. durch Kauf, Schenkung, Abtretung), bezeichnet die Vererblichkeit ausschließlich den Übergang im Todesfall. Nicht jedes Recht oder jede Pflicht ist automatisch vererblich; vielmehr bestimmt das Gesetz ausdrücklich oder stillschweigend, ob und in welcher Weise ein Übergang auf die Erben erfolgt.

Vererblichkeit von Rechten und Pflichten

Vererbbare Rechte

Vermögensrechte

Zu den vererbbaren Rechten zählen sämtliche vermögensrechtlichen Positionen des Erblassers, soweit die Vererblichkeit gesetzlich nicht ausgeschlossen ist. Zu den wichtigsten vermögensrechtlichen Positionen gehören:

  • Eigentumsrechte an Sachen: Grundstücke, bewegliche Sachen, Fahrzeuge, Wertpapiere, etc.
  • Forderungen: Etwa gegen Schuldner aus Verträgen, Schadensersatzansprüche, etc.
  • Beteiligungen: Gesellschaftsanteile unterliegen besonderen Regeln (z. B. bei der GbR oder GmbH).
  • Immaterialgüterrechte: Patente, Urheberrechte und Markenrechte sind beispielsweise grundsätzlich vererblich.

Nicht-vererbbare Rechte

Bestimmte Rechte sind aufgrund ihrer höchstpersönlichen Natur nicht vererblich. Diese umfassen unter anderem:

  • Nießbrauchsrechte, wenn sie höchstpersönlich verliehen wurden (§ 1061 BGB).
  • Persönlichkeitsrechte, wie das Recht auf freie Entfaltung.
  • Wohnrechte, wenn diese nur zur persönlichen Nutzung bestellt wurden.

Vererbbare Pflichten

Mit dem Tod gehen auf die Erben nicht nur Rechte, sondern mit wenigen Ausnahmen auch Verbindlichkeiten über. Die Erben treten rechtlich in die Position des Erblassers ein, woraus folgende Konsequenzen erwachsen:

  • Schuldverhältnisse: Erben übernehmen die bestehenden Verbindlichkeiten des Erblassers, z. B. Kredite oder Unterhaltspflichten, mit Ausnahme ausdrücklich nicht vererbbarer persönlicher Pflichten.
  • Dingliche Verpflichtungen: Grundschulden und Hypotheken werden Teil der Erbmasse.

Ausschluss der Vererbbarkeit gilt etwa bei höchstpersönlichen Pflichten, wie Dienst- oder Arbeitsverhältnissen, sofern das Gesetz nichts anderes vorsieht (§ 613 BGB).

Gesetzliche Regelungen zur Vererblichkeit

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

Das BGB regelt die Vererblichkeit in den §§ 1922 ff. BGB. Nach § 1922 Abs. 1 BGB geht mit dem Tod einer Person deren Vermögen (Erbmasse, Gesamtheit des vererblichen Vermögens) als Ganzes auf eine oder mehrere andere über (Universalsukzession). Die Norm stellt den Grundsatz der Universalsukzession auf und definiert damit Umfang und Grenzen dessen, was vererblich ist.

Sonderregelungen und Ausnahmen

Gesellschaftsrecht

Anteile an Personengesellschaften (wie OHG, KG, GbR) sind häufig im Gesellschaftsvertrag hinsichtlich ihrer Vererblichkeit beschränkt oder ausgeschlossen. Im Gesellschaftsrecht ist daher regelmäßig eine eingehende Prüfung erforderlich, ob und in welchem Umfang die Gesellschaftsbeteiligung vererbbar ist.

Arbeitsrecht

Nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen ist das Anstellungsverhältnis mit dem Tod des Arbeitnehmer oder Arbeitgebers regelmäßig beendet (§ 613 BGB). Offene Lohnansprüche und Urlaubsabgeltungen zu Lebzeiten werden jedoch vererbt.

Versicherungsrecht

Versicherungsverträge sehen zum Teil Sonderbestimmungen für die Vererblichkeit vor. Lebensversicherungen beispielsweise fallen in der Regel, sofern kein Bezugsberechtigter bestimmt ist, in den Nachlass.

Einschränkungen und Unvererblichkeit

Unvererbliche Rechtspositionen

Nicht vererblich sind insbesondere höchstpersönliche Rechte und Rechtsverhältnisse, wie:

  • Ehe- und familienrechtliche Verpflichtungen: Etwa Unterhalt wegen persönlicher Betreuung (§ 1615l BGB).
  • Leibrente und Leibgeding: Diese enden mit dem Tod des Berechtigten (§ 759 BGB).
  • Persönlichkeitsrechtliche Ansprüche: Hierzu zählen z. B. Ansprüche wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, sofern nicht vermögensrechtliche Komponenten betroffen sind.

Gesetzliche und rechtsgeschäftliche Beschränkungen

Auch durch testamentarische und vertragliche Regelungen kann die Vererblichkeit von bestimmten Positionen beschränkt oder ausgeschlossen werden, soweit dies gesetzlich zulässig ist. Beispielsweise kann mit einem Testamentsvollstrecker die Verfügungsmacht der Erben über bestimmte Vermögenswerte beschränkt werden (§§ 2203, 2205 BGB).

Auswirkungen der Vererblichkeit im Erbfall

Gesamtrechtsnachfolge und Einzelrechtsnachfolge

Im deutschen Recht erfolgt die Vererbung im Regelfall als Gesamtrechtsnachfolge (Universalsukzession), bei der das Erbe im Rechtsverkehr die Rolle des Erblassers übernimmt. Daneben gibt es jedoch die sogenannte Einzelrechtsnachfolge (Singularsukzession), etwa beim Vermächtnis.

Haftung der Erben

Für die übernommenen Pflichten haften die Erben zunächst unbeschränkt, haben jedoch verschiedene Möglichkeiten, die Haftung zu beschränken (z. B. durch die Nachlassverwaltung oder Nachlassinsolvenzverfahren, §§ 1975 ff. BGB).

Internationale Perspektiven der Vererblichkeit

Mit Einführung der Europäischen Erbrechtsverordnung (EuErbVO) wurden die grenzüberschreitenden Aspekte der Vererblichkeit neu geregelt. Es gilt grundsätzlich das Recht des Staates, in dem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Internationale Abkommen und nationale Kollisionsrechtliche Vorschriften können die Vererblichkeit einzelner Rechte und Pflichten zusätzlich beeinflussen.

Fazit

Die Vererblichkeit ist ein zentrales Konzept des Nachlassrechts und regelt den gesetzlichen oder testamentarischen Rechtsübergang von Vermögensgegenständen, Rechten und Pflichten einer verstorbenen Person auf deren Erben. Wesentliche Normen hierzu finden sich im Bürgerlichen Gesetzbuch und in verschiedenen Spezialgesetzen des deutschen Rechts. Nicht alle Rechte und Pflichten sind vererblich; höchstpersönliche Rechtspositionen unterliegen umfassenden Ausschlüssen. Daneben bestimmen Sonderregelungen insbesondere im Gesellschafts-, Arbeits- und Versicherungsrecht die Einzelheiten der Vererblichkeit. Die Behandlung und steuerliche Bewertung der Vererblichkeit wird durch nationale und europäische Rechtsvorschriften bestimmt.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist gesetzlicher Erbe, wenn kein Testament vorliegt?

Im deutschen Erbrecht regelt das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) die gesetzliche Erbfolge, wenn kein wirksames Testament existiert. Die gesetzlichen Erben werden in Ordnungen eingeteilt: An erster Stelle stehen die Abkömmlinge des Erblassers, also Kinder, Enkel und Urenkel. Gibt es keine Abkömmlinge, erben die Eltern des Erblassers und deren Nachkommen (also Geschwister des Erblassers). Danach folgen weitere Ordnungen wie Großeltern und deren Nachkommen. Ehepartner haben ein eigenes gesetzliches Erbrecht, das sich nach dem Güterstand richtet und im Regelfall neben den Verwandten der ersten Ordnung ein Viertel oder die Hälfte des Nachlasses beträgt. Adoptierte Kinder sind leiblichen Kindern rechtlich gleichgestellt. Stiefkinder jedoch haben kein gesetzliches Erbrecht. Die genaue Verteilung bestimmt sich nach § 1924 ff. BGB und hängt maßgeblich von der individuellen familiären Konstellation ab.

Welche Ansprüche haben enterbte nahe Angehörige?

Auch wenn ein Erblasser einen nahen Angehörigen im Testament ausdrücklich enterbt, steht diesem unter Umständen dennoch ein Pflichtteilsanspruch zu. Der Pflichtteil soll sicherstellen, dass bestimmte enge Familienangehörige nicht vollständig vom Nachlass ausgeschlossen werden können. Pflichtteilsberechtigt sind nach deutschem Recht insbesondere Abkömmlinge (Kinder, Enkel), der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner sowie die Eltern des Erblassers, sofern keine Abkömmlinge existieren. Der Pflichtteil besteht aus der Hälfte des gesetzlichen Erbteils und ist ein Geldanspruch gegen die Erben. Die Berechnung erfolgt anhand des Nachlasswerts zum Todeszeitpunkt, wobei Schenkungen unter Umständen Berücksichtigung finden. Die Geltendmachung des Pflichtteils ist gegenüber den Erben möglich; dieser Anspruch verjährt grundsätzlich drei Jahre nach Kenntnis vom Erbfall.

Wie wirkt sich eine Erbausschlagung rechtlich aus?

Die Erbausschlagung ist eine einseitige Erklärung eines gesetzlichen oder testamentarischen Erben, auf den Erwerb des Nachlasses zu verzichten. Sie muss innerhalb von sechs Wochen ab Kenntnis des Erbfalls und des Grundes der Berufung (etwa durch Testament oder gesetzliche Erbfolge) gegenüber dem Nachlassgericht erklärt werden. Im Ausland oder bei Aufenthalt des Erblassers im Ausland gilt eine verlängerte Frist von sechs Monaten. Mit der Ausschlagung erlöschen für den Ausschlagenden sämtliche Rechte und Pflichten hinsichtlich des Nachlasses, als wäre er nie Erbe geworden. Das Erbrecht fällt dann gemäß der gesetzlichen Reihenfolge dem nächsten Berufenen an. Eine Erbausschlagung ist besonders relevant, wenn der Nachlass überschuldet ist, da mit Annahme des Erbes grundsätzlich auch die Nachlassverbindlichkeiten übernommen werden.

Welche Auswirkungen haben lebzeitige Schenkungen im Erbrecht?

Lebzeitige Schenkungen des Erblassers können erhebliche rechtliche Auswirkungen auf den Pflichtteilsanspruch und die Erbquote haben. Nach § 2325 BGB werden Schenkungen an Dritte binnen zehn Jahren vor dem Erbfall beim Pflichtteilsergänzungsanspruch anteilig berücksichtigt („Abschmelzungsmodell“). Dies bedeutet: Je länger die Schenkung zurückliegt, desto weniger wird sie bei der Pflichtteilsberechnung einbezogen. Für Nahestehende, etwa den Ehegatten, gibt es Sonderregelungen. Zudem sind sogenannte „Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt“ oder unentgeltliche Übertragungen an Unternehmen (wie eine vorweggenommene Erbfolge) rechtlich komplex und können steuerliche sowie sozialrechtliche Folgen haben.

Was ist ein Berliner Testament und welche rechtlichen Besonderheiten sind zu beachten?

Das Berliner Testament ist eine besondere Form des gemeinschaftlichen Testaments von Eheleuten, bei der sich die Ehepartner gegenseitig als Alleinerben einsetzen und nach dem Tod des Letztversterbenden die Kinder oder Dritte als Schlusserben. Rechtlich führt dies zu einer sogenannten Bindungswirkung: Nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten kann der Überlebende das Testament grundsätzlich nicht mehr einseitig ändern, solange keine anderweitige Regelung aufgenommen wurde. Pflichtteilsberechtigte Kinder werden beim ersten Erbfall enterbt und haben ggf. einen Pflichtteilsanspruch gegen den überlebenden Elternteil. Für Ehepaare mit Kindern ist dieser Aspekt wegen der möglichen finanziellen Belastung wichtig. Auch steuerliche Auswirkungen, insbesondere hinsichtlich der Freibeträge und der Mehrfachbesteuerung, sollten beachtet werden.

Welche Rolle spielt der Erbschein im deutschen Erbrecht?

Der Erbschein wird vom Nachlassgericht auf Antrag ausgestellt und dient als amtlicher Nachweis der Erbenstellung und des Umfangs des Erbrechts. Er bezeugt, wer Erbe geworden ist und ob ggf. Beschränkungen bestehen (z. B. durch Testamentsvollstreckung). Im Rechtsverkehr, etwa bei Banken oder Grundbuchämtern, wird der Erbschein regelmäßig als Legitimation verlangt. Die Erben haften für die Richtigkeit der Angaben. Falsche oder unvollständige Angaben können straf- und zivilrechtliche Folgen, wie Anfechtung oder Schadensersatzpflicht, nach sich ziehen. Der Erbschein ist nicht konstitutiv, sondern lediglich deklaratorisch, das heißt: Das Erbrecht entsteht nicht durch die Ausstellung, sondern durch den Tod des Erblassers.