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Verbund von Scheidungs(folge)sachen


Begriff und rechtliche Grundlagen des Verbunds von Scheidungs(folge)sachen

Der Verbund von Scheidungs(folge)sachen ist ein zentrales Institut des deutschen Familienrechts. Er regelt, in welchem Umfang und auf welche Weise bestimmte mit der Ehescheidung im Zusammenhang stehende Streitigkeiten, sogenannte Folgesachen, gemeinsam mit dem Scheidungsverfahren entschieden werden. Seine rechtliche Ausgestaltung findet sich primär in den §§ 137 ff. Familienverfahrensgesetz (FamFG). Ziel ist eine umfassende, einheitliche und sachgerechte Streitbeilegung, insbesondere in Bezug auf Aspekte, die durch die Trennung der Ehegatten berührt werden.

Gesetzliche Regelungen zum Scheidungsverbund

Der Gesetzgeber hat im FamFG ausdrücklich festgelegt, welche Angelegenheiten mit der Scheidung zusammen im sogenannten Verbundverfahren behandelt werden müssen oder können. Der Verbund dient der Verfahrensökonomie und verhindert sich widersprechende gerichtliche Entscheidungen.

Zentrale Vorschriften (§§ 137 bis 150 FamFG)

Im Mittelpunkt des Scheidungsverbunds stehen die §§ 137 bis 150 FamFG. Nach § 137 Abs. 1 FamFG werden grundsätzlich folgende Verfahren zusammen mit dem Scheidungsverfahren (Verbundsache) verhandelt und entschieden, sofern über sie zugleich mit der Scheidung entschieden werden soll:

  • Versorgungsausgleichssachen (§§ 1 ff. Versorgungsausgleichsgesetz)
  • Regelungen zum nachehelichen Unterhalt
  • Ehewohnungs- und Haushaltssachen
  • Güterrechtliche Auseinandersetzungen
  • Regelungen zur elterlichen Sorge, zum Umgang oder zum Kindesunterhalt (nur auf Antrag und unter bestimmten Voraussetzungen)

Die Grundsatzentscheidung über die Scheidung ist stets verbunden mit dem Versorgungsausgleich (§ 137 Abs. 2 FamFG), sofern dieser nicht durch Vereinbarung oder aufgrund anderer gewichtiger Gründe ausgeschlossen ist.

Zweck und Funktion des Scheidungsverbunds

Der Verbund soll gewährleisten, dass Scheidungsfolgen nicht in mehreren, voneinander unabhängigen Verfahren geregelt werden. Dies dient dem Schutz beider Ehegatten sowie eventuell betroffener Kinder und vermeidet divergierende oder zeitlich auseinanderfallende Entscheidungen.

Vorteile des Verbunds

  • Verfahrensvereinfachung: Die Beteiligten müssen sich in der Regel nur einmal mit dem vollständigen Problemkreis auseinandersetzen.
  • Schutz vor Nachteilen: Einer Benachteiligung eines Ehegatten durch zeitlich versetzte Einzelentscheidungen wird entgegengewirkt.
  • Umfassende und sachgerechte Konfliktlösung: Gericht und Parteien können auf alle relevanten Sachverhalte in einem einheitlichen Ablauf eingehen.

Verfahren und Ablauf des Verbunds von Scheidungsfolgesachen

Einleitung des Verbunds

Der Verbund entsteht grundsätzlich durch Antragstellung im Zusammenhang mit der Erhebung der Scheidungsklage (§ 137 Abs. 2 und 3 FamFG). Der Antrag auf Entscheidung über bestimmte Folgesachen muss spätestens zwei Wochen vor dem ersten Scheidungstermin gestellt werden (§ 137 Abs. 2 Satz 2 FamFG). Spätere Anträge werden grundsätzlich nicht mehr in den Verbund einbezogen, Ausnahmen bestehen nur bei Nachweis besonderer Gründe.

Beteiligte Folgesachen

Die mit der Scheidung verbundenen Folgesachen werden in den §§ 138 bis 140 FamFG näher definiert:

  • Unterhaltssachen (§ 137 Abs. 2 Nr. 1 FamFG, §§ 138, 142 FamFG)
  • Ehewohnungs- und Haushaltssachen (§ 137 Abs. 2 Nr. 2 FamFG, § 139 FamFG)
  • Güterrechtliche Auseinandersetzung (§ 137 Abs. 2 Nr. 3 FamFG, § 140 FamFG)
  • Versorgungsausgleich (zwingend nach § 137 Abs. 2 FamFG, soweit nicht ausgeschlossen)

Betroffen sein können auch Kindesunterhalt, Sorgerecht und Umgangsrecht, die aber nur unter spezifischen Voraussetzungen in den Verbund aufgenommen werden.

Behandlung im Verbundverfahren

Sobald die Zulässigkeit des Antrags geprüft und festgestellt ist, verhandelt das Gericht im Regelfall alle eingebrachten Folgesachen zusammen mit dem eigentlichen Scheidungsantrag. Fallen schwierige Sachverhalte oder Beweisaufnahmen in einer Folgesache an, kann dies zur Verfahrensverzögerung führen. Das Gericht kann daher einzelne Folgesachen nach § 142 FamFG aus dem Verbund „heraustrennen“, wenn diese andernfalls zu einer unangemessenen Verzögerung der Scheidung führen.

Abtrennung und Nachverfahren

Ist eine schnelle Entscheidung über die Scheidung erforderlich oder werden Folgesachen erst spät beantragt, kann das Gericht gemäß § 140 Abs. 2 FamFG eine Abtrennung einzelner Folgesachen vom Verbund anordnen. Diese werden dann – soweit wie möglich – nach Rechtskraft der Scheidung in einem sogenannten „Nachverfahren“ behandelt.

Rechtswirkungen des Verbunds

Präklusion (Ausschluss verspäteter Anträge)

Ein zentrales Spezifikum des Verbunds ist die Präklusionswirkung. Wird eine Folgesache nicht rechtzeitig (d. h. spätestens zwei Wochen vor dem Scheidungstermin) beantragt, ist deren Geltendmachung im Verbund ausgeschlossen (§ 137 Abs. 2 FamFG). Nachträgliche Anträge werden in einem gesonderten Verfahren behandelt, was mit Nachteilen verbunden sein kann, beispielsweise für Ansprüche auf Zugewinnausgleich.

Bindungswirkung der Entscheidung

Entscheidungen im Verbund wirken grundsätzlich auch auf nachfolgende Verfahren und binden die Parteien hinsichtlich der geregelten Streitpunkte. Die einmal getroffene Entscheidung entfaltet – vorbehaltlich gesetzlicher Möglichkeiten der Abänderung – Rechtskraft.

Ausnahmen und besondere Konstellationen beim Verbund

Ausschluss des Versorgungsausgleichs

In bestimmten Fällen ist der Versorgungsausgleich ausnahmsweise nicht zwingend im Verbund durchzuführen, etwa

  • bei kurzer Ehedauer unter drei Jahren (§ 3 Abs. 3 Versorgungsausgleichsgesetz),
  • bei notarieller Vereinbarung über den Ausschluss.

Dispositionsmöglichkeiten der Ehegatten

Die Ehegatten können grundsätzlich beeinflussen, ob und welche Folgesachen in den Verbund einbezogen werden, indem sie entsprechende Anträge stellen beziehungsweise zurücknehmen. Bei einvernehmlicher Scheidung kann der Verbund geringere Bedeutung gewinnen.

Bedeutung des Verbunds bei internationalen Sachverhalten

Bei Ehen mit Auslandsbezug können besondere Zuständigkeits- und Verfahrensfragen entstehen, etwa hinsichtlich der Anerkennung von Verbundentscheidungen in anderen Staaten. Die internationale Zuständigkeit ist dann anhand internationaler Abkommen und der Brüssel IIb-VO (Verordnung (EU) 2019/1111) zu bestimmen.

Zusammenfassende Bewertung

Der Verbund von Scheidungs(folge)sachen stellt ein effektives Instrument zur Bündelung und abschließenden Regelung aller mit einer Ehescheidung zusammenhängenden Rechtsstreitigkeiten dar. Durch klare Fristen, Präklusionsregelungen und die gerichtliche Verwaltung des Gesamtverfahrens erhält die Scheidung eine abschließende und rechtssichere Grundlage. Für die strategische Verfahrensführung ist eine frühzeitige und umfassende Antragstellung unerlässlich, da andernfalls erhebliche Rechtsnachteile eintreten können.


Quellenhinweis:

  • Familienverfahrensgesetz (FamFG), §§ 137 ff.
  • Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG)
  • Zivilprozessordnung (ZPO)
  • Europäische Verordnungen und internationale Abkommen im Familienrecht

Häufig gestellte Fragen

Welche Bedeutung hat der Verbund von Scheidungsfolgesachen im gerichtlichen Verfahren?

Im deutschen Familienrecht hat der Verbund von Scheidungsfolgesachen eine zentrale Verfahrensbedeutung. Er ermöglicht es, die mit der Scheidung unmittelbar oder mittelbar zusammenhängenden Regelungen, wie etwa zu Unterhalt, Sorgerecht, Zugewinnausgleich oder Ehewohnungs- und Haushaltssachen, gemeinsam mit dem eigentlichen Scheidungsantrag im Rahmen eines einheitlichen gerichtlichen Verfahrens zu entscheiden. Dies dient vor allem der Verfahrensökonomie und verhindert divergierende Einzelentscheidungen, die zu widersprüchlichen Ergebnissen führen könnten. Mit dem Verbund werden die verschiedenen streitigen Punkte im Zusammenhang betrachtet und eine umfassende Klärung der ehelichen und nach-ehelichen Rechtsverhältnisse erzielt. Das Gericht ist verpflichtet, im Rahmen des Verbunds sämtliche anhängige und zulässigerweise verbundene Folgesachen mit zu entscheiden, sobald es zur Entscheidung über die Scheidung bereit ist (§ 137 Abs. 2 FamFG). Das Ziel dieser Regelung ist es, die Betroffenen vor einer Zersplitterung des Verfahrens zu schützen und eine endgültige, zusammenhängende Klärung herbeizuführen.

Welche typischen Scheidungsfolgesachen können im Verbund behandelt werden?

Zu den klassischen, im Verbund zu behandelnden Scheidungsfolgesachen zählen gemäß § 137 Abs. 2 S. 2 FamFG insbesondere der Versorgungsausgleich, Unterhaltsansprüche (nachehelicher Unterhalt, Trennungsunterhalt, Kindesunterhalt – letztere nur unter bestimmten Voraussetzungen), Regelungen bezüglich der elterlichen Sorge und des Umgangs, Zugewinnausgleichsansprüche sowie Streitigkeiten um die Ehewohnung und den Hausrat. Daneben können weitere vermögensrechtliche Ansprüche, die im Zusammenhang mit der Ehe stehen, in den Verbund einbezogen werden, wenn sie im Antrag bestimmt bezeichnet und rechtzeitig anhängig gemacht werden. Es ist jedoch zu beachten, dass nicht alle familienrechtlichen Ansprüche verbundfähig sind; beispielsweise sind Anträge auf Durchführung des Versorgungsausgleichs grundsätzlich zwingend im Verbund zu behandeln, während andere nur auf Antrag eine Verbindung erfahren.

Welche Fristen gelten für die rechtzeitige Antragstellung von Folgesachen zum Verbund?

Damit eine Folgesache Teil des Scheidungsverbunds wird, ist eine rechtzeitige Antragstellung erforderlich. Die maßgebliche Frist richtet sich nach § 137 Abs. 2 FamFG. Danach müssen Anträge auf Scheidungsfolgesachen spätestens zwei Wochen vor der mündlichen Verhandlung über den Scheidungsantrag (Haupttermin) beim Familiengericht eingegangen sein. Anträge, die nach dieser Frist gestellt werden, können nur dann in den Verbund einbezogen werden, wenn beide Ehegatten zustimmen oder das Gericht die Verknüpfung aus Gründen der Prozessökonomie für geboten hält. Werden die Anträge nicht rechtzeitig gestellt, werden sie als isolierte Familiensachen behandelt und nicht im Rahmen des Verbunds gemeinsam mit der Ehesache entschieden.

Welche Auswirkungen hat der Verbund auf die Entscheidungszuständigkeit des Gerichts?

Durch den Verbund liegt die Entscheidungszuständigkeit für sämtliche im Verbund anhängige Scheidungsfolgesachen beim Familiengericht, das über die Scheidung entscheidet. Dies wirkt sich auch auf die Rechtsmittel und Verfahrensführung aus: Für die verbundenen Sachen gelten die gleichen prozessualen Regeln wie für das Ehesache-Verfahren selbst. Ein besonderer Vorteil besteht darin, dass alle zusammenhängenden Regelungsfragen von ein und demselben Spruchkörper „aus einer Hand“ entschieden werden, was eine koordinierte und konsistente Entscheidungspraxis gewährleistet. Das Gericht darf die Scheidung grundsätzlich erst aussprechen, wenn auch über alle anhängigen Folgesachen im Verbund entschieden ist, es sei denn, die Abtrennung nach § 140 FamFG ist zulässig und erfolgt.

Welche Möglichkeiten bestehen, einzelne Folgesachen vom Verbund abzutrennen?

Der Gesetzgeber hat für den Ausnahmefall die Möglichkeit geschaffen, bestimmte Folgesachen nach § 140 FamFG vom Verbund abzutrennen. Eine Abtrennung ist insbesondere dann zulässig, wenn das Verfahren in der Folgesache die Entscheidung über die Scheidung unzumutbar verzögern würde. Das Gericht kann dann durch Beschluss entscheiden, dass diese Folgesache isoliert – also außerhalb des Verbunds – verhandelt und entschieden wird. Ein solcher Beschluss ist nur nach vorheriger Anhörung der Ehegatten möglich. Die Abtrennung hat prozessuale Auswirkungen: Die Scheidung kann dann auch schon ohne Abschluss des Verfahrens in der abgetrennten Folgesache ausgesprochen werden. Die getrennt behandelte Folgesache wird sodann als isolierte Familiensache weitergeführt.

Welche prozessualen Rechtsmittel sind im Verbundverfahren möglich?

Im Verbundverfahren unterliegen die Hauptsache (also die Scheidung) und die Folgesachen jeweils für sich der Rechtsmittelkontrolle, typischerweise durch die Beschwerde (§§ 58 ff. FamFG). Dies bedeutet, dass sowohl gegen den Scheidungsausspruch als auch gegen die Entscheidung in den einzelnen Folgesachen gesondert ein Rechtsmittel eingelegt werden kann. Allerdings tritt hinsichtlich der Rechtskraft und der Vollstreckbarkeit eine Besonderheit ein: Die Scheidung wird nur dann rechtskräftig, wenn auch über alle im Verbund befindlichen Folgesachen entschieden und diese Entscheidungen ihrerseits rechtskräftig sind, es sei denn, durch Abtrennung ist eine isolierte Entscheidung schon vorher möglich. Diese Verklammerung der Rechtsmittel gewährleistet eine einheitliche und abgestimmte Rechtsüberprüfung im Instanzenzug.

Wie beeinflusst ein Antrag auf Verbund die Kostenentscheidung des Gerichts?

Die gemeinsame Verhandlung und Entscheidung im Verbund hat Auswirkungen auf die Kostenentscheidung. Das Gericht trifft am Ende des Verbundverfahrens eine einheitliche Kostenentscheidung, welche die gesamten Streitgegenstände – einschließlich der Scheidungsfolgesachen – umfasst. Die Kosten werden regelmäßig nach dem jeweiligen Obsiegen und Unterliegen verteilt. Da durch die Verbindung eine einheitliche Streitwertfestsetzung erfolgt, bemisst sich der Gerichtskostenvorschuss und die Höhe der Anwaltsgebühren nach dem Gesamtstreitwert, welcher alle im Verbund anhängigen Verfahrensgegenstände umfasst. Ein strategisches Vorgehen hinsichtlich der Antragstellung im Verbund sollte daher stets auch unter Berücksichtigung möglicher Kostenfolgen erfolgen.