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Verbote, polizeiliche


Begriff und rechtliche Grundlagen der polizeilichen Verbote

Polizeiliche Verbote sind rechtsverbindliche Anordnungen, mit denen Polizeibehörden das Verhalten von Personen oder die Nutzung von Sachen einschränken oder untersagen, um unmittelbar drohende Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren. Sie zählen zu den klassischen Maßnahmen der Gefahrenabwehr und sind regelmäßig im Polizeirecht der Länder verankert. Der folgende Artikel beleuchtet den Begriff, die rechtlichen Voraussetzungen, die Arten, die Rechtsfolgen sowie den Rechtsschutz im Zusammenhang mit polizeilichen Verboten.


Rechtliche Voraussetzungen für polizeiliche Verbote

Gesetzliche Grundlage

Die Befugnis der Polizei, Verbote auszusprechen, ergibt sich in Deutschland regelmäßig aus den Polizeigesetzen der Bundesländer, etwa dem Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG) in Berlin oder dem Polizeigesetz (PolG) in Bayern. Die rechtlichen Rahmenbedingungen richten sich nach dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes gemäß Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG), wonach Eingriffe in Grundrechte einer gesetzlichen Grundlage bedürfen.

Voraussetzungen und Adressaten

Polizeiliche Verbote dürfen ausgesprochen werden, wenn eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung besteht oder unmittelbar bevorsteht. Gefahrenquellen können sowohl natürliche Personen, juristische Personen als auch Sachen sein. Die Person, gegen welche sich das Verbot richtet, wird als „Verhaltensstörer“ oder „Zustandsstörer“ bezeichnet, abhängig davon, ob durch sein Verhalten oder durch die Innehabung einer Sache eine Gefahr verursacht wird.

Verhältnismäßigkeitsprinzip

Jedes polizeiliche Verbot muss das Gebot der Verhältnismäßigkeit wahren. Es muss geeignet, erforderlich und angemessen sein, um die drohende Gefahr abzuwenden. Ein milderes Mittel, das den Eingriff in Rechte der Betroffenen geringer hält, ist vorzuziehen.


Arten von polizeilichen Verboten

Allgemeine und besondere Polizeiverbote

Ein allgemeines polizeiliches Verbot richtet sich gegen eine unbestimmte Anzahl von Personen und wird zumeist durch öffentliche Bekanntmachung verfügt, wie etwa bei Versammlungsverboten. Das besondere polizeiliche Verbot wird hingegen individuell gegen eine oder mehrere Personen oder gegen einen bestimmten Personenkreis ausgesprochen.

Typische Erscheinungsformen

Zu den häufigsten polizeilichen Verboten zählen:

Aufenthalts- und Platzverweise

Betroffene Personen werden verpflichtet, einen bestimmten Ort zu verlassen oder es ihnen untersagt, einen Ort zu betreten (z. B. Gefahrenbereich, Veranstaltungsort).

Betretungs- und Annäherungsverbote

Insbesondere im Kontext des Gewaltschutzes können Personen untersagt werden, sich bestimmten räumlichen Bereichen oder Personen zu nähern.

Veranstaltungsverbote

Kommen Versammlungen, Demonstrationen oder andere Veranstaltungen einer Gefahr gleich, kann deren Durchführung untersagt werden. Hierzu bestehen spezifische Regelungen im Versammlungsgesetz.

Tätigkeits- und Ausübungsverbote

In bestimmten Fällen kann es strafrechtlich oder aus polizeirechtlichen Gründen zu einem Verbot der Ausübung bestimmter Tätigkeiten kommen, etwa bei Gefahr im Umgang mit gefährlichen Gegenständen oder Substanzen.


Verfahren und Form der polizeilichen Verbote

Verwaltungsakt

Polizeiliche Verbote werden in der Regel als Verwaltungsakt (§ 35 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG) erlassen. Der Verwaltungsakt ist schriftlich, mündlich oder in elektronischer Form möglich, muss jedoch stets hinreichend bestimmt sein, damit die betroffene Person erkennen kann, welches Verhalten untersagt ist.

Begründungspflicht und Bekanntgabe

Das Verbot muss begründet werden (§ 39 VwVfG), sodass die betroffene Person die Entscheidung nachvollziehen kann. Zudem ist das Verbot der betroffenen Person oder dem Adressaten bekannt zu geben.


Rechtliche Folgen und Durchsetzung polizeilicher Verbote

Unmittelbarer Zwang und Ersatzvornahme

Kommt die betroffene Person dem Verbot nicht nach, kann die Polizei zur Durchsetzung der Maßnahme unmittelbaren Zwang anwenden oder die unerlaubte Handlung unterbinden, etwa durch Wegweisung, Ingewahrsamnahme oder Beschlagnahme.

Sanktionen bei Verstoß

Zuwiderhandlungen gegen polizeiliche Verbote stellen in der Regel eine Ordnungswidrigkeit dar und können mit einem Bußgeld belegt werden (§ 118 OwiG). In bestimmten Fällen kann das Verhalten auch strafbar sein, etwa bei Verstoß gegen ein behördlich erlassenes Aufenthaltsverbot nach § 123 oder § 145 StGB (Hausfriedensbruch, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte).


Rechtsschutz gegen polizeiliche Verbote

Widerspruch und Anfechtungsklage

Gegen polizeiliche Verbote steht den Betroffenen der Verwaltungsrechtsweg offen. Betroffene können Widerspruch gegen den Verwaltungsakt einlegen und im Anschluss vor dem Verwaltungsgericht Anfechtungsklage erheben.

Eilrechtsschutz

Da polizeiliche Verbote mitunter gravierende Grundrechtseinschränkungen darstellen, ist der Eilrechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO besonders bedeutsam. Die sofortige Vollziehbarkeit des Verbots kann angefochten werden, sodass gerichtlich überprüft wird, ob das Verbot rechtmäßig und verhältnismäßig ist.


Abgrenzung zu anderen polizeilichen Maßnahmen

Polizeiliche Verbote sind von polizeilichen Geboten und sonstigen Verfügungen abzugrenzen. Während das Verbot ein Unterlassen eines bestimmten Verhaltens anordnet, fordert ein Gebot ein bestimmtes Tun. In der Praxis können Kombinationen vorkommen, etwa ein Verbot, einen bestimmten Ort zu betreten, verbunden mit dem Gebot, diesen sofort zu verlassen.


Bedeutung und Grenzen polizeilicher Verbote

Polizeiliche Verbote sind ein wesentliches Instrument zur Gefahrenabwehr. Ihre Anordnung steht jedoch stets unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit und der gesetzlichen Grundlage. Sie greifen regelmäßig in Grundrechte wie die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), die Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) oder die Freizügigkeit (Art. 11 GG) ein. Eine gerichtliche Überprüfung der Maßnahme ist daher sichergestellt.


Literatur

  • Handbuch des Polizeirechts, aktuelle Auflagen
  • Polizeigesetze der Bundesländer
  • Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG)
  • Grundgesetz (GG)

Hinweis: Dieser Artikel dient der allgemeinen Information rund um das Thema polizeiliche Verbote und soll einen umfassenden Überblick über die rechtlichen Dimensionen im deutschen Polizeirecht bieten.

Häufig gestellte Fragen

Wann und unter welchen Voraussetzungen darf die Polizei ein polizeiliches Verbot aussprechen?

Ein polizeiliches Verbot darf grundsätzlich dann ausgesprochen werden, wenn von einer Person oder einer Sache eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Die rechtlichen Grundlagen dafür finden sich im jeweiligen Polizeigesetz der Bundesländer beziehungsweise im Bundesrecht, etwa im Bundespolizeigesetz. Voraussetzung für das Erlassen eines Verbotes ist das Vorliegen einer sogenannten Gefahr, wobei je nach Art des Verbotes auch eine abstrakte Gefahr ausreichend sein kann (z. B. bei Versammlungsverboten). Darüber hinaus muss das Verbot verhältnismäßig sein, d. h., es darf nur so weit gehen, wie es zur Abwehr der Gefahr erforderlich ist, und darf keine unzumutbaren Eingriffe in Grundrechte darstellen. Häufig ist vor dem Ausspruch eines Verbots das milderes Mittel zu prüfen. Das polizeiliche Verbot muss sich außerdem an die richtige Person oder den richtigen Personenkreis richten (Störerprinzip) und entsprechend inhaltlich, zeitlich sowie örtlich bestimmt sein.

Welche Rechtsmittel stehen gegen polizeiliche Verbote zur Verfügung?

Gegen polizeiliche Verbote stehen dem Betroffenen grundsätzlich die Verwaltungsrechtswege offen. Das bedeutet, der Betroffene kann gegen das Verbot Widerspruch bei der zuständigen Behörde einlegen. Sollte der Widerspruch zurückgewiesen werden oder die Behörde in einer bestimmten Frist nicht reagieren, besteht die Möglichkeit, Klage vor dem Verwaltungsgericht zu erheben. In dringenden Fällen kann zudem einstweiliger Rechtsschutz beantragt werden (Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung oder auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß §§ 80, 123 VwGO). Über die formellen und materiellen Anforderungen an Rechtsmittel informieren die entsprechenden Verfahrensgesetze, etwa die Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Welche Arten polizeilicher Verbote gibt es im deutschen Recht?

Im deutschen Recht existieren verschiedene Formen polizeilicher Verbote. Zu den wichtigsten zählen das Aufenthaltsverbot (bereichsbezogenes Verbot, sich an einem bestimmten Ort aufzuhalten), das Kontaktverbot (Verbot, zu bestimmten Personen Kontakt aufzunehmen), das Berufs- oder Tätigkeitsverbot (vorübergehende Untersagung beruflicher Aktivitäten), das Veranstaltungs- oder Versammlungsverbot (Verbot der Durchführung öffentlicher Veranstaltungen oder Versammlungen) sowie das Betretungsverbot (Untersagung, bestimmte Grundstücke oder Gebäude zu betreten). Die genaue Ausprägung und Konkretisierung der Verbote ergibt sich aus spezialgesetzlichen Vorschriften, beispielsweise aus dem Versammlungsgesetz, dem Infektionsschutzgesetz oder den jeweiligen Polizeigesetzen.

Welche Rechtsgrundlagen legitimieren polizeiliche Verbote?

Polizeiliche Verbote werden in Deutschland durch unterschiedliche Gesetze legitimiert, abhängig von der jeweiligen Materie. Allgemeine Grundlage sind die Polizeigesetze der Bundesländer, in denen die Generalklausel und spezielle Eingriffsnormen zu finden sind. Für bestimmte Fallgruppen bestehen bundesgesetzliche Regelungen, etwa im Versammlungsgesetz (VersG) für Versammlungsverbote, im Infektionsschutzgesetz (IfSG) für Verbote zur Seuchenbekämpfung oder im Aufenthaltsgesetz (AufenthG) für Ausweisungen und Aufenthaltsverbote von Ausländern. Die Verfassung (insbesondere das Grundgesetz, GG) setzt zudem Schranken für polizeiliche Verbote, insbesondere durch Grundrechte wie die Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) oder die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 GG). Daher müssen polizeiliche Verbote stets auf eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage gestützt werden und im Lichte verfassungsrechtlicher Vorgaben beurteilt werden.

Wie wird ein polizeiliches Verbot rechtlich wirksam und wie ist es zuzustellen?

Ein polizeiliches Verbot wird in Form eines Verwaltungsaktes erlassen und entfaltet seine Wirksamkeit grundsätzlich mit der Bekanntgabe an den Betroffenen. Diese Bekanntgabe muss so erfolgen, dass der Empfänger vom Inhalt und den belastenden Folgen des Verbots tatsächlich oder zumindest rechtlich in die Lage versetzt wird, vom Verbot Kenntnis zu nehmen. Dies kann mündlich, schriftlich oder elektronisch erfolgen. Die Zustellung richtet sich nach den Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) beziehungsweise den Verwaltungszustellungsgesetzen der Länder. Im polizeilichen Sofortvollzug ist eine sofortige (auch mündliche) Bekanntgabe zulässig, schriftliche Bestätigung kann nachgereicht werden.

Unterliegt die Polizei bei der Anordnung eines Verbotes bestimmten Verhältnismäßigkeitsgrundsätzen?

Ja, das polizeiliche Einschreiten generell und insbesondere der Erlass von Verboten unterliegt strikt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dies bedeutet, dass das polizeiliche Verbot geeignet sein muss, die Gefahr abzuwehren, erforderlich sein muss (kein milderes, gleich wirksames Mittel vorhanden) und angemessen sein muss (die Nachteile dürfen nicht außer Verhältnis zum angestrebten Zweck stehen). Bei der Auswahl und Ausgestaltung des Verbots ist die Behörde verpflichtet, eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Gefahrenabwehr und den Grundrechten des Betroffenen vorzunehmen. Die Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist auch justiziabel und kann gerichtlich überprüft werden.