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Veranlagungssteuern


Begriff und Einordnung der Veranlagungssteuern

Veranlagungssteuern sind Steuern, deren Höhe und grundsätzliche Verpflichtung nicht bereits bei Eintritt des steuerlichen Tatbestands endgültig feststehen, sondern die durch einen individuell ergehenden Steuerbescheid (Veranlagung) festgesetzt werden. Das zentrale Merkmal der Veranlagungssteuer ist die gesonderte Ermittlung der Steuerpflicht durch eine individuelle Prüfung und Festsetzung, üblicherweise auf Basis einer vom Steuerpflichtigen eingereichten Steuererklärung. Dieser Vorgang der Veranlagung steht im Gegensatz zu Erhebungsarten wie Quellensteuern oder festen Abzugssteuern, bei denen der Steuerabzug ohne weitere Prüfung direkt vom Einkommen abgezogen wird.

In Deutschland sind die wichtigsten Veranlagungssteuern die Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer.


Rechtliche Grundlagen der Veranlagungssteuern

Steuerarten mit Veranlagungsverfahren

Zu den Veranlagungssteuern zählen insbesondere:

  • Einkommensteuer: Die Festsetzung geschieht durch einen individuellen Einkommensteuerbescheid nach Prüfung der abgegebenen Erklärung (§ 25 EStG).
  • Körperschaftsteuer: Besteuerung juristischer Personen durch ein gesondertes Veranlagungsverfahren (§ 31 KStG).
  • Gewerbesteuer: Die Steuerpflicht ergibt sich ebenfalls aus einer individuellen Veranlagung nach § 14 GewStG sowie der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags.

Nicht zu den Veranlagungssteuern gehören beispielsweise die Lohnsteuer (direkter Abzug vom Arbeitslohn) und die Kapitalertragsteuer, da diese direkt an der Quelle erhoben werden.

Gesetzliche Regelungen

Der Ablauf und die rechtlichen Grundlagen sind durch verschiedene Steuergesetze und die Abgabenordnung (AO) geregelt:

  • Steuererklärungspflicht (§ 149 AO): Verpflichtung für Steuerpflichtige, eine Steuererklärung abzugeben, wenn die Voraussetzungen erfüllt werden.
  • Ermittlungsverfahren (§§ 88 ff. AO): Finanzbehörde prüft die Angaben des Steuerpflichtigen und ermittelt die jeweiligen Besteuerungsgrundlagen.
  • Steuerbescheid (§ 155 AO): Nach Beendigung des Ermittlungsverfahrens ergeht durch das Finanzamt der Steuerbescheid, der die festgesetzte Steuerhöhe und Zahlungsfristen bestimmt.

Ablauf des Veranlagungsverfahrens

Abgabe der Steuererklärung

Der Steuerpflichtige gibt jährlich eine Steuererklärung über seine steuerrelevanten Einkünfte und Ausgaben ab. Die Abgabefristen sind dabei gesetzlich festgelegt und können in Einzelfällen verlängert werden.

Prüfung durch das Finanzamt

Nach Eingang der Erklärung prüft das Finanzamt die angegebenen Daten. Es können Belege angefordert, Auskünfte eingeholt und Sachverhalte weiter aufgeklärt werden. Ziel ist die vollständige und richtige Ermittlung der steuerlichen Verhältnisse.

Erlass des Steuerbescheids

Nach Abschluss der Prüfung erlässt das Finanzamt den Steuerbescheid, der die konkrete Steuerlast sowie ggf. Vorauszahlungen und Erstattungen festlegt. Gegen den Bescheid kann innerhalb eines Monats Einspruch eingelegt werden, falls der Steuerpflichtige mit der Festsetzung nicht einverstanden ist.


Rechtsfolgen und Besonderheiten

Bindungswirkung und Änderungsmöglichkeiten

Mit Bekanntgabe des Steuerbescheids entfaltet dieser grds. Bindungswirkung. Allerdings sind mit den §§ 172 ff. AO verschiedene Korrektur- und Änderungsvorschriften zugunsten oder zulasten des Steuerpflichtigen vorgesehen (z. B. bei nachträglichem Bekanntwerden neuer Tatsachen oder durch offenbare Unrichtigkeiten).

Nebenpflichten und Mitwirkung

Das Veranlagungsverfahren unterliegt der allgemeinen Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen (§ 90 AO). Insbesondere bei internationalem Bezug kommen erweiterte Nachweispflichten hinzu.

Rechtsmittel und Rechtsbehelfe

Gegen einen Steuerbescheid als Ergebnis des Veranlagungsverfahrens kann form- und fristgerecht Einspruch eingelegt werden (§§ 347 ff. AO). Das anschließende Einspruchsverfahren bietet den Steuerpflichtigen die Möglichkeit, unrichtige oder strittige Festsetzungen überprüfen zu lassen.


Abgrenzung zu anderen Steuererhebungsformen

Veranlagungssteuern unterscheiden sich von anderen Erhebungsarten v.a. dadurch, dass sie nicht unmittelbar bei Entstehen des steuerbaren Ereignisses erhoben werden, sondern eine individuelle Festsetzung durch die Finanzbehörde erfolgt. Dem gegenüber stehen insbesondere:

  • Quellensteuern: Abzug der Steuer bereits an der Einkommensquelle (beispielsweise Lohnsteuer, Kapitalertragsteuer).
  • Direkte Festsetzungen: Etwa bei Verbrauchsteuern, bei denen regelmäßig pauschalierte Steuersätze Anwendung finden.

Die Abgrenzung ist bedeutsam für das Verständnis der jeweiligen Mitwirkungspflichten, für Einspruchsmöglichkeiten sowie für die Möglichkeit einer steuerlichen Gestaltung durch (legale) Ausnutzung von Steuertatbeständen.


Internationale Aspekte der Veranlagungssteuern

Auch in anderen Staaten existieren vergleichbare Veranlagungsverfahren. Die internationale Zusammenarbeit bei grenzüberschreitenden Sachverhalten erfordert oftmals die Klärung der Zuständigkeit durch Doppelbesteuerungsabkommen (DBA). Auf europäischer Ebene spielt zudem die Amtshilfe zwischen den Steuerbehörden eine wichtige Rolle bei der Durchsetzung von Veranlagungssteuern.


Bedeutung und Relevanz in der Steuerpraxis

Die Veranlagungssteuer ist ein zentrales Element des deutschen Steuerrechts und prägt die Beziehung zwischen Steuerpflichtigen und Finanzbehörden wesentlich. Ihre Rechtsgrundlagen, das Verfahren und die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten bilden die Basis zahlreicher steuerlicher Verpflichtungen für natürliche und juristische Personen.


Literatur und Quellen

  • Abgabenordnung (AO)
  • Einkommensteuergesetz (EStG)
  • Körperschaftsteuergesetz (KStG)
  • Gewerbesteuergesetz (GewStG)
  • Anwendungserlasse und Rechtsprechung zum Veranlagungsverfahren

Dieser Artikel bietet einen präzisen, umfassenden Überblick zu den rechtlichen Rahmenbedingungen und zur praktischen Anwendung der Veranlagungssteuern im deutschen Steuersystem.

Häufig gestellte Fragen

Wann entsteht die Steuerpflicht bei den Veranlagungssteuern?

Die Steuerpflicht bei den Veranlagungssteuern entsteht grundsätzlich mit dem Tatbestand, der nach den jeweiligen Steuergesetzen als steuerbegründend angesehen wird. Bei der Einkommensteuer beispielsweise ist das Kalenderjahr als Veranlagungszeitraum maßgeblich, sodass die Steuerpflicht regelmäßig mit dem Beginn des Jahres einsetzt und sich auf die während dieses Zeitraums erzielten Einkünfte bezieht. Maßgeblich ist der Wohnsitz oder der gewöhnliche Aufenthalt im Inland gemäß § 1 EStG, der die unbeschränkte Steuerpflicht begründet. Bei juristischen Personen kommt es auf den Sitz oder die Geschäftsleitung im Inland an (§ 1 KStG). Die Steuerpflicht endet in dem Moment, in dem alle Voraussetzungen, die zur unbeschränkten Steuerpflicht geführt haben, wegfallen. Es gibt daneben auch beschränkte Steuerpflichten, etwa bei beschränktem Inlandsbezug gemäß § 49 EStG. Die Steuerpflicht und ihr Umfang richtet sich grundsätzlich immer nach dem jeweiligen Steuertatbestand und wird durch gesetzlich bestimmte Ereignisse ausgelöst.

Welche Pflichten treffen Steuerpflichtige im Rahmen der Veranlagung?

Steuerpflichtige sind gemäß § 149 AO verpflichtet, ihre Steuererklärungen form- und fristgerecht abzugeben. Dies umfasst insbesondere die umfassende Offenlegung aller für die Steuerfestsetzung relevanten Tatsachen, wahrheitsgemäße und vollständige Angaben in der Einkommen-, Körperschaft-, Gewerbe- oder Umsatzsteuererklärung. Daneben besteht eine gesetzliche Mitwirkungspflicht (§ 90 AO), die die Beibringung der erforderlichen Unterlagen auf Verlangen der Finanzbehörde einschließt (z. B. Belege, Nachweise, Bilanzunterlagen). Kommt der Steuerpflichtige diesen Pflichten nicht nach, kann die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen schätzen (§ 162 AO). Darüber hinaus treffen Steuerpflichtige auch Aufbewahrungspflichten bezüglich steuerlich relevanter Dokumente (§ 147 AO).

Wie erfolgt die steuerliche Veranlagung durch die Finanzbehörde?

Die Veranlagung erfolgt grundsätzlich in einem zweistufigen Verfahren: Zunächst überprüft das Finanzamt die eingereichte Steuererklärung und bescheidet über die Steuerfestsetzung durch einen Steuerbescheid (§ 155 AO). Im Rahmen der sogenannten Veranlagungsbesteuerung ermittelt das Finanzamt die festzusetzende Steuer anhand der Angaben des Steuerpflichtigen sowie gegebenenfalls durch weitere Ermittlungen (z. B. Anforderung zusätzlicher Unterlagen, Nachfragen). Jede Veranlagung steht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO), sodass sie – bis zur endgültigen Festsetzung oder Ablauf der Festsetzungsfrist – änderbar ist. Kommen neue Tatsachen hinzu oder werden Unrichtigkeiten erkannt, kann eine Korrektur erfolgen (§§ 172 ff. AO).

Welche Fristen gelten für die Durchführung der Veranlagung und Steuerfestsetzung?

Für die Abgabe der Steuererklärungen gelten gesetzliche Abgabefristen: Regelmäßig ist die Einkommensteuererklärung bis zum 31. Juli des Folgejahres einzureichen (§ 149 Abs. 2 AO, seit Veranlagungszeitraum 2018; vorher 31. Mai). Wird die Erklärung durch einen Steuerberater oder eine Steuerberatungsgesellschaft erstellt, verlängert sich die Frist in der Regel bis zum letzten Februartag des übernächsten Jahres (§ 149 Abs. 3 AO). Hinsichtlich der Festsetzung der Steuer gilt eine vierjährige Festsetzungsfrist ab Ende des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist (§ 169 AO). Bei Steuerhinterziehung oder leichtfertiger Steuerverkürzung verlängern sich diese Fristen auf zehn bzw. fünf Jahre (§ 169 Abs. 2 AO).

Wie kann gegen einen Steuerbescheid im Rahmen der Veranlagungssteuern vorgegangen werden?

Der Steuerpflichtige kann gegen einen Steuerbescheid innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Einspruch einlegen (§ 355 AO). Der Einspruch ist schriftlich beim zuständigen Finanzamt einzureichen; eine Begründung ist zwar nicht zwingend erforderlich, aber sinnvoll, um die Erfolgsaussichten zu erhöhen. Der Einspruch hemmt die Bestandskraft des Bescheides und bewirkt eine erneute Prüfung durch das Finanzamt (§ 367 AO). Wird dem Einspruch nicht abgeholfen, entscheidet die Finanzbehörde mit einer Einspruchsentscheidung. Gegen diese steht dem Steuerpflichtigen der Weg zum Finanzgericht offen (§ 40 FGO). Ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist möglich (§ 361 AO), um die Vollziehung des angegriffenen Steuerbescheids bis zur endgültigen Klärung aufzuschieben.

Welche Rechte und Kontrollmöglichkeiten haben Steuerpflichtige im Veranlagungsverfahren?

Steuerpflichtige haben umfassende Mitwirkungs- und Auskunftsrechte. Sie können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Steuerbescheids Akteneinsicht beantragen (§ 364b AO). Außerdem besteht das Recht, die zugrunde gelegten Besteuerungsgrundlagen sowie die angewandten Rechtsgrundlagen in Erfahrung zu bringen. Der Steuerbescheid muss eine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten, die über die Einspruchsmöglichkeit informiert (§ 356 AO). Bei fehlerhafter Beratung oder unrichtiger Rechtsanwendung kann der Steuerpflichtige die Wiederaufnahme des Verfahrens oder die Korrektur eines fehlerhaften Steuerbescheids beantragen. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens können ergänzende Beweismittel vorgelegt oder mündliche Erörterungen beantragt werden.

Welche Sanktionen drohen bei Pflichtverletzungen im Rahmen der Veranlagungssteuern?

Wer steuerliche Pflichten im Rahmen von Veranlagungssteuern verletzt – insbesondere durch Nichtabgabe der Steuererklärung, unvollständige oder falsche Angaben, verspätete Einreichung etc. – muss mit verschiedenen Sanktionen rechnen: Neben Verspätungszuschlägen (§ 152 AO) und Zwangsgeldern (§ 328 AO) ist auch die Einleitung eines Steuerstraf- oder Bußgeldverfahrens möglich (§§ 369 ff. AO bei Steuerhinterziehung nach § 370 AO; Ordnungswidrigkeiten nach § 378 AO). In gravierenden Fällen kann es zu strafrechtlichen Konsequenzen einschließlich Geld- oder Freiheitsstrafen kommen. Auch die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen (§ 162 AO) stellt eine Sanktion für unzureichende Mitwirkung dar und kann steuerlich erhebliche Nachteile für den Steuerpflichtigen mit sich bringen. Amnestieren im Rahmen der strafbefreienden Selbstanzeige (§ 371 AO) sind grundsätzlich möglich, wenn alle gesetzlichen Voraussetzungen rechtzeitig erfüllt werden.

Welche Besonderheiten bestehen bei der Veranlagung zusammenveranlagter Ehegatten?

Ehegatten, die beide unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind, können zwischen Einzelveranlagung und Zusammenveranlagung wählen (§ 26 EStG). Die Zusammenveranlagung führt zur Anwendung des Splitting-Verfahrens (§ 32a Abs. 5 EStG), das häufig mit steuerlichen Vorteilen verbunden ist. Beide Ehegatten haften als Gesamtschuldner für die festgesetzte Steuer (§ 44 AO), unabhängig vom jeweiligen Beitrag zum Gesamteinkommen. Die Wahl der Veranlagungsform ist bei Abgabe der Steuererklärung anzugeben und kann bis zur formellen Bestandskraft des Bescheids geändert werden (§ 26 Abs. 2 EStG). Im Falle der Trennung oder bei Tod eines Ehegatten bestehen besondere Regelungen zur Veranlagungsfähigkeit. Eine Rückwirkende Anwendung der Zusammenveranlagung ist in bestimmten Fällen möglich, sofern alle Voraussetzungen vorlagen.