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Urbanes Gebiet


Definition und rechtlicher Rahmen des Urbanen Gebiets

Das Urbane Gebiet ist ein städtebaulicher Begriff, der in den deutschen Rechtsvorschriften, insbesondere im Bauplanungsrecht, eine spezifische Bedeutung hat. Im Zusammenhang mit der städtebaulichen Planung bezeichnet er eine besondere Kategorie von Baugebieten, die rechtlich durch die Baunutzungsverordnung (BauNVO) geregelt werden. Das Urbane Gebiet dient der Steuerung einer verdichteten städtischen Bebauung, die unterschiedliche Nutzungsarten wie Wohnen, Arbeiten und Freizeitaktivitäten in hoher Dichte miteinander kombiniert. Die Einführung dieser Gebietskategorie erfolgte durch eine Novelle der BauNVO im Jahr 2017 und zeigt eine Reaktion auf die zunehmende Urbanisierung und den Wandel in der Stadtentwicklung.

Historische Entwicklung

Seit dem Inkrafttreten der Baunutzungsverordnung 1962 wurden städtebauliche Gebiete in spezifische Baugebietstypen gegliedert, wie etwa reine Wohngebiete sowie Misch- und Gewerbegebiete. Mit der Novellierung im Mai 2017 wurde das Urbane Gebiet als eigenständige Kategorie (§ 6a BauNVO) eingeführt, um insbesondere die Herausforderungen der Nachverdichtung und der Nutzungsdurchmischung im urbanen Raum besser zu steuern.

Rechtliche Grundlagen und Systematik

Baunutzungsverordnung (BauNVO)

Das Urbane Gebiet ist in § 6a BauNVO geregelt. Die Verordnung definiert die städtebaulichen Nutzungen, die innerhalb dieses Gebietstyps zulässig oder ausnahmsweise zulässig sind. Damit unterscheidet sich das Urbane Gebiet von anderen Baugebietstypen wie dem Mischgebiet (§ 6 BauNVO) oder dem allgemeinen Wohngebiet (§ 4 BauNVO).

Zulässige Nutzungsarten

Im Urbanen Gebiet sind gemäß § 6a Absatz 1 BauNVO insbesondere folgende Nutzungen zulässig:

  • Wohnnutzungen
  • Gewerbliche Nutzungen, jedoch nur soweit sie mit dem Wohnen verträglich sind
  • Dienstleistungsbetriebe
  • Einzelhandelsbetriebe für den täglichen Bedarf
  • Gastronomiebetriebe, soweit sie das Wohnen nicht stören
  • Kulturelle, soziale und gesundheitliche Einrichtungen

Zusätzlich ist der Bau von Handwerksbetrieben gestattet, sofern diese sich in das städtebauliche Gesamtbild einfügen und die Wohnnutzung nicht wesentlich beeinträchtigen.

Einschränkungen und Schutzmechanismen

Die Zulässigkeit gewerblicher und handwerklicher Nutzungen ist daran geknüpft, dass keine erheblichen Belästigungen oder Störungen für die Wohnnutzung entstehen. Die örtliche Bauleitplanung kann durch Festsetzungen in den Bebauungsplänen weitergehende Regelungen und Einschränkungen vorsehen.

Verhältnis zu anderen Baugebietstypen

Das Urbane Gebiet positioniert sich zwischen dem Mischgebiet und dem Kerngebiet und verfolgt das Ziel der höheren Flexibilität und Durchmischung. Im Gegensatz zum Mischgebiet sind hier höhere bauliche Dichte und größere Höchstwerte im Immissionsschutz zulässig. Damit soll auf die städtebaulichen Herausforderungen in Ballungsräumen reagiert werden, wo Wohnraum und Arbeitsplätze zunehmend eng beieinanderliegen.

Bauplanungsrechtliche Besonderheiten

Planungsrechtliche Steuerung

Die Ausweisung von Urbanen Gebieten erfolgt im Zuge der kommunalen Bauleitplanung durch Erlass eines Bebauungsplans (§ 9 BauGB). In diesem Zusammenhang kann die Gemeinde Nutzungsschwerpunkte setzen und damit gezielt Einfluss auf die Art und das Ausmaß der Nutzungen nehmen.

Dichte und Maß der baulichen Nutzung

Die BauNVO ermöglicht in Urbanen Gebieten eine höhere Grundflächenzahl (GRZ) und Geschossflächenzahl (GFZ) als in Mischgebieten, was eine dichtere Bebauung und eine intensivere Nutzung von Bodenfläche erlaubt. Dies trägt dem Verdichtungsbedarf in innerstädtischen Bereichen Rechnung.

Immissionsschutz und Emissionsgrenzwerte

Ein wesentliches Merkmal des Urbanen Gebiets besteht in erweiterten Möglichkeiten zum Umgang mit Lärm und anderen Emissionen. Es gelten höhere Richtwerte im Rahmen der 6. Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (TA Lärm), um die erhöhte Dichte der Nutzung zu ermöglichen und innovative städtische Konzepte wie „urbanes Arbeiten“ und „Wohnen über Gewerbe“ umzusetzen.

Auswirkungen auf Bau- und Genehmigungsverfahren

Bebauungsplanverfahren

Die Ausweisung als Urbanes Gebiet bedarf der förmlichen Festsetzung im Bebauungsplan. Dabei sind die Belange des Umweltschutzes, des Lärmschutzes sowie der städtebaulichen Gestalt und Funktionalität zu berücksichtigen. Die Planaufstellung erfolgt nach den Vorgaben des Baugesetzbuchs (BauGB), wobei eine umfassende Abwägung aller öffentlichen und privaten Belange sicherzustellen ist.

Genehmigungsrechtliche Aspekte

Bauliche Projekte im Urbanen Gebiet unterliegen weiterhin den landesrechtlichen Bestimmungen der jeweiligen Bauordnungen. Im Rahmen der Baugenehmigung wird geprüft, ob das Vorhaben den Regelungen der BauNVO, des Bebauungsplans und des Immissionsschutzrechts entspricht.

Besondere Herausforderungen und rechtliche Streitfragen

Konfliktpotenzial zwischen Wohnen und Gewerbe

Die Durchmischung verschiedener Nutzungen birgt Konfliktpotenzial, insbesondere im Hinblick auf Lärm, Gerüche oder Verkehrsbelastungen. Die rechtliche Herausforderung besteht darin, ein ausgewogenes Maß an Zumutbarkeit und Verträglichkeit für alle Nutzergruppen im Urbanen Gebiet zu gewährleisten.

Umwelt- und Klimaschutz

Die Verdichtung urbaner Räume bringt besondere Anforderungen an den Umwelt- und Klimaschutz mit sich. Insbesondere die Regenwasserbewirtschaftung, Versorgung mit Grünflächen sowie Maßnahmen zur Begrenzung von Hitzeinseln stehen im Fokus städtebaulicher Planungen.

Zusammenfassung und Ausblick

Das Urbane Gebiet stellt im deutschen Bauplanungsrecht ein flexibles und modernes Instrument dar, um die heutigen Anforderungen an eine multifunktionale, kompakte Stadtentwicklung umzusetzen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen fördern Nutzungsvielfalt, hohe Dichte und innovative Stadtentwicklungskonzepte, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf dem Ausgleich zwischen den unterschiedlichen Nutzungsinteressen liegt. Die zukünftige Entwicklung dieser Gebietskategorie dürfte maßgeblich von stadtplanerischen, sozialen und ökologischen Herausforderungen geprägt sein.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Vorgaben gelten für die Ausweisung von Urbanen Gebieten im Bebauungsplan?

Die Ausweisung von Urbanen Gebieten im Bebauungsplan richtet sich im Wesentlichen nach § 6a der Baunutzungsverordnung (BauNVO). Kommunen können dort durch Satzung festlegen, welche Flächen als „Urbane Gebiete“ genutzt werden dürfen. Die Ausweisung muss planerisch begründet werden und ist an die Anforderungen des Baugesetzbuches (BauGB), insbesondere die städtebauliche Entwicklung (§ 1 Abs. 5 BauGB), gebunden. Die Gemeinde hat eine Abwägung zwischen verschiedenen Belangen vorzunehmen, dazu zählen z.B. Belange des Umweltschutzes, des Immissionsschutzes sowie soziale, wirtschaftliche und kulturelle Anliegen. Der Bebauungsplan als verbindlicher Bauleitplan muss das urbane Gebiet in seiner Gesamtheit darstellen und Transparenz für bestehende und künftige Nutzungsmöglichkeiten bieten. Ein Beteiligungsverfahren für Behörden und Öffentlichkeit, sowie die Umweltprüfung nach § 2 Abs. 4 BauGB, sind rechtlich zwingend vorgeschrieben.

Inwiefern wird der Immissionsschutz im Urbanen Gebiet rechtlich geregelt?

Immissionen, wie beispielsweise Lärm, Gerüche oder Luftverunreinigungen, sind im Urbanen Gebiet durch § 6a Abs. 4 BauNVO geregelt. Im Gegensatz zu den anderen Baugebieten gelten für das Urbane Gebiet im Rahmen des Immissionsschutzes erhöhte zulässige Lärmgrenzwerte. Diese Anpassung wurde bundesgesetzlich vorgenommen, um die stärkere Mischung von Wohn- und gewerblichen Nutzungen zu ermöglichen, wie es für Urbanes Gebiet typisch ist. Die Grenzwerte orientieren sich an der TA Lärm (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm), die für Urbane Gebiete eine höhere Toleranz gegenüber Immissionen, speziell in Nachstunden, vorsieht. Dennoch dürfen schädliche Umwelteinwirkungen nach Bundes-Immissionsschutzgesetz (§ 3 BImSchG) vermieden werden; es kommt auf eine sachkundige Abwägung und jede Einzelfallbewertung im Rahmen des Planungsrechts an.

Welche rechtlichen Anforderungen bestehen an die Nutzungsmischung im Urbanen Gebiet?

Für Urbane Gebiete schreibt § 6a BauNVO zwingend eine Durchmischung von Wohnnutzungen mit nicht wesentlich störendem Gewerbe, sozialen, kulturellen und anderen Einrichtungen vor. Eine rechtliche Voraussetzung ist, dass der Wohnanteil und der gewerbliche Anteil in einem ausgewogenen Verhältnis stehen. Die Bauleitplanung muss vorsehen, dass keine der genehmigten Nutzungsarten dominiert, um ein funktionsfähiges, urban gemischtes Quartier zu gewährleisten. Wohnungsnutzungen dürfen nicht durch gewerbliche Nutzungen unzumutbar beeinträchtigt werden – ein explizites Verdrängungsverbot existiert. Weiterhin müssen gemäß den Regelungen der BauNVO soziale Infrastruktur, wie etwa Kitas oder Gemeinschaftseinrichtungen, baurechtlich zulässig sein. Sondernutzungen, wie Vergnügungsstätten, sind in Urbanen Gebieten im Regelfall nur ausnahmsweise zulässig und bedürfen besonderer planungsrechtlicher Begründung.

Wie ist die Dichte und das Maß der baulichen Nutzung im Urbanen Gebiet rechtlich festgelegt?

Das Maß der baulichen Nutzung im Urbanen Gebiet unterscheidet sich von dem anderer Baugebiete durch die zulässige höhere Grundflächenzahl (GRZ) und Geschossflächenzahl (GFZ). Nach § 17 Abs. 1 BauNVO kann die GRZ bis zu 0,6 und die GFZ bis zu 3,0 betragen, was eine dichte und intensive bauliche Ausnutzung ermöglicht. Die Gemeinde kann im Bebauungsplan die konkret zulässige Dichte je nach städtebaulichem Konzept weiter differenzieren. Zudem sind die Anforderungen des Bauordnungsrechts der jeweiligen Bundesländer einzuhalten, die beispielsweise Mindestabstände und Belichtungsvorschriften regeln. Überschreitungen der Grenzwerte sind nur in besonders begründeten Ausnahmefällen im Rahmen einer Befreiung zulässig und müssen im Bebauungsplan ausdrücklich benannt sein.

Gibt es besondere rechtliche Regelungen für Stellplätze und Verkehrsflächen im Urbanen Gebiet?

Für Urbane Gebiete dürfen Kommunen nach § 6a Abs. 4 BauNVO im Bebauungsplan geringere Stellplatzanforderungen festlegen als in anderen Baugebieten, um der besonderen städtebaulichen Prägung und der erwünschten Nutzungsmischung Rechnung zu tragen. Dies trägt dem Ziel von mehr Nahmobilität, multimodalem Verkehr und nachhaltiger Stadtentwicklung Rechnung. Die Ausgestaltung der Verkehrsflächen muss den Anforderungen an Lärmschutz, Barrierefreiheit und Sicherheit genügen, wie sie die jeweiligen Landesbauordnungen und das Straßenverkehrsrecht vorsehen. Die Berücksichtigung von alternativen Mobilitätsangeboten (z.B. Car-Sharing, Fahrradabstellanlagen) kann den Stellplatzbedarf weiter reduzieren, muss aber planerisch ausgewiesen werden.

Wie werden Erschließung und Infrastruktur rechtlich im Urbanen Gebiet gesichert?

Eine ordnungsgemäße Erschließung stellt eine zentrale rechtliche Voraussetzung für die Bebaubarkeit von Flächen im Urbanen Gebiet dar und ist im Baugesetzbuch (§ 30 BauGB i.V.m. §§ 123 ff. BauGB) geregelt. Die Kommune muss sicherstellen, dass alle Grundstücke im Urbanen Gebiet über sichere Wege, Straßen, Wasser-, Abwasser- und Energieversorgung sowie einen Zugang zur Telekommunikations- und weiteren Daseinsvorsorgeinfrastruktur verfügen. Ein Erschließungsvertrag nach § 124 BauGB kann notwendig werden. Die Kosten der Erschließung werden regelmäßig auf die Grundstückseigentümer umgelegt, wobei Art und Umfang der umlagefähigen Kosten nach den landesrechtlichen Kommunalabgabengesetzen ausgeschärft werden. Baustart ist erst nach rechtssicherer Erschließung möglich, ein entsprechender Nachweis muss im Genehmigungsverfahren erbracht werden.

Welche Bestimmungen gelten für die Erhaltung und Entwicklung von Grünflächen im Urbanen Gebiet?

Trotz der hohen baulichen Dichte eines Urbanen Gebiets fordert das BauGB ausdrücklich die Berücksichtigung und rechtliche Sicherung von Grün- und Freiflächen. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB kann der Bebauungsplan verbindliche Regelungen zu Spiel-, Sport- und Grünflächen enthalten. Kommunen dürfen solche Flächen als „öffentliche Grünflächen“ oder als private Flächen mit Nutzungsbindung ausweisen; dies ist rechtlich bindend. Zudem greifen Umwelt- und Naturschutzbestimmungen, z.B. gemäß Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG), sodass eine Eingriffs-/Ausgleichsbilanz auch im Rahmen städtebaulicher Planung für Urbanes Gebiet zu erstellen ist. Maßnahmen wie Dachbegrünung oder Fassadenbegrünung können bauordnungsrechtlich gefordert und durch Satzung konkretisiert werden. Bei Planabweichungen ist zu prüfen, ob naturschutzrechtliche Ausgleichspflichten greifen und wie sie umgesetzt werden, bevor eine Baugenehmigung erteilt wird.