UPC (Unified Patent Court) – Begriff und Einordnung
Das UPC (Unified Patent Court, deutsch: Einheitliches Patentgericht) ist ein grenzüberschreitendes Gerichtssystem mehrerer europäischer Staaten mit Spezialisierung auf Patentsachen. Es entscheidet zentral über Streitigkeiten zu Einheitspatenten und – unter bestimmten Voraussetzungen – zu klassischen europäischen Patenten. Ziel ist eine einheitliche und effiziente Durchsetzung sowie Überprüfung von Patentrechten in teilnehmenden Staaten.
Abgrenzung zu anderen Bedeutungen von „UPC“
Außerhalb des Patentrechts wird die Abkürzung „UPC“ gelegentlich für den Universal Product Code verwendet. Im europäischen Kontext des gewerblichen Rechtsschutzes bezeichnet „UPC“ jedoch das Einheitliche Patentgericht.
Historische Entwicklung und Zielsetzung
Das UPC ist Bestandteil der Reform des europäischen Patentsystems, die auf Vereinheitlichung, beschleunigte Verfahren und verlässliche grenzüberschreitende Entscheidungen abzielt. Seit dem Start des Systems im Jahr 2023 hat das Gericht seine Tätigkeit in mehreren Mitgliedstaaten aufgenommen. Die Zahl der teilnehmenden Staaten kann sich mit weiteren Beitritten schrittweise erweitern.
Institutioneller Aufbau und Organisation
Gerichtsstruktur
Das UPC besteht aus einer Eingangsinstanz mit lokalen und regionalen Kammern sowie einer Zentralkammer. Berufungen werden von einem Berufungsgericht entschieden. Die Zentralkammer ist auf verschiedene Standorte verteilt, während lokale und regionale Kammern den Zugang in den Mitgliedstaaten sicherstellen.
Register und IT
Das Gericht nutzt ein elektronisches Fallmanagement-System. Schriftsätze und Entscheidungen werden grundsätzlich im öffentlich zugänglichen Register erfasst, wobei vertrauliche Informationen geschützt werden können.
Vertretung vor dem UPC
Parteien werden durch in einem Mitgliedstaat zugelassene Rechtsanwälte vertreten. Zugelassene europäische Patentanwälte mit entsprechender Zusatzqualifikation sind ebenfalls vertretungsbefugt. Unternehmen und Forschende treten typischerweise als Patentinhaber, Lizenznehmer oder behauptete Verletzer auf.
Materieller Anwendungsbereich
Einheitspatent
Das Einheitspatent ist ein europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung in den teilnehmenden Staaten, die zum Zeitpunkt der Eintragung erfasst sind. Es bietet eine einheitliche Durchsetzung und einheitliche Rechtsfolgen im abgedeckten Gebiet.
Europäische Patente (Bündelpatente)
Für klassische europäische Patente ist das UPC zuständig, solange kein wirksamer Opt-out erklärt wurde und soweit eine Übergangsregelung die parallele Zuständigkeit nationaler Gerichte vorsieht. Die Wirkung bleibt territorial segmentiert; Entscheidungen des UPC betreffen dann die erfassten Staaten, in denen das Patent besteht.
Ergänzende Schutzzertifikate (SPCs)
SPCs, die auf Einheitspatenten oder europäischen Patenten beruhen, fallen in den sachlichen Zuständigkeitsbereich des UPC. Dadurch können Schutzdauerverlängerungen zentral überprüft und durchgesetzt werden.
Ausnahmen
Bestimmte Materien wie rein nationale Schutzrechte sind nicht erfasst. Auch Angelegenheiten ohne Bezug zu den teilnehmenden Staaten gehören nicht zum Aufgabenbereich des UPC.
Zuständigkeit und Verhältnis zu nationalen Gerichten
Exklusive und parallele Zuständigkeit
Das UPC verfügt in Kernbereichen der Patentdurchsetzung und -gültigkeit über eine zentrale Zuständigkeit. Während einer Übergangszeit besteht für europäische Patente eine parallele Zuständigkeit mit nationalen Gerichten, sofern kein Opt-out erklärt wurde oder eine anhängige Sache die Zuständigkeit bindet.
Opt-out und Übergangszeit
Für erteilte europäische Patente und darauf basierende SPCs besteht während der Übergangsphase die Möglichkeit eines Opt-out aus der Zuständigkeit des UPC. Ein Opt-out ist nicht für Einheitspatente verfügbar. Ein einmaliger Widerruf des Opt-out (Opt-back-in) ist vorgesehen, solange keine widersprechende Rechtshängigkeit besteht.
Verfahren vor dem UPC
Verfahrensarten
Das UPC entscheidet über Verletzungsklagen, Feststellungsklagen, Nichtigkeitsklagen sowie Anträge auf einstweilige Maßnahmen und Beweissicherung. Ebenso werden Ansprüche auf Schadensersatz, Rechnungslegung und Beseitigungsmaßnahmen behandelt.
Ablauf und Verfahrensgrundsätze
Das Verfahren ist auf zügige Erledigung ausgerichtet. Es umfasst eine schriftliche Phase, eine vorbereitende Phase mit mündlicher Fallkonferenz und eine konzentrierte mündliche Verhandlung. Das Gericht kann Verfahren trennen oder verbinden, insbesondere bei der parallelen Behandlung von Verletzung und Nichtigkeit.
Beweis und Geheimnisschutz
Beweisaufnahme kann die Vorlage von Urkunden, Zeugen- und Sachverständigenbeweis, Inspektionen und Sicherungsmaßnahmen umfassen. Zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen stehen Vertraulichkeitsanordnungen und beschränkte Akteneinsicht zur Verfügung.
Sprachenregelung
Vor lokalen und regionalen Kammern kommen die dort vorgesehenen Sprachen zur Anwendung; vielfach ist auch Englisch zugelassen. In der Zentralkammer werden vorwiegend die Verfahrenssprachen des zugrundeliegenden Patents verwendet. Das Berufungsverfahren folgt eigenen Sprachregeln, die an die Sprache der ersten Instanz anknüpfen.
Kosten und Kostenerstattung
Es fallen Gerichtsgebühren an, die sich nach Art und Streitwert der Sache richten. Die unterlegene Partei kann zur Erstattung angemessener Kosten der Gegenseite verpflichtet werden; das Gericht kann die Erstattung der Höhe nach begrenzen.
Rechtsfolgen und Rechtsmittel
Rechtsfolgen bei Verletzung
Zu den möglichen Rechtsfolgen gehören Unterlassungsverfügungen mit unionsweiter Wirkung innerhalb der teilnehmenden Staaten, Vernichtungs- und Rückrufanordnungen, Auskunfts- und Rechnungslegungspflichten sowie Schadensersatz. Die Anordnung unterliegt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Einstweilige Maßnahmen
Vorläufige Anordnungen – auch ohne vorherige Anhörung der Gegenseite – sind möglich, wenn Eilbedürftigkeit, Erfolgsaussichten und Abwägung der Interessen dies tragen. Sicherheitsleistungen können verlangt werden.
Rechtsmittel
Gegen Entscheidungen der Eingangsinstanz ist die Berufung zulässig. Das Berufungsgericht überprüft Tat- und Rechtsfragen. Fragen des Unionsrechts können dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung vorgelegt werden.
Internationaler Kontext und territoriale Reichweite
Teilnehmende Staaten
Nicht alle EU-Mitgliedstaaten nehmen am UPC teil. Der Kreis der teilnehmenden Staaten ist dynamisch und kann wachsen. Das Vereinigte Königreich gehört nicht dazu. Entscheidungen des UPC wirken nur in den Staaten, in denen das jeweils betroffene Schutzrecht in Kraft steht und die vom System erfasst sind.
Territoriale Wirkung
Bei Einheitspatenten entfaltet eine Entscheidung einheitliche Wirkung im erfassten Gebiet. Bei europäischen Patenten erstreckt sich die Wirkung auf die beteiligten Staaten, in denen das Patent validiert ist und die Zuständigkeit des UPC greift. Der territoriale Umfang eines bereits eingetragenen Einheitspatents ist grundsätzlich an den zum Eintragungszeitpunkt erfassten Staaten ausgerichtet.
Verhältnis zum Europäischen Patentamt
UPC-Verfahren und EPO-Einsprüche können parallel bestehen. Das UPC kann Verfahren aussetzen, wenn der Ausgang eines Einspruchs maßgeblich ist, trifft diese Entscheidung jedoch nach eigenem Ermessen.
Bedeutung für Praxis und Rechtsentwicklung
Das UPC bündelt Streitigkeiten und schafft einheitliche Entscheidungen mit grenzüberschreitender Wirkung. Für Inhaber, Lizenznehmer und Wettbewerber verändert sich die Risikolandschaft: Eine zentrale Entscheidung kann zugleich mehrere Märkte betreffen; zugleich wird die Vorhersehbarkeit durch spezialisierte Senate und konsolidierte Rechtsprechung erhöht. Die Wahl zwischen Einheitspatent, Opt-out und nationalen Wegen während der Übergangszeit prägt die strategische Ausrichtung in Schutzrechtsportfolios und Marktauftritten.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zum UPC
Was ist das UPC und wofür ist es zuständig?
Das UPC ist ein grenzüberschreitendes Gericht für Patentsachen in teilnehmenden europäischen Staaten. Es entscheidet über Verletzungs- und Nichtigkeitsfragen zu Einheitspatenten sowie – unter bestimmten Voraussetzungen – zu klassischen europäischen Patenten und darauf basierenden ergänzenden Schutzzertifikaten.
Welche Schutzrechte fallen unter das UPC?
Erfasst sind Einheitspatente in ihrem gesamten abgedeckten Gebiet sowie europäische Patente, sofern kein wirksamer Opt-out besteht oder die Übergangsregelung die Zuständigkeit vorsieht. Ergänzende Schutzzertifikate, die auf diesen Patenten beruhen, sind ebenfalls einbezogen.
Wie wirkt die Übergangszeit und was bedeutet Opt-out?
Während der Übergangszeit besteht für europäische Patente eine parallele Zuständigkeit von UPC und nationalen Gerichten. Für bestimmte Patente kann ein Opt-out erklärt werden, der die UPC-Zuständigkeit ausschließt. Ein einmaliger Widerruf ist möglich, sofern keine entgegenstehende Rechtshängigkeit besteht. Einheitspatente sind vom Opt-out ausgenommen.
Welche Sprachen sind vor dem UPC zulässig?
Die Verfahrenssprachen richten sich nach der zuständigen Kammer. Lokale und regionale Kammern nutzen meist eine Landessprache und häufig Englisch; die Zentralkammer knüpft an die Patentsprache an. Das Berufungsverfahren folgt im Grundsatz der Sprache der Vorinstanz.
Welche Rechtsfolgen kann das UPC bei Patentverletzung anordnen?
Das UPC kann Unterlassung, Vernichtung, Rückruf, Auskunft, Rechnungslegung und Schadensersatz anordnen. Maßnahmen werden nach Verhältnismäßigkeit bemessen und haben bei Einheitspatenten einheitliche Wirkung im erfassten Gebiet.
Gibt es einstweilige Maßnahmen?
Ja. Vorläufige Maßnahmen sind möglich, auch ohne vorherige Anhörung der Gegenseite. Voraussetzung sind Eilbedürftigkeit, hinreichende Erfolgsaussichten und eine Interessenabwägung. Sicherheitsleistungen können verlangt werden.
Wie verhalten sich UPC-Verfahren zu EPO-Einsprüchen?
Beide Verfahren können parallel laufen. Das UPC kann aussetzen, wenn der Einspruch entscheidungserheblich ist, trifft diese Entscheidung jedoch einzelfallbezogen.