Legal Lexikon

UPC


Einheitspatentgericht (UPC) – Begriff, rechtlicher Rahmen und Bedeutung

Einführung

Das Einheitspatentgericht (Unified Patent Court, UPC) ist eine zentrale rechtliche Institution im Rahmen des europäischen Patentrechts. Seine Hauptaufgabe besteht darin, Streitigkeiten im Zusammenhang mit europäischen Patenten und dem europäischen Einheitspatent (auch als „Unitary Patent“ bezeichnet) auf effektive, rechtsstaatliche und einheitliche Weise zu klären. Die Errichtung und Funktionsweise des UPC basiert auf umfassenden völkerrechtlichen, unionsrechtlichen und nationalrechtlichen Vorgaben.


Begriff und rechtliche Grundlagen des UPC

Definition des UPC

Das Einheitspatentgericht (UPC) ist ein internationales Gericht, das auf Grundlage des Übereinkommens über das Einheitliche Patentgericht („UPC-Übereinkommen“, UPCA, Agreement on a Unified Patent Court) geschaffen wurde. Ziel des UPC ist es, für Patentstreitigkeiten in den teilnehmenden EU-Mitgliedstaaten eine einheitliche Rechtsprechung zu gewährleisten und die Durchsetzung von Patentrechten zu vereinfachen.

Entstehung und Rechtsquellen

UPC-Übereinkommen (UPCA)

Die Hauptrechtsquelle für das Einheitspatentgericht ist das am 19. Februar 2013 unterzeichnete UPC-Übereinkommen. Das UPCA ist ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen den teilnehmenden Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Mit dessen Inkrafttreten wurde das UPC als neues Gerichtssystem mit ausschließlicher Zuständigkeit für bestimmte Patentangelegenheiten geschaffen.

Einheitspatentverordnung

Die Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 und die Verordnung (EU) Nr. 1260/2012 regeln wesentliche Aspekte des europäischen Einheitspatents (Unitary Patent), welches Gegenstand der Gerichtsbarkeit des UPC ist. Das Einheitspatent ist ein durch das Europäische Patentamt (EPA) verliehenes Patent mit einheitlicher Wirkung in allen teilnehmenden Staaten.

Verhältnis zum Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ)

Das UPC ist von dem Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ), welches die Erteilung klassischer europäischer Patente regelt, abzugrenzen. Die Zuständigkeit des UPC bezieht sich auf die Streitentscheidung hinsichtlich Verletzung und Gültigkeit sowohl für „klassische“ europäische Patente als auch für das europäische Einheitspatent, jedoch ausschließlich innerhalb der teilnehmenden Staaten.


Zuständigkeiten und Verfahrensarten

Materielle und örtliche Zuständigkeit

Das UPC ist für zivilrechtliche Streitigkeiten im Zusammenhang mit europäischen Patenten mit einheitlicher Wirkung, klassischen europäischen Patenten und ergänzenden Schutzzertifikaten (SPCs) zuständig, solange diese in den teilnehmenden Mitgliedstaaten erteilt wurden. Der Zuständigkeitsbereich ist in Art. 32 UPCA detailliert definiert und umfasst insbesondere:

  • Verletzungsklagen
  • Klagen auf Feststellung der Nichtverletzung
  • Nichtigkeitsklagen
  • Klagen auf Erlass einstweiliger Maßnahmen
  • Maßnahmen bezüglich ergänzender Schutzzertifikate

Internationale Zuständigkeit

Die internationale Zuständigkeit des UPC wird durch das UPCA, das EU-Recht und das internationale Zivilprozessrecht geregelt. Maßgeblich sind hier insbesondere die Brüssel Ia-Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 sowie spezifische Vereinbarungen im Rahmen des UPCA.

Verhältnis zu nationalen Gerichten

In der Übergangszeit nebeneinander bestehender Zuständigkeiten (Opt-out-Regelung) können Parteien für bestimmte Verfahren weiterhin nationale Gerichte anrufen. Nach Ablauf dieser Übergangsfrist (i.d.R. sieben Jahre nach Inkrafttreten des UPCA) übernimmt das UPC die ausschließliche Zuständigkeit.


Aufbau, Organisation und Verfahrensablauf

Struktur des UPC

Das Einheitspatentgericht setzt sich aus folgenden Instanzen zusammen:

Erstinstanz

Die erstinstanzliche Kammer besteht aus einem zentralen Gericht (mit Abteilungen in Paris, München und künftig Mailand) sowie lokalen und regionalen Kammern in teilnehmenden Mitgliedstaaten.

Berufungsinstanz

Die Berufungskammer des UPC hat ihren Sitz in Luxemburg. Sie entscheidet über Rechtsmittel gegen erstinstanzliche Urteile.

Verwaltungsstruktur

Die Verwaltung des UPC erfolgt durch das Präsidium, einen Verwaltungs- und einen Haushaltsausschuss.

Richter und Amtssprache

Die Richter werden aus verschiedenen teilnehmenden Staaten ausgewählt und setzen sich aus technisch sowie rechtlich qualifizierten Mitgliedern zusammen. Die Verfahrenssprache hängt grundsätzlich vom Sitz der jeweiligen Kammer ab, kann aber unter bestimmten Voraussetzungen geändert werden.

Verfahrensgrundsätze und Rechtsschutz

Das Verfahren vor dem UPC ist auf Transparent, Effizienz und Fairness ausgerichtet. Es gelten spezifische Regelungen zu Beweiserhebung, prozesstaktischem Vorgehen und Rechtsbehelfen. Für Parteien besteht umfangreicher Rechtsschutz durch verschiedene Rechtsschutzinstanzen sowie durch die Möglichkeit einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union bei unionsrechtlichen Fragen.


Rechtsfolgen und Auswirkungen

Einheitliche und verbindliche Rechtsprechung

Das UPC dient dazu, Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit bei der Auslegung und Anwendung des europäischen Patentrechts zu schaffen. Urteile des UPC gelten unmittelbar und sind in den teilnehmenden Mitgliedstaaten vollstreckbar.

Bedeutung für die Patentinhaber und Wirtschaft

Durch die einheitliche Rechtsprechung können Patentinhaber ihre Rechte zentral durchsetzen, Marktteilnehmer profitieren von einer erhöhten Transparenz und Planbarkeit. Die Bündelung der Verfahren führt auch zur Vermeidung divergierender Entscheidungen und einer generell effizienteren Streitbeilegung.

Bedenken und Entwicklungen

Die Schaffung des UPC birgt auch kritische Aspekte. Insbesondere werden Fragen der Verfahrenssprachen, Beteiligung einzelner Mitgliedstaaten und technische Herausforderungen diskutiert. Die Entwicklung des UPC wird durch fortlaufende Evaluierung und Anpassung begleitet.


Zusammenfassung

Das Einheitspatentgericht (UPC) stellt einen Meilenstein in der Harmonisierung und Effizienzsteigerung der Durchsetzung von Patentrechten in Europa dar. Es basiert auf einem ausgefeilten völkerrechtlichen und unionsrechtlichen Rahmen und bietet ein umfassendes, einheitliches System für die gerichtliche Klärung von Patentstreitigkeiten in Europa. Mit der Einführung des UPC werden bestehende Strukturen im europäischen Patentsystem maßgeblich verändert und eine nachhaltige Grundlage für die Rechtsdurchsetzung geschaffen.

Häufig gestellte Fragen

Was passiert mit bereits laufenden nationalen Verletzungs- und Nichtigkeitsverfahren nach dem Start des UPC?

Bereits laufende nationale Verletzungs- und Nichtigkeitsverfahren behalten grundsätzlich ihre Gültigkeit und werden weiterhin von den jeweiligen nationalen Gerichten entschieden. Das Unified Patent Court (UPC) hat keine rückwirkende Zuständigkeit für Verfahren, die vor dessen Inkrafttreten – dem 1. Juni 2023 – begonnen wurden. Jedoch besteht für parallele Streitigkeiten die Möglichkeit, dass nach dem Start des UPC neue Verfahren zu denselben Patenten vor dem UPC eingeleitet werden, sofern diese nicht durch ein Opt-out von dessen Zuständigkeit ausgeschlossen wurden. Für Europäische Patente (EP), die nicht aus dem UPC-System „opted-out“ wurden, ist daher eine gewisse Parallelität der Rechtswege möglich. In diesem Fall könnten Parteien vor der Herausforderung stehen, sowohl vor nationalen Gerichten als auch vor dem UPC zu prozessieren, was zu komplexen Überschneidungen prozessualer und materieller Natur führen kann. Es besteht zudem das Risiko inkonsistenter Urteile, insbesondere in Fragen der Patentgültigkeit und der Auslegung von Schutzrechten.

Welche Bedeutung hat das Opt-out für Patentinhaber und wie kann es beantragt werden?

Das sogenannte Opt-out ist ein Mechanismus, der es Inhabern europäischer Patente erlaubt, ihr Patent ausdrücklich aus der ausschließlichen Zuständigkeit des UPC auszuschließen. Dadurch bleiben für das jeweilige Patent nur die nationalen Gerichte zuständig. Das Opt-out kann nur für klassische europäische Patente (nicht jedoch für das neue Einheitspatent) beantragt werden und muss durch alle eingetragenen Inhaber gemeinsam erfolgen. Die Beantragung erfolgt elektronisch über das Case Management System (CMS) des UPC und erfordert die genaue Identifizierung aller Inhaber sowie sämtlicher benannter Vertragsstaaten. Voraussetzung für ein wirksames Opt-out ist, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung kein Verfahren zum betreffenden Patent beim UPC anhängig ist. Ein wirksames Opt-out führt dazu, dass weder Nichtigkeits- noch Verletzungsklagen am UPC gegen dieses Patent möglich sind. Der Antrag kann während einer Übergangsphase – derzeit auf mindestens sieben Jahre ausgelegt – gestellt und unter bestimmten Bedingungen auch zurückgenommen (Opt-in) werden.

Wie verhält sich das UPC zur Ausschließlichkeit und Reichweite seiner Zuständigkeit bei Einheitspatenten und klassischen europäischen Patenten?

Das UPC verhandelt und entscheidet in Bezug auf alle in den teilnehmenden Mitgliedstaaten gültigen Einheitspatente sowie auf europäische Patente, sofern diese nicht mittels Opt-out ausgeschlossen wurden. Die Zuständigkeit des UPC ist exklusiv hinsichtlich Verletzungs- und Nichtigkeitsklagen, einstweiligen Verfügungen, Schadensersatzersatzklagen sowie Verletzungen ergänzender Schutzzertifikate. Dabei bezieht sich die Entscheidungsreichweite des UPC auf alle teilnehmenden Staaten, für die das jeweilige Patent gilt. Im Gegensatz dazu verbleiben Opt-out-Patente sowie nationale Patente vollständig in der Zuständigkeit der jeweiligen nationalen Gerichte. In der Übergangszeit ist bei europäischen Patenten zudem eine Parallelzuständigkeit von nationalen Gerichten und dem UPC möglich, außer bei bereits getätigtem Opt-out, was strategisch zu berücksichtigen ist.

Wie werden Entscheidungen des UPC vollstreckt und welche Besonderheiten bestehen im Vergleich zur nationalen Vollstreckung?

Entscheidungen des UPC sind in allen teilnehmenden Mitgliedstaaten vollstreckbar. Die Vollstreckung richtet sich nach den in der „UPC Agreement“ und den jeweiligen nationalen Vorschriften verankerten Regeln. Anders als bei rein nationalen Gerichtsentscheidungen muss ein vollstreckbares Urteil oder eine einstweilige Verfügung durch das UPC erlassen werden und kann dann in jedem teilnehmenden Mitgliedstaat direkt vollzogen werden, ohne dass ein weiteres Localisierungserfordernis (wie eine Exequatur) besteht. Die praktische Vollstreckung – etwa durch Gerichtsvollzieher – orientiert sich jedoch an den nationalen Vollstreckungsorganen und -vorschriften des jeweiligen Mitgliedsstaates. Außerdem sieht das UPC-System in begründeten Fällen die Möglichkeit von Sanktionen, Ordnungsgeldern und im Wiederholungsfall strafbewehrten Maßnahmen vor, was die Effektivität der Rechtsdurchsetzung maßgeblich steigern soll.

Welche Wirkung entfaltet einheitspatentgerichtliche Entscheidungen bezüglich der Patentgültigkeit?

Entscheidungen des UPC über die (Un-)Gültigkeit eines Einheitspatents oder eines europäischen Patents mit Wirkung für die am UPC teilnehmenden Staaten haben grundsätzlich eine länderübergreifende Wirkung. Wird ein Patent vom UPC für nichtig erklärt, verliert es in sämtlichen benannten teilnehmenden Mitgliedstaaten seine Wirkung. Umgekehrt bewirkt eine Entscheidung zur Aufrechterhaltung oder Teilnichtigkeit die entsprechende Geltung in allen betroffenen Staaten. Diese supranationale Reichweite unterscheidet sich erheblich von der bisherigen Praxis europäischer Patente, bei denen nationale Gerichte nur über die Wirkung im jeweiligen Staat entschieden haben. Daher ist der Einfluss einer einzigen Entscheidung des UPC auf das Patentportfolio deutlich größer, was insbesondere das Risikomanagement und die Prozessstrategie beeinflusst.

Welche Rolle spielt das UPC beim Schutz ergänzender Schutzzertifikate (SPC)?

Das UPC ist auch für Streitigkeiten bezüglich ergänzender Schutzzertifikate (SPC) zuständig, sofern diese auf einem Einheitspatent oder einem nicht „opted-out“ europäischen Patent basieren. Dabei betrifft die Zuständigkeit des UPC sowohl Verletzungs- als auch Nichtigkeitsklagen im Hinblick auf SPCs, die in den teilnehmenden Staaten wirksam sind. Ein beim UPC eingereichtes Verfahren zum SPC kann somit Entscheidungen mit Wirkung für alle teilnehmenden Staaten herbeiführen. Im Falle eines Opt-outs des zugrunde liegenden europäischen Patents verbleibt jedoch auch das SPC in der nationalen Zuständigkeit, was zu unterschiedlichen Schutzständen und variierenden prozessualen Risiken in den Mitgliedsstaaten führen kann.

Wie beeinflusst das UPC Lizenzvereinbarungen und bestehende vertragliche Rechte am Patent?

Das UPC kann bei Verletzungs- und Nichtigkeitsklagen grundsätzlich sowohl Patentinhaber als auch exklusive Lizenznehmer als Kläger zulassen, sofern entsprechende Berechtigungen vertraglich eingeräumt wurden. Auch für die Geltendmachung von Ansprüchen aus Lizenzverträgen gelten die Regeln des UPC. Bestehende Lizenzvereinbarungen müssen jedoch stets unter Berücksichtigung der neuen Gerichtsbarkeit überprüft werden, insbesondere im Hinblick auf Zuständigkeitsfragen, etwa wenn ein Opt-out erklärtes Patent betroffen ist oder der exklusive Lizenznehmer in verschiedenen teilnehmenden Staaten ansässig ist. Vertragsparteien können im Vorfeld vertraglich regeln, ob Verfahren vor dem UPC gewünscht oder ausgeschlossen sind, wobei die Wirksamkeit solcher Klauseln im Einzelfall nach nationalem Recht zu bewerten ist. Auch Streitigkeiten zwischen Lizenzgeber und Lizenznehmer bezüglich der Prozessführung vor dem UPC unterliegen speziellen Verfahrensvorschriften, die beachtet werden sollten.