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Unverfallbarkeit

Begriff und Grundidee der Unverfallbarkeit

Unverfallbarkeit bezeichnet das rechtliche Sicherungsprinzip, nach dem zugesagte Anwartschaften auf Leistungen – vor allem aus der betrieblichen Altersversorgung – nicht mehr verfallen können, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Betroffene behalten dann den erworbenen Anspruch, selbst wenn das Arbeitsverhältnis endet, der Betrieb wechselt oder der Arbeitgeber insolvent wird. Der Begriff grenzt die geschützte Anwartschaft von noch verfallbaren, an Bedingungen geknüpften Anwartschaften ab.

Ziel der Unverfallbarkeit ist der verlässliche Schutz langfristiger Versorgungszusagen. Sie verhindert, dass bereits erdiente Teile einer Versorgung allein aufgrund eines vorzeitigen Ausscheidens oder anderer typischer Lebensereignisse wieder entzogen werden.

Anwendungsbereich

Betriebliche Altersversorgung

Die Unverfallbarkeit hat ihre größte Bedeutung in der betrieblichen Altersversorgung. Sie betrifft insbesondere Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenleistungen, die durch den Arbeitgeber zugesagt werden. Je nach Durchführungsweg gelten unterschiedliche Detailregelungen, etwa bei:

  • Direktzusage
  • Unterstützungskasse
  • Direktversicherung
  • Pensionskasse
  • Pensionsfonds

Auch bei anderen langfristig angelegten betrieblichen Versorgungsmodellen kann der Gedanke der Unverfallbarkeit eine Rolle spielen, maßgeblich ist jedoch die betriebliche Altersversorgung.

Arbeitnehmerfinanzierte und arbeitgeberfinanzierte Zusagen

Bei Entgeltumwandlung (arbeitnehmerfinanziert) werden Anwartschaften in der Regel unmittelbar unverfallbar, weil sie aus eigenen Beiträgen des Arbeitnehmenden stammen. Bei arbeitgeberfinanzierten Zusagen knüpft die Unverfallbarkeit typischerweise an Wartezeiten und Altersgrenzen an. Zusätzliche, günstigere Unverfallbarkeitsregeln können sich aus Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen oder individuellen Zusagen ergeben.

Voraussetzungen der Unverfallbarkeit

Wartezeiten und Altersgrenzen

Ob und wann eine Anwartschaft unverfallbar wird, hängt vor allem von zwei Faktoren ab: dem Alter der beschäftigten Person und der Dauer der Betriebszugehörigkeit beziehungsweise der Zeit, in der die Zusage bestand. Nach heutiger Rechtslage werden arbeitgeberfinanzierte Anwartschaften häufig ab einem Mindestalter und einer Mindestdauer (regelmäßig drei Jahre) unverfallbar. Für ältere Zusagen galten teils längere Fristen. Maßgeblich ist stets der Zeitpunkt der Erteilung der Versorgungszusage und die einschlägige Regelung im Versorgungswerk.

Günstigere Regelungen durch Versorgungsordnungen

Versorgungsordnungen dürfen günstigere (frühere oder weitergehende) Unverfallbarkeitsregelungen vorsehen. Eine Verschlechterung gegenüber dem gesetzlichen Mindestschutz ist unzulässig. Bei mehreren anwendbaren Regelquellen gilt der Grundsatz, dass die jeweils günstigste Schutzwirkung Vorrang haben kann.

Gleichbehandlung und besondere Beschäftigungssituationen

Teilzeit, befristete Beschäftigung, Elternzeit oder Pflegezeiten dürfen die Unverfallbarkeit nicht unangemessen beeinträchtigen. Zeiten ohne aktive Entgeltzahlung können sich auf die Höhe der Anwartschaft auswirken, nicht aber auf den grundsätzlichen Anspruch, sobald die Unverfallbarkeit eingetreten ist.

Rechtsfolgen der Unverfallbarkeit

Sicherung beim Arbeitgeberwechsel

Mit Eintritt der Unverfallbarkeit bleibt die bis dahin erdiente Anwartschaft erhalten. Bei einem Arbeitgeberwechsel bestehen typischerweise drei Wege: die Anwartschaft ruht beim bisherigen Versorgungsträger, sie wird auf den neuen Arbeitgeber beziehungsweise dessen Versorgungseinrichtung übertragen, oder sie wird – bei versicherungsförmigen Durchführungswegen – privat fortgeführt. Welche Option möglich ist, richtet sich nach dem jeweiligen Durchführungsweg und den einschlägigen Regelungen.

Insolvenzsicherung

Für bestimmte Durchführungswege besteht eine gesetzlich angeordnete Insolvenzsicherung über eine dafür vorgesehene Sicherungseinrichtung. Bei versicherungsförmigen Wegen entsteht der Schutz regelmäßig aus der Struktur des Versicherungsvertrags. Unverfallbare Anwartschaften sollen im Insolvenzfall nicht ersatzlos untergehen; Art und Umfang der Sicherung richten sich nach dem jeweiligen System.

Abfindung und Übertragung

Unverfallbare Kleinstanwartschaften können unter bestimmten, eng begrenzten Voraussetzungen abgefunden werden. Maßgeblich sind Schwellenwerte, die regelmäßig an die spätere Rentenhöhe oder deren Kapitalwert anknüpfen. Übertragungen zu einem neuen Versorgungsträger sind in vielen Fällen möglich; hierfür gelten formale und zeitliche Vorgaben. Abfindungen und Übertragungen können steuer- und sozialversicherungsrechtliche Folgen haben.

Werterhalt und Anpassung

Zwischen Ausscheiden und Rentenbeginn unterliegen unverfallbare Anwartschaften Erhaltungs- und gegebenenfalls Anpassungsmechanismen. Deren Ausgestaltung hängt stark vom Durchführungsweg ab. Bei Versicherungsprodukten ergeben sich Werterhalt und Steigerungen häufig aus Garantien und Überschusssystemen; bei unmittelbaren Zusagen bestehen Prüf- und Entscheidungspflichten zur angemessenen Anpassung. Ziel ist, die Anwartschaft wertmäßig zu sichern, ohne eine starre Dynamik in jedem Einzelfall zu garantieren.

Hinterbliebene und Invalidität

Die Unverfallbarkeit bezieht sich auf die versprochene Leistung. Soweit das Versorgungsversprechen Hinterbliebenen- oder Invaliditätsleistungen vorsieht, kann die Unverfallbarkeit auch diese Komponenten erfassen. Ob und in welchem Umfang dies geschieht, ergibt sich aus der jeweiligen Versorgungsordnung und dem Zeitpunkt des Eintritts der Unverfallbarkeit.

Nachweise und Verwaltung

Informationen und Anwartschaftsmitteilungen

Beschäftigte haben Anspruch auf klare Informationen über das Bestehen, den Umfang und den Status ihrer Anwartschaft. Bei Austritt ist eine Mitteilung über die unverfallbare Anwartschaft üblich, die die spätere Leistung, den Durchführungsweg sowie Möglichkeiten der Übertragung oder Fortführung erläutert.

Dokumentation

Grundlage sind die Versorgungsordnung, Tarif- oder Betriebsvereinbarungen sowie gegebenenfalls Versicherungsunterlagen. Änderungen der Rechtslage, Plananpassungen und Übergangsregeln sollten nachvollziehbar dokumentiert sein, da hiervon der Eintritt und die Reichweite der Unverfallbarkeit abhängen.

Abgrenzungen und Sonderfragen

Unverfallbarkeit versus Unkündbarkeit

Unverfallbarkeit schützt die erworbene Anwartschaft, nicht aber das Arbeitsverhältnis als solches. Sie ist daher von der Unkündbarkeit eines Arbeitsvertrags strikt zu unterscheiden.

Unverfallbarkeit und Entgeltumwandlung

Bei Entgeltumwandlung sind Anwartschaften regelmäßig von Beginn an unverfallbar. Das betrifft sowohl laufende Umwandlungsbeiträge als auch etwaige Eigenbeiträge außerhalb einer Umwandlung, soweit die Versorgungsordnung dies vorsieht.

Kollektivrechtliche Grundlagen

Versorgungszusagen beruhen häufig auf Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen. Diese können Unverfallbarkeiten ausgestalten und verbessern. In einem Nebeneinander von individuellen und kollektiven Regelungen gilt, dass kollektivrechtliche Vorgaben den Mindeststandard bilden und Individualabreden ihn nicht unterschreiten dürfen.

Internationale Aspekte

Bei grenzüberschreitenden Erwerbsbiografien kann es zu Schnittstellen mit ausländischen Vorsorgesystemen kommen. Für eine in Deutschland erteilte Versorgungszusage gelten grundsätzlich die hiesigen Regeln zur Unverfallbarkeit. Portabilität, Übertragbarkeit und steuerliche Behandlung können jedoch abweichen, wenn ein Wechsel in ein anderes Versorgungssystem erfolgt.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was bedeutet Unverfallbarkeit in der betrieblichen Altersversorgung?

Unverfallbarkeit heißt, dass eine bereits erdiente Anwartschaft auf betriebliche Versorgungsleistungen nicht mehr verfallen kann. Wer die Voraussetzungen erfüllt, behält den Anspruch auch bei Arbeitgeberwechsel oder Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Ab wann wird eine Anwartschaft unverfallbar?

Bei arbeitgeberfinanzierten Zusagen hängt dies typischerweise von einem Mindestalter und einer Mindestdauer der Zusage beziehungsweise Betriebszugehörigkeit ab. Für neuere Zusagen gilt regelmäßig eine Drei-Jahres-Frist und ein abgesenktes Mindestalter; für ältere Zusagen galten häufig längere Fristen. Maßgeblich sind die einschlägigen Regelungen der jeweiligen Versorgungsordnung und der Zeitpunkt der Zusage.

Gilt Unverfallbarkeit auch bei Entgeltumwandlung?

Ja. Anwartschaften aus Entgeltumwandlung sind in der Regel sofort unverfallbar, da sie aus umgewandeltem Arbeitsentgelt der beschäftigten Person stammen.

Was passiert mit einer unverfallbaren Anwartschaft beim Arbeitgeberwechsel?

Sie bleibt erhalten. Je nach Durchführungsweg kommt eine Ruhendstellung, eine Übertragung zu einem neuen Versorgungsträger oder eine private Fortführung in Betracht. Welche Variante möglich ist, bestimmen die einschlägigen Regelungen.

Ist eine unverfallbare Anwartschaft insolvenzgeschützt?

Für bestimmte Durchführungswege besteht eine gesetzliche Insolvenzsicherung. Bei versicherungsförmigen Durchführungswegen erfolgt der Schutz regelmäßig über den Versicherungsvertrag. Ziel ist, dass unverfallbare Anwartschaften bei Insolvenz nicht ersatzlos entfallen.

Darf eine unverfallbare Anwartschaft abgefunden werden?

Eine Abfindung ist nur unter engen Voraussetzungen möglich, häufig bei sehr kleinen Anwartschaften. Es gelten Schwellenwerte und formale Anforderungen. Eine Abfindung kann Auswirkungen auf Steuern und Sozialabgaben haben.

Werden unverfallbare Anwartschaften bis zum Rentenbeginn angepasst?

Es bestehen Mechanismen zum Werterhalt und zur Anpassungsprüfung. Deren Ausgestaltung richtet sich nach dem Durchführungsweg. Versicherungsförmige Wege folgen vertraglichen Garantien und Überschusssystemen; unmittelbare Zusagen unterliegen regelmäßigen Prüfpflichten zur angemessenen Anpassung.