Begriff und Rechtsgrundlagen des Untervermächtnisses
Das Untervermächtnis ist ein Begriff aus dem deutschen Erbrecht. Es handelt sich dabei um ein durch Testament oder Erbvertrag angeordnetes Vermächtnis, das nicht unmittelbar auf der Verfügung des Erblassers, sondern durch eine Verfügung eines anderen Vermächtnisnehmers oder durch eine vom Erblasser eingeräumte Befugnis zur Weitergabe des Vermächtnisses geschaffen wird. Das Untervermächtnis ist eine besondere Ausprägung des allgemeinen Vermächtnisrechts und wird gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt, es ist jedoch durch richterliche Auslegung und die erbrechtlichen Grundsätze des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) anerkannt.
Allgemeine Charakterisierung des Untervermächtnisses
Ein Untervermächtnis liegt stets dann vor, wenn dem Vermächtnisnehmer das Recht eingeräumt wird, aus dem ihm zugewendeten Gegenstand oder Vermögen einen Teil oder das Ganze einer weiteren Person – dem Untervermächtnisnehmer – zuwenden zu dürfen oder zu müssen. Das Untervermächtnis ist von Treuhandkonstellationen und Kettvermächtnissen abzugrenzen, bei denen andere erbrechtliche Zielsetzungen im Vordergrund stehen.
Rechtliche Ausgestaltung und Voraussetzungen
Entstehung
Die Anordnung eines Untervermächtnisses bedarf, ebenso wie das Grundvermächtnis, der Verfügung von Todes wegen (Testament oder Erbvertrag). Der Erblasser kann in seiner letztwilligen Verfügung anordnen, dass der durch Vermächtnis Begünstigte (der Vermächtnisnehmer) aus dem zugewandten Gegenstand oder Recht eine Zuwendung zu Gunsten eines Dritten (Untervermächtnisnehmer) zu bewirken hat, oder aber dem Vermächtnisnehmer eine Auswahlmöglichkeit zur weiteren Verfügung einräumen.
Beteiligte und ihre rechtliche Stellung
Am Untervermächtnis beteiligt sind der Erblasser, der Vermächtnisnehmer (Erstvermächtnisnehmer) und der Untervermächtnisnehmer. Der ursprüngliche Vermächtnisnehmer erhält die Zuwendung unter der vergleichbaren Bedingung einer Weitergabe oder Belastung zugunsten des Untervermächtnisnehmers. Dabei können wiederum verschiedene Arten der Verpflichtung angeordnet werden: ein echtes Verpflichtungsvermächtnis oder ein sogenanntes „Auflagevermächtnis“, welches lediglich eine Verbindlichkeit zur Leistung, jedoch kein Forderungsrecht für den Untervermächtnisnehmer begründet.
Rechtsnatur
Das Untervermächtnis ist eine Verpflichtung des Erstvermächtnisnehmers, die aus dem Vermächtnisgegenstand hervorgeht. Im Unterschied zu Kettvermächtnissen und Nachvermächtnissen, bei denen erst mit dem Wegfall eines Begünstigten der nächste berechtigt wird, steht beim Untervermächtnis die gleichzeitige Bindung und Verpflichtung des Erstvermächtnisnehmers im Vordergrund.
Abgrenzungen zu ähnlichen erbrechtlichen Konstruktionen
Vermächtnis und Kettvermächtnis
Das einfache Vermächtnis gewährt dem Begünstigten einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Beschwerten (meist Erbe oder Miterbe) auf Verschaffung des vermachten Gegenstands oder Rechts (§ 2174 BGB). Beim Kettvermächtnis hingegen bedingt die Zuwendung an einen Nachvermächtnisnehmer, dass zunächst der erste Vermächtnisnehmer (vorerst) das Recht innehat, welches dann nach einem Ereignis (z.B. Tod, Fristablauf) auf den Nachvermächtnisnehmer übergeht. Das Untervermächtnis ist davon zu unterscheiden, da es auf einer Verpflichtung zur Übergabe oder Belastung durch den Erstvermächtnisnehmer beruht.
Untervermächtnis und Auflage
Bei der testamentarischen Auflage (§ 1940 BGB) ist der Begünstigte nicht zu einer Leistung an eine bestimmte Person verpflichtet, sondern hat eine ihm auferlegte Handlung vorzunehmen. Das Untervermächtnis hingegen verschafft dem Untervermächtnisnehmer ein konkretes Forderungsrecht gegen den Erstvermächtnisnehmer.
Rechtsfolgen und Durchsetzung des Untervermächtnisses
Rechte und Pflichten der Beteiligten
Der Untervermächtnisnehmer erhält regelmäßig einen selbständigen Anspruch gegenüber dem Erstvermächtnisnehmer. Dieser Anspruch ist regelmäßig wie ein originäres Vermächtnis forderbar, hat also eine Vermögensverschaffung zum Ziel. Der Erbe bzw. der für die Erfüllung des Grundvermächtnisses Verpflichtete (Beschwerte) kann erst dann schuldbefreiend leisten, wenn er sowohl den Erstvermächtnisnehmer als auch den Untervermächtnisnehmer angemessen berücksichtigt.
Durchsetzung und Verjährung
Der Untervermächtnisnehmer kann seinen Anspruch gegenüber dem Erstvermächtnisnehmer nach den allgemeinen Regeln (§§ 1944 ff. BGB) geltend machen. Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre und beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Berechtigte von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Verpflichteten Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen.
Steuerliche Aspekte
In erbschaftsteuerlicher Hinsicht gilt das Untervermächtnis als eigener steuerbarer Erwerb des Untervermächtnisnehmers. Die steuerliche Behandlung richtet sich nach Höhe und Art der Zuwendung sowie dem persönlichen Verhältnis zum Erblasser (Steuerklasse). Auch der eigentliche Vermächtnisnehmer unterliegt mit dem durch ihn beanspruchten Anteil der Erbschaftsteuer.
Praktische Bedeutung und Anwendung
Untervermächtnisse kommen besonders dann in Betracht, wenn ein Erblasser eine bestimmte Person begünstigen möchte, diese Begünstigung jedoch mit Verpflichtungen gegenüber Dritten verknüpft. Hierdurch können z. B. familiäre oder soziale Verpflichtungen abgebildet oder Immobilientransaktionen steuergünstig gestaltet werden. Ebenso ist das Untervermächtnis als vertragliches Gestaltungsinstrument zur flexiblen und differenzierten Nachlassverteilung geeignet.
Literaturhinweise
BGB, Kommentar zum Erbrecht (verschiedene Autoren und Verlage)
Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar
* Münchener Kommentar zum BGB, Band Erbrecht
Siehe auch:
Zusammenfassung
Das Untervermächtnis stellt ein wichtiges Instrument des Erbrechts zur differenzierten Gestaltung von Vermögensübergängen dar. Es schafft eine mehrstufige Berechtigungskette, bindet den initialen Begünstigten und ermöglicht gleichzeitig eine gezielte Vermögensweitergabe zugunsten Dritter. Durch seine Komplexität und die Notwendigkeit einer präzisen Formulierung in letztwilligen Verfügungen ist es ein ausgesprochen vielseitiges und rechtlich bedeutsames Instrument der Nachlassplanung.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Ansprüche hat ein Untervermächtnisnehmer gegenüber dem Beschwerten?
Der Untervermächtnisnehmer hat, gemäß § 2192 BGB, einen unmittelbaren schuldrechtlichen Anspruch gegen den mit dem Hauptvermächtnis Beschwerten. Das bedeutet, dass der Untervermächtnisnehmer seinen Anspruch direkt und unmittelbar gegen denjenigen geltend machen kann, dem das Hauptvermächtnis zugedacht wurde und der durch das Testament verpflichtet wurde, das Untervermächtnis herauszugeben oder zu erfüllen. Im Unterschied zu einem direkten Vermächtnis gegenüber dem Erben entsteht der Anspruch hier also gegen den Hauptvermächtnisnehmer, nicht gegen den Erben. Der Anspruch kann auf Herausgabe einer Sache, Übertragung eines Rechts oder Erbringung einer Leistung gerichtet sein, je nach Inhalt des Untervermächtnisses. Der Untervermächtnisnehmer kann diesen Anspruch notfalls auch klageweise durchsetzen. Im Fall der Nichterfüllung bestehen nach allgemeinem Schuldrecht auch Rechte auf Schadensersatz und auf Rückabwicklung.
Wie erfolgt die Durchsetzung eines Untervermächtnisses rechtlich?
Die Durchsetzung eines Untervermächtnisses erfolgt grundsätzlich auf zivilrechtlichem Wege und entspricht im Wesentlichen der Geltendmachung eines schuldrechtlichen Anspruchs. Der Untervermächtnisnehmer muss den Beschwerten, also den Hauptvermächtnisnehmer, zur Erfüllung des Untervermächtnisses auffordern. Wird diesem Anspruch nicht freiwillig nachgekommen, kann der Untervermächtnisnehmer Klage vor dem zuständigen Nachlassgericht erheben (§ 2213 BGB analog). Der Anspruch des Untervermächtnisnehmers verjährt regelmäßig drei Jahre nach Kenntnis von dem Untervermächtnis und der Person des Beschwerten, spätestens jedoch 30 Jahre nach dem Erbfall (§ 195, § 199 BGB). Im Rahmen der Klage wird geprüft, ob das Untervermächtnis wirksam angeordnet und alle Voraussetzungen erfüllt sind. Die Durchsetzung erfolgt dann durch eine Leistungs- oder Herausgabeklage, bei der das Gericht den Beschwerten zur Leistung verurteilen kann.
Welche Rolle spielt die Auslegungsbedürftigkeit von Testamenten beim Untervermächtnis?
Bei der Auslegung eines Testaments im Zusammenhang mit einem Untervermächtnis kommt der Ermittlung des wahren Willens des Erblassers (§ 133 BGB) entscheidende Bedeutung zu. Häufig ist aus den Formulierungen im Testament nicht eindeutig ersichtlich, ob tatsächlich ein Untervermächtnis im Sinne des § 2191 BGB gewollt war oder lediglich ein einfaches Vermächtnis. Es bedarf daher einer sorgfältigen Prüfung der Testamentsurkunde, der Umstände der Testamentserrichtung sowie etwaiger Begleitumstände. Ein Untervermächtnis liegt typischerweise dann vor, wenn der Erblasser anordnet, dass nicht der Erbe selbst, sondern ein (Haupt-)Vermächtnisnehmer mit einem weiteren Vermächtnis zugunsten eines Dritten beschwert werden soll. Die Auslegung ist häufig streitanfällig, was zu Rechtsunsicherheiten führen kann, insbesondere wenn die Begrifflichkeiten unpräzise verwendet werden.
Welche Rechtsfolgen ergeben sich bei Nichterfüllung des Untervermächtnisses?
Kommt der mit dem Untervermächtnis Beschwerte seiner Verpflichtung zur Ausführung des Untervermächtnisses nicht nach, so wird er zum Schuldner im Sinne des allgemeinen Schuldrechts. Der Untervermächtnisnehmer hat in diesem Fall Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung (§ 280 Abs. 1, § 281 BGB). Zudem kann der Untervermächtnisnehmer, soweit die Voraussetzungen gegeben sind, auch eine gerichtliche Vollstreckung der Leistung beantragen. Gehört zum Untervermächtnis etwa die Übertragung einer Immobilie, so kann im Grundbuch eine Vormerkung eingetragen werden (§ 883 BGB), die das Recht des Untervermächtnisnehmers sichert. Darüber hinaus setzt die Nichterfüllung regelmäßig auch die Verzugsvorschriften (§ 286 BGB) in Gang, was insbesondere für Verzugszinsen und eventuelle Folgekosten relevant sein kann.
Inwiefern unterscheidet sich ein Untervermächtnis rechtlich von einem Hauptvermächtnis?
Der wesentliche Unterschied besteht im jeweiligen Schuldverhältnis: Während der Vermächtnisnehmer eines Hauptvermächtnisses seinen Anspruch grundsätzlich gegen den oder die Erben richtet, ist der Untervermächtnisnehmer auf die Leistungserfüllung des Hauptvermächtnisnehmers angewiesen. Der Erbe hat mit dem Untervermächtnisnehmer also kein direktes Schuldverhältnis; dessen Rechte richten sich ausschließlich gegen den durch das Hauptvermächtnis Beschwerten. Dies hat zur Folge, dass der Untervermächtnisnehmer im Fall der Insolvenz oder Unauffindbarkeit des Hauptvermächtnisnehmers unter Umständen rechtlich schlechtergestellt sein kann als ein Hauptvermächtnisnehmer, da der Erbe keine Leistungspflicht gegenüber dem Untervermächtnisnehmer trifft.
Ab welchem Zeitpunkt steht das Untervermächtnis dem Untervermächtnisnehmer zu?
Das Untervermächtnis entsteht grundsätzlich mit dem Anfall des Hauptvermächtnisses beim Hauptvermächtnisnehmer, das heißt regelmäßig mit dem Erbfall selbst. Allerdings kann der Erblasser im Testament ausdrücklich abweichende Anordnungen treffen, etwa durch eine aufschiebende oder auflösende Bedingung (§ 2074, § 2075 BGB). Bis zur Erfüllung (also bis zur tatsächlichen Herausgabe oder Übertragung) hat der Untervermächtnisnehmer einen schuldrechtlichen Anspruch, kann jedoch keine unmittelbare Sachherrschaft oder ein dingliches Recht erwerben. Erst mit vollständiger Erfüllung, beispielsweise durch Übereignung einer Sache oder Zahlung eines Geldbetrags, geht das Economische Recht auf ihn über.
Können mehrere Untervermächtnisse in einem Testament rechtlich wirksam angeordnet werden?
Ja, es ist rechtlich möglich und häufig auch sinnvoll, in einem Testament mehrere Untervermächtnisse an unterschiedliche Personen oder zugunsten verschiedener Zwecke anzuordnen. Jeder mit einem Vermächtnis beschwerte Begünstigte kann durch das Testament jeweils mit einem eigenständigen Untervermächtnis belastet werden. Dabei sind die rechtlichen Ansprüche jeweils unabhängig voneinander zu beurteilen. Die Komplexität steigt jedoch mit der Anzahl der Schachtelungen und der jeweiligen Verpflichtungen. Besonders zu beachten ist, dass bei einer Kettenstruktur (mehrere aufeinanderfolgende Untervermächtnisse) die Erfüllbarkeit und Rechtssicherheit mit jedem Glied schwieriger zu gewährleisten ist und die Auslegungsproblematik steigen kann. Die rechtliche Wirksamkeit mehrerer Untervermächtnisse setzt voraus, dass die Regelungen den Vorschriften des BGB zur Testamentsgestaltung, Vermächtnisfähigkeit und Formwirksamkeit entsprechen.