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Unterscheidungskraft


Unterscheidungskraft – Rechtlicher Begriff und Bedeutung

Die Unterscheidungskraft ist ein zentrales Rechtskriterium im gewerblichen Rechtsschutz und insbesondere im Markenrecht. Sie beschreibt die Eignung eines Zeichens, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Die Unterscheidungskraft zählt zu den wichtigsten Voraussetzungen für die Eintragungsfähigkeit einer Marke und ist sowohl im nationalen als auch im europäischen Markenrecht fest verankert.


Bedeutung und Funktion der Unterscheidungskraft

Im Kontext des Markenrechts sichert die Unterscheidungskraft die essentielle Funktion einer Marke: Als Herkunftshinweis muss eine Marke ihrem Inhaber zuordenbar und für die angesprochenen Verkehrskreise unterscheidbar bleiben. Ohne Unterscheidungskraft kann ein Zeichen keine Marke im rechtlichen Sinne sein, da es dem Verbraucher den Rückschluss auf die betriebliche Herkunft nicht erlaubt.


Gesetzliche Grundlagen

Deutsches Recht

Die zentrale Regelung findet sich in § 8 Absatz 2 Nr. 1 Markengesetz (MarkenG). Dort ist normiert, dass Marken von der Eintragung ausgeschlossen sind, denen es an Unterscheidungskraft für die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen fehlt.

Europäisches Recht

Entsprechende Vorschriften sind in Art. 7 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) 2017/1001 über die Unionsmarke und Art. 4 Abs. 1 lit. b der Markenrichtlinie (EU) 2015/2436 enthalten. Diese sehen ebenfalls vor, dass Zeichen ohne Unterscheidungskraft nicht als Unionsmarken bzw. nationale Marken geschützt werden können.


Definition und Abgrenzung der Unterscheidungskraft

Unterscheidungskraft ist die konkrete Eignung eines Zeichens, als Kennzeichnungsmittel für bestimmte Waren oder Dienstleistungen zu wirken. Ein Zeichen ist unterscheidungskräftig, wenn die angesprochenen Verkehrskreise es als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen wahrnehmen und nicht lediglich als beschreibende Angabe, Werbeaussage oder dekoratives Element.

Positive und negative Voraussetzungen

Positive Voraussetzungen
  • Das Zeichen muss geeignet sein, als betriebliches Herkunftszeichen zu fungieren.
  • Die verwendete Wortwahl, grafische Gestaltung oder Formgebung darf die betroffenen Waren oder Dienstleistungen nicht ausschließlich beschreiben.
Negative Voraussetzungen
  • Fehlende Fantasie, Originalität oder Einzigartigkeit führen nicht automatisch zum Ausschluss der Unterscheidungskraft, sofern die Marke nicht ausschließlich aus beschreibenden oder allgemein gehaltenen Begriffen besteht.

Arten und Beispiele zu Unterscheidungskraft

Wortmarken

Wortmarken sind unterscheidungskräftig, wenn sie keine unmittelbar beschreibenden Begriffe enthalten und im Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis verstanden werden. Beispielsweise besitzt eine Wortneuschöpfung regelmäßig von Anfang an Unterscheidungskraft, während rein beschreibende Begriffe wie „Apfelsaft“ für Säfte keine Unterscheidungskraft aufweisen.

Bildmarken, Formmarken und sonstige Zeichen

Auch grafische Gestaltungen oder bestimmte Formen können als Marke schutzfähig sein, sofern sie dazu geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen ihrer Herkunft nach zu kennzeichnen. Rein dekorative Motive oder branchenübliche Gestaltungen, die nicht über eine besondere Eigenart oder Prägnanz verfügen, fehlt es an der erforderlichen Unterscheidungskraft.

Slogans und Hörmarken

Auch Werbeslogans oder Tonfolgen können unterscheidungskräftig sein, wenn sie über die rein beschreibende Aussage hinaus individuelle Eigenart aufweisen und vom relevanten Verkehr als Herkunftshinweis verstanden werden.


Rechtsprechung zur Unterscheidungskraft

Die Auslegung der Unterscheidungskraft ist von umfangreicher Rechtsprechung geprägt. Nationale und europäische Gerichte betonen regelmäßig, dass die Schwelle für Unterscheidungskraft grundsätzlich gering ist, Ausnahmen werden jedoch insbesondere bei beschreibenden Angaben oder generischen Begriffen gemacht. Maßgeblich ist stets die Verkehrsauffassung aus der Perspektive des durchschnittlichen Verbrauchers der einschlägigen Waren oder Dienstleistungen.

Beispiele aus der Rechtsprechung

  • Der Bundesgerichtshof (BGH) und der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) haben etwa entschieden, dass Fantasiebegriffe wie „Kodak“ oder „Xerox“ hinreichende Unterscheidungskraft besitzen, während Begriffe wie „Mobile.de“ für Fahrzeugmärkte als beschreibend und damit nicht unterscheidungskräftig eingestuft werden können.
  • Bei Bildmarken und dreidimensionalen Marken ist auf die gestalterische Abweichung vom Branchenüblichen und Standardisierten abzustellen.

Keine Unterscheidungskraft: Folgen für die Markenanmeldung

Wird einer Marke die Unterscheidungskraft abgesprochen, ist sie nicht eintragungsfähig. Entsprechende Amtsentscheidungen werden im Prüfungsverfahren häufig auf Grundlage der gesetzlichen Eintragungshindernisse erlassen. Betroffene Anmelder können in solchen Fällen durch Einreichen entsprechender Unterlagen eine Verkehrsdurchsetzung (§ 8 Abs. 3 MarkenG) nachweisen oder die Anmeldung abändern.


Unterscheidungskraft und Verkehrsdurchsetzung

Im Einzelfall kann einer nicht unterscheidungskräftigen Marke durch intensive Benutzung im Verkehr dennoch Markenschutz zukommen (sog. Durchsetzung als Marke aufgrund Verkehrsgeltung, auch „secondary meaning“). Dafür muss nachgewiesen werden, dass die angesprochenen Verkehrskreise das ursprünglich nicht unterscheidungskräftige Zeichen als Herkunftshinweis wahrnehmen.


Bedeutung der Unterscheidungskraft für die Markenverteidigung

Unterscheidungskraft spielt auch bei der Verteidigung von Markenrechten eine wichtige Rolle. So kann die Löschung einer bereits eingetragenen Marke beantragt werden, wenn diese zu keinem Zeitpunkt Unterscheidungskraft besaß oder diese später verloren hat, etwa durch die Entwicklung zu einer Gattungsbezeichnung.


Zusammenfassung

Unterscheidungskraft zählt zu den essenziellen Schutzvoraussetzungen im Markenrecht. Sie gewährleistet, dass Marken ihre Funktion als betrieblicher Herkunftshinweis erfüllen können und schützt so einerseits den Verbraucher vor Irreführung und andererseits die Interessen der Markeninhaber. Die Bewertung der Unterscheidungskraft erfolgt unter Beachtung der jeweiligen Rechtsvorschriften und der einschlägigen Rechtsprechung, wobei der Schutz nur solchen Zeichen zugutekommen kann, die tatsächlich geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines bestimmten Unternehmens von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden.

Häufig gestellte Fragen

Welche Rolle spielt die Unterscheidungskraft im Markenanmeldungsverfahren?

Die Unterscheidungskraft ist ein zentrales Kriterium bei der Prüfung von Markenanmeldungen durch die Markenämter, wie etwa das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) oder das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO). Im Rahmen des Anmeldeverfahrens wird die angemeldete Marke daraufhin überprüft, ob sie überhaupt geeignet ist, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Fehlt die Unterscheidungskraft, so schließt dies die Eintragung als Marke gesetzlich aus (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG bzw. Art. 7 Abs. 1 lit. b UMV). In diesem Zusammenhang bewerten die Prüfer, ob die Marke – unter Berücksichtigung der angesprochenen Verkehrskreise sowie der beanspruchten Waren und Dienstleistungen – für den Verbraucher eine herkunftsweisende Funktion erfüllen kann. Ist dies nicht der Fall, wird die Anmeldung in der Regel zurückgewiesen. Der Nachweis der Unterscheidungskraft trägt somit maßgeblich zum Erfolg oder Misserfolg einer Markenanmeldung bei.

Wie wird die Unterscheidungskraft rechtlich bewertet?

Die rechtliche Bewertung der Unterscheidungskraft erfolgt anhand objektiver Kriterien und richtet sich nicht nach subjektiven Einschätzungen des jeweiligen Anmelders oder Prüfers. Im Mittelpunkt steht die Wahrnehmung eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der betreffenden Waren oder Dienstleistungen. Die Markenämter und Gerichte prüfen die Marke dahingehend, ob sie sich von den üblichen Beschreibungen, Branchenbezeichnungen, slogans oder Werbeaussagen abhebt und beim Verbraucher einen Eindruck der betrieblichen Herkunft vermittelt. Dabei kommen in der Rechtsprechung verschiedene Maßstäbe zur Anwendung, insbesondere im Hinblick darauf, wie nah eine Marke an einer beschreibenden oder gebräuchlichen Angabe liegt. Je beschreibender oder üblicher ein Zeichen ist, desto höhere Anforderungen werden an das Erreichen der Unterscheidungskraft gestellt. Umgekehrt sind Phantasiebezeichnungen und originelle Wortneuschöpfungen zumeist ohne Weiteres unterscheidungskräftig.

Kann eine Marke die Unterscheidungskraft nachträglich erlangen?

Ja, eine Marke kann die ursprünglich fehlende Unterscheidungskraft durch die sogenannte Verkehrsdurchsetzung (§ 8 Abs. 3 MarkenG bzw. Art. 7 Abs. 3 UMV) nachträglich erlangen. Dies ist insbesondere relevant für Marken, die zunächst als beschreibend oder allgemein gebräuchlich bewertet werden und daher von der Eintragung ausgeschlossen wären. Gelingt es dem Anmelder nachzuweisen, dass sich die Marke infolge der Benutzung im geschäftlichen Verkehr in den beteiligten Verkehrskreisen als Hinweis auf die betriebliche Herkunft durchgesetzt hat, entfällt das absolute Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft. Der Nachweis der Durchsetzung kann durch Marktforschungsgutachten, Umsatzzahlen, Werbeaufwendungen und andere Belege geführt werden. Eine amtliche Anerkennung der Verkehrsdurchsetzung führt dazu, dass die Marke trotz ursprünglich fehlender Unterscheidungskraft eingetragen werden kann.

Welche Auswirkungen hat mangelnde Unterscheidungskraft auf die Markenschutzfähigkeit?

Fehlt einer Marke die notwendige Unterscheidungskraft, führt dies grundsätzlich zur absoluten Schutzverweigerung. Marken, denen diese Fähigkeit fehlt, können nicht eingetragen werden und genießen damit keinerlei Markenschutz. Zudem kann die Unterscheidungskraft stets auch ein Löschungsgrund sein (§ 50 Abs. 1 MarkenG bzw. Art. 59 Abs. 1 lit. a UMV), selbst nach Eintragung der Marke. Dies bedeutet, dass sowohl Wettbewerber als auch Markenämter jederzeit die fehlende Unterscheidungskraft geltend machen und eine Löschung der Marke bewirken können. Gerade deshalb ist es ratsam, von Anfang an auf die ausreichende Unterscheidungskraft einer Marke zu achten, um spätere Schutzverluste zu vermeiden.

Welche Zeichenarten sind typischerweise nicht unterscheidungskräftig?

Nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung fehlt insbesondere solchen Zeichen die Unterscheidungskraft, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, Beschaffenheit, Menge, Bestimmung, Wert, geographischen Herkunft oder sonstigen Merkmalen der Waren oder Dienstleistungen dienen können. Dazu zählen etwa rein beschreibende Begriffe (z. B. „Apfelsaft“ für Fruchtsaft), gebräuchliche Werbe- und Anpreisungen (z. B. „Besser leben“), allgemein verständliche Abkürzungen gängiger Begriffe oder einfache, auf die Art der Ware hinweisende Gestaltungen. Auch einfache und übliche grafische Formen oder Farben, sofern sie nicht ganz erheblich vom Branchenstandard abweichen, sind in der Regel nicht unterscheidungskräftig. Hingegen werden Phantasiewörter oder individuell und originell gestaltete Zeichen meist als unterscheidungskräftig eingestuft.

Kann die Unterscheidungskraft gegenüber Dritten verteidigt werden?

Ja, die Unterscheidungskraft ist nicht nur ein Eintragungskriterium, sondern bildet auch einen gewissen Verteidigungsschutz gegenüber Angriffen Dritter. Wird die Marke von einem Dritten in Frage gestellt oder angegriffen, etwa in einem Löschungsverfahren, kann insbesondere der Nachweis geführt werden, dass die Marke vom Verkehr tatsächlich als Herkunftshinweis wahrgenommen wird. Dies kann insbesondere in Fällen, in denen die Unterscheidungskraft ursprünglich gering war, durch den Nachweis intensiver Benutzung und Verkehrsdurchsetzung untermauert werden. Die Schutzinanspruchnahme ist jedoch stets an den Bestand der Unterscheidungskraft gebunden – verliert die Marke diese beispielsweise durch Verwässerung oder Verwurzelung als Gattungsbegriff, kann sie gelöscht werden. Daher ist die kontinuierliche Pflege und Verteidigung der originären Unterscheidungskraft aus rechtlicher Sicht von großer Bedeutung.