Begriff und Rechtsgrundlagen des Unterhaltsvorschusses
Der Unterhaltsvorschuss ist eine staatliche Leistung nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UhVorschG), die minderjährigen Kindern gewährt wird, wenn der unterhaltspflichtige Elternteil ganz oder teilweise seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt. Dabei handelt es sich um eine Sozialleistung, die darauf abzielt, die finanzielle Situation Alleinerziehender und ihrer Kinder zu stabilisieren und Kindeswohl sicherzustellen.
Das Unterhaltsvorschussgesetz regelt die Voraussetzungen, das Verfahren sowie die Höhe und Dauer des Unterhaltsvorschusses im Detail. Es steht in enger Verbindung zu anderen familien- und sozialrechtlichen Regelwerken wie dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), dem Kindergeldrecht sowie Regelungen des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG).
Voraussetzungen für den Bezug des Unterhaltsvorschusses
Anspruchsberechtigte
Anspruch auf Unterhaltsvorschuss haben Kinder, die
- das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
- in Deutschland einen festen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben,
- bei nur einem alleinerziehenden Elternteil leben, und
- von dem anderen Elternteil keinen Unterhalt erhalten oder der Unterhalt nur teilweise bzw. unregelmäßig gezahlt wird.
Für Kinder zwischen dem 12. und dem 18. Lebensjahr gelten zusätzliche Voraussetzungen, insbesondere dürfen sie keine Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) beziehen oder der alleinerziehende Elternteil muss Bruttoeinkommen von mindestens 600 Euro monatlich nachweisen.
Ausschluss- und Ruhensgründe
Ein Anspruch auf Unterhaltsvorschuss besteht beispielsweise nicht, wenn:
- das Kind in einem Haushalt mit beiden Elternteilen lebt,
- der alleinerziehende Elternteil sich weigert, Auskünfte zum Aufenthalt des anderen Elternteils zu geben oder ihn zu benennen,
- andere staatliche Leistungen gewährt werden, die zum selben Zweck bestimmt sind und den Unterhaltsbedarf bereits decken.
Der Unterhaltsvorschuss ruht, solange der Aufenthalt des anderen Elternteils nicht ermittelt werden kann oder die Mitwirkungspflichten nicht erfüllt werden.
Höhe und Dauer des Unterhaltsvorschusses
Berechnung der Leistung
Die Höhe des Unterhaltsvorschusses richtet sich nach dem Mindestunterhalt gemäß § 1612a BGB abzüglich des jeweils zustehenden Kindergeldes. Der Mindestunterhalt orientiert sich an den Altersstufen des Kindes:
- 0 bis 5 Jahre: 2024 beträgt der Unterhaltsvorschuss monatlich 230 Euro.
- 6 bis 11 Jahre: 2024 beträgt der Unterhaltsvorschuss monatlich 301 Euro.
- 12 bis 17 Jahre: 2024 beträgt der Unterhaltsvorschuss monatlich 395 Euro.
Die Sätze werden regelmäßig angepasst.
Bezugsdauer
Der Unterhaltsvorschuss kann grundsätzlich bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des Kindes geleistet werden, sofern die oben genannten Anspruchsvoraussetzungen fortbestehen. Seit der Reform im Jahr 2017 gibt es keine feste Bezugsdauer mehr (bis dahin galt eine Höchstdauer von 72 Monaten).
Verfahren und Mitwirkungspflichten
Beantragung
Der Antrag auf Unterhaltsvorschuss ist schriftlich bei der zuständigen Unterhaltsvorschussstelle im Jugendamt zu stellen. Erforderlich sind Nachweise zur familiären Situation, zur Staatsangehörigkeit, ggf. Vaterschaftsanerkennung sowie Angaben zur Kontaktmöglichkeit des anderen Elternteils.
Mitwirkungspflichten
Alleinerziehende sind verpflichtet, bei der Feststellung des Aufenthaltsortes des anderen Elternteils und der Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs mitzuwirken. Hierzu gehören die Nennung aller bekannten Daten und relevante Unterlagen. Eine unterlassene Mitwirkung kann zur Versagung oder Rückforderung der Leistung führen.
Rückgriff und Forderungsübergang
Übergang des Unterhaltsanspruchs
Mit der Zahlung des Unterhaltsvorschusses geht der Unterhaltsanspruch des Kindes in Höhe der gewährten Leistungen gesetzlich auf das Land über. Die Unterhaltsvorschussstellen fordern dann den ausgezahlten Betrag von dem nichterfüllenden Elternteil zurück, sofern dieser leistungsfähig ist.
Eintreibung der Ansprüche
Zur Durchsetzung des Forderungsübergangs stehen den Behörden umfassende Auskunfts- und Vollstreckungsbefugnisse zur Verfügung. Dies umfasst die Einleitung gerichtlicher Mahnverfahren, Titulierung der Forderungen und Zwangsvollstreckung.
Verhältnis zu anderen Sozialleistungen
Der Unterhaltsvorschuss wird grundsätzlich unabhängig von anderen Sozialleistungen wie Kindergeld, Elterngeld oder dem steuerlichen Kinderfreibetrag gewährt. Allerdings wird er im Rahmen von Leistungen nach dem SGB II (Bürgergeld) und SGB XII als Einkommen berücksichtigt und entsprechend angerechnet.
Sonderfälle und Besonderheiten
Ausländische Kinder und grenzüberschreitende Fälle
Ein Anspruch kann auch bestehen, wenn das Kind oder der alleinerziehende Elternteil nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, sofern sie rechtmäßig in Deutschland leben. In grenzüberschreitenden Fällen sind besondere internationale Regelungen (z.B. EU-Recht, bilaterale Abkommen) zu beachten.
Rückforderung und Missbrauch
Zu Unrecht bezogene Leistungen sind zurückzuzahlen. Im Falle nachgewiesenen Missbrauchs, etwa durch Falschangaben oder unterlassene Mitwirkung, kann zudem eine strafrechtliche Verfolgung erfolgen.
Reformen und aktuelle Entwicklungen
Das Unterhaltsvorschussgesetz wurde 2017 grundlegend reformiert und der Bezug für Kinder bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres geöffnet sowie die zeitliche Befristung aufgehoben. Die Anspruchsvoraussetzungen wurden im Zeitverlauf regelmäßig an gesellschaftliche Entwicklungen angepasst. Laufend werden mögliche Reformen im Hinblick auf Anpassung der Beträge, erleichterte Antragsverfahren oder verbesserte Rückgriffsmöglichkeiten auf den unterhaltspflichtigen Elternteil diskutiert.
Literatur und Weblinks
- Text des Unterhaltsvorschussgesetzes (UhVorschG)
- Informationen des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
- Broschüren und Informationsmaterial der Jugendämter
Zusammenfassung
Der Unterhaltsvorschuss ist ein zentrales Instrument der Familienförderung in Deutschland, das sicherstellt, dass Kinder von Alleinerziehenden nicht unter Leistungsversäumnissen eines Elternteils leiden. Durch eine detaillierte rechtliche Ausgestaltung gewährleistet das Unterhaltsvorschussgesetz einen Ausgleich und bietet damit eine wichtige Stabilität für betroffene Familien.
Häufig gestellte Fragen
Wer hat Anspruch auf Unterhaltsvorschuss?
Auf Unterhaltsvorschuss hat grundsätzlich jedes minderjährige Kind Anspruch, welches im Bundesgebiet bei nur einem Elternteil lebt und von dem anderen Elternteil entweder gar keinen, unregelmäßigen oder weniger als den gesetzlichen Mindestunterhalt erhält. Eine Voraussetzung ist, dass der alleinerziehende Elternteil nicht verheiratet ist oder dauerhaft getrennt lebt. Der Anspruch gilt auch für minderjährige Kinder aus nichtehelichen Lebensgemeinschaften und Adoptivkinder. Befindet sich das Kind jedoch zeitweise oder dauerhaft im Ausland, besteht in der Regel kein Anspruch auf Unterhaltsvorschuss, es sei denn, es handelt sich um einen temporären Auslandsaufenthalt, der nicht als dauerhafter Wohnsitz anzusehen ist. Vollwaisen sowie Kinder, die in einer Pflegefamilie oder einer stationären Einrichtung untergebracht sind, sind ausdrücklich vom Anspruch ausgeschlossen. Es ist zudem zu beachten, dass das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben muss und der betreuende Elternteil seinen Lebensmittelpunkt hier begründet haben sollte.
Wie hoch ist der Unterhaltsvorschuss und verändert sich die Höhe?
Die Höhe des Unterhaltsvorschusses richtet sich nach dem Alter des Kindes und wird regelmäßig angepasst. Gesetzlich sind folgende monatliche Beträge festgelegt (Stand 2024): Für Kinder bis zum vollendeten 6. Lebensjahr beträgt der Unterhaltsvorschuss 230 €, für Kinder vom 7. bis zum vollendeten 12. Lebensjahr 301 € und für Kinder vom 13. bis zum vollendeten 18. Lebensjahr 395 €. Zu beachten ist, dass das Kindergeld als vorrangige Leistung angerechnet wird. Eine weitere Besonderheit besteht darin, dass der Anspruch auf Unterhaltsvorschuss grundsätzlich dann entfällt oder gemindert wird, wenn vom unterhaltspflichtigen Elternteil Zahlungen eingehen oder andere Leistungen (wie Waisenbezüge oder ausländische Leistungen mit Unterhaltscharakter) berücksichtigt werden müssen. Die Höhe und etwaige Anpassungen werden durch Gesetzgebung und die zum Stichtag geltenden Bedarfssätze (insbesondere Düsseldorfer Tabelle) bestimmt und regelmäßig auf ihre Angemessenheit überprüft.
Wie lange kann Unterhaltsvorschuss bezogen werden?
Früher war der Unterhaltsvorschuss auf eine Bezugsdauer von maximal 72 Monaten und das 12. Lebensjahr des Kindes begrenzt. Seit der Reform 2017 besteht jedoch die Möglichkeit, Unterhaltsvorschuss bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs zu erhalten, wobei für Jugendliche ab 12 Jahren zusätzliche Voraussetzungen erfüllt sein müssen: Der betreuende Elternteil darf keine Leistungen nach dem SGB II (Bürgergeld) beziehen bzw. durch den Unterhaltsvorschuss nicht hilfebedürftig im Sinne des SGB II werden, andernfalls muss das Kind über eigenes Einkommen von mindestens 600 € monatlich verfügen. Die Bezugszeit ist ansonsten unbegrenzt, sofern die Anspruchsvoraussetzungen weiterhin erfüllt sind. Die Leistung endet automatisch mit dem Wegfall der Anspruchsgrundlage, beispielsweise durch Volljährigkeit des Kindes, Wegfall des Wohnsitzes in Deutschland oder Aufnahme des gemeinsamen Haushalts beider Elternteile.
Welche Mitwirkungspflichten bestehen beim Bezug von Unterhaltsvorschuss?
Der alleinerziehende Elternteil ist verpflichtet, alle zur Prüfung des Anspruchs erforderlichen Auskünfte wahrheitsgemäß zu erteilen und insbesondere Angaben über den unterhaltspflichtigen Elternteil zu machen. Hierzu zählen Informationen über dessen Identität, Aufenthalt und mögliche Kontaktmöglichkeiten. Kommt der betreuende Elternteil diesen Mitwirkungspflichten nicht nach, etwa indem er wahrheitswidrige Angaben macht, relevante Informationen verweigert oder notwendige Nachweise (z. B. Sorgerechts- oder Einkommensunterlagen) nicht vorlegt, kann der Antrag abgelehnt oder eine bereits bewilligte Leistung entzogen werden. Die Behörde kann zudem sämtliche Unterlagen anfordern, die für die Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen relevant sind. Die Mitwirkung erstreckt sich auch darauf, jeden Umstand anzuzeigen, der die Leistungspflicht beeinflussen könnte, wie etwa Eheschließung, Auszug des Kindes oder Einkommensänderungen.
Unter welchen Umständen muss Unterhaltsvorschuss zurückgezahlt werden?
Eine Rückzahlungspflicht des erhaltenen Unterhaltsvorschusses entsteht insbesondere dann, wenn die Leistung zu Unrecht bezogen wurde. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Antragsteller vorsätzlich oder fahrlässig fehlerhafte Angaben gemacht hat oder ändernde Tatsachen (z. B. Wiederaufnahme einer Partnerschaft mit dem anderen Elternteil) nicht rechtzeitig gemeldet wurden. Auch bei rückwirkend festgestelltem Leistungsbetrug oder nachträglicher Zahlung des Unterhalts durch den Unterhaltspflichtigen ist eine Rückforderung möglich. Die zuständige Unterhaltsvorschusskasse ist berechtigt, überzahlte Beträge durch Verwaltungsakt zurückzufordern. In bestimmten Fällen kann auf eine Rückforderung verzichtet werden, etwa wenn der Betrag geringfügig ist oder nachweislich keine persönliche Schuld des Leistungsempfängers vorliegt.
Welche Rolle spielt das Einkommen des betreuenden Elternteils beim Unterhaltsvorschuss?
Bis zur Vollendung des 12. Lebensjahrs des Kindes ist das Einkommen des betreuenden Elternteils für den Anspruch auf Unterhaltsvorschuss grundsätzlich unerheblich. Erst ab dem 12. Geburtstag ist für den Bezug der Leistung eine Einkommensprüfung vorgeschrieben, sofern der alleinerziehende Elternteil Bürgergeld nach dem SGB II erhält. Unterhaltsvorschuss wird dann nur noch gezahlt, wenn das Kind entweder über ein eigenes Einkommen von mindestens 600 € monatlich verfügt oder durch den Bezug von Unterhaltsvorschuss keine Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II (Bürgergeld) eintritt. Einkommen und Vermögen des betreuenden Elternteils sind in diesem Rahmen offen zu legen und werden auf den Leistungsanspruch angerechnet.
Wie wirkt sich eine nachträgliche Zahlung des unterhaltspflichtigen Elternteils auf den Unterhaltsvorschuss aus?
Wird dem Kind oder dem betreuenden Elternteil nachträglich Unterhalt vom unterhaltspflichtigen Elternteil gezahlt, ist diese Zahlung vorrangig zu berücksichtigen und auf den Leistungsanspruch bezüglich des Unterhaltsvorschusses anzurechnen. Dies gilt auch rückwirkend für bereits bewilligte Zeiträume, sofern Doppelzahlungen vermieden werden müssen. In Fällen, in denen bereits der Unterhaltsvorschuss ausgezahlt wurde, kann es zur Rückforderung der zu viel gezahlten Beträge kommen. Die Unterhaltsvorschusskasse prüft regelmäßig, ob und in welchem Umfang Zahlungen eingegangen sind und passt die laufenden oder rückwirkenden Leistungen entsprechend an. Zudem geht der zivilrechtliche Unterhaltsanspruch des Kindes gegen den unterhaltspflichtigen Elternteil in Höhe der erhaltenen Leistungen auf das Land über (§ 7 UVG), sodass künftig ggf. direkte Rückforderungen durch die Behörde erfolgen.