Definition und rechtliche Einordnung des Unterhaltsverfahrens
Das Unterhaltsverfahren stellt ein gerichtliches beziehungsweise behördliches Verfahren im Familienrecht dar, mit dessen Hilfe Ansprüche auf Unterhalt durchgesetzt, abgeändert oder überprüft werden. Es umfasst sämtliche Verfahrensarten, die der Klärung und Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen zwischen unterhaltspflichtigen und unterhaltsberechtigten Personen dienen. Unterhalt kann in verschiedener Form geschuldet sein, etwa als Kindesunterhalt, Ehegattenunterhalt, Elternunterhalt oder im Rahmen nichtehelicher Lebensgemeinschaften.
Die rechtlichen Vorgaben für Unterhaltsverfahren ergeben sich vor allem aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) sowie zahlreichen spezialgesetzlichen Regelungen.
Arten von Unterhaltsansprüchen im Unterhaltsverfahren
Kindesunterhalt
Der Kindesunterhalt stellt den gebräuchlichsten Unterhaltsanspruch dar. Minderjährige und unter bestimmten Voraussetzungen volljährige Kinder haben einen Anspruch auf finanziellen Beistand gegenüber ihren Eltern. Maßgeblich sind hier §§ 1601 ff. BGB und die Leitlinien der Düsseldorfer Tabelle.
Ehegattenunterhalt
Beim Ehegattenunterhalt wird unterschieden zwischen Trennungsunterhalt (§ 1361 BGB), der bereits während des Getrenntlebens nach der Trennung bis zur rechtskräftigen Scheidung beansprucht werden kann, und dem nachehelichen Unterhalt (§§ 1569 ff. BGB), der nach der Scheidung zu gewähren sein kann.
Elternunterhalt
Elternunterhalt verpflichtet Kinder, für den Lebensunterhalt ihrer Eltern aufzukommen, sofern die Eltern außerstande sind, sich selbst zu unterhalten. Die rechtlichen Grundlagen finden sich in § 1601 ff. BGB.
Weitere Unterhaltsarten
Daneben existieren Unterhaltsansprüche im Rahmen eingetragener Lebenspartnerschaften sowie aus Anlass der Geburt eines Kindes gegenüber dem anderen Elternteil (§ 1615l BGB).
Verfahrensrechtliche Grundlagen des Unterhaltsverfahrens
Verfahrensordnung und Gerichtsstand
Das Unterhaltsverfahren wird nach § 112 Nr. 1 FamFG als Familiensache behandelt. Örtlich zuständig ist grundsätzlich das Familiengericht am Wohnort der minderjährigen Kinder (§ 232 FamFG) bzw. das Gericht am Wohnsitz des Antragsgegners.
Verfahrensarten
Gerichtliches Verfahren
Das gerichtliche Unterhaltsverfahren erfolgt auf Antrag und beginnt mit Einreichung eines Antrags auf Festsetzung, Abänderung oder Aufhebung einer Unterhaltsverpflichtung. Das Gericht ermittelt die Sach- und Rechtslage von Amts wegen (Untersuchungsgrundsatz, § 26 FamFG), ist aber auf die Mitwirkung der Beteiligten angewiesen (Obliegenheit zur Auskunft über Einkommen, Vermögen und Bedürftigkeit).
Außergerichtliches und behördliches Verfahren
Unterhaltsansprüche können zunächst durch Mahnungen und Zahlungsaufforderungen außergerichtlich geltend gemacht werden. Für minderjährige Kinder kann das Jugendamt als Beistand oder Pfleger unterstützend tätig werden (§§ 1712 ff. BGB). Ein Unterhaltstitel kann durch das Jugendamt als Urkunde nach § 59 SGB VIII geschaffen werden.
Ablauf des gerichtlichen Unterhaltsverfahrens
Antragstellung und Beteiligte
Der Antrag auf Unterhaltsfestsetzung enthält die Darlegung des Unterhaltsbedarfs und die Forderung nach konkreter Zahlung. Beteiligte im Unterhaltsverfahren sind insbesondere der Antragsteller (Unterhaltsberechtigter) und der Antragsgegner (vermeintlich Unterhaltspflichtiger). Im Verfahren betreffend den Kindesunterhalt ist das minderjährige Kind antragsberechtigt, vertreten durch den gesetzlichen Vertreter.
Verfahren zur Ermittlung der Bedürftigkeit und Leistungsfähigkeit
Zentral im Unterhaltsverfahren ist die Feststellung des Bedarfs und der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten. Dazu werden umfassende Auskünfte über Einkommens-, Vermögens- und Lebensverhältnisse verlangt. Verweigert eine Partei die Erteilung von Auskünften, kann das Gericht Zwangsmittel verhängen.
Vorläufige Maßnahmen, einstweiliger Rechtsschutz
In Fällen besonderer Eilbedürftigkeit kann im Weg des einstweiligen Anordnungsverfahrens (§ 246 FamFG) vorläufig Unterhalt festgelegt werden, um existenzsichernde Belange zu schützen.
Unterhaltstitel und Vollstreckung
Der abgeschlossene Unterhaltsbeschluss stellt einen vollstreckbaren Titel dar. Nach § 116 FamFG kann Unterhalt auch rückwirkend geltend gemacht werden, sofern der Pflichtige in Verzug gesetzt wurde. Die Zwangsvollstreckung erlaubt beispielsweise die Lohn- oder Kontopfändung.
Abänderung und Beendigung von Unterhaltstiteln
Unterhaltsverpflichtungen sind grundsätzlich auf unbestimmte Zeit festgelegt, können aber bei nachhaltiger Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse abgeändert werden (§ 238 FamFG). Gründe können etwa erhebliche Einkommensveränderungen, Wegfall der Bedürftigkeit oder neue Familienverhältnisse sein. Die Abänderung erfolgt auf Antrag durch das Familiengericht.
Kosten und Rechtsmittel im Unterhaltsverfahren
Verfahrenskosten
Die Kosten des Unterhaltsverfahrens setzen sich aus Gerichtskosten und den Kosten für die Vertretung zusammen. Prozesskostenhilfe kann beantragt werden, wenn die wirtschaftlichen Voraussetzungen vorliegen (§ 76 FamFG i.V.m. § 114 ZPO).
Rechtsmittel gegen Unterhaltsentscheidungen
Gegen Entscheidungen im Unterhaltsverfahren ist die Beschwerde das statthafte Rechtsmittel (§ 58 ff. FamFG). Die Beschwerdefrist beträgt grundsätzlich einen Monat. Entscheidungen über die Höhe und Bestehen von Unterhaltsansprüchen können also in einem zweiten Rechtszug gerichtlich überprüft werden.
Internationale Aspekte des Unterhaltsverfahrens
Internationale Zuständigkeit und Anerkennung
Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten, etwa wenn der Unterhaltspflichtige im Ausland lebt, kommen internationale Regelungen zur Anwendung. Die europäische Unterhaltsverordnung (EG-Verordnung Nr. 4/2009) regelt seit 2011 die Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltstiteln innerhalb der EU.
Durchsetzung internationaler Unterhaltsansprüche
Für die Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen über Ländergrenzen hinweg bestehen besondere Verfahren, etwa nach dem Haager Unterhaltsabkommen, das Möglichkeiten der Unterstützung bei der Einziehung von Forderungen bietet.
Zusammenfassung
Das Unterhaltsverfahren ist ein komplexes, auf zahlreichen gesetzlichen Grundlagen beruhendes Verfahren, das der Durchsetzung, Festsetzung, Anpassung und Vollstreckung von Unterhaltsansprüchen dient. Es erstreckt sich über sämtliche Familienkonstellationen, umfasst sowohl innerstaatliche als auch internationale Rechtsfragen und unterliegt detaillierten materiell- und verfahrensrechtlichen Anforderungen. Die Wahrung effektiver Unterhaltsleistungen sichert hierbei den Lebensbedarf unterhaltsberechtigter Personen und trägt zur sozialen Absicherung bei.
Häufig gestellte Fragen
Welche Unterlagen werden im Unterhaltsverfahren benötigt?
Für ein Unterhaltsverfahren sind umfassende Unterlagen erforderlich, um die finanziellen Verhältnisse der beteiligten Parteien transparent zu machen und dem Gericht oder der Unterhaltsbehörde eine fundierte Entscheidung zu ermöglichen. Grundsätzlich müssen die Einkommensnachweise der letzten zwölf Monate vorgelegt werden, hierzu zählen Gehaltsabrechnungen, Lohnsteuerbescheinigungen, Nachweise über sonstige Einkünfte (z.B. Mieteinnahmen, Kapitalerträge), sowie der aktuelle Steuerbescheid. Des Weiteren sind Belege über regelmäßige Ausgaben wie bestehende Unterhaltsverpflichtungen, Kreditverträge, Mietverträge oder Versicherungen einzureichen. Auch Vermögensnachweise wie Kontoauszüge, Sparbücher und Nachweise über sonstige Vermögenswerte müssen offengelegt werden. Ggf. sind Nachweise zu besonderen Belastungen, wie Krankheitskosten oder erhöhte Fahrtkosten, vorzulegen. Bei Selbständigen ist zudem eine detaillierte Gewinn- und Verlustrechnung sowie die betriebswirtschaftliche Auswertung notwendig. Die vollständige Vorlage und Aktualität der Unterlagen beschleunigt das Verfahren und verhindert unnötige Verzögerungen oder die Schätzung von Einkommen durch das Gericht.
Wie lange dauert ein Unterhaltsverfahren typischerweise?
Die Dauer eines Unterhaltsverfahrens variiert je nach Einzelfall und hängt maßgeblich davon ab, ob die Beteiligten kooperieren, ihre Unterlagen vollständig und zeitnah einreichen und das Verfahren einvernehmlich abläuft. Ein einfach gelagerter Fall, in dem beide Parteien die erforderlichen Nachweise erbringen und keine größeren Streitpunkte existieren, kann bei Gericht innerhalb von drei bis sechs Monaten abgeschlossen sein. Kommt es allerdings zu Streitigkeiten über die Höhe des Einkommens, zur Anforderung weiterer Unterlagen oder zu Anträgen auf Einholung von Gutachten (z.B. zur Erwerbsfähigkeit oder zum fiktiven Einkommen), verlängert sich die Verfahrensdauer entsprechend. Auch die Auslastung der Gerichte und die Anzahl der notwendigen Verhandlungstermine spielen eine Rolle. In komplexeren Fällen, etwa mit Auslandsbezug oder hohem Streitpotential, kann ein Unterhaltsprozess auch ein Jahr oder länger in Anspruch nehmen. Im Eilverfahren, wie dem einstweiligen Anordnungsverfahren zur Sicherung des Kindesunterhalts, werden in der Regel schnellere Entscheidungen getroffen, die jedoch nur vorläufige Wirkung haben.
Wer trägt die Kosten eines Unterhaltsverfahrens?
Die Kosten eines Unterhaltsverfahrens setzen sich aus Gerichts- und Anwaltskosten zusammen. Für die Berechnung der Gerichtsgebühren ist der sogenannte Streitwert maßgeblich, der sich nach den geltend gemachten Unterhaltsbeträgen für ein Jahr berechnet. Beide Parteien müssen im Regelfall ihre eigenen Anwaltskosten tragen. Das Gericht kann im Verlauf des Verfahrens jedoch auch anordnen, dass die unterlegene Partei die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise zu übernehmen hat. Wird beispielsweise dem Unterhaltspflichtigen die Zahlung auferlegt, kann er verpflichtet werden, die Gerichts- und Anwaltskosten des Berechtigten zu tragen. Ist die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit einer Partei eingeschränkt, kann Prozesskostenhilfe (PKH) oder Verfahrenskostenhilfe (VKH) beantragt werden, sodass die Staatskasse sämtliche oder einen Teil der Kosten übernimmt. Bei minderjährigen Kindern, die Unterhalt geltend machen, sind die Eltern verpflichtet, vorab einen Antrag auf VKH zu stellen, damit deren Interessen gewahrt bleiben können.
Muss ich einer Auskunftspflicht im Unterhaltsverfahren nachkommen?
Ja, im Unterhaltsverfahren besteht die Verpflichtung, umfassend Auskunft über das eigene Einkommen und Vermögen zu erteilen (§ 1605 BGB). Diese Auskunftspflicht trifft sowohl den potentiell Unterhaltsverpflichteten als auch den Unterhaltsberechtigten, wenn dies zur Klärung des Unterhaltsanspruchs notwendig ist. Die Pflicht zur Auskunftserteilung dient dazu, die tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse offen zu legen und dem Gericht eine korrekte Berechnung zu ermöglichen. Werden die verlangten Auskünfte oder Unterlagen nicht oder nur unvollständig erteilt, kann das Gericht Zwangsmittel (z.B. Zwangsgeld) verhängen oder das Einkommen schätzen, was meist zum Nachteil des Auskunftspflichtigen erfolgt. Die Auskunft ist in der Regel alle zwei Jahre auf erneute Anforderung zu aktualisieren. Sonderregelungen bestehen bei wesentlichen Änderungen der Einkommens- oder Vermögenslage.
Kann Unterhalt rückwirkend geltend gemacht werden?
Grundsätzlich kann Unterhalt erst ab dem Zeitpunkt verlangt werden, ab dem der Unterhaltspflichtige erstmals zur Auskunftserteilung oder Zahlung aufgefordert wurde oder Klage erhoben wurde (§ 1613 BGB). Für den Zeitraum davor besteht keine rückwirkende Unterhaltspflicht, es sei denn, der Unterhaltsverpflichtete befand sich bereits vorher in Verzug, beispielsweise durch vorherige Mahnung oder schriftliche Zahlungsaufforderung. Nur in Ausnahmefällen kann eine weitergehende Rückwirkung bestehen, etwa wenn der Verpflichtete vorsätzlich Angaben zurückgehalten oder falsche Auskünfte erteilt hat. Bei Kindesunterhalt ist außerdem zu beachten, dass Jugendämter Ansprüche geltend machen können, wenn sie zuvor Unterhaltsvorschuss geleistet haben.
Wie wird der Unterhalt im Verfahren richtig berechnet?
Die Berechnung des Unterhalts erfolgt durch Ermittlung des relevanten Einkommens beider Parteien. Beim Kindesunterhalt wird das Einkommen des unterhaltspflichtigen Elternteils nach Abzug berücksichtigungsfähiger Posten wie berufsbedingter Aufwendungen, vorhandener Schulden (nur in gewissem Rahmen) und angemessener Altersvorsorge ermittelt. Die Düsseldorfer Tabelle gibt sodann die zu zahlenden Unterhaltsbeträge entsprechend dem Nettoeinkommen des Pflichtigen und dem Alter des Kindes vor. Beim Ehegattenunterhalt werden darüber hinaus konkrete ehebedingte Nachteile und weitere individuelle Umstände berücksichtigt. Das Gericht prüft die Angemessenheit der Angaben und fordert ggf. Korrekturen an der Berechnungsgrundlage. Bei Selbständigen kann die Unterhaltsberechnung wegen unregelmäßiger Einkommenssituation besonders komplex sein, hier wird oft ein Durchschnitt der letzten drei Geschäftsjahre zugrunde gelegt. Bei verschleierten oder nicht ausreichenden Unterlagen kann das Gericht das Einkommen schätzen, was häufig zulasten des auskunftspflichtigen Beteiligten geschieht.
Welche Möglichkeiten gibt es, gegen eine Entscheidung im Unterhaltsverfahren vorzugehen?
Gegen eine gerichtliche Unterhaltsentscheidung kann grundsätzlich Rechtsmittel eingelegt werden. Nach einer Entscheidung des Familiengerichts ist regelmäßig die sofortige Beschwerde oder die Berufung zum nächsthöheren Gericht möglich, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen (etwa der Beschwerdewert) erfüllt sind. Das Rechtsmittel ist binnen einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Entscheidung einzulegen. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens wird die Entscheidung auf rechtliche Fehler überprüft und ggf. abgeändert. Im Falle neuer Tatsachen (z.B. plötzliches Absinken des Einkommens) kann unter Umständen auch ein Abänderungsantrag gestellt werden, der es ermöglicht, einen bestehenden Unterhaltstitel der aktuellen Situation anzupassen. Es ist ratsam, für das Einlegen von Rechtsmitteln anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, da die formalen Anforderungen hoch sind und Fehler zur Unwirksamkeit des Rechtsmittels führen können.