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Unterbringungsverfahren


Definition und Bedeutung des Unterbringungsverfahrens

Das Unterbringungsverfahren bezeichnet ein gerichtliches Verfahren, das darauf abzielt, die Unterbringung einer Person gegen deren Willen in einer Einrichtung, etwa einer psychiatrischen Klinik oder einem betreuten Wohnheim, anzuordnen oder zu überprüfen. Die Maßnahme kann sowohl aufgrund psychischer Erkrankungen als auch in Fällen einer Gefährdungssituation (Eigen- oder Fremdgefährdung) erfolgen. Das Unterbringungsverfahren ist ein zentrales Element der öffentlich-rechtlichen Gefahrenabwehr und des Schutzes vulnerabler Personen und ist rechtlich umfassend geregelt.

Rechtliche Grundlagen des Unterbringungsverfahrens

Zivilrechtliche Unterbringung nach dem Betreuungsrecht

Die zivilrechtliche Unterbringung erfolgt auf Grundlage des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), insbesondere der §§ 1906 ff. BGB. Hiernach ist eine Unterbringung einer volljährigen Person nur zulässig, wenn sie aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung nicht in der Lage ist, ihre Angelegenheiten zu besorgen, und durch die Unterbringung entweder ein erheblicher gesundheitlicher Schaden abgewendet oder eine erhebliche Eigen- oder Fremdgefährdung vermieden werden kann.

Voraussetzungen

  • Bestehen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen/ seelischen Behinderung
  • Gefahrenprognose: Erhebliche Gefahr für die betroffene Person (Eigengefährdung) oder für Dritte (Fremdgefährdung)
  • Keine weniger eingreifenden Maßnahmen vorhanden (Verhältnismäßigkeit)
  • Genehmigung durch das Betreuungsgericht

Verfahrensablauf

Der Antrag auf Unterbringung wird in der Regel von einem gerichtlich bestellten Betreuer oder einer bevollmächtigten Person gestellt. Das Betreuungsgericht bestellt sodann einen Verfahrenspfleger für die betroffene Person. Diese muss persönlich angehört und in aller Regel ärztlich begutachtet werden (§ 321 FamFG). Die gerichtliche Entscheidung erfolgt in einem schriftlichen Beschlussverfahren.

Öffentliche-rechtliche Unterbringung nach den Psychisch-Kranken-Gesetzen der Länder

Neben der zivilrechtlichen Unterbringung existiert die öffentlich-rechtliche Unterbringung, geregelt durch die Psychisch-Kranken-Gesetze (PsychKG) der Bundesländer. Diese greifen, wenn eine akute Gefährdungslage vorliegt und eine sofortige Schutzmaßnahme erforderlich ist.

Voraussetzungen

  • Akute Eigen- oder Fremdgefährdung infolge einer psychischen Störung oder Erkrankung
  • Keine Alternative durch weniger einschneidende Maßnahmen
  • Maßnahme muss im öffentlichen Interesse liegen

Ablauf

Die Anordnung dieser Unterbringungen erfolgt in der Regel durch das zuständige Amtsgericht auf Antrag einer Behörde (beispielsweise Ordnungsamt oder Gesundheitsamt), häufig zunächst im Wege der einstweiligen Anordnung. Im Nachgang erfolgt eine mündliche Anhörung der betroffenen Person, ebenso wird ein ärztliches Gutachten eingeholt. Über die Dauer der Unterbringung wacht das Gericht in fortlaufenden Überprüfungen.

Unterbringungsverfahren im Maßregelvollzug

Eine besondere Form stellt der Maßregelvollzug nach den §§ 63, 64 Strafgesetzbuch (StGB) dar. Hierbei handelt es sich um die Unterbringung psychisch kranker oder suchtkranker Straftäter als strafrechtliche Nebenfolge im Anschluss an eine entsprechende gerichtliche Verurteilung.

Wesentliche Aspekte

  • Gerichtliche Anordnung im Rahmen eines Strafverfahrens
  • Unterbringung in einer speziellen forensischen Einrichtung
  • Regelmäßige Überprüfung der Fortdauer durch das Gericht

Ablauf eines Unterbringungsverfahrens

Antragstellung

Die Einleitung eines Unterbringungsverfahrens erfolgt regelmäßig durch Antrag eines gesetzlichen Betreuers, einer Bevollmächtigten Person, einer Behörde oder in Akutsituationen durch ärztliche Notfallmeldung.

Gerichtliche Anhörung und Bestellung eines Verfahrenspflegers

Das Gericht bestellt eine Verfahrenspflegerin bzw. einen Verfahrenspfleger, der die Interessen der betroffenen Person im Verfahren wahrt. Es erfolgt eine persönliche Anhörung der betroffenen Person.

Ärztliche Begutachtung

Die Unterbringung setzt ein aktuelles ärztliches Gutachten voraus, das die psychische Erkrankung und die Notwendigkeit der Unterbringung ausführlich darlegt.

Gerichtliche Entscheidung und Rechtsmittel

Nach Prüfung aller Voraussetzungen beschließt das Gericht die Unterbringung und legt deren Dauer fest. Die Entscheidung ist regelmäßig befristet und unterliegt der Beschwerde zum Landgericht als Rechtsmittelinstanz.

Rechtsschutz und Kontrolle im Unterbringungsverfahren

Rechtsmittel

Gegen die Anordnung der Unterbringung besteht die Möglichkeit der Beschwerde. Die betroffene Person kann sich im Verfahren häufig anwaltlich vertreten lassen und wird durch den Verfahrenspfleger unterstützt.

Überprüfung und Beendigung der Unterbringung

Eine gerichtliche Überprüfung der Voraussetzungen erfolgt regelmäßig, spätestens jedoch nach Ablauf der zulässigen Höchstdauer. Ergibt sich, dass die Unterbringungsvoraussetzungen nicht mehr vorliegen, wird die Maßnahme aufgehoben.

Bedeutung der Grundrechte im Unterbringungsverfahren

Ein Unterbringungsverfahren greift erheblich in das Grundrecht der Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) ein. Aus diesem Grund erfordert es eine klare gesetzliche Grundlage, ein faires Verfahren sowie die Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach die hohen Anforderungen an Unterbringungsverfahren betont und die Bedeutung eines effektiven Rechtsschutzes hervorgehoben.

Quellen und weiterführende Literatur

  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
  • Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG)
  • Psychisch-Kranken-Gesetze der Bundesländer
  • Strafgesetzbuch (StGB) – Maßregelvollzug (§§ 63, 64 StGB)
  • Bundesverfassungsgericht, Rechtsprechung zur Freiheitsentziehung

Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über das Unterbringungsverfahren, beleuchtet detailliert dessen rechtliche Grundlagen und praktische Abläufe und informiert über den Schutz der betroffenen Personen im Verfahren.

Häufig gestellte Fragen

Wie läuft ein Unterbringungsverfahren ab?

Das Unterbringungsverfahren ist ein gerichtliches Verfahren, das in Deutschland durch das Betreuungsgericht (früher: Vormundschaftsgericht) geleitet wird. Es dient dazu, eine zwangsweise Unterbringung einer Person in einer psychiatrischen Einrichtung oder einem Krankenhaus anzuordnen, wenn bestimmte gesetzliche Voraussetzungen vorliegen. Das Verfahren beginnt in der Regel durch einen Antrag, der von den behandelnden Ärzten, Angehörigen, gesetzlichen Betreuern oder durch die zuständige Behörde gestellt werden kann. Das Gericht prüft im Rahmen der Amtsermittlungspflicht alle wesentlichen Umstände des Falles, holt ärztliche Gutachten ein und hört die betroffene Person persönlich an, sofern deren Zustand dies zulässt. In der Regel wird auch ein Verfahrenspfleger bestellt, der die rechtlichen Interessen des Betroffenen wahrt. Das Gericht entscheidet nach umfassender Prüfung durch Beschluss. Die gerichtliche Entscheidung muss begründet werden und ist dem Betroffenen sowie dessen Verfahrenspfleger oder gesetzlichen Vertreter zuzustellen. Gegen den Beschluss kann Beschwerde eingelegt werden.

Welche Rechte hat die betroffene Person im Unterbringungsverfahren?

Die betroffene Person hat im Unterbringungsverfahren zahlreiche, durch das Gesetz geschützte Rechte. Dazu zählt insbesondere das Recht auf persönliche Anhörung durch das Gericht, es sei denn, außergewöhnliche Umstände wie akute Eigen- oder Fremdgefährdung stehen dem entgegen. Der Betroffene hat weiterhin das Recht, sich durch einen Rechtsanwalt oder Verfahrenspfleger vertreten zu lassen. Das Gericht ist verpflichtet, einen Verfahrenspfleger zu bestellen, wenn dies zur Wahrung der Interessen der betroffenen Person erforderlich ist. Ebenso ist Transparenz und rechtliches Gehör im Verfahren sicherzustellen; die betroffene Person muss Zugang zu allen relevanten Verfahrensunterlagen und Gutachten erhalten. Nicht zuletzt hat sie die Möglichkeit, gegen die Entscheidung Rechtsmittel (Beschwerde) einzulegen.

Welche Voraussetzungen müssen für eine gerichtliche Unterbringung erfüllt sein?

Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine gerichtliche Unterbringung ergeben sich aus verschiedenen Vorschriften, insbesondere den Landesgesetzen zur Unterbringung psychisch Kranker (PsychKG) und dem Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 1906 BGB). Zwingende Voraussetzungen sind in der Regel eine erhebliche Eigen- oder Fremdgefährdung, die unmittelbar von der jeweiligen Person ausgeht und die anders nicht abgewendet werden kann. Die Unterbringung muss verhältnismäßig sein, also das mildeste Mittel darstellen, und darf nicht länger dauern, als zwingend notwendig ist. Ein ärztliches Gutachten muss die Notwendigkeit der Unterbringung bestätigen, wobei das Gericht die medizinischen und rechtlichen Aspekte unabhängig prüft.

Wie lange gilt eine gerichtliche Unterbringungsanordnung?

Die Dauer einer gerichtlich angeordneten Unterbringung ist grundsätzlich befristet und hängt von den konkreten Umständen ab. Nach § 329 Abs. 1 FamFG darf eine betreuungsrechtliche Unterbringungsmaßnahme regelmäßig für längstens sechs Wochen angeordnet werden. Für eine längere Dauer – längstens ein Jahr – ist eine erneute gerichtliche Prüfung und Entscheidung erforderlich. Jede Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung muss erneut gutachterlich und durch persönliche Anhörung geprüft werden. Wird die akute Gefährdungslage früher beseitigt, erfolgt die Entlassung unverzüglich.

Welche Rolle spielt das ärztliche Gutachten im Unterbringungsverfahren?

Das ärztliche Gutachten ist ein zentrales Beweismittel im Unterbringungsverfahren und Grundlage für die gerichtliche Entscheidung. Das Gutachten wird von einem erfahrenen Sachverständigen auf dem Gebiet der Psychiatrie erstellt und muss sich mit der gesundheitlichen Situation des Betroffenen, der Notwendigkeit sowie der Angemessenheit der Maßnahme auseinandersetzen. Es hat insbesondere die Zusammenhänge zwischen der psychischen Erkrankung und der festgestellten Gefahr für die Person selbst oder Dritte darzulegen. Das Gericht ist jedoch nicht an das Gutachten gebunden, sondern unterliegt der freien Beweiswürdigung. Es kann das Gutachten zurückweisen oder ein weiteres Gutachten in Auftrag geben, falls Zweifel an dessen Richtigkeit oder Vollständigkeit bestehen.

Kann gegen eine gerichtlich angeordnete Unterbringung Rechtsmittel eingelegt werden?

Ja, gegen eine Entscheidung zur Unterbringung kann die betroffene Person sowie ihr gesetzlicher Vertreter oder Verfahrenspfleger Beschwerde einlegen. Die Beschwerdefrist beträgt in der Regel zwei Wochen nach Bekanntgabe des Beschlusses (§ 63 FamFG). Das Beschwerdegericht prüft die Entscheidung des Betreuungsgerichts sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht neu. Auch während des laufenden Verfahrens kann jederzeit ein Antrag auf Aufhebung oder Überprüfung der Unterbringungsmaßnahme gestellt werden, insbesondere wenn sich die Sachlage geändert hat (z. B. Entfall der Gefährdung).

Wer trägt die Kosten des Unterbringungsverfahrens?

Die Kosten des Verfahrens setzen sich zusammen aus den Gerichtskosten sowie den Auslagen für Gutachter und Verfahrenspfleger. Grundsätzlich trägt die betroffene Person die Verfahrenskosten; ist sie jedoch mittellos, kann Verfahrenskostenhilfe beantragt werden. Hierzu prüft das Gericht, ob die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen vorliegen. Im Einzelfall kann das Gericht entscheiden, dass die Kosten, ganz oder teilweise, von der Staatskasse übernommen werden, insbesondere wenn es sich um eine Maßnahme im öffentlichen Interesse handelt oder die Einleitung des Verfahrens durch eine Behörde erfolgt ist.