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Unterbringungsgesetze


Begriff und allgemeine Bedeutung der Unterbringungsgesetze

Unterbringungsgesetze sind Rechtsnormen, die die zwangsweise Unterbringung von Personen gegen ihren Willen in einer Einrichtung regeln, insbesondere wenn eine erhebliche Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die öffentliche Sicherheit und Ordnung besteht. Diese gesetzlichen Regelungen kommen vor allem bei psychischen Erkrankungen, Suchtproblemen, Infektionskrankheiten oder besonderen Gefahrensituationen zur Anwendung. Ziel der Unterbringungsgesetze ist der Schutz der betroffenen Person sowie die Gefahrenabwehr für die Allgemeinheit.

Rechtliche Grundlagen der Unterbringungsgesetze

Unterbringung im Rahmen des Psychisch-Kranken-Rechts

Landesgesetze über psychisch Kranke

In Deutschland ist die Unterbringung psychisch kranker Personen überwiegend in den Landesgesetzen geregelt. Jedes Bundesland hat ein eigenes „Psychisch-Kranken-Gesetz“ (PsychKG), das die Voraussetzungen, das Verfahren sowie die Dauer der Unterbringung regelt. Die Kernvoraussetzung ist meist das Vorliegen einer akuten Eigen- oder Fremdgefährdung aufgrund einer psychischen Störung. Die Unterbringung kann durch die zuständige Ordnungsbehörde oder das Gesundheitsamt beantragt werden und bedarf regelmäßig der gerichtlichen Genehmigung.

Maßgebliche Regelungspunkte

  • Voraussetzungen: Akute Selbstgefährdung oder Gefährdung Dritter durch eine psychische Erkrankung.
  • Verfahren: Eingeleitet durch die Ordnungsbehörde, ärztliche Begutachtung, richterliche Entscheidung.
  • Dauer: Zeitlich begrenzt, regelmäßige Überprüfung durch das zuständige Gericht.
  • Rechte der Betroffenen: Recht auf Anhörung, Bestellung einer Verfahrenspflegschaft, Beschwerdemöglichkeiten.

Unterbringung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)

Zivilrechtliche Unterbringung nach § 1906 BGB

Im Bürgerlichen Gesetzbuch regelt § 1906 BGB die Unterbringung einer Person, für die eine Betreuung angeordnet wurde und die aufgrund einer psychischen Erkrankung, geistigen oder seelischen Behinderung untergebracht werden muss. Zulässig ist die Unterbringung zur Abwendung erheblicher gesundheitlicher Schäden oder zur Heilbehandlung, wenn die betroffene Person nicht einwilligungsfähig ist.

Verfahren und Rechtsschutz

  • Betreuungsgericht: Prüft die Notwendigkeit und entscheidet anhand einer ärztlichen Einschätzung.
  • Rechtsmittel: Betroffene und ihre Bevollmächtigten können gegen Entscheidungen Beschwerde einlegen.
  • Zeitlicher Rahmen: Unterbringungsanordnungen erfolgen stets befristet und werden in regelmäßigen Abständen überprüft.

Unterbringung im Rahmen des Strafrechts

Unterbringung in psychiatrischen Einrichtungen (§ 63 StGB)

Das Strafgesetzbuch (StGB) ermöglicht die Unterbringung schuldunfähiger oder erheblich in der Steuerungsfähigkeit eingeschränkter Beschuldigter in einer psychiatrischen Einrichtung (§ 63 StGB). Diese Maßnahme dient der Sicherung und Besserung, tritt als Maßregel der Besserung und Sicherung neben die Strafe oder ersetzt sie.

Unterbringung in Entziehungsanstalten (§ 64 StGB)

Für suchtkranke Straftäter kann gemäß § 64 StGB eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet werden, sofern die Gefahr weiterer Straftaten aufgrund einer Abhängigkeit besteht und eine Aussicht auf Behandlungserfolg besteht.

Unterbringung nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG)

Das Infektionsschutzgesetz ermöglicht die zwangsweise Unterbringung von Personen, die im Verdacht stehen, eine gefährliche übertragbare Krankheit zu verbreiten, und sich behördlichen Anordnungen widersetzen (§ 30 IfSG). Solche Maßnahmen dienen dem Schutz der Allgemeinheit und unterliegen strikten rechtlichen Kontrollen.

Rechtsschutz und Verfahrensgarantien

Gerichtliches Unterbringungsverfahren

Die Anordnung einer Unterbringung unterliegt stets einer gerichtlichen Entscheidung. Anhörungen der betroffenen Person sowie eine umfassende medizinische Begutachtung sind obligatorisch. Die Gerichte prüfen die Verhältnismäßigkeit und treffen begleitende Anordnungen, um die Grundrechte der Betroffenen zu wahren.

Beschwerdemöglichkeiten

Gegen Unterbringungsentscheidungen stehen Rechtsmittel, insbesondere die sofortige Beschwerde, zur Verfügung. So wird sichergestellt, dass die Maßnahme regelmäßig überprüft und unter Beachtung der individuellen Rechte durchgeführt wird.

Recht auf Überprüfung und Entlassung

Unterbringungen sind immer auf eine bestimmte Zeit begrenzt. Eine Fortsetzung ist nur zulässig, wenn weiterhin die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Die betroffenen Personen können jederzeit eine gerichtliche Überprüfung ihrer Unterbringung beantragen.

Unterbringungsgesetze und Grundrechte

Grundrechtseingriffe durch die Unterbringung

Unterbringungsmaßnahmen bedeuten erhebliche Eingriffe in die Grundrechte, insbesondere die Freiheit der Person und das Selbstbestimmungsrecht. Entsprechend stellt das Grundgesetz (Artikel 2 Abs. 2 GG) und die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) hohe Anforderungen an die Rechtfertigung und Durchführung solcher Maßnahmen.

Verhältnismäßigkeit und Schutzmechanismen

Die Maßnahmen müssen stets dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Weniger einschneidende Alternativen sind zu prüfen und zu bevorzugen. Der Gesetzgeber sieht zahlreiche Verfahrensgarantien und Kontrollmechanismen vor, um den Rechtsschutz der betroffenen Personen zu gewährleisten.

Unterschiede zwischen den Anwendungsbereichen der Unterbringungsgesetze

Psychisch-Kranken-Recht vs. Strafrecht

Während das Psychisch-Kranken-Recht präventive und fürsorgerische Zwecke verfolgt, sind Unterbringungsmaßnahmen im Strafrecht vorwiegend repressiver oder sichernder Natur. Die materiellen Voraussetzungen, Verfahren und Rechtsfolgen unterscheiden sich deutlich.

Zivilrechtliche vs. öffentlich-rechtliche Unterbringung

Das BGB regelt die zivilrechtliche Unterbringung hauptsächlich im Interesse des Betroffenen, während die öffentlich-rechtlichen Unterbringungsgesetze (PsychKG, IfSG) vorrangig dem Schutz der Allgemeinheit dienen.

Internationale Regelungen zu Unterbringungsgesetzen

Nicht nur in Deutschland, sondern auch in weiteren europäischen und internationalen Rechtsordnungen existieren spezielle Regelungen zur zwangsweisen Unterbringung von Personen. Zentrale Bedeutung kommt dabei internationalen Menschenrechtskonventionen wie der EMRK und der UN-Behindertenrechtskonvention zu, die für rechtsstaatskonforme und menschenwürdige Maßnahmen sorgen sollen.

Zusammenfassung

Unterbringungsgesetze sind ein zentraler Bestandteil des deutschen Rechts zum Schutz der Allgemeinheit und der betroffenen Personen in Krisensituationen. Sie regeln die Voraussetzungen, das Verfahren und die Kontrolle zwangsweiser Unterbringungsmaßnahmen im Bereich psychischer Erkrankungen, bei erheblichen Verhaltensauffälligkeiten sowie zum Zweck der Gefahrenabwehr im Gesundheitswesen und Strafrecht. Umfassende Verfahrensgarantien und Rechtsschutzmöglichkeiten dienen dem Schutz der Grundrechte der Betroffenen.


Hinweis: Die genauen Regelungen, Voraussetzungen und Abläufe können zwischen den Bundesländern variieren. Eine individuelle Einzelfallprüfung im Lichte der jeweiligen spezialgesetzlichen Regelung ist erforderlich.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist nach den Unterbringungsgesetzen berechtigt, eine zwangsweise Unterbringung zu veranlassen?

Die Berechtigung zur zwangsweisen Unterbringung nach den Unterbringungsgesetzen richtet sich grundsätzlich nach dem jeweiligen Landesgesetz, da Unterbringungsrecht in Deutschland in die Zuständigkeit der Bundesländer fällt. Gemein ist den Regelungen, dass in der Regel Behörden wie das Gesundheitsamt oder das Ordnungsamt einen Unterbringungsantrag stellen können. Meistens müssen Anhaltspunkte für eine akute Eigen- oder Fremdgefährdung vorliegen, damit die zuständigen Stellen eine Unterbringung initiieren dürfen. In Notfällen ist es zudem auch möglich, dass die Polizei vorläufig eine betroffene Person in Obhut nimmt und eine kurzfristige Unterbringung anordnet; eine richterliche Entscheidung muss in diesen Fällen unverzüglich eingeholt werden. Die endgültige Entscheidung über die Unterbringung trifft jedoch stets ein Richter des zuständigen Amtsgerichts im Rahmen des Betreuungs- beziehungsweise Unterbringungsverfahrens.

Welche Voraussetzungen müssen für eine gerichtliche Unterbringung vorliegen?

Eine gerichtliche Unterbringung setzt voraus, dass bei einer Person eine psychische Erkrankung oder eine schwere seelische Störung vorliegt, die dazu führt, dass diese Person sich selbst erheblich gefährdet (Eigengefährdung) oder andere Menschen gefährdet (Fremdgefährdung). Zusätzlich dürfen keine milderen Mittel zur Abwendung der Gefahr zur Verfügung stehen – der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist zwingend zu beachten. Außerdem ist ein ärztliches Gutachten über den psychischen Zustand der betroffenen Person erforderlich, welches dem Gericht zugrunde gelegt wird. Die Unterbringung muss in jedem Einzelfall individuell geprüft und begründet werden, wobei die Freiheitsrechte der betroffenen Person und deren aktuelle Lebenssituation strikt abgewogen werden müssen.

Welche Rechte stehen der untergebrachten Person im gerichtlichen Verfahren zu?

Die untergebrachte Person genießt im gerichtlichen Verfahren umfassende rechtliche Schutzmechanismen. Sie wird verpflichtend angehört, sofern nicht dringende Gründe dem entgegenstehen (z.B. akute Selbst- oder Fremdgefährdung). Ein Verfahrenspfleger ist zu bestellen, wenn es zur Wahrnehmung der Interessen der betroffenen Person geboten ist. Zudem besteht das Recht auf Akteneinsicht sowie das Recht, gegen eine richterliche Unterbringungsentscheidung Beschwerde einzulegen. Das Verfahren ist im Wesentlichen dadurch geprägt, dass der Grundsatz des rechtlichen Gehörs (§ 34 FamFG) strikt gewahrt werden muss. Im gesamten Verlauf gilt das Bestimmtheitsgebot; die Dauer und der Umfang der Unterbringung sind klar zu definieren und zu begrenzen.

Wie lange darf eine gerichtlich angeordnete Unterbringung maximal dauern?

Die Dauer der Unterbringung ist im jeweiligen Unterbringungsgesetz des Landes geregelt, darf jedoch grundsätzlich nur so lange erfolgen, wie eine akute Gefährdungslage besteht. Initial wird eine Unterbringung für einen Zeitraum von meist maximal sechs Wochen gerichtlich angeordnet. Für eine längerfristige Unterbringung, beispielsweise zur Therapie, bedarf es einer erneuten richterlichen Prüfung und Entscheidung, die in der Regel längstens für ein Jahr getroffen werden kann. Für jede Verlängerung muss ein neues Gutachten eingeholt und eine erneute Anhörung erfolgen. Darüber hinaus ist die Unterbringung unverzüglich aufzuheben, sobald die Voraussetzungen dafür entfallen sind.

Welche juristische Kontrolle gibt es bei einer Unterbringung?

Die juristische Kontrolle liegt stets beim zuständigen Amtsgericht. Alle Maßnahmen, die eine Freiheitsentziehung oder -beschränkung bedeuten – hierzu zählt insbesondere auch eine Unterbringung – bedürfen einer richterlichen Anordnung nach § 1906 BGB beziehungsweise den landesgesetzlichen Vorschriften. Die gerichtliche Entscheidung erfolgt regelmäßig nach Anhörung der/des Betroffenen, Einholung eines ärztlichen Gutachtens sowie ggf. durch Bestellung eines Verfahrenspflegers. Zudem besteht die Möglichkeit, Beschwerde gegen die Unterbringungsanordnung einzulegen, woraufhin das Beschwerdegericht die Begründetheit der Unterbringung umfassend prüft. Die gerichtliche Kontrolle stellt sicher, dass Grundrechte lediglich bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen eingeschränkt werden dürfen.

Inwieweit können Angehörige an der Unterbringung beteiligt werden?

Angehörige können im Verfahren um eine Unterbringung in verschiedener Weise beteiligt sein. Einerseits sind sie oft die ersten, die auf eine akute Gefährdungslage aufmerksam machen und Kontakt zu den zuständigen Behörden aufnehmen. Andererseits können sie als Zeugen im Verfahren befragt oder ggf. angehört werden. Gesetzliche Vertreter oder Betreuer, sofern bestellt, werden in jedem Fall vom Gericht gehört. Die Mitwirkung der Angehörigen oder des Betreuers dient zudem der Wahrung der Interessen und Rechte der unterzubringenden Person. Sie können auch Beschwerde gegen gerichtliche Entscheidungen einlegen, sofern sie als Verfahrensbeteiligte angesehen werden.

Welche Folgen hat eine rechtswidrige Unterbringung?

Stellt sich nachträglich heraus, dass eine Unterbringung rechtswidrig war, bestehen verschiedene Ansprüche zugunsten der betroffenen Person. Dazu gehören insbesondere Ansprüche auf Schadensersatz und gegebenenfalls Schmerzensgeld nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Darüber hinaus muss eine rechtswidrige Unterbringung unverzüglich beendet werden. Die Betroffenen haben das Recht, in einem Gerichtsverfahren die Feststellung der Rechtswidrigkeit zu beantragen. Die öffentliche Hand, die die Maßnahme veranlasst hat, kann für die Folgen rechtswidriger Freiheitsentziehung haftbar gemacht werden (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG). Außerdem können Sanktionen im dienstrechtlichen Bereich für die verantwortlichen Amtsträger folgen.