Begriff und Bedeutung der Unterbrechung der Verjährung
Die Unterbrechung der Verjährung ist ein zentrales Rechtsinstitut im Zivilrecht, insbesondere im Zusammenhang mit der Durchsetzung privatrechtlicher Ansprüche. Sie bewirkt, dass die bereits angelaufene Verjährungsfrist durch bestimmte verfahrensrechtliche oder materiellrechtliche Handlungen gestoppt und nach Beendigung der Unterbrechung eine neue Verjährungsfrist zu laufen beginnt. Der Sinn und Zweck der Unterbrechung besteht darin, Gläubigern Möglichkeiten zu geben, berechtigte Ansprüche trotz Zeitablaufs weiterhin durchsetzen zu können, wenn Handlungen zur Anspruchsdurchsetzung unternommen werden.
Systematik und rechtliche Grundlagen
Verjährung: Allgemeine Definition
Die Verjährung dient im deutschen Recht der Rechtssicherheit sowie dem Rechtsfrieden, indem sie nach Ablauf einer bestimmten Frist die Durchsetzbarkeit von Ansprüchen ausschließt. Die Verjährungsfristen und deren Wirkungen sind maßgeblich in den §§ 194 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) geregelt. Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt gemäß § 195 BGB drei Jahre, sofern keine abweichende Sonderregelung greift.
Unterbrechung vs. Hemmung der Verjährung
Im Zivilrecht ist strikt zwischen der Unterbrechung (§§ 209 ff. BGB a.F.) und der Hemmung (§ 203 ff. BGB) der Verjährung zu unterscheiden. Während die Unterbrechung zu einem vollständigen Neubeginn der Verjährungsfrist führt, ruht bei der Hemmung der Ablauf der Verjährungsfrist lediglich für die Dauer eines Hemmungstatbestands. Mit Inkrafttreten der Schuldrechtsreform zum 1. Januar 2002 wurde der Begriff der „Unterbrechung der Verjährung“ im Bürgerlichen Gesetzbuch weitgehend durch den der „Neubeginn der Verjährung“ ersetzt (§ 212 BGB). Dennoch bleibt der Begriff – vor allem in der Literatur und älteren Gesetzen – weiter gebräuchlich.
Voraussetzungen der Unterbrechung der Verjährung
Tatbestände der Unterbrechung gemäß altem und neuem Recht
Vor der Schuldrechtsmodernisierung war die Unterbrechung vor allem in §§ 209 ff. BGB a.F. geregelt. Nach neuer Rechtslage fallen die klassischen Unterbrechungstatbestände weitgehend unter die Regelungen zum Neubeginn der Verjährung:
- Anerkenntnis des Schuldners (§ 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB): Die Verjährung beginnt neu, wenn der Schuldner den Anspruch durch Abschlagszahlung, Zinszahlung, Sicherheitsleistung oder in anderer Weise anerkennt.
- Rechtsverfolgung durch den Gläubiger (§ 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB): Die Verjährung beginnt ebenfalls erneut, wenn eine gerichtliche oder behördliche Durchsetzung des Anspruches betrieben wird und rechtskräftig oder durch Zurücknahme des Antrags beendet wird.
Andere Handlungen wie die Zustellung einer Klage (vgl. § 204 BGB) oder eines Mahnbescheids führen zur Hemmung, nicht mehr zur Unterbrechung bzw. zum Neubeginn.
Rechtsfolgen der Unterbrechung
Ablauf und Beginn der neuen Verjährungsfrist
Im Falle einer Unterbrechung (beziehungsweise eines Neubeginns) erlischt die bereits abgelaufene Zeit der bisherigen Verjährungsfrist vollständig, und die volle Verjährungsfrist beginnt erneut mit dem Tag, der auf das unterbrechende Ereignis folgt. Die Verjährung kann somit mehrfach unterbrochen werden, so dass ein Anspruch theoretisch „nie“ verjähren könnte, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen fortwährend vorliegen.
Wirkung gegenüber gesamtschuldnerisch Verhafteten
Wird die Verjährung gegenüber einem von mehreren Gesamtschuldnern unterbrochen oder neu begonnen, wirkt dies gemäß § 425 BGB auch für und gegen die anderen Schuldner, sofern es sich um eine gemeinschaftliche Forderung handelt.
Unterbrechung der Verjährung im Strafrecht, Verwaltungsrecht und Steuerrecht
Strafrecht
Im deutschen Strafrecht sind die Tatbestände, die zur Unterbrechung der Verfolgungsverjährung führen, in § 78c Strafgesetzbuch (StGB) geregelt. Hierzu zählen bestimmte richterliche oder staatsanwaltschaftliche Verfahrenshandlungen, wie zum Beispiel die erste Vernehmung des Beschuldigten, richterliche Durchsuchungsanordnungen oder Erhebung der öffentlichen Klage. Mit jeder unterbrechenden Handlung beginnt die Verjährung von neuem zu laufen.
Verwaltungsrecht
Auch im Verwaltungsrecht existieren entsprechende Regelungen, insbesondere bei öffentlich-rechtlichen Ansprüchen. Das Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) und das Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) sehen in bestimmten Fällen die Unterbrechung oder Hemmung der Verjährung vor.
Steuerrecht
Im Steuerrecht existieren spezielle Vorschriften, etwa § 171 Abgabenordnung (AO), die im Zusammenhang mit Außenprüfungen oder Rechtsbehelfsverfahren zu einer Hemmung oder Unterbrechung führen können.
Unterschiede zur Hemmung der Verjährung
Die Hemmung bedeutet, dass für die Dauer des Hemmungstatbestands die laufende Verjährungsfrist „pausiert“; sie läuft nach Wegfall fort. Die Hemmung tritt ein bei schwebenden Verhandlungen (§ 203 BGB), bei höherer Gewalt (§ 206 BGB), bei bestimmten Familien- und Erbrechtstatbeständen sowie bei Rechtsverfolgungsmaßnahmen nach § 204 BGB. Nach Ablauf des Hemmungsgrundes läuft die Verjährungsfrist – im Gegensatz zur Unterbrechung – weiter.
Internationale Aspekte
Viele ausländische Rechtsordnungen kennen vergleichbare Regelungen zu Hemmung und Unterbrechung der Verjährung. Auch hier bestehen Unterschiede in Terminologie und rechtlicher Ausgestaltung. Die jeweiligen Vorschriften sollten jedoch im Einzelfall anhand der einschlägigen nationalen Gesetze geprüft werden.
Praktische Bedeutung im Rechtsalltag
Die korrekte Unterscheidung und Anwendung der Tatbestände von Unterbrechung, Neubeginn und Hemmung der Verjährung ist für die wirksame Durchsetzung und Abwehr von Ansprüchen unerlässlich. Fehlerhafte Einschätzung im Zusammenhang mit Verjährungsfristen kann zu endgültigem Rechtsverlust führen.
Literatur und Quellen
- Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), insbesondere §§ 194 ff., §§ 203 ff., § 212
- Strafgesetzbuch (StGB), insbesondere § 78c
- Abgabenordnung (AO), insbesondere § 171
- Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar
- MüKoBGB, Münchener Kommentar zum BGB
Siehe auch
- Verjährung
- Hemmung der Verjährung
- Neubeginn der Verjährung
- Anspruch
- Mahnverfahren
Dieser Lexikonartikel liefert eine umfassende, detailtiefe Darstellung des Begriffs „Unterbrechung der Verjährung“ samt seiner praktischen Relevanz und rechtlichen Einbettung im System der Verjährungstatbestände.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Handlungen führen zur Unterbrechung der Verjährung?
Zur Unterbrechung der Verjährung kommt es nach deutschem Recht insbesondere durch die in § 204 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) abschließend aufgezählten Maßnahmen. Hierzu zählen beispielsweise die Erhebung einer Klage auf Leistung, die Zustellung eines Mahnbescheids im gerichtlichen Mahnverfahren, die Einleitung eines Schiedsverfahrens oder die Anmeldung zur öffentlichen Zustellung. Auch die Einreichung eines Güteantrags bei einer von den Landesjustizverwaltungen anerkannten Gütestelle zählt dazu. Darüber hinaus können Maßnahmen der sogenannten Rechtsverfolgung wie die Beantragung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung eine Unterbrechung bewirken. Wichtig ist, dass es sich jeweils um eine Maßnahme handelt, die den Schuldner auf gerichtlichem oder zumindest behördlichem Wege ernsthaft mit dem Anspruch konfrontiert. Außergerichtliche Handlungen, wie die einfache Mahnung durch den Gläubiger, führen hingegen nicht zur Verjährungsunterbrechung, sondern allenfalls zu einer Hemmung, und auch das nur unter bestimmten Bedingungen.
Ab welchem Zeitpunkt wirkt die Unterbrechung der Verjährung?
Die Unterbrechung der Verjährung tritt grundsätzlich mit dem Zeitpunkt ein, in dem die betreffende unterbrechende Maßnahme wirksam wird. Das bedeutet beispielsweise bei Klageerhebung mit der Rechtshängigkeit, also ab Zustellung der Klageschrift beim Schuldner. Im Mahnverfahren ist der Zugang des Mahnbescheids maßgeblich. Wird der Mahnbescheid beispielsweise am letzten Tag der Verjährungsfrist bei Gericht beantragt und dem Schuldner anschließend ordnungsgemäß zugestellt, wird die Verjährung auch noch rechtzeitig unterbrochen. Für die Unterbrechung zählt stets die förmliche Mitteilung an den Schuldner oder das Wirksamwerden der gerichtlichen Maßnahme.
Welche Konsequenzen hat die Unterbrechung der Verjährung für den Neubeginn der Frist?
Wird die Verjährung unterbrochen, beginnt nach Abschluss der jeweils unterbrechenden Maßnahme die Verjährungsfrist gemäß § 212 BGB von Neuem zu laufen. Das heißt, die bisher abgelaufene Zeit wird vollständig „gelöscht“, und es läuft die gesamte gesetzliche Verjährungsfrist erneut ab. Tritt beispielsweise die Unterbrechung fünf Monate vor dem ursprünglichen Fristende ein, beginnt nach der Entscheidung der Instanz oder dem Wegfall der Unterbrechungswirkung (beispielsweise durch Rücknahme der Klage) die Verjährungsfrist vollständig neu, als wäre keine Zeit vergangen. Es können jedoch mehrere Unterbrechungen hintereinander erfolgen, was den Gesamtablauf der Verjährung weiter verzögert.
Kann eine Unterbrechung der Verjährung rückwirkend erfolgen?
Eine rückwirkende Unterbrechung ist im deutschen Recht grundsätzlich ausgeschlossen. Die Unterbrechung kann stets nur ab dem Zeitpunkt eintreten, zu dem die gesetzlich vorgesehene Maßnahme wirksam geworden ist. Ein späteres Ereignis kann also die Verjährung nicht rückwirkend unterbrechen. Werden zum Beispiel Fristen versäumt oder Maßnahmen zu spät ergriffen, um eine rechtzeitige Unterbrechung zu bewirken, ist eine spätere Wiederherstellung im Rahmen der Unterbrechung regelmäßig nicht mehr möglich, sofern nicht besondere Vorschriften für beispielsweise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand eingreifen.
Welche Folgen hat es, wenn die unterbrechende Maßnahme unbegründet oder fehlerhaft ist?
Wird eine verjährungsunterbrechende Maßnahme, etwa eine Klage, unbegründet, formell fehlerhaft oder missbräuchlich eingereicht, so entfällt grundsätzlich die Unterbrechungswirkung. Insbesondere muss die jeweilige gerichtliche oder rechtsverfolgende Handlung in der vorgeschriebenen Weise ordnungsgemäß eingeleitet und durchgeführt werden. Stellt sich später heraus, dass sie von Anfang an unzulässig war – etwa weil das angerufene Gericht objektiv nicht zuständig war und keine Weiterleitung erfolgt – entfällt die Rückwirkung der Unterbrechung, und die Verjährung läuft unbeeinträchtigt weiter. Ein besonderer Fall sind Scheinhandlungen, die lediglich dazu dienen sollen, die Verjährung zu unterbrechen, ohne einen ernsthaften Anspruch zu verfolgen. Solche missbräuchlichen Maßnahmen entfalten keine unterbrechende Wirkung.
Welche Rolle spielen Verhandlungen zwischen Schuldner und Gläubiger hinsichtlich der Verjährungsunterbrechung?
Verhandlungen zwischen Schuldner und Gläubiger führen nach deutschem Recht gemäß § 203 BGB grundsätzlich nicht zur Unterbrechung, sondern zur Hemmung der Verjährungsfrist. Das bedeutet, dass die Verjährung für die Dauer der Verhandlungen „pausiert“, aber nicht neu beginnt. Zu einer Unterbrechung kommt es bei rein außergerichtlichen Gesprächen in aller Regel nicht. Erst wenn die Verhandlungen scheitern und der Gläubiger beispielsweise Klage erhebt, kommt es zur Unterbrechung mit anschließender Neueröffnung der Verjährungsfrist. Die Unterscheidung zwischen Hemmung und Unterbrechung ist daher in diesem Zusammenhang von erheblicher rechtlicher Bedeutung.
Welche Unterlagen oder Nachweise muss der Gläubiger zur Dokumentation einer Verjährungsunterbrechung aufbewahren?
Für den Nachweis einer wirksamen Unterbrechung der Verjährung ist es unerlässlich, sämtliche Unterlagen und Dokumente aufzubewahren, die das Datum und die Art der unterbrechenden Maßnahme belegen. Dazu gehören insbesondere gerichtliche Schriftstücke wie Klageeinreichungsstempel, gerichtliche Zustellungsnachweise, Mahnbescheide oder Empfangsbekenntnisse des Schuldners. Im Falle von Schieds- oder Schlichtungsverfahren sind entsprechende Verfahrensakten oder Empfangsbestätigungen relevant. Im Streitfall obliegt es dem Gläubiger, den Nachweis für den rechtzeitigen Eintritt der Verjährungsunterbrechung zu erbringen. Eine sorgfältige Aktenführung und strukturierte Dokumentation dieser Unterlagen sind daher aus Beweisgründen und zur Wahrung der eigenen Rechte unerlässlich.