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Unklagbare Ansprüche


Unklagbare Ansprüche: Begriff, rechtliche Einordnung und Bedeutung

Definition und Abgrenzung

Der Begriff „unklagbare Ansprüche“ bezeichnet rechtliche Ansprüche, die zwar grundsätzlich bestehen, deren gerichtliche Geltendmachung jedoch aus rechtlichen Gründen ausgeschlossen ist. Unklagbare Ansprüche stehen somit im Gegensatz zu klagbaren Ansprüchen, die vor Gericht durchgesetzt werden können. Das Phänomen der Unklagbarkeit betrifft insbesondere das Zivilrecht, kann aber auch im öffentlichen Recht eine Rolle spielen. Die Durchsetzung solcher Ansprüche ist demnach aufgrund gesetzlicher Regelungen, sittlicher Erwägungen oder Vereinbarungen nicht möglich, selbst wenn ein materiell-rechtlicher Anspruch dem Grunde nach vorliegt.

Rechtsgrundlagen unklagbarer Ansprüche

Unklagbare Ansprüche sind gesetzlich nicht in einem eigenen Paragraphen geregelt, sondern ergeben sich aus verschiedenen Normen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) sowie aus Grundsätzen der Rechtsprechung.

Gesetzliche Regelungen

Mehrere Vorschriften des BGB und Nebengesetze benennen Ansprüche, deren gerichtliche Durchsetzung ausgeschlossen ist. Hierzu zählen beispielsweise:

  • Ansprüche aus Spiel und Wette (§ 762 BGB): Nach § 762 Abs. 1 BGB besteht kein Anspruch auf Auszahlung eines Gewinns aus einem Spiel oder einer Wette, sofern das Spiel nicht behördlich zugelassen ist. Bereits erfüllte Leistungen können aber grundsätzlich nicht zurückgefordert werden (§ 762 Abs. 2 BGB).
  • Ansprüche aus Gefälligkeitsverhältnissen: Verpflichtungen, die auf bloßer Gefälligkeit beruhen (z.B. Nachbarschaftshilfe ohne Rechtsbindungswillen), gelten als unklagbar, sofern keine ausdrückliche Vereinbarung über die Verbindlichkeit getroffen wurde.

Unklagbarkeit durch Sittenwidrigkeit (§ 817 Satz 2 BGB)

Wenn für einen rechtswidrigen oder sittenwidrigen Zweck eine Leistung erbracht wurde, ist nicht nur der ursprüngliche Anspruch ausgeschlossen, sondern auch ein Anspruch auf Rückforderung (§ 817 Satz 2 BGB). Somit liegen auch hier unklagbare Ansprüche vor.

Öffentlich-rechtliche unklagbare Ansprüche

Im öffentlichen Recht können ebenfalls unklagbare Ansprüche bestehen, zum Beispiel bei sogenannten sozialrechtlichen Verwaltungsakten mit Bindungswirkung, deren Inhalt einer gerichtlichen Kontrolle teilweise entzogen sein kann.

Typische Erscheinungsformen und Fallgruppen

1. Ansprüche aus Spiel, Wette oder Gefälligkeit

  • Spiel und Wette (§ 762 BGB): Wurde zwischen Privatpersonen ein Spiel oder eine Wette abgeschlossen, besteht kein klagbarer Anspruch auf Erfüllung. Die Unklagbarkeit betrifft sowohl den Gewinn als auch die vom Verlierer geschuldete Geldzahlung. Dies dient unter anderem dem Schutz vor Spielsucht und Überschuldung.
  • Gefälligkeitsverhältnisse: Unentgeltliche Hilfsleistungen (z.B. Transport eines Nachbarn), bei denen kein rechtsverbindlicher Vertrag geschlossen wurde, gelten als rechtlich unverbindlich. Entstehende „Ansprüche“ (z.B. Aufwendungsersatz) können – sofern kein Vertrag angenommen wird – grundsätzlich nicht eingeklagt werden.

2. Ehrenschutzansprüche und familienrechtliche Ansprüche

  • Persönlichkeitsrechte: Unter bestimmten Umständen, besonders bei höchstpersönlichen Persönlichkeitsrechten, kann ein Leistungsanspruch ausgeschlossen sein bzw. auf Unterlassung und Beseitigung im Vordergrund stehen, ohne unmittelbare klagbare Zahlungs- oder Schadensersatzansprüche.
  • Verpflichtungen aus Ehe und Verlobung: Ansprüche auf Herstellung des ehelichen Lebens oder der Eingehung der Ehe sind nach § 1297 Abs. 1 BGB unklagbar. Gleiches gilt für den Anspruch auf Herstellung häuslicher Gemeinschaft.

3. Ansprüche aus sittenwidrigen oder gesetzeswidrigen Handlungen

Wird ein Vertrag geschlossen, der gegen geltendes Recht oder die guten Sitten verstößt (§ 138 BGB), sind die daraus resultierenden Ansprüche meist nicht einklagbar. Ein Rückforderungsanspruch nach § 817 Satz 2 BGB ist zudem ausgeschlossen, wenn der Leistende selbst gegen ein gesetzliches Verbot oder Sitten verstoßen hat.

Rechtsfolgen unklagbarer Ansprüche

Erfüllung trotz Unklagbarkeit

Unklagbarkeit schließt nicht aus, dass ein Anspruch erfüllt wird. Leistet der Schuldner freiwillig, so kann ihm die Erfüllung nicht entgegengehalten werden. Eine Rückforderung des Geleisteten ist in der Regel nicht möglich, soweit das Gesetz nichts anderes vorsieht (z.B. § 762 Abs. 2 BGB).

Ausschluss der Durchsetzung vor Gericht

Ein unklagbarer Anspruch gewährt keinen effektiven Rechtsanspruch, da er vor Zivilgerichten nicht gerichtlich durchgesetzt werden kann. Dies betrifft sowohl Leistungs- als auch Unterlassungsansprüche.

Wirkung auf Verjährung und Aufrechnung

Verjährungsfristen finden auf unklagbare Ansprüche keine Anwendung, da deren gerichtliche Geltendmachung ausgeschlossen ist. Die Aufrechnung mit unklagbaren Ansprüchen ist ebenfalls nicht möglich (§ 387 BGB setzt eine „forderbare Forderung“ voraus).

Gründe und Ziele der Unklagbarkeit

Schutz persönlicher und gesellschaftlicher Beziehungen

Rechtsordnung und Gerichtsbarkeit schützen durch die Unklagbarkeit insbesondere höchstpersönliche und gesellschaftliche Beziehungen vor einer Einmischung des Staates (z.B. Ehe, Verlobung, Gefälligkeitsverhältnisse).

Schutz vor Rechtsausnutzung und Sittenwidrigkeit

Der Entzug der Klagbarkeit dient ebenfalls dazu, rechts- oder sittenwidrige Ansprüche von gerichtlicher Kontrolle auszuschließen und damit das Rechtssystem vor Missbrauch zu bewahren.

Abgrenzung: Unklagbarkeit vs. Unwirksamkeit und Undurchsetzbarkeit

Unklagbare Ansprüche sind vom Begriff der Unwirksamkeit zu trennen. Während ein unwirksamer Anspruch rechtlich nicht besteht, handelt es sich bei unklagbaren Ansprüchen um bestehende, jedoch nicht gerichtlich durchsetzbare Forderungen. Auch die „Undurchsetzbarkeit“ ist abzugrenzen, da sie meist einen faktischen, keinen rechtlichen Hinderungsgrund meint.

Einzelfälle und Sonderregelungen

Ansprüche aus unerlaubter Handlung

Ansprüche, die auf die Verletzung der Ehre oder anderer Persönlichkeitsrechtsgüter gerichtet sind, können in Ausnahmefällen für unklagbar erklärt werden, wenn deren Geltendmachung das Persönlichkeitsrecht anderer in unzumutbarer Weise beeinträchtigt.

Privilegierungen im Arbeits- und Sozialrecht

Im Bereich des Arbeits- und Sozialrechts können unklagbare Ansprüche aus Vertrauensschutz- oder Gleichbehandlungsgrundsätzen folgen.

Literaturhinweise und weiterführende Informationen

  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), insbesondere §§ 762, 817, 829, 138, 1297
  • Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, aktuelle Auflage
  • Münchener Kommentar zum BGB
  • Bamberger/Roth, BeckOK BGB
  • Staudinger, Kommentar zum BGB

Zusammenfassung

Unklagbare Ansprüche bilden eine besondere Kategorie im deutschen Recht: Sie bestehen rechtlich, entziehen sich aber der Möglichkeit einer gerichtlichen Durchsetzung. Die Unklagbarkeit kann auf Gesetz, Sittenwidrigkeit oder Rahmenbedingungen des jeweiligen Schuldverhältnisses beruhen. Sie dient dem Schutz wichtiger gesellschaftlicher Werte, dem Ausschluss rechtswidriger Zwecke sowie der persönlichen Sphäre des Einzelnen und findet vor allem im Zivilrecht, aber auch in anderen Rechtsgebieten Anwendung. Das Verständnis der rechtlichen Grenzen und Funktionen unklagbarer Ansprüche ist ein zentraler Bestandteil des deutschen Privatrechts und seiner Auslegung.

Häufig gestellte Fragen

Welche typischen Fälle gibt es, in denen Ansprüche als unklagbar gelten?

Ansprüche gelten als unklagbar, wenn sie zwar dem materiellen Recht nach bestehen, aber prozessual nicht vor Gericht durchgesetzt werden können. Klassische Beispiele hierfür sind Freundschaftsdienste, wie das Versprechen einer unentgeltlichen Beförderung (Gefälligkeitstransport) ohne rechtlich bindenden Vertrag oder öffentlich-rechtliche Ansprüche, die nicht zur Disposition der Parteien stehen. Weiterhin können höchstpersönliche Ansprüche, beispielsweise im Bereich des Familienrechts (z. B. das Recht auf eheliche Lebensgemeinschaft), in bestimmtem Umfang als unklagbar gelten, da das Gericht aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes oder des öffentlichen Interesses keine vollstreckbare Entscheidung treffen kann. Ebenso verweigern Gerichte bei sogenannten Ehrenrechten, wie dem Anspruch auf Verleihung eines Ordens oder eines Titels, die Klagbarkeit. In all diesen Fällen liegt eine rechtliche Bindung vor, aber eine gerichtliche Durchsetzung ist ausgeschlossen.

Wie unterscheidet sich die Unklagbarkeit von der Unvollstreckbarkeit eines Anspruchs?

Die Unklagbarkeit betrifft die Möglichkeit, einen Anspruch überhaupt vor Gericht geltend zu machen, während die Unvollstreckbarkeit sich darauf bezieht, ob ein durch Urteil festgestellter Anspruch durch staatliche Zwangsmaßnahmen durchgesetzt werden kann. Unklagbar ist ein Anspruch, wenn die Prozessordnung oder andere gesetzliche Vorschriften seine gerichtliche Durchsetzung ausschließen. Unvollstreckbar ist ein Anspruch demgegenüber dann, wenn zwar ein Urteil ergeht, dieses Urteil jedoch nicht im Wege staatlichen Zwanges durchgesetzt werden kann – zum Beispiel im Fall höchstpersönlicher Leistungen. Ein unklagbarer Anspruch kann daher bereits im prozessualen Anfangsstadium nicht eingeklagt werden; ein unverklagbarer, aber vollstreckbarer Anspruch kann dagegen zwar eingeklagt, das erstrittene Urteil jedoch nicht zwangsweise durchgesetzt werden.

Unter welchen Voraussetzungen wird ein Anspruch im Zivilrecht als unklagbar betrachtet?

Im Zivilrecht gelten Ansprüche regelmäßig als unklagbar, wenn entweder ein gesetzliches Prozesshindernis besteht oder das geltende Recht die private Durchsetzung bestimmter Rechte bewusst beschränkt. Dies kann auf ausdrücklicher gesetzlicher Grundlage beruhen (zum Beispiel bei Eltern-Kind-Beziehungen hinsichtlich Erziehungsmaßregeln, § 1631 BGB), aus Gründen des Persönlichkeits- oder Geheimnisschutzes erfolgen oder aus Gründen der Rechtsethik. Die Prozessordnung regelt beispielsweise auch, dass gewisse Anträge – etwa auf eine nicht näher bestimmte künftige Leistung – prozessual unzulässig sind (§ 253 Abs. 2 ZPO). Auch wenn das Interesse an einer loyalen Zusammenarbeit wie bei internes Vereinsleben oder behördliche Vertrauensverhältnisse betroffen ist, kann der Gesetzgeber die Klagbarkeit ausschließen, um Funktionsfähigkeit oder Vertraulichkeit zu schützen.

Wie wirkt sich die Unklagbarkeit eines Anspruchs auf Verjährung und Anerkennung durch den Schuldner aus?

Die Unklagbarkeit eines Anspruchs hat Auswirkungen auf die Verjährungsfristen. Da keine Klage eingereicht werden kann, sind Auswirkungen wie Hemmung oder Neubeginn der Verjährung aufgrund der Klageerhebung nicht möglich. Wird ein unklagbarer Anspruch vom Schuldner jedoch anerkannt, so gilt dies rechtlich als Anerkenntnis (§ 212 BGB), was den Neubeginn der Verjährung bewirken kann. Ferner beeinflusst ein solches Anerkenntnis aber nicht die (Un)Klagbarkeit selbst: Auch nach Anerkennung bleibt ein unklagbarer Anspruch weiterhin prozessual nicht durchsetzbar. Im Übrigen ist eine Titelbeschaffung durch Anerkenntnisurteil bei unklagbaren Ansprüchen ausgeschlossen, da bereits die Klage unzulässig ist.

Welche Rolle spielt die Parteidisposition bezüglich der Klagbarkeit eines Anspruchs?

Die Parteidisposition bezieht sich auf die Frage, inwieweit die Parteien selbst bestimmen können, ob ein Anspruch klagbar ist. Bei unklagbaren Ansprüchen ist gerade die Disposition der Parteien ausgeschlossen, da meist gewichtige rechtliche Interessen (z. B. Persönlichkeitsschutz, Loyalität, öffentliche Ordnung) einer freien Verfügbarkeit entgegenstehen. Auch eine vertragliche Vereinbarung, die einem ursprünglich unklagbaren Anspruch Klagbarkeit verleihen will, ist in der Regel unwirksam. Die Dispositionsmaxime findet bei der Unklagbarkeit also ihre Grenze.

Können öffentlich-rechtliche Ansprüche unklagbar sein?

Auch im öffentlichen Recht gibt es unklagbare Ansprüche. Typisch ist dies bei Akten innerdienstlicher Vorgesetztenverhältnisse (z. B. Dienstanweisungen im Beamtenverhältnis ohne Außenwirkung) oder bei Verwaltungsakten, die nur der internen Willensbildung dienen. Weiterhin existieren Verwaltungsakte oder Ansprüche, für die ein Verwaltungsrechtsweg ausgeschlossen ist, oder bei denen besondere Verfahrensvoraussetzungen zu beachten sind. Daneben können bestimmte öffentlich-rechtliche Leistungsversprechen (wie Subventionszusagen ohne gesetzliche Mitwirkungspflicht) als unklagbar eingestuft werden, wenn dem Empfänger ein Rechtsweg fehlt oder die Leistung unter hoheitlichem Vorbehalt steht.

Welche Rechtsfolgen ergeben sich, wenn ein Gericht dennoch über einen unklagbaren Anspruch entscheidet?

Entscheidet ein Gericht trotz bestehender Unklagbarkeit über einen Anspruch, so ist die Klage unzulässig und das Verfahren wird als unzulässig abgewiesen. Sollte ein Urteil dennoch ergehen, ist dieses mangels Klagezuständigkeit grundsätzlich nichtig oder zumindest aufhebbar. Ein rechtskräftiges Urteil hat keine Rechtswirkung, soweit es auf einem unzulässigen Klagegegenstand beruht. Hinzukommt, dass Vollstreckungsmaßnahmen auf Grundlage eines solchen Urteils unstatthaft wären. Betroffene Parteien können das Urteil mit den zulässigen Rechtsbehelfen (Berufung, Revision oder ggf. Nichtigkeitsklage) anfechten.

Gibt es Möglichkeiten, einen unklagbaren Anspruch in einen klagbaren umzuwandeln?

Grundsätzlich ist der Übergang von Unklagbarkeit zu Klagbarkeit an gesetzliche Voraussetzungen gebunden. In wenigen Ausnahmefällen kann durch Erfüllung bestimmter Formerfordernisse, durch nachträgliche Vertragsschluss oder durch Umwandlung einer Gefälligkeit in ein rechtsgeschäftlich bindendes Versprechen aus einem ursprünglich unklagbaren Anspruch ein klagbarer Anspruch entstehen. Entscheidend ist hierbei der Rechtsbindungswille der Parteien oder das Entstehen einer besonderen Rechtsgrundlage (z. B. durch Gesetzesänderung), die eine Klage zulässt. In Bereichen, in denen das öffentliche Interesse die Unklagbarkeit bestimmt, ist eine Umwandlung hingegen regelmäßig ausgeschlossen.