Begriff und Grundlagen der Unitranche
Die Unitranche ist eine innovative Finanzierungsform, die ursprünglich aus dem angelsächsischen Raum stammt und sich seit den frühen 2000er-Jahren auch im deutschsprachigen Raum etabliert hat. Sie stellt eine Mischform der Unternehmensfinanzierung dar und kombiniert verschiedene Finanzierungsinstrumente, insbesondere Senior und Mezzanine, in einem einzigen Kreditvertrag und auf derselben Rangstelle. Die rechtliche Besonderheit der Unitranche zeigt sich in der Zusammenführung unterschiedlicher Fremdkapitalformen mit unterschiedlichen Risiko- und Renditeprofilen.
Im Wesentlichen handelt es sich bei der Unitranche um ein Darlehen, das einerseits die hohe Flexibilität und Geschwindigkeit von Mezzanine- oder Private-Debt-Finanzierungen sowie andererseits die Sicherheit strukturierter Bankfinanzierungen miteinander verbindet. Typischerweise wird sie im Zusammenhang mit Unternehmensübernahmen (Leveraged Buyouts – LBO), Refinanzierungen oder Rekapitalisierungen eingesetzt.
Rechtsnatur und rechtliche Struktur der Unitranche
Rechtsform und vertragliche Ausgestaltung
Rechtlich handelt es sich bei einer Unitranche-Finanzierung meist um ein qualifiziertes Darlehen im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), das über individuelle Kredit- oder Darlehensverträge geregelt wird. Die Vertragsparteien der Unitranche sind in der Regel professionelle Kreditgeber wie Debt Fonds, Investmentfonds oder spezialisierte Kreditinstitute sowie das zu finanzierende Unternehmen bzw. dessen Gesellschaften.
Der Kreditvertrag wird individuell ausgestaltet, orientiert sich jedoch oftmals an marktüblichen Mustern, etwa den Standardbedingungen der Loan Market Association (LMA) oder Loan Syndications and Trading Association (LSTA). In der Praxis werden häufig englisches oder luxemburgisches Recht gewählt, da diese Rechtssysteme eine hohe Flexibilität bei der Strukturierung solcher Finanzierungen bieten. Bei Transaktionen mit Sitz oder Vermögen in Deutschland kann jedoch in Teilen deutsches Recht zur Anwendung kommen.
Rangstellung der Forderungen und Intercreditor Agreements
Eine rechtliche Besonderheit der Unitranche besteht darin, dass die Forderungen der Kreditgeber im gleichen Rang besichert und in der Insolvenz grundsätzlich gleich behandelt werden. Einheitliche Sicherheiten werden zu Gunsten einer Treuhänderin (Security Agent) gestellt. Eine Differenzierung in einen sogenannten „First-Out“- und einen „Last-Out“-Tranche erfolgt rein vertraglich im Rahmen eines Intercreditor Agreements („Agreement among Lenders“).
Das Intercreditor Agreement regelt die Rangverhältnisse, Verteilung von Tilgungs- und Zinszahlungen sowie maßgebliche Entscheidungsprozesse im Falle von Störungen oder Insolvenzen. Dies betrifft insbesondere Aspekte wie Standstill-Klauseln, Informationsrechte und die Stimmrechte bei der Kreditgebermehrheit.
Verhältnis zu Insolvenzrecht und Gläubigerschutz
Im Insolvenzfall sind die im Intercreditor Agreement getroffenen Regelungen grundsätzlich wirksam, sofern sie insolvenzfest ausgestaltet sind. Da aber alle Unitranche-Gläubiger formal denselben rechtlichen Rang einnehmen, besteht die Möglichkeit, dass abweichende Verteilungsabreden im Insolvenzfalle einer insolvenzrechtlichen Inhaltskontrolle unterliegen. Besonderes Augenmerk gilt dabei der Beachtung von §§ 129 ff. InsO für Anfechtungsrisiken sowie § 39 InsO mit Blick auf die Gleichbehandlung gleichrangiger Forderungen.
Sicherheitenstruktur und Treuhandmodelle
Unitranche-Finanzierungen sind regelmäßig durch favorisierte Sicherheiten wie Globalzession von Forderungen, Grundschulden, Sicherungsübereignungen und Verpfändung von Gesellschaftsanteilen abgesichert. Die Sicherheiten werden zugunsten einer Security Agent bestellt, die treuhänderisch für alle Kreditgeber-unabhängig von deren später vertraglich vereinbarter Verteilung-agiert. Eine effektive und wirksame Bestellung dieser Sicherheiten setzt die sorgfältige Prüfung der jeweiligen nationalen Register und formellen Anforderungen voraus.
Wesentliche rechtliche Anforderungen und regulatorische Aspekte
Anforderungen an das Kreditwesengesetz (KWG)
Die Gewährung von Unitranche-Krediten unterliegt in Deutschland, je nach Ausgestaltung und Beteiligten, gegebenenfalls dem Kreditwesengesetz (KWG). Sofern Kreditfonds als Darlehensgeber agieren, sind sie verpflichtet, etwaige KWG-Lizenzpflichten als Kreditinstitute oder Finanzdienstleistungsinstitute zu beachten. Gleiches gilt für aufsichtsrechtliche Melde- und Eigenkapitalvorschriften.
Eine Besonderheit ergibt sich dadurch, dass verschiedene Investorengruppen mit abweichenden aufsichtsrechtlichen Hintergründen zusammengeführt werden. Für Investoren mit Sitz im Ausland kann zudem das Außenwirtschaftsrecht bzw. das Geldwäschegesetz relevant sein.
Verbraucherschutz und Transparenzvorschriften
Die Unitranche kommt als strukturierte Unternehmenskreditform regelmäßig nur bei professionellen Darlehensnehmern (Unternehmen) zum Einsatz. Verbraucherschutzvorschriften, etwa nach §§ 491 ff. BGB, sind daher im Regelfall nicht anwendbar. Gleichwohl sind die Transparenzpflichten und Bestimmungen zur vorvertraglichen Information nach den Vorgaben für Großkredite und Konsortialfinanzierungen zu beachten.
Steuerrechtliche und gesellschaftsrechtliche Rahmenbedingungen
Die Erhebung der Kapitalertragsteuer, Quellensteuer und Aspekte der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Zinsen bei sog. „Related Party Transactions“ (insbesondere bei internationalen Strukturen oder bei Beteiligung von Gesellschaftern als Kreditgeber) sind zu prüfen. Ebenso muss etwaige Thin-Capitalization-Regulierung sowie der Fremdvergleichsgrundsatz des Außensteuergesetzes (AStG) einbezogen werden.
Gesellschaftsrechtliche Prüfungspunkte betreffen oftmals die Zulässigkeit der Mittelaufnahme, die Bestellung von Sicherheiten durch Tochtergesellschaften (Upstream- oder Cross-Stream-Sicherheiten), die Einhaltung von Kapitalerhaltungsvorschriften und die Kontrolle sog. „Financial Assistance“-Bestimmungen.
Prozessuale Aspekte und Durchsetzung der Rechte
Kreditvertragsmanagement und Enforcement
Im Rahmen von Unitranche-Finanzierungen bestehen umfangreiche Reporting- und Informationspflichten der Darlehensnehmer gegenüber den Kreditgebern und dem Security Agent. Die Kompetenzen zur Durchsetzung von Sicherheiten und Zahlungsansprüchen werden detailliert vertraglich geregelt. Bei Verstößen, insbesondere bei Eintritt eines sogenannten Events of Default (Vertragsverletzung oder Zahlungsausfall), sind Rechte und Pflichten klar verteilt.
Die Interessen der Kreditgeber werden insbesondere im Enforcement-Fall (zwangsweise Durchsetzung von Sicherheiten) durch die klare Rollenverteilung und Entscheidungsfindung im Intercreditor Agreement abgebildet. Hier kann die Mehrheit bestimmter Kreditgebergruppen beauftragt werden, die Verwertung der Sicherheiten zu initiieren oder Verhandlungen mit dem Darlehensnehmer zu führen.
Streitbeilegung und Gerichtsstandsvereinbarungen
Da Unitranche-Finanzierungen häufig mit internationalem Bezug gestaltet werden, enthalten die Vertragswerke unter anderem Regelungen über anwendbares Recht und Schieds- oder Gerichtsstandsvereinbarungen. Die Wahl englischen oder luxemburgischen Rechts sowie internationaler Schiedsgerichte (z.B. London Court of International Arbitration – LCIA) ist weit verbreitet, insbesondere um schnelle und vorhersehbare Entscheidungsprozesse zu gewährleisten.
Praxisrelevanz und Bedeutung im Finanzierungsmarkt
Die Unitranche ist aus dem modernen, insbesondere grenzüberschreitenden Finanzierungsmarkt nicht mehr wegzudenken. Sie bietet Unternehmen flexible und oft schnellere Finanzierungslösungen – gepaart mit erhöhten Anforderungen an die rechtliche und steuerliche Strukturierung. Investoren und Unternehmen profitieren gleichermaßen von innovativen und maßgeschneiderten Kreditlösungen. Durch die Verbindung verschiedener Finanzierungsinstrumente in einem Vertrag erfordert die Unitranche-Finanzierung jedoch eine detaillierte und umfassende rechtliche Prüfung sowie eine sorgfältige Dokumentation, insbesondere im Hinblick auf Verteilung der Rechte und Risiken im Kreditsyndikat sowie die Insolvenzfestigkeit der getroffenen Vereinbarungen.
Siehe auch
- Mezzanine-Finanzierung
- Konsortialkredit
- Intercreditor Agreement
- Leveraged Buyout (LBO)
Literaturhinweis:
- Brinkmann/Simons, Unitranche-Finanzierungen im deutschen Recht, NZG 2021, S. 1267-1273
- Zimmermann, Die rechtliche Struktur der Unitranche-Finanzierung, ZBB 2019, S. 377-385
Hinweis: Dieser Eintrag erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und ersetzt keine rechtliche Beratung im Einzelfall.
Häufig gestellte Fragen
Wie werden die Rechte und Pflichten der Parteien in einem Unitranche-Darlehensvertrag rechtlich ausgestaltet?
Im Rahmen eines Unitranche-Darlehensvertrags werden die Rechte und Pflichten der Parteien in einer einzigen, üblicherweise umfangreichen Kreditdokumentation vereinbart, die sowohl erstrangige als auch nachrangige Elemente integriert. Rechtlich wesentlich ist hierbei die klare Zuordnung von Kontrollrechten (z. B. bei Verletzung von Covenants), Informationspflichten, Zahlungsrang und Vorgehen im Falle eines Ausfalls. Wesentlich ist die Vereinbarung spezifischer Waterfall-Klauseln, die das Rangverhältnis und das Zahlungsverhalten sowohl während der Laufzeit als auch im Insolvenzfall regeln. Zudem finden sich in Unitranche-Verträgen oft individuell ausgehandelte Regelungen zu Verstößen, Fristen, Kündigungsrechten sowie spezifischen Mechanismen zur Konfliktbeilegung. Die Vertragsgestaltung muss deutschem bzw. dem anwendbaren ausländischen Recht und zwingenden insolvenzrechtlichen Vorschriften entsprechen. Besondere Bedeutung kommt dem Intercreditor Agreement zu, sofern es mehrere Kreditgeber gibt, wodurch das Verhältnis zwischen verschiedenen Anlegergruppen detailliert geregelt wird.
Wie ist die Absicherung eines Unitranche-Darlehens rechtlich ausgestaltet?
Die Besicherung eines Unitranche-Darlehens erfolgt ähnlich wie bei klassischen Fremdfinanzierungen regelmäßig durch Bestellung von Sicherheiten wie Grundschulden, Sicherungsübereignungen, Verpfändungen von Anteilen und Forderungen sowie ggf. Garantien. Die Besonderheit im rechtlichen Kontext liegt darin, dass alle Sicherheiten gemeinsam für die gesamte Kreditgebergruppe bestellt werden, wobei das jeweilige Sicherheitenregime im Sicherheitenpoolvertrag (Security Agreement) genau definiert wird. Die Rechte an den Sicherheiten unterliegen dabei einer prioritätenmäßigen Verteilung gemäß der Waterfall-Vereinbarung, die auch die Rechtsfolgen bei Verwertung regelt. Dies erfordert eine besonders präzise Sicherheitenstrukturierung und -verwaltung, auch um insolvenzrechtlichen und vollstreckungsrechtlichen Anforderungen zu genügen, z. B. Vermeidung der Übersicherung und Wahrung der Gläubigergleichbehandlung gemäß §§ 30 ff. InsO (Insolvenzordnung).
Welche rechtlichen Besonderheiten bestehen beim Abschluss eines Intercreditor Agreements?
Das Intercreditor Agreement stellt beim Unitranche die vertragliche Grundlage für das Verhältnis der verschiedenen Kreditgeber zur Darlehensnehmerin und untereinander dar. Rechtlich wichtig sind hierbei Regelungen zur Rangfolge der Rückzahlungen, zur Handhabung von Verstößen, zur Stimmrechtsverteilung im Gläubigerkreis und zu Informationsrechten. Besonders sind die sog. Tranchierungsregeln, da bestimmte Investoren als „First Out“ und andere als „Last Out“ aus dem Kapitalrückfluss befriedigt werden. Das Intercreditor Agreement muss insolvenzfest ausgestaltet sein und den deutschen bzw. internationalen insolvenzrechtlichen Anforderungen genügen. Ebenfalls essenziell sind rechtlich präzise Regelungen zum Umgang mit enforcement actions, d. h. der Ausübung von Sicherheitenrechten bei Zahlungsunfähigkeit des Schuldners. Rechtlich können Konflikte entstehen, wenn der Vertrag nicht klar zwischen kollektiven und individuellen Gläubigerrechten unterscheidet.
Was ist bei der vorzeitigen Rückzahlung (Prepayment) aus rechtlicher Sicht zu beachten?
Bei einer vorzeitigen Rückzahlung eines Unitranche-Darlehens ist aus rechtlicher Sicht maßgeblich, ob und inwieweit Prepayment-Penalties (Vorfälligkeitsentschädigungen) vereinbart wurden und in welcher Form eine Kündigung nach Kreditrecht (insb. §§ 489, 490 BGB) möglich ist. In der Regel werden im Kreditvertrag genaue Bestimmungen getroffen, wann und unter welchen Bedingungen eine vorzeitige Rückzahlung zulässig ist, inklusive etwaiger Breakage Fees. Zudem sind Regelungen erforderlich, wie eine solche Rückzahlung im Verhältnis der einzelnen Unitranche-Tranchen (First Out / Last Out) erfolgt. Ebenso ist die rechtliche Einbeziehung des Intercreditor Agreements sicherzustellen, damit die unterschiedlichen Gläubigerinteressen gewahrt bleiben und keine Verstöße gegen zwingendes AGB-Recht oder Treu und Glauben (§ 242 BGB) auftreten.
Welche insolvenzrechtlichen Risiken sind bei einem Unitranche-Darlehen zu berücksichtigen?
Insolvenzrechtliche Risiken im Zusammenhang mit Unitranche-Darlehen betreffen insbesondere die Gefahr der Anfechtung von Zahlungen und Sicherheitenbestellungen nach §§ 129 ff. InsO sowie das Risiko, dass vertragliche Rangregelungen in der Insolvenz gegebenenfalls nicht vollumfänglich anerkannt werden. Nach deutschem Recht ist das Trennungs- und Abstraktionsprinzip sowie das insolvenzrechtliche Nachrangsgebot zu beachten, weshalb Waterfall-Regelungen klar und eindeutig auszugestalten sind. Weiterhin unterliegen nachteilige Zahlungen an nachrangige Kreditgeber oder eine nicht marktübliche Entlohnung dem Risiko der Gläubigerbenachteiligung (§ 133 InsO). Auch ist sicherzustellen, dass die Bestellung und Strukturierung der Sicherheiten insolvenzfest erfolgt und keine insolvenzrechtlich unzulässige Gläubigerbevorzugung vorliegt.
Welche regulatorischen Rahmenbedingungen sind für Unitranche-Strukturen zu beachten?
Je nach Struktur und beteiligten Parteien unterliegt die Vergabe von Unitranche-Darlehen ggf. den Vorschriften des Kreditwesengesetzes (KWG), insbesondere wenn Kreditgeber Banken oder regulierte Debt Funds sind. Aufsichtsrechtlich relevant kann auch die FinVermV sein, falls Vermittler tätig werden. Für Kreditfonds besteht ggf. eine Pflicht, die Erlaubnis nach dem Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) vorzuweisen. Weiterhin ist geldwäscherechtlich sicherzustellen, dass alle compliance-relevanten Anforderungen, wie die Identifizierung der Vertragspartner (KYC-Prozesse) und Meldepflichten nach dem GwG eingehalten werden. Im internationalen Kontext können zusätzlich ausländische Aufsichts- oder Meldepflichten hinzukommen, z. B. FATCA oder CRS.
Welche Rolle spielt der „Facility Agent“ aus rechtlicher Sicht?
Der Facility Agent übernimmt bei einer Unitranche-Struktur eine zentrale Rolle als Vertreter der Kreditgeber und ist regelmäßig für die administrative und rechtliche Abwicklung des Darlehens verantwortlich. Aus rechtlicher Sicht muss im Facility-Agreement detailliert geregelt sein, in welchem Umfang der Agent im Namen der Kreditgeber handeln darf, welche Representations and Warranties er übernimmt und welche Haftungsbeschränkungen gelten. Ferner sind Mechanismen zur Beschlussfassung und Vertretung in Krisensituationen zu definieren. Die Handlungsvollmacht des Agents ist regelmäßig auf die im Vertrag definierten Aufgaben beschränkt, um eine Überschreitung der Vertretungsmacht (§§ 164 ff. BGB) und daraus resultierende Haftungsrisiken auszuschließen. Weiterhin ist zu regeln, ob bei Interessenkonflikten Rücktritts- oder Abberufungsmöglichkeiten vorgesehen sind.