Legal Wiki

Wiki»Legal Lexikon»IT Recht»Unified Patent Court

Unified Patent Court

Unified Patent Court (UPC): Begriff, Funktion und rechtlicher Rahmen

Der Unified Patent Court (UPC), auf Deutsch Einheitliches Patentgericht, ist ein grenzüberschreitendes Gerichtssystem innerhalb eines Teils der Europäischen Union. Es bearbeitet Patentstreitigkeiten zentral und einheitlich für die teilnehmenden Staaten. Das Gericht ergänzt das bestehende europäische Patentsystem, indem es für bestimmte Patente eine einheitliche gerichtliche Zuständigkeit schafft und Entscheidungen mit Wirkung in mehreren Staaten ermöglicht.

Hintergrund und Zielsetzung

Das UPC wurde geschaffen, um Patentstreitigkeiten in Europa effizienter, schneller und einheitlicher zu entscheiden. Bis zur Einführung des UPC mussten Inhaber europäischer Patente ihre Rechte getrennt in jedem Land durchsetzen, in dem Schutz bestand. Das führte zu parallelen Verfahren mit möglichen widersprüchlichen Ergebnissen. Das UPC soll dem entgegenwirken und eine zentrale Durchsetzung sowie zentralen Rechtsentzug (Nichtigkeit) ermöglichen.

Abgrenzung zum Europäischen Patentamt (EPO)

Das Europäische Patentamt (EPO) ist für die Prüfung und Erteilung europäischer Patente zuständig. Das UPC befasst sich nicht mit der Erteilung, sondern mit Streitigkeiten nach der Erteilung: etwa Verletzungsklagen, Nichtigkeitsklagen oder vorläufiger Rechtsschutz. EPO-Einspruchsverfahren und UPC-Verfahren können nebeneinander bestehen; das UPC kann ein Verfahren aussetzen, wenn beim EPO ein relevantes Verfahren anhängig ist.

Räumlicher und sachlicher Anwendungsbereich

Teilnehmende Staaten und Geltungsumfang

Das UPC übt seine Zuständigkeit nur in den EU-Mitgliedstaaten aus, die dem System beigetreten sind und es anwendbar gemacht haben. Nicht alle EU-Staaten nehmen teil; weitere Beitritte sind möglich. Staaten außerhalb der EU sind nicht beteiligt. Entscheidungen des UPC entfalten Wirkungen nur innerhalb der teilnehmenden Staaten. Das Vereinigte Königreich nimmt nicht teil.

Erfasste Schutzrechte

Das UPC ist zuständig für:
– das Einheitspatent (europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung),
– klassische europäische Patente (mit nationalen Wirkungen in den benannten Staaten),
– ergänzende Schutzzertifikate (Supplementary Protection Certificates, SPCs), die auf diesen Patenten beruhen.

Wirkung von Entscheidungen

Eine Entscheidung des UPC wirkt grundsätzlich in allen teilnehmenden Staaten:
– Bei Einheitspatenten einheitlich in ihrem gesamten geografischen Schutzbereich.
– Bei klassischen europäischen Patenten für deren nationale Anteile in den teilnehmenden Staaten.
Außerhalb der teilnehmenden Staaten entfalten UPC-Entscheidungen keine unmittelbare Wirkung.

Aufbau und Sprache des Gerichts

Gericht erster Instanz

Die erste Instanz besteht aus:
– lokalen Kammern in einzelnen Staaten,
– regionalen Kammern (mehrere Staaten bilden eine gemeinsame Kammer),
– der Zentralkammer mit Standorten in Paris sowie Sektionen in München und Mailand.
Die fachliche Zuständigkeit der Zentralkammern richtet sich nach technischen Gebieten; die Zuweisung orientiert sich an internationalen Patentklassifikationen.

Berufungsinstanz und Kanzlei

Die zweite Instanz (Berufungsgericht) hat ihren Sitz in Luxemburg. Eine zentrale Kanzlei mit Register führt Verfahrensakten, veröffentlicht Entscheidungen und verwaltet prozessuale Eintragungen, etwa Opt-outs. Ein elektronisches Fallmanagementsystem dient der Verfahrensführung und Einsichtnahme.

Sprachenregelung

Verfahrenssprachen sind insbesondere Deutsch, Englisch und Französisch. Lokale und regionale Kammern legen eine oder mehrere Sprachen fest und können die Sprache des Patents zulassen. Die Zentralkammer verhandelt in der Regel in der Sprache des Patents. In der Berufungsinstanz wird meist die erstinstanzliche Sprache fortgeführt.

Zuständigkeiten und Verfahren

Klagearten

Das UPC entscheidet unter anderem über:
– Verletzungsklagen und Widerklagen,
– Nichtigkeitsklagen gegen erteilte Patente,
– Feststellungsklagen (z. B. Nichtverletzung),
– Klagen zu ergänzenden Schutzzertifikaten,
– Klagen wegen Androhung unberechtigter Rechtsverfolgung,
– Hilfsanträge wie Auskunfts- und Rechnungslegung.

Beweis- und Sicherungsmaßnahmen

Das Gericht kann Beweissicherungsmaßnahmen anordnen, etwa die Besichtigung von Anlagen, die Sicherung von Produkten oder die Herausgabe von Dokumenten. Anordnungen zur Vorlage von Beweismitteln und zur Erhaltung von Beweismitteln sind möglich. Die Verfahrensordnung sieht Vertraulichkeitsvorkehrungen zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor.

Vorläufiger Rechtsschutz

Vorläufige Maßnahmen umfassen unter anderem einstweilige Unterlassungen, Beschlagnahmen oder Grenzbeschlagnahmen sowie Maßnahmen zur schnellen Beweissicherung. Erforderlich ist regelmäßig eine Abwägung von Erfolgsaussichten, Eilbedürftigkeit und Interessenlage.

Zeitablauf und Verfahrensführung

Das Verfahren ist straff und frontgeladen konzipiert. Es umfasst typischerweise eine schriftliche Phase, eine Beweisphase und eine mündliche Verhandlung mit zeitnaher Entscheidung. Das Gericht kann Verfahren aussetzen, verbinden oder trennen, um Effizienz und Kohärenz zu gewährleisten.

Rechtsfolgen und Rechtsbehelfe

Unterlassung, Beseitigung, Schadensersatz, Auskunft

Bei festgestellter Verletzung kann das UPC Unterlassungsanordnungen, Rückruf- und Vernichtungsanordnungen sowie Auskunfts- und Rechnungslegungspflichten anordnen. Schadensersatz oder angemessene Entschädigung können zugesprochen werden. Entscheidungen können auch veröffentlicht werden, wenn dies zur Beseitigung fortwirkender Beeinträchtigungen beiträgt.

Kosten und Kostenerstattung

Verfahren vor dem UPC sind gebührenpflichtig. Neben festen Gerichtsgebühren können bei bestimmten Klagearten wertabhängige Gebühren anfallen. Eine Erstattung der Kosten zugunsten der obsiegenden Partei ist möglich, grundsätzlich innerhalb von Obergrenzen, die sich am Streitwert orientieren. Für kleinere Unternehmen sind Gebührenminderungen und Erleichterungen vorgesehen.

Übergangsphase und Opt-out

Dauer und Reichweite

Seit dem Start des UPC gilt eine mehrjährige Übergangsphase. In dieser Zeit besteht für klassische europäische Patente eine parallele Zuständigkeit von UPC und nationalen Gerichten, sofern kein Opt-out erklärt wurde. Nach Ende der Übergangsphase ist für diese Patente grundsätzlich das UPC ausschließlich zuständig, soweit sie in teilnehmenden Staaten Wirkung haben.

Opt-out und Opt-in

Für klassische europäische Patente und darauf beruhende Schutzzertifikate kann während der Übergangsphase ein Opt-out erklärt werden. Damit verbleiben Streitigkeiten bei den nationalen Gerichten. Ein Opt-out ist nicht möglich für Einheitspatente. Ein bereits erklärter Opt-out kann, solange kein nationales Verfahren anhängig ist, zurückgenommen werden (Opt-in), wodurch das UPC wieder zuständig wird. Wird zuerst eine Klage beim UPC erhoben, ist ein nachträglicher Opt-out ausgeschlossen.

Verhältnis zu nationalen Gerichten und zum EPO

In der Übergangszeit besteht eine Wahlmöglichkeit zwischen nationalen Gerichten und dem UPC, sofern kein Opt-out eingetragen ist. Nationalgerichte bleiben zudem außerhalb des Anwendungsbereichs des UPC zuständig, etwa in nicht teilnehmenden Staaten. EPO-Einspruch und UPC-Verfahren können parallel geführt werden; das UPC kann sein Verfahren in geeigneten Konstellationen aussetzen.

Besondere Aspekte

Bifurkation

Das System erlaubt eine Trennung von Verletzungs- und Nichtigkeitsfragen. Lokale oder regionale Kammern können über Verletzung entscheiden und eine Nichtigkeitsgegenklage an die Zentralkammer verweisen. Um widersprüchliche Entscheidungen zu vermeiden, kann eine Aussetzung oder Verbindung angeordnet werden.

Einheitspatent vs. klassisches europäisches Patent

Das Einheitspatent bietet einen einheitlichen Schutzbereich in den teilnehmenden Staaten mit zentraler Verwaltung. Das klassische europäische Patent bleibt ein Bündel nationaler Schutzrechte; es kann in den teilnehmenden Staaten dem UPC unterliegen oder durch Opt-out den nationalen Gerichten zugewiesen sein. Für beide Patentarten gilt ein einheitliches Verfahrensregime vor dem UPC.

Transparenz und Register

Das UPC führt ein öffentlich zugängliches elektronisches Register. Verfahrensschritte, Entscheidungen und bestimmte Verfahrensdokumente sind einsehbar, vorbehaltlich Vertraulichkeitsschutz. Ein separates Register verwaltet Opt-outs und deren Rücknahmen.

Häufig gestellte Fragen zum Unified Patent Court

Für welche Schutzrechte ist das UPC zuständig?

Das UPC befasst sich mit Einheitspatenten, klassischen europäischen Patenten und darauf beruhenden ergänzenden Schutzzertifikaten. Nationale Patente, die nicht aus dem europäischen Verfahren hervorgegangen sind, fallen nicht in seine Zuständigkeit.

Gilt eine Entscheidung des UPC in der gesamten Europäischen Union?

Nein. Entscheidungen wirken nur in den EU-Mitgliedstaaten, die am System teilnehmen. In nicht teilnehmenden Staaten und außerhalb der EU entfalten sie keine unmittelbare Wirkung.

Welche Sprachen können in Verfahren vor dem UPC verwendet werden?

Verfahren finden vor allem in Deutsch, Englisch oder Französisch statt. Lokale und regionale Kammern bestimmen die zulässigen Sprachen; häufig ist die Sprache des Patents zulässig. In der Zentralkammer wird in der Regel in der Sprache des Patents verhandelt.

Was bedeutet die Übergangsphase für klassische europäische Patente?

Während der Übergangsphase besteht eine parallele Zuständigkeit von nationalen Gerichten und dem UPC, sofern kein Opt-out eingetragen ist. Nach Ablauf der Übergangsphase ist das UPC für diese Patente in den teilnehmenden Staaten grundsätzlich ausschließlich zuständig.

Kann parallel ein EPO-Einspruch und ein Verfahren vor dem UPC geführt werden?

Ja. Die Zuständigkeiten bestehen nebeneinander. Das UPC kann sein Verfahren aussetzen, wenn der Ausgang eines EPO-Verfahrens entscheidungsrelevant ist.

Nimmt das Vereinigte Königreich am UPC teil?

Nein. Das Vereinigte Königreich ist nicht Teil des Systems. Entscheidungen des UPC entfalten dort keine Wirkung.

Was unterscheidet das Einheitspatent vom klassischen europäischen Patent im Kontext des UPC?

Das Einheitspatent bietet einheitliche Wirkung in den teilnehmenden Staaten und unterliegt stets dem UPC. Das klassische europäische Patent bleibt ein Bündel nationaler Rechte; es kann dem UPC unterliegen oder durch Opt-out den nationalen Gerichten zugewiesen sein.