Grober Unfug – Definition, rechtliche Einordnung und Anwendungsbereiche
Begriffsbestimmung: Was ist grober Unfug?
Der Begriff „grober Unfug“ bezeichnet eine Form rechtswidrigen, störenden oder belästigenden Handelns, das nach allgemeinem Sprachgebrauch als erhebliche Belästigung oder Störung der öffentlichen Ordnung bzw. Sicherheit verstanden wird. In rechtlicher Hinsicht findet sich der Ausdruck grober Unfug vor allem im Ordnungswidrigkeitenrecht wieder und ist maßgeblich durch die einschlägigen Normen reglementiert.
Historische Entwicklung und Gesetzesgrundlagen
Rechtsentwicklung
Der „grobe Unfug“ war ursprünglich als Straftatbestand im deutschen Strafgesetzbuch (StGB) vorgesehen. Die Strafvorschrift wurde erstmals 1871 ins Reichsstrafgesetzbuch eingeführt. Im Zuge der sogenannten Großen Strafrechtsreform von 1974/1975 erfolgte die Entkriminalisierung des groben Unfugs. Seitdem wird er grundsätzlich nicht mehr als Straftatbestand, sondern als Ordnungswidrigkeit behandelt.
Aktuelle Gesetzeslage
Die frühere Strafvorschrift des § 360 StGB („grober Unfug“) wurde 1974 aufgehoben. An ihre Stelle trat § 118 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG). Danach ist das Verursachen groben Unfugs eine Ordnungswidrigkeit.
§ 118 OWiG (Grober Unfug)
„Ordnungswidrig handelt, wer grob ungehörige Handlungen vornimmt, die geeignet sind, die Allgemeinheit zu belästigen oder zu gefährden oder die öffentliche Ordnung zu stören.“
Die aktuelle Regelung richtet sich mithin nicht an die Bestrafung einzelner Vergehen, sondern an die Verhinderung und Sanktionierung von Störungen, ohne dabei das Strafrecht zu bemühen.
Tatbestandsmerkmale und Voraussetzungen
Grob ungehörige Handlung
Eine grob ungehörige Handlung liegt vor, wenn das Verhalten nach den Wertmaßstäben des gesellschaftlichen Zusammenlebens in gesteigertem Maße als unangemessen, anstößig oder sozial inakzeptabel empfunden wird. Leichtfertige oder lediglich unhöfliche Handlungen erfüllen den Tatbestand nicht; es muss vielmehr eine besondere Qualität der Störung vorliegen.
Eignung zur Belästigung oder Gefährdung der Allgemeinheit bzw. Störung der öffentlichen Ordnung
Das Verhalten muss geeignet sein, allgemein das Empfinden der Bevölkerung zu beeinträchtigen, etwa durch Lärm, Verunreinigung oder öffentlich anstößiges Verhalten. Es kommt nicht darauf an, ob tatsächlich eine Störung eingetreten ist – schon die abstrakte Eignung genügt.
Vorsatz und Fahrlässigkeit
Nach § 10 OWiG ist auch grob fahrlässiges Handeln sanktionierbar, wobei meist vorsätzliches Verhalten erforderlich ist. Der Handelnde muss die grob ungehörige Handlung zumindest in Kauf nehmen.
Abgrenzung zu anderen Tatbeständen
Abgrenzung zu Straftatbeständen
Grober Unfug grenzt sich insbesondere zum Hausfriedensbruch (§ 123 StGB), zur Ruhestörung oder zu Sachbeschädigung (§ 303 StGB) und ähnlichen Delikten ab. Kommt ein strafrechtlich relevanter Tatbestand zur Anwendung, ist § 118 OWiG nicht anzuwenden („Auffangtatbestand“).
Abgrenzung zu Bagatellfällen
Nicht jede störende Handlung erfüllt den Tatbestand des groben Unfugs. Bagatellen, kleinere Unhöflichkeiten oder gesellschaftlich tolerierte Abweichungen von Normen gelten nicht als Ordnungswidrigkeiten im Sinne von § 118 OWiG.
Beispiele für groben Unfug
Zu den klassischen Fällen des groben Unfugs zählen:
- Lautstarkes Herumfahren mit Motorrädern oder Autos zu nächtlicher Zeit ohne wichtigen Grund in Wohngebieten
- Beschmieren von öffentlichen Flächen, sofern keine Sachbeschädigung vorliegt
- Das grundlose Auslösen von Alarmanlagen
- Falsche Notrufe zu Scherz- oder Belustigungszwecken (sofern keine weitergehende strafrechtliche Relevanz besteht)
- Das Versperren öffentlicher Wege durch Gegenstände aus reiner Schikane
Rechtsfolgen bei Verstoß
Bußgelder
Bei einer festgestellten Ordnungswidrigkeit nach § 118 OWiG kann die zuständige Verwaltungsbehörde ein Bußgeld verhängen. Je nach Schwere der Störung und den Umständen des Einzelfalls sind Bußgelder im Bereich von bis zu mehreren hundert Euro möglich.
Weitere aufsichtsrechtliche Maßnahmen
Neben Bußgeldern kann die zuständige Behörde auch weitere Maßnahmen zur Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung einleiten, wie z.B. Platzverweise, Anordnungen zur Unterlassung weiteren störenden Verhaltens oder die Beseitigung von Störungsquellen.
Anwendungsbereiche und Bedeutung in Praxis und Rechtsprechung
Der Auffangcharakter des § 118 OWiG hat dazu geführt, dass grober Unfug nur in vergleichsweise wenigen Fällen tatsächlich als Ordnungswidrigkeit geahndet wird. Die Vorschrift findet jedoch immer dann Anwendung, wenn kein anderer spezieller Tatbestand einschlägig ist und das gesellschaftliche Bedürfnis nach Ahndung einer schwerwiegenden Störung besteht.
Die Rechtsprechung betont den Ausnahmecharakter der Norm und setzt eine gewisse Erheblichkeit der Beeinträchtigung voraus.
Verfolgung und Verjährung
Verfolgung
Das Verfahren richtet sich nach den Vorschriften des Ordnungswidrigkeitengesetzes. Die Ahndung erfolgt durch die Ordnungsbehörden, mithin Polizei- oder Ordnungsämter auf kommunaler Ebene.
Verjährung
Die Verfolgungsverjährung beträgt gemäß § 31 Abs. 2 Nr. 1 OWiG sechs Monate ab Begehung der Ordnungswidrigkeit, sofern nicht ausnahmsweise eine längere Frist nach anderen Vorschriften gilt.
Fazit
Der Begriff „grober Unfug“ besitzt sowohl historische als auch aktuelle Bedeutung im deutschen Ordnungswidrigkeitenrecht. Der Tatbestand dient der Sicherung der öffentlichen Ordnung und soll grob ungehörige, belästigende oder gefährdende Verhaltensweisen unterhalb der Strafbarkeitsschwelle sanktionieren. Die Handlungen müssen geeignet sein, das Gefüge des öffentlichen Lebens empfindlich zu stören. Die Anwendung des Tatbestands ist jedoch an hohe Voraussetzungen geknüpft und beschränkt sich auf besonders gravierende Fälle, bei denen weder das Strafrecht noch Spezialvorschriften greifen.
Häufig gestellte Fragen
Was sind die rechtlichen Konsequenzen von „groben Unfug“ nach deutschem Recht?
Im juristischen Kontext ist der Begriff „grober Unfug“ im § 118 des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG) verankert. Grober Unfug liegt vor, wenn jemand vorsätzlich, also absichtlich, die öffentliche Ordnung durch eine grob ungehörige Handlung erheblich stört. Die rechtlichen Konsequenzen beschränken sich meist auf eine Geldbuße, deren Höhe im Ermessen der Ordnungsbehörde liegt, jedoch in der Regel zwischen 5 und 1000 Euro betragen kann. Bei der Bemessung der Geldbuße kommen Aspekte wie die Schwere, die Art und die Umstände der Tat sowie die Beweggründe des Täters in Betracht. Ein Eintrag ins Führungszeugnis erfolgt bei einer Verurteilung wegen groben Unfugs in aller Regel nicht, da Ordnungswidrigkeiten niemals im Bundeszentralregister aufgenommen werden. Allerdings können wiederholte Verstöße oder erheblich gestörte öffentliche Ordnung zu einer Einschätzung als Straftat führen, wenn andere Tatbestände (etwa Sachbeschädigung, Körperverletzung) verwirklicht werden. In solchen Fällen drohen härtere Strafen, etwa Geld- oder Freiheitsstrafen.
Wann verjährt grober Unfug als Ordnungswidrigkeit?
Die Verfolgungsverjährung für groben Unfug gemäß § 31 Absatz 2 Nummer 1 OWiG beträgt grundsätzlich zwei Jahre. Innerhalb dieser Verjährungsfrist muss die Ordnungswidrigkeit von der zuständigen Behörde geahndet werden, andernfalls kann der Betroffene nicht mehr belangt werden. Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Tat begangen wurde, und kann durch bestimmte Maßnahmen – wie die Anhörung des Betroffenen oder die Bekanntgabe des Bußgeldbescheids – unterbrochen werden, wodurch die Verjährungsfrist erneut zu laufen beginnt. Nach Ablauf der Verjährungsfrist ist eine Verfolgung ausgeschlossen.
Können Jugendliche für groben Unfug zur Verantwortung gezogen werden?
Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren können für groben Unfug zur Verantwortung gezogen werden, allerdings gelten bei der Verfolgung besondere Vorschriften des Jugendgerichtsgesetzes (JGG), sofern die Tat strafrechtliche Tatbestände erfüllt. Handelt es sich lediglich um eine Ordnungswidrigkeit, wird das Verfahren meist vor den Jugendbehörden geführt. Die Höhe der Bußgelder wird entsprechend dem Alter, der Einsichtsfähigkeit und der wirtschaftlichen Situation reduziert. Darüber hinaus kann bei Minderjährigen die Erziehungsberechtigten zur Aufsicht herangezogen werden.
Besteht ein Unterschied zwischen einfachen und groben Unfug im Ordnungswidrigkeitenrecht?
Das Ordnungswidrigkeitengesetz differenziert nicht explizit zwischen „einfachen“ und „groben“ Unfug; der Tatbestand des § 118 OWiG spricht nur vom „groben Unfug“. Im allgemeinen Sprachgebrauch hingegen wird ein Unterschied gemacht: Einfacher Unfug ist ungehöriges Verhalten ohne wesentliche Störung der öffentlichen Ordnung und bleibt meist ohne rechtliche Folgen. Grober Unfug hingegen setzt eine erhebliche Störung voraus und wird entsprechend geahndet.
Welche Beispiele werden von Gerichten als groben Unfug eingestuft?
Die Rechtsprechung hat eine Vielzahl von Beispielen als groben Unfug anerkannt. Dazu zählen etwa das absichtliche Auslösen eines Feueralarms ohne Brandgefahr, das Entfernen von Verkehrszeichen mit der Folge einer Gefährdung für die Allgemeinheit oder das Versperren von öffentlichen Wegen mit der Absicht, andere zu behindern oder zu verunsichern. Ebenso gilt das gezielte Anbringen von falschen Warnhinweisen oder Schockmomenten im öffentlichen Raum als grober Unfug, wenn hierdurch eine erhebliche Störung oder Gefahr eintritt. Typischerweise werden jedoch Bagatelldelikte ohne nachhaltige Folgen von Gerichten nicht als grober Unfug bewertet.
Können Tatbestände des groben Unfugs mit anderen Straftatbeständen kumuliert werden?
Ja, die Handlung, die als grober Unfug gewertet wird, kann gleichzeitig auch weitere Straftatbestände erfüllen, wie beispielsweise Hausfriedensbruch, Körperverletzung oder Nötigung. In solchen Fällen wird die Ordnungswidrigkeit des groben Unfugs jedoch von den strafrechtlichen Vorschriften verdrängt (sogenannter Sperrwirkung). Das bedeutet, dass bei Vorliegen einer Straftat primär nach dem Strafgesetzbuch (StGB) geahndet wird und nicht zusätzlich nach dem OWiG.
Ist eine Anzeige wegen groben Unfugs anonym möglich und wie läuft das Verfahren ab?
Eine Anzeige wegen groben Unfugs kann grundsätzlich auch anonym bei der Polizei oder der Ordnungsbehörde erstattet werden. Die Behörde prüft dann, ob der Sachverhalt ausreichend konkrete Anhaltspunkte zur Ermittlung des Täters liefert. Nach Aufnahme der Anzeige erfolgen Ermittlungen durch Anhörung des Beschuldigten, möglicher Zeugen und weiterer Beweiserhebung. Im Anschluss entscheidet die Ordnungsbehörde über die Einstellung des Verfahrens oder den Erlass eines Bußgeldbescheids. Gegen diesen kann der Betroffene innerhalb von zwei Wochen Einspruch einlegen, worüber im Zweifel das Amtsgericht entscheidet.