Legal Lexikon

Unfallrente


Begriff und rechtliche Einordnung der Unfallrente

Die Unfallrente ist eine wiederkehrende Geldleistung, die im deutschen Rechtssystem insbesondere im Zusammenhang mit der gesetzlichen Unfallversicherung (§§ 56 ff. SGB VII) vorgesehen ist. Sie dient dem Ausgleich gesundheitlicher und daraus resultierender wirtschaftlicher Nachteile, die unfallbedingt entstanden sind. Die Zahlung setzt voraus, dass infolge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) über die gesetzlich bestimmte Schwelle hinaus vorliegt.

Grundlegende Rechtsgrundlagen

Die rechtliche Grundlage für die Gewährung einer Unfallrente bildet in Deutschland vor allem das Siebte Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Weitere zentrale Regelungen enthalten die Unfallversicherungs-Anzeigeverordnung (UVAV) sowie einschlägige Vorschriften im Sozialverwaltungsverfahren.

Gesetzliche Unfallversicherung

Die gesetzliche Unfallversicherung schützt Erwerbstätige vor den Folgen von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten. Die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, u.a. Berufsgenossenschaften und Unfallkassen, tragen die Kosten für Heilbehandlungen und leisten bei dauerhaft eingeschränkter Erwerbsfähigkeit eine Unfallrente.

Abgrenzung zu anderen Renten

Die Unfallrente ist von anderen Rentenarten, wie insbesondere der Erwerbsminderungsrente der gesetzlichen Rentenversicherung, abzugrenzen. Die Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung treten neben diejenigen der gesetzlichen Rentenversicherung, die auch bei allgemeiner geminderter Erwerbsfähigkeit (unabhängig von der Ursache) gezahlt werden kann.

Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Unfallrente

Arbeitsunfall oder Berufskrankheit

Voraussetzung für den Unfallrentenanspruch ist zunächst das Vorliegen eines Versicherungsfalls, d.h. eines Arbeitsunfalls (§ 8 SGB VII) oder einer anerkannten Berufskrankheit (§ 9 SGB VII). Der Unfall oder die Erkrankung muss während einer versicherten Tätigkeit eingetreten sein bzw. in ursächlichem Zusammenhang mit dieser stehen.

Minderung der Erwerbsfähigkeit

Eine Unfallrente wird nur dann gewährt, wenn infolge des Versicherungsfalls eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von mindestens 20 % besteht und diese länger als 26 Wochen anhält (§ 56 Abs. 1 SGB VII).

Begutachtung der MdE

Die Feststellung der Höhe der MdE basiert auf medizinischen Gutachten. Maßstab ist die Fähigkeit des Versicherten, sich – auf dem gesamten Arbeitsmarkt – unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Einschränkungen zu betätigen.

Kausalität zwischen Unfall/Berufskrankheit und MdE

Die anspruchsbegründende Minderung der Erwerbsfähigkeit muss kausal, d.h. durch den Versicherungsfall (Unfall/Berufskrankheit), hervorgerufen worden sein. Kausalitätsprüfungen können dazu führen, dass Vorschäden oder konkurrierende Ursachen berücksichtigt werden.

Berechnung und Höhe der Unfallrente

Rentenberechnung nach SGB VII

Die Höhe der Unfallrente richtet sich nach dem Jahresarbeitsverdienst (JAV) und dem Grad der MdE.

  • Jahresarbeitsverdienst (JAV): Basis für die Rentenberechnung ist der im Jahr vor dem Versicherungsfall erzielte oder erzielbare Bruttoarbeitsverdienst (§ 82 SGB VII). Hierzu zählen sämtliche regelmäßigen Bezüge, Zulagen und geldwerte Vorteile.
  • Berechnung der Rentenhöhe: Bei einer MdE von 100 % beträgt die Rente zwei Drittel des JAV (§ 56 Abs. 2 SGB VII). Liegt die MdE darunter, wird die Rente entsprechend anteilig berechnet.

Dynamisierung und Anpassungen

Die Unfallrenten werden regelmäßig angepasst, um Inflationseffekten zu begegnen. Die Anpassung orientiert sich an Rentenanpassungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung.

Zusammentreffen mit anderen Leistungen

Unfallrenten können mit anderen Sozialleistungen zusammentreffen (z.B. Erwerbsminderungsrente, Krankengeld). In diesen Fällen sind Anrechnungsvorschriften (§§ 93 ff. SGB VII) zu beachten, um eine Überversorgung zu vermeiden.

Beginn, Dauer und Erlöschen des Anspruchs

Rentenbeginn

Der Anspruch auf Unfallrente entsteht mit Ablauf der 26. Woche nach dem Versicherungsfall, sofern zu diesem Zeitpunkt noch eine rentenberechtigende MdE besteht (§ 56 Abs. 1 SGB VII). Die Zahlung erfolgt dann rückwirkend.

Rentendauer und Überprüfungen

Die Unfallrente wird grundsätzlich solange gezahlt, wie die anspruchsbegründende MdE anhält. Die Rentenberechtigung kann überprüft werden, insbesondere bei Veränderungen des Gesundheitszustandes. Kommt es zu einer Besserung, kann die Rente herabgesetzt oder entzogen werden; bei Verschlechterung kann sie entsprechend erhöht werden (§ 73 SGB VII).

Erlöschen

Der Rentenanspruch erlischt mit dem Tod des Berechtigten. Rechte auf eine Hinterbliebenenrente bestehen unter bestimmten Voraussetzungen (vgl. §§ 63 ff. SGB VII).

Steuerliche Behandlung der Unfallrente

Unfallrenten aus der gesetzlichen Unfallversicherung sind in Deutschland steuerfrei (§ 3 Nr. 1a EStG). Private Unfallrenten hingegen gelten als sonstige Einkünfte und können unter bestimmten Voraussetzungen steuerpflichtig sein.

Unfallrente in der privaten Versicherung

Neben der gesetzlichen Unfallrente existieren private Unfallversicherungen, die ebenfalls Rentenzahlungen vorsehen können. Hier regeln die Versicherungsbedingungen und das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) die Anspruchsvoraussetzungen, Bedingungen und die Höhe der Rentenleistung. Die Kriterien können von denen der gesetzlichen Unfallversicherung erheblich abweichen.

Ansprüche im Streitfall und Verfahrensfragen

Verwaltungsverfahren

Entscheidungen über die Bewilligung oder Versagung einer Unfallrente werden durch einen Bescheid des Unfallversicherungsträgers getroffen. Hiergegen kann Widerspruch eingelegt werden, im Anschluss besteht der Weg zum Sozialgericht.

Nachprüfung und Revision des Rentenbescheids

Die Unfallversicherungsträger sind gehalten, die gewährten Renten regelmäßig, spätestens nach einem bestimmten Zeitrahmen oder bei Anhaltspunkten für eine Änderung der MdE zu überprüfen (§ 62 SGB VII).

Zusammenfassung

Die Unfallrente ist ein zentrales Element des deutschen Sozialleistungssystems zum Schutz von Erwerbstätigen vor den finanziellen Folgen von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten. Ihre rechtliche Ausgestaltung ist im SGB VII detailliert geregelt und durch eine Vielzahl von Einzelregelungen geprägt, um eine bedarfsgerechte, faire und anpassungsfähige Absicherung im Falle verminderter Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls sicherzustellen.

Häufig gestellte Fragen

Welche gesetzlichen Voraussetzungen müssen für den Anspruch auf eine Unfallrente erfüllt sein?

Für den Anspruch auf eine gesetzliche Unfallrente sind mehrere Voraussetzungen gesetzlich geregelt. Zunächst muss ein Arbeitsunfall, ein Wegeunfall oder eine Berufskrankheit nachgewiesen sein, wobei dieser nach § 8 SGB VII (Sozialgesetzbuch Siebtes Buch) definiert wird. Der Unfall muss zu einer gesundheitlichen Beeinträchtigung, sprich einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE), führen. Ein Anspruch auf Verletztenrente besteht erst, wenn die MdE infolge eines Arbeitsunfalles oder einer anerkannten Berufskrankheit mindestens 20 Prozent beträgt und diese Einschränkung voraussichtlich länger als 26 Wochen andauert (§ 56 SGB VII). Die MdE wird anhand medizinischer Gutachten eingeschätzt, wobei sämtliche Umstände, wie Vorerkrankungen und bestehende Beschwerden, zugunsten des Versicherten zu berücksichtigen sind. Der Versicherungsfall muss der gesetzlichen Unfallversicherung gemeldet und von dieser anerkannt werden. Nur bei Erfüllung dieser Anforderungen entsteht ein Anspruch auf Zahlung der gesetzlichen Unfallrente.

Wie berechnet sich die Höhe der gesetzlichen Unfallrente?

Die Höhe der gesetzlichen Unfallrente bemisst sich nach dem sogenannten Jahresarbeitsverdienst (JAV), der im Jahr vor dem Versicherungsfall erzielt wurde. Dieser JAV wird zur Berechnungsgrundlage der Rentenzahlung. Die Rentenhöhe ist zudem abhängig vom Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE). Entspricht die MdE beispielsweise 30 Prozent, erhält der Versicherte 30 Prozent des JAV als jährliche Unfallrente (§ 56 Abs. 2 SGB VII). Eine volle Erwerbsminderung von 100 Prozent würde somit zu einer vollen Rente führen. Die Rentenbeträge können durch bestimmte rentenerhöhende Vorschriften ergänzt werden, etwa wenn Hinterbliebene auch berechtigt sind. Sonderregelungen gelten bei mehreren Versicherungsfällen oder Kollision mit anderen Rentenansprüchen nach anderen Sozialgesetzbüchern.

Wann endet der Anspruch auf Unfallrente?

Der Anspruch auf Unfallrente besteht grundsätzlich so lange, wie die unfall- oder berufsbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) mindestens 20 Prozent beträgt (§ 56 SGB VII). Sinkt die MdE dauerhaft unter diesen Wert oder stellt sich heraus, dass die Einschränkung nicht mehr auf den Arbeitsunfall oder die Berufskrankheit zurückzuführen ist, entfällt der Rentenanspruch. Auch bei Versterben des Berechtigten endet der Anspruch. Änderungen wie eine Besserung des Gesundheitszustandes oder neue medizinische Erkenntnisse können durch Nachprüfungen der Unfallkasse oder Berufsgenossenschaft zu einer Änderung oder Aufhebung des Rentenbescheids führen.

Ist die Unfallrente mit anderen Rentenansprüchen kombinierbar?

Grundsätzlich kann die Unfallrente neben anderen Renten, etwa einer gesetzlichen Altersrente oder Erwerbsminderungsrente, bezogen werden. Allerdings sieht das Recht der gesetzlichen Unfallversicherung bei Überschreiten bestimmter Einkommensgrenzen Kürzungen vor (§ 93 SGB VI, § 65 SGB VII). Überschreitet die Gesamtsumme der Rentenansprüche den Grenzbetrag (in der Regel das frühere Nettoarbeitsentgelt), kann eine Kürzung der Leistungen eintreten. Auch bei gleichzeitigen Schadensersatzansprüchen aus dem Zivilrecht sind Kompensationen und Anrechnungen möglich.

Können Ansprüche auf Unfallrente verjähren?

Ja, Ansprüche auf Unfallrente können unter bestimmten Umständen verjähren. Grundsätzlich gilt, dass Rentenanträge zeitnah gestellt werden sollten, da Nachzahlungen in der Regel nur bis zu einem Jahr rückwirkend erfolgen (§ 44 SGB X). Die Verjährung für die Geltendmachung von Leistungsansprüchen gegen die Unfallversicherung richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften des SGB X und Bürgerlichen Gesetzbuchs, wobei eine Verjährungsfrist von vier Jahren für Ansprüche aus dem Versicherungsverhältnis vorgesehen ist.

Gibt es Möglichkeiten des Widerspruchs oder der Klage gegen einen abgelehnten Unfallrentenantrag?

Wird ein Antrag auf Unfallrente von der Gesetzlichen Unfallversicherung (Berufsgenossenschaft/Unfallkasse) abgelehnt oder eine MdE niedriger festgestellt, als der Versicherte erwartet hat, kann innerhalb eines Monats nach Zugang des Bescheides Widerspruch eingelegt werden (§ 84 SGG – Sozialgerichtsgesetz). Wird dem Widerspruch nicht abgeholfen, besteht die Möglichkeit einer Klage zum zuständigen Sozialgericht. Im Widerspruchs- und Klageverfahren ist eine detaillierte medizinische und rechtliche Prüfung vorgesehen, die ggf. weitere unabhängige Gutachten umfasst.

Ist die Auszahlung einer gesetzlichen Unfallrente steuerpflichtig?

Die gesetzliche Unfallrente selbst ist gemäß § 3 Nr. 1a EStG steuerfrei. Allerdings unterliegt sie dem Progressionsvorbehalt, was bedeutet, dass die Unfallrente zwar selbst nicht besteuert wird, aber das zu versteuernde Einkommen, z. B. aus anderen Quellen, einem höheren Steuersatz unterfallen kann. Es empfiehlt sich, steuerliche Fragen im Einzelfall vom Steuerberater prüfen zu lassen, da die individuellen Verhältnisse maßgeblich für die steuerlichen Auswirkungen sind.