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Unfallkassen der Gemeinden


Begriff und Rechtsstellung der Unfallkassen der Gemeinden

Unfallkassen der Gemeinden sind als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung in Deutschland spezifisch für die Beschäftigten im kommunalen Bereich zuständig. Sie gehören zur Familie der öffentlich-rechtlichen Unfallversicherungsträger und agieren im Rahmen der deutschen Sozialversicherung als Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung. Die gesetzliche Grundlage bilden insbesondere das Siebte Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) und ergänzende bundes- sowie länderspezifische Regelungen.

Rechtliche Grundlagen

Gesetzliche Verankerung nach SGB VII

Die Aufgaben, Organisation und Pflichten der Unfallkassen der Gemeinden sind maßgeblich im SGB VII geregelt. Nach § 114 SGB VII sind sie für die Unfallversicherung der Arbeitnehmer in kommunalen Verwaltungen und Betrieben, sowie in weiteren kommunalen Einrichtungen und Unternehmen, zuständig. Ihre Existenz basiert auf dem grundgesetzlichen Prinzip der Selbstverwaltung im Bereich der Sozialversicherung (§ 87 ff. SGB IV).

Weitere Rechtsgrundlagen

Neben dem SGB VII und SGB IV sind auch das Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) für das Verwaltungsverfahren sowie die landesrechtlichen Ausführungsgesetze zur gesetzlichen Unfallversicherung einschlägig. Satzungen der einzelnen Unfallkassen regeln darüber hinaus Details der Geschäftsführung, Mitgliedschaft sowie Beitragserhebung.

Aufgaben und Zuständigkeiten der Unfallkassen der Gemeinden

Versicherungsschutz

Unfallkassen der Gemeinden sichern die Beschäftigten der Kommunen sowie Personengruppen in kommunalen Unternehmen und Einrichtungen gegen Arbeitsunfälle, Wegeunfälle und Berufskrankheiten sowie gegen mit der Arbeit verbundenen Gesundheitsgefahren ab. Darüber hinaus erstreckt sich der Versicherungsschutz häufig auch auf bestimmte ehrenamtlich Tätige, kommunale Mandatsträger sowie Kinder und Jugendliche in kommunalen Tagesstätten und Schulen (§ 2, § 6 SGB VII).

Rehabilitation und Entschädigungsleistungen

Die Hauptaufgabe der Unfallkassen besteht darin, nach Eintritt eines Versicherungsfalles Leistungen zur medizinischen, beruflichen und sozialen Rehabilitation zu bewilligen (vgl. § 26 ff. SGB VII). Sie übernehmen u. a. die Kosten für ärztliche Behandlungen, Medikamente, Heil- und Hilfsmittel sowie die Wiedereingliederung ins Erwerbsleben. Zum Leistungsportfolio gehören auch Geldleistungen in Form von Verletzten- und Hinterbliebenenrenten (§ 47 ff. SGB VII).

Präventiver Arbeitsschutz

Eine weitere wesentliche Aufgabe stellen Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten dar. Die Unfallkassen der Gemeinden beraten Kommunen, kommunale Unternehmen und Einrichtungen in Fragen des Arbeitsschutzes, führen Schulungen durch und kontrollieren die Umsetzung von Schutzmaßnahmen gemäß den einschlägigen Vorschriften wie der DGUV Vorschrift 1 und weiteren Regelwerken nach DGUV.

Organisation und Aufsicht

Selbstverwaltung und Organe

Unfallkassen der Gemeinden sind selbstverwaltete Körperschaften. Ihre Organe sind die Vertreterversammlung und der Vorstand, die paritätisch aus Vertretenden der Arbeitgeber und Versicherten bestehen (§ 43 ff. SGB IV). Die Vertreterversammlung fasst die grundlegenden Beschlüsse, während der Vorstand für die laufende Verwaltung zuständig ist. Häufig gibt es zudem Widerspruchsausschüsse, die im Rahmen des Sozialverwaltungsverfahrens für Überprüfungen und Beschwerden zuständig sind.

Aufsicht und Kontrolle

Die Rechtsaufsicht über die Unfallkassen der Gemeinden üben Landesbehörden, zumeist die zuständigen Sozial- oder Innenministerien, aus (§ 87 SGB IV). Die Fachaufsicht erstreckt sich auf die Einhaltung gesetzlicher und satzungsrechtlicher Vorschriften und umfasst auch Prüfungen durch die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV).

Finanzierung und Beitragssystem

Umlageverfahren

Die Finanzierung der Unfallkassen der Gemeinden erfolgt ausschließlich durch Umlagen, die von den Mitgliedskommunen beziehungsweise dem jeweiligen öffentlichen Arbeitgeber aufgebracht werden (§ 152 SGB VII). Es existiert kein Zuschuss durch Versicherte oder durch den Staat. Die Umlagen richten sich nach den jeweils von der Unfallkasse festgesetzten Beitragssätzen und einer risikoorientierten Umlagebemessung, bei der Personalkosten und Gefährdungsrisiken in den einzelnen Tätigkeitsbereichen berücksichtigt werden.

Beitragserhebung und Satzung

Die konkrete Ausgestaltung der Beitragserhebung regeln die Satzungen der einzelnen kommunalen Unfallkassen. Sie legt Bemessungsgrundlagen, Fälligkeit, Zahlungsmodi und ggf. Nachprüfungsverfahren fest.

Verhältnis zu anderen Unfallversicherungsträgern

Abgrenzung zu Berufsgenossenschaften und weiteren Kassen

Während Berufsgenossenschaften für Unternehmen der Privatwirtschaft zuständig sind, betreuen Unfallkassen der Gemeinden ausschließlich den kommunalen Bereich. Darüber hinaus bestehen weitere Unfallversicherungsträger, wie die Unfallkassen der Länder, die beispielsweise für Beschäftigte des Landes oder Landesbetriebe zuständig sind.

Zusammenarbeit und Koordination

Im Rahmen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) koordinieren die Unfallkassen der Gemeinden ihre Aufgabenerfüllung mit anderen Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung, insbesondere bei grenzübergreifenden Sachverhalten sowie der Entwicklung und Anwendung verbindlicher Präventionsstandards.

Rechtsweg und Rechtsschutz

Leistungsempfänger oder Arbeitgeber können gegen Entscheidungen der Unfallkasse im Verwaltungsverfahren nach SGB X vorgehen. Nach erfolglosem Widerspruch steht ihnen der Weg zu den Sozialgerichten offen. Relevant sind in diesem Zusammenhang die Regelungen der §§ 78 ff. SGG (Sozialgerichtsgesetz).

Literatur und weiterführende Regelungen

Die genaue Rechtsgrundlage zur Organisation und Tätigkeit der Unfallkassen der Gemeinden findet sich insbesondere in folgenden gesetzlichen und untergesetzlichen Normen:

  • Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII)
  • Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV)
  • Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X)
  • Satzungen der jeweiligen kommunalen Unfallkassen
  • Vorschriften und Regelwerke der DGUV

Weiterführende Informationen bieten auch amtliche Kommentare und Fachpublikationen zum SGB VII, Veröffentlichungen der DGUV sowie die jeweiligen Webseiten der kommunalen Unfallkassen und der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung.


Hinweis: Dieser Beitrag bietet eine umfassende und strukturierte Übersicht zu den rechtlichen Grundlagen und Aufgaben der Unfallkassen der Gemeinden in Deutschland und eignet sich zur Verwendung in einem Rechtslexikon.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist bei der Unfallkasse der Gemeinden versichert und wie ergibt sich der versicherte Personenkreis rechtlich?

Der versicherte Personenkreis bei Unfallkassen der Gemeinden ergibt sich aus den einschlägigen Vorschriften des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII). Demnach sind nicht nur die Arbeitnehmer und Angestellten der jeweiligen Gemeinde kraft ihrer Beschäftigung versichert, sondern auch Personen, die auf ehrenamtlicher Basis für kommunale Einrichtungen tätig werden. Darüber hinaus erstreckt sich der Versicherungsschutz auf bestimmte Personengruppen wie Gemeinderäte, freiwillige Feuerwehrangehörige und Schüler, die gemeindliche Einrichtungen besuchen oder an gemeindlich organisierten Veranstaltungen teilnehmen. Die rechtliche Grundlage hierfür bilden insbesondere §§ 2, 6 und 8 SGB VII, die die Tatbestände der Versicherung kraft Gesetzes definieren. Der Versicherungsschutz erfolgt dabei automatisch durch Gesetz und ist nicht von einer gesonderten Anmeldung abhängig. Entscheidend ist stets, dass die betreffende Tätigkeit im Interesse und mit Wissen der Gemeinde ausgeübt wird.

Welche Leistungen erbringt die Unfallkasse und wie sind diese rechtlich geregelt?

Die Unfallkassen der Gemeinden sind verpflichtet, im Falle eines Versicherungsfalls umfassende Leistungen zu erbringen. Diese Leistungen sind im SGB VII abschließend geregelt und umfassen vorrangig die Heilbehandlung (medizinische und berufsfördernde Maßnahmen), die Zahlung von Verletztengeld, Übergangsgeld, Renten bei dauerhafter Minderung der Erwerbsfähigkeit sowie Hinterbliebenenleistungen im Todesfall. Rechtlich maßgeblich sind hier §§ 26 ff. SGB VII. Darüber hinaus deckt die gesetzliche Unfallversicherung auch ergänzende Leistungen wie Rehabilitationsmaßnahmen, notwendige Reisekosten und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ab. Die Unfallkasse ist zudem verpflichtet, den Versicherungsfall aufzuklären, den Unfallhergang zu prüfen und die Anspruchsvoraussetzungen gem. § 45 SGB I zu ermitteln.

Wie erfolgt die Meldung eines Arbeits- oder Wegeunfalls an die Unfallkasse und welche Fristen sind dabei einzuhalten?

Die Meldepflicht von Arbeits- und Wegeunfällen an die zuständige Unfallkasse ist in § 193 SGB VII geregelt. Demnach ist der Arbeitgeber (Gemeinde) verpflichtet, jeden meldepflichtigen Unfall unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis, der Unfallkasse schriftlich zu melden. Bei einem tödlichen Unfall oder schweren Gesundheitsschäden muss die Meldung sofort, auch fernmündlich, erfolgen. Betroffene oder Zeugen haben hingegen keine unmittelbare Meldepflicht, sollten jedoch den Unfall umgehend dem Arbeitgeber melden, damit die Meldepflicht eingehalten werden kann. Eine verspätete Unfallmeldung kann ggf. zu Nachteilen bei der Leistungsgewährung führen. Die gesetzlichen Fristen sind zwingend einzuhalten, da ansonsten Regressansprüche oder Sanktionen gegen die meldende Gemeinde drohen können.

Welche Aufgaben und Pflichten obliegen der Gemeinde gegenüber der Unfallkasse?

Gemeinden haben gegenüber der Unfallkasse eine Vielzahl von Pflichten, die sich aus dem SGB VII und ergänzenden Unfallverhütungsvorschriften ergeben. Dazu gehört in erster Linie die ordnungsgemäße Anmeldung aller Beschäftigten und Pflichtversicherten gemäß § 192 SGB VII. Weiterhin sind Gemeinden verpflichtet, alle meldepflichtigen Unfälle und Berufskrankheiten anzuzeigen und erforderliche Auskünfte zu erteilen. Sie müssen zur Prävention von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten geeignete Maßnahmen umsetzen und die Unfallkasse bei der Durchführung von Ermittlungen und bei Rehabilitationsmaßnahmen unterstützen. Zudem haben Gemeinden Beiträge zur Unfallkasse zu leisten, deren Höhe nach Gefahrtarifen bemessen wird. Die Nichtbeachtung dieser Pflichten kann zu Bußgeldern und Schadensersatzansprüchen durch die Unfallkassen führen.

Nach welchen rechtlichen Kriterien wird die Beitragshöhe der Gemeinden zur Unfallkasse bemessen?

Die Höhe der für Gemeinden zu entrichtenden Beiträge zur Unfallkasse richtet sich nach § 168 SGB VII und den jeweiligen Gefahrtarifen, die von den Unfallkassen im Rahmen ihres Satzungsrechts aufgestellt werden. Maßgebliche Kriterien für die Bemessung der Beiträge sind der Lohn- und Gehaltsaufwand der versicherten Personen, die Gefährdungsklasse der jeweiligen Tätigkeiten sowie die Unfall- und Kostenentwicklung der jeweiligen Gemeinde oder Einrichtung. Es findet eine jährliche Beitragsberechnung statt, bei der die Personalabrechnungen und eventuelle Änderungen des Beschäftigtenumfangs zugrunde gelegt werden. Eine Nachveranlagung ist möglich, sobald sich maßgebliche Umstände wie eine erhöhte Unfallquote ergeben. Die Beitragsveranlagung ist rechtlich bindend und bei Differenzen gerichtlich überprüfbar.

Welche rechtlichen Möglichkeiten haben Versicherte bei Streitigkeiten mit der Unfallkasse?

Im Falle eines Rechtsstreits mit der Unfallkasse steht den Versicherten der Rechtsweg zu den Sozialgerichten offen. Die maßgeblichen Verfahrensvorschriften ergeben sich aus dem Sozialgerichtsgesetz (SGG). Versicherte können zunächst Widerspruch gegen ablehnende Entscheidungen der Unfallkasse einlegen (§ 78 SGG). Wird diesem nicht abgeholfen, kann Klage vor dem zuständigen Sozialgericht erhoben werden (§ 54 SGG). Hierbei ist die Kostenlast im Sozialrecht in der Regel gering, da das Verfahren gerichtskostenfrei ist. Versicherte haben Anspruch auf Akteneinsicht, auf rechtliches Gehör und können sich vor Gericht durch Bevollmächtigte vertreten lassen. Hinzu kommen Beratungsangebote der Kommunalen Spitzenverbände oder der Sozialverbände, die Unterstützung in strittigen Fällen bieten.