Legal Lexikon

Unfallanzeige


Begriff und Bedeutung der Unfallanzeige

Die Unfallanzeige stellt ein zentrales Element im Arbeitsrecht und im Bereich des Sozialversicherungsrechts, insbesondere der gesetzlichen Unfallversicherung, dar. Sie dient der amtlichen Meldung eines Arbeitsunfalls durch den Arbeitgeber an die zuständige Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse. Ziel ist die Einleitung des Verwaltungsverfahrens zur Feststellung und Regulierung von Arbeitsunfällen, um Ansprüche betroffener Personen auf Leistungen nach dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sicherzustellen.

Rechtliche Grundlagen der Unfallanzeige

Gesetzliche Grundlage nach SGB VII

Die Verpflichtung zur Erstattung einer Unfallanzeige ergibt sich aus § 193 SGB VII. Das Gesetz legt fest, in welchen Fällen, durch wen und in welcher Form eine Unfallanzeige zu erstatten ist. Daneben enthalten auch ergänzende Vorschriften der Unfallverhütungsvorschriften und einzelner Bundes- oder Landesgesetze nähere Regelungen.

§ 193 SGB VII: Anzeigepflicht

Gemäß § 193 Absatz 1 SGB VII ist jeder Unternehmer verpflichtet, der zuständigen Unfallversicherung unverzüglich einen tödlichen, einen schweren oder einen über drei Tage hinausgehenden Arbeitsunfall anzuzeigen. Dies gilt sowohl für eigene Beschäftigte als auch für andere versicherte Personen (bspw. Schüler, Ehrenamtliche).

Weitere Vorschriften

Ergänzend zu § 193 SGB VII können die einzelnen Unfallversicherungsträger sowie die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) nähere Anforderungen an die Form, den Inhalt und den Ablauf der Anzeige festlegen. Dies erfolgt regelmäßig über Unfallverhütungsvorschriften (DGUV Vorschriften).

Zweck der Unfallanzeige

Die Anzeige verfolgt mehrere Zwecke:

  • Ermöglichung der Ermittlung des Unfallhergangs
  • Nachweisführung für die Anspruchsberechtigung
  • Einleitung präventiver und repressiver Maßnahmen durch die Unfallversicherungsträger
  • Statistische Erfassung zur Unfallverhütung

Anzeigepflichtiger Personenkreis und Fristen

Wer ist zur Anzeige verpflichtet?

Nach § 193 SGB VII ist primär der Arbeitgeber zur Anzeige verpflichtet. In bestimmten Einzelfällen können auch andere Verantwortliche, etwa Behördenleiter, zur Anzeige verpflichtet sein. Kommt die verpflichtete Person der Anzeigepflicht nicht nach, drohen Bußgelder und weitere ordnungsrechtliche Konsequenzen.

Frist zur Unfallanzeige

Die Unfallanzeige ist unverzüglich, das heißt ohne schuldhaftes Zögern, zu erstatten. Nach herrschender Meinung ist eine Meldung spätestens innerhalb von drei Tagen nach Kenntnisnahme des Unfalls erforderlich. Bei tödlichen oder schweren Unfällen ist eine sofortige Anzeige, gegebenenfalls auch fernmündlich, rechtlich geboten.

Form, Inhalt und Übermittlung der Unfallanzeige

Form der Unfallanzeige

Die Unfallanzeige ist schriftlich zu erstatten, vielfach auch elektronisch über entsprechende Online-Portale der Unfallversicherung. In akuten Fällen (z.B. tödliche Unfälle) kann zunächst eine telefonische oder elektronische Vorabmeldung erfolgen, gefolgt von einer schriftlichen Ausfertigung.

Pflichtangaben der Unfallanzeige

Zu den wesentlichen Angaben gehören:

  • Angaben zur Person des oder der Verletzten
  • Zeitpunkt und Ort des Unfalls
  • Detaillierte Schilderung des Unfallhergangs
  • Zeugenangaben
  • Art und Schwere der Verletzungen
  • Maßnahmen der Ersten Hilfe
  • Namen der behandelnden Ärzte bzw. Kliniken
  • Sonstige relevante Umstände (z. B. technische Mängel, Witterungsbedingungen)

Unvollständige oder fehlerhafte Angaben können zu Verzögerungen im Verwaltungsverfahren führen und unter Umständen die Arbeitsschutzaufsicht einleiten.

Übermittlungswege

Seit mehreren Jahren ist die elektronische Übermittlung der Unfallanzeige nach § 193 Absatz 6 SGB VII zugelassen und vielfach verpflichtend vorgesehen. Die Übertragung erfolgt in der Regel über standardisierte Meldeportale oder spezielle Meldeformulare der Sozialversicherungsträger.

Verwahrungs- und Aufbewahrungspflichten

Dem Arbeitgeber obliegt nach Eingang einer Unfallanzeige die Pflicht, eine Kopie der Meldung für mindestens fünf Jahre nach dem Unfallereignis aufzubewahren (§ 193 Absatz 5 SGB VII). Dies dient der Nachweisführung gegenüber Aufsichtsbehörden und der Unfallversicherung.

Folgen und Bedeutung der Unfallanzeige

Rechtliche Folgen bei unterlassener Anzeige

Eine versäumte oder verspätete Unfallanzeige kann Bußgelder gemäß § 209 SGB VII nach sich ziehen. Darüber hinaus kann eine unterlassene Meldung weitreichende sozialversicherungsrechtliche und haftungsrechtliche Konsequenzen für den Arbeitgeber haben, insbesondere, wenn die betroffene Person dadurch einen Nachteil erleidet (z. B. Entfall von Versicherungsleistungen).

Bedeutung für die Versicherungsträger

Die Unfallanzeige bildet die formelle Grundlage für das Ermittlungsverfahren der Unfallversicherungsträger. Auf Basis der Anzeige werden die Voraussetzungen für Leistungen geprüft, Sachverhaltsermittlungen eingeleitet und ggf. weitergehende Maßnahmen (Unfalluntersuchung, Präventionsberatung) durchgeführt.

Sonderfälle und Besonderheiten

Schülerunfälle, Wegeunfälle und Berufskrankheiten

Auch für Schülerunfälle, Wegeunfälle und Verdachtsfälle einer Berufskrankheit besteht die Pflicht zur Erstattung einer Unfallanzeige; ggf. bestehen abweichende Meldewege oder andere Formvorgaben. Für Berufskrankheiten ist regelmäßig das Verfahren nach § 202 SGB VII maßgeblich.

Datenschutz und Vertraulichkeit

Die Angaben in einer Unfallanzeige unterliegen den Vorgaben des Datenschutzrechts. Personenbezogene Daten dürfen ausschließlich für das Verwaltungsverfahren im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung verwendet werden.

Zusammenfassung

Die Unfallanzeige ist ein gesetzlich geregeltes Verfahren zur Meldung von Arbeitsunfällen an die zuständigen Unfallversicherungsträger. Sie ist ein wesentlicher Bestandteil des Arbeitsschutzes und der Sozialversicherung in Deutschland. Die gesetzlichen Grundlagen, insbesondere § 193 SGB VII, schreiben vor, wann, wie und durch wen eine Unfallanzeige zu erstatten ist. Bei Nichteinhaltung der Anzeigepflicht drohen rechtliche Konsequenzen, einschließlich Bußgeldern und Haftungsrisiken. Die sachgerechte und zeitnahe Erstattung der Unfallanzeige ist daher ein zentrales Element zur Sicherstellung des Versicherungsschutzes und zur Unterstützung Präventionsmaßnahmen.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist zur Erstattung einer Unfallanzeige rechtlich verpflichtet?

Nach § 193 SGB VII sind Unternehmen sowie deren Bevollmächtigte oder Beauftragte rechtlich verpflichtet, eine Unfallanzeige zu erstatten, wenn sich ein Arbeitsunfall oder ein Wegeunfall ereignet hat, der eine Arbeitsunfähigkeit von mehr als drei Kalendertagen oder den Tod zur Folge hat. Die Anzeige muss unabhängig davon erfolgen, ob der Unfall voraussichtlich als Arbeitsunfall anerkannt wird oder nicht, denn sie dient der lückenlosen Erfassung sämtlicher meldepflichtiger Ereignisse im Unternehmen. Die Verpflichtung besteht auch, wenn der betroffene Arbeitnehmer in einem anderen Unternehmen tätig war oder auf einer Dienstreise verunglückt ist. Kommt das Unternehmen der Pflicht zur Unfallanzeige nicht nach, können Bußgelder verhängt werden und versicherungsrechtliche Nachteile wie die Einschränkung von Leistungsansprüchen drohen.

In welcher Frist muss die Unfallanzeige erstattet werden?

Die Unfallanzeige muss gemäß § 193 Abs. 1 SGB VII unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis des Unfalls, beim zuständigen Unfallversicherungsträger eingereicht werden. „Unverzüglich“ bedeutet hierbei ohne schuldhaftes Zögern. Die Frist beginnt, sobald der Arbeitgeber oder eine von ihm beauftragte Person von dem meldepflichtigen Unfall Kenntnis erlangt. Sollte der Unfall zum Tod des Beschäftigten geführt haben, ist die Unfallanzeige in der Regel sofort zu erstatten, damit notwendige Maßnahmen von Seiten des Unfallversicherungsträgers zeitnah eingeleitet werden können. Werden die Fristen nicht eingehalten, können rechtliche Konsequenzen drohen, insbesondere ordnungsrechtliche Sanktionen.

Welche Inhalte muss eine Unfallanzeige aus rechtlicher Sicht zwingend beinhalten?

Eine Unfallanzeige muss nach den Vorgaben des § 193 SGB VII und der Unfallverhütungsvorschriften (UVV) präzise Angaben enthalten. Erforderlich sind insbesondere: vollständige Personalien des Verunfallten (Name, Geburtsdatum, Anschrift), genaue Unternehmensbezeichnung, Ort und Zeitpunkt des Unfalls, eine detaillierte Schilderung des Unfallhergangs, eine Beschreibung der Verletzungen und Angabe der ersten ärztlichen Behandlung. Zudem ist anzugeben, ob Arbeitsunfähigkeit eingetreten ist und wie lange diese voraussichtlich andauert. Sofern Zeugen vorhanden sind, sind diese ebenfalls zu benennen. Fehlende oder unvollständige Informationen können zur Rückweisung der Anzeige oder zu Nachermittlungen durch den Unfallversicherungsträger führen.

Wer erhält die Unfallanzeige und wie ist sie zu übermitteln?

Die Unfallanzeige ist an den für das Unternehmen zuständigen Träger der gesetzlichen Unfallversicherung (z. B. Berufsgenossenschaft, Unfallkasse) zu übermitteln. In der Regel erfolgt die Übermittlung heute elektronisch über das Meldeportal der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), kann aber bei technischen Störungen weiterhin schriftlich mittels des amtlichen Formulars erfolgen. Eine Durchschrift der Anzeige ist zudem an den Betriebs- oder Personalrat zu geben, sofern ein solcher besteht, da dieser ein Einsichtsrecht besitzt. Darüber hinaus muss eine weitere Ausfertigung der Anzeige dem verunfallten Arbeitnehmer auf Wunsch zur Verfügung gestellt werden.

Was sind die rechtlichen Folgen einer unterlassenen oder verspäteten Unfallanzeige?

Ein Verstoß gegen die Pflicht zur zeit- und ordnungsgemäßen Erstattung der Unfallanzeige kann als Ordnungswidrigkeit gemäß § 209 SGB VII mit einer Geldbuße geahndet werden. Darüber hinaus kann ein Unterlassen der Anzeige dazu führen, dass dem Unfallversicherungsträger wichtige Ermittlungs- und Prüfungsrechte entzogen werden. Dies kann im Einzelfall Auswirkungen auf die Leistungsgewährung gegenüber dem Versicherten und auf Regressforderungen gegenüber dem Arbeitgeber haben. Im schlimmsten Fall kann dem Unternehmen eine Mitverantwortung an Versäumnissen zugesprochen werden, was haftungsrechtliche Folgen nach sich ziehen kann.

Muss der betroffene Arbeitnehmer die Unfallanzeige selbst erstatten?

Rechtlich verpflichtet zur Erstattung der Unfallanzeige ist grundsätzlich das Unternehmen beziehungsweise dessen gesetzliche oder beauftragte Vertretung. Der Arbeitnehmer ist zur Meldung seines Unfalls an den Arbeitgeber und zur Mitwirkung an der Unfallaufklärung verpflichtet, muss jedoch selbst keine Unfallanzeige beim Unfallversicherungsträger einreichen. In Ausnahmefällen kann der Arbeitnehmer die Anzeige aber auch selbst bei der Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse einreichen, etwa wenn der Arbeitgeber seiner Verpflichtung nicht nachkommt. In solchen Fällen empfiehlt es sich, sich auf den unterlassenen Pflichtenhinweis zu berufen und gegebenenfalls Beweise über den Unfallhergang zu sichern.

Welche Bedeutung hat die Unfallanzeige für spätere Leistungsansprüche?

Die rechtzeitig und korrekt eingereichte Unfallanzeige bildet die wesentliche Grundlage für die Prüfung und Anerkennung eines Arbeits- oder Wegeunfalls durch den Unfallversicherungsträger. Erst mit Eingang der Anzeige beginnt das Ermittlungsverfahren, in dessen Rahmen alle relevanten Beweise und Zeugenaussagen gesichert werden. Für die betroffenen Beschäftigten ist die Unfallanzeige damit eine verfahrensrechtliche Voraussetzung für die Gewährung von Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung wie Verletztengeld, Heilbehandlung, Unfallrente und weitere Ansprüche. Fehlt die Anzeige oder ist diese unvollständig, kann dies dazu führen, dass Leistungen abgelehnt oder verzögert werden.