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Unerlaubte Handlung (Delikt)

Begriff und Einordnung der unerlaubten Handlung (Delikt)

Eine unerlaubte Handlung, häufig auch als Delikt bezeichnet, ist eine rechtswidrige Beeinträchtigung geschützter Interessen einer Person, aus der dem Betroffenen Ansprüche auf Ausgleich oder Unterlassung gegen den Verursacher entstehen. Ziel ist die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustands oder ein angemessener Ausgleich für entstandene Nachteile. Das Deliktsrecht ist Teil des Zivilrechts und regelt die Verantwortlichkeit für schädigende Verhaltensweisen außerhalb vertraglicher Beziehungen.

Abgrenzung zu Vertrag und Strafrecht

Das Deliktsrecht unterscheidet sich vom Vertragsrecht dadurch, dass es unabhängig von einer Vereinbarung zwischen den Beteiligten greift. Während Vertragsrecht Pflichten aus einer Abmachung ableitet, knüpft das Deliktsrecht an die Verletzung allgemeiner Verhaltenspflichten an. Zum Strafrecht besteht der Unterschied, dass dort staatliche Sanktionen im Vordergrund stehen, während im Deliktsrecht der private Ausgleich zwischen den Betroffenen geregelt wird. Ein und derselbe Lebenssachverhalt kann sowohl zivilrechtliche Ansprüche (Delikt) als auch strafrechtliche Folgen haben.

Voraussetzungen der deliktischen Haftung

Verletzung eines geschützten Interesses

Schutzgüter sind insbesondere Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum und sonstige absolute Rechte, außerdem das allgemeine Persönlichkeitsrecht und betriebliche Interessen. Auch die Verletzung von Verhaltenspflichten, die dem Schutz anderer dienen, kann eine Haftung begründen.

Rechtswidrigkeit und mögliche Rechtfertigung

Wer ein geschütztes Interesse verletzt, handelt grundsätzlich rechtswidrig. Die Rechtswidrigkeit kann ausnahmsweise entfallen, wenn ein anerkanntes Rechtfertigungsmoment vorliegt, etwa die Abwehr eines gegenwärtigen Angriffs oder die Ausführung einer rechtmäßigen Pflicht. Solche Umstände sind eng auszulegen und müssen die Interessen des Betroffenen angemessen berücksichtigen.

Verschulden: Vorsatz und Fahrlässigkeit

Verschulden bedeutet persönliche Vorwerfbarkeit. Es kann vorsätzlich (bewusstes Herbeiführen) oder fahrlässig (Außerachtlassen der erforderlichen Sorgfalt) erfolgen. Die Fähigkeit, das Unrecht einzusehen und entsprechend zu handeln, ist alters- und reifeabhängig. Für bestimmte Risiken gelten erhöhte Sorgfaltsanforderungen, etwa bei gefährlichen Tätigkeiten.

Kausalität und Zurechnung

Zwischen Handlung und Schaden muss ein ursächlicher Zusammenhang bestehen. Erforderlich ist eine Ursache, die den konkreten Schaden in relevanter Weise herbeigeführt hat. Neben der rein tatsächlichen Kausalität kommt es auf eine normative Zurechnung an: Nicht jeder beliebige Zusammenhang reicht aus; er muss nach dem Schutzzweck der verletzten Pflicht dem Handelnden zugerechnet werden.

Schaden

Ein Schaden ist jede nachteilige Veränderung der Vermögenslage oder anderer rechtlich anerkannter Interessen. Maßgeblich ist die Differenz zwischen der tatsächlichen Lage und der hypothetischen Lage ohne das schädigende Ereignis. Erfasst werden sowohl materielle als auch immaterielle Nachteile, soweit ein Ausgleich vorgesehen ist.

Arten und typische Fallgruppen

Körper- und Gesundheitsverletzung

Bei Verletzungen von Körper oder Gesundheit können Heilbehandlungskosten, Verdienstausfall, Haushaltsführungsschäden sowie ein immaterieller Ausgleich für Schmerzen und Beeinträchtigungen verlangt werden. Auch zukünftige Nachteile, soweit absehbar, sind zu berücksichtigen.

Eigentum und sonstige Rechte

Beschädigungen oder Zerstörungen von Sachen, unbefugte Eingriffe in das Eigentum oder in sonstige absolute Rechte (zum Beispiel Besitz oder Namensrechte) begründen typischerweise Ersatzansprüche. Dazu können Reparaturkosten, Wiederbeschaffung, Nutzungsausfall und Folgeschäden zählen.

Verletzung von Verkehrssicherungspflichten

Wer Gefahrenquellen schafft oder unterhält, muss zumutbare Maßnahmen ergreifen, um Dritte vor Schäden zu bewahren. Typische Konstellationen sind rutschige Eingangsbereiche, ungesicherte Baustellen oder mangelhafte Wartung von Anlagen. Eine Pflichtverletzung kann deliktische Verantwortlichkeit begründen.

Eingriffe in Persönlichkeitsrecht, Ehre und betriebliche Interessen

Unzulässige Bildveröffentlichungen, ehrverletzende Äußerungen oder Eingriffe in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb können Unterlassungs-, Beseitigungs- und gegebenenfalls Schadensersatzansprüche auslösen. Auch wirtschaftliche Nachteile infolge rufschädigender Handlungen sind erfasst.

Haftung Minderjähriger und Aufsichtspflicht

Die Verantwortlichkeit Minderjähriger hängt von deren Einsichts- und Urteilsfähigkeit ab. Daneben kommt eine Haftung der Aufsichtspflichtigen in Betracht, wenn erforderliche und zumutbare Aufsichtsmaßnahmen unterblieben sind.

Unternehmens- und Organhaftung

Rechtsverletzungen können Unternehmen zugerechnet werden, wenn sie durch ihre Repräsentanten, Mitarbeitenden oder in Ausübung betrieblicher Tätigkeiten begangen werden. Interne Organisation und Auswahl- sowie Überwachungspflichten spielen eine wichtige Rolle für die Zurechnung.

Gefährdungshaftung (Kurzüberblick)

Neben der Verschuldenshaftung existiert für besondere Risiken eine verschuldensunabhängige Verantwortung. Sie knüpft an die Eröffnung typischer Gefahrenquellen an und dient dem Schutz Dritter vor besonderen Gefahren moderner Technik. Diese Haftung steht eigenständig neben der klassischen unerlaubten Handlung.

Rechtsfolgen der unerlaubten Handlung

Art und Umfang des Ersatzes

Naturalrestitution und Geldersatz

Vorrangig ist die Wiederherstellung des Zustands, der ohne die Rechtsverletzung bestünde. Ist eine Naturalrestitution nicht möglich oder nicht ausreichend, tritt Geldersatz an ihre Stelle. Berechnet wird der konkrete Nachteil unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls.

Immaterieller Ausgleich

Für immaterielle Beeinträchtigungen, insbesondere bei Körper- und Persönlichkeitsverletzungen, kann ein angemessener Ausgleich in Geld verlangt werden. Dessen Höhe orientiert sich an Schwere und Dauer der Beeinträchtigung sowie weiteren relevanten Faktoren.

Haushaltsführung, Nutzungsausfall, entgangener Gewinn

Erfasst werden auch spezielle Positionen wie die Beeinträchtigung der Haushaltsführung, der Ausfall der Nutzung einer Sache oder der entgangene Gewinn, sofern ein hinreichender Zurechnungszusammenhang besteht und die Nachteile konkret oder typisiert erfassbar sind.

Unterlassung, Beseitigung und Widerruf

Neben dem Ausgleich bereits eingetretener Nachteile können künftige Beeinträchtigungen durch Unterlassungsansprüche abgewehrt werden. Bereits eingetretene Störungen sind zu beseitigen. Bei rufschädigenden Äußerungen kommen Berichtigung oder Widerruf in Betracht.

Mehrere Beteiligte: Gesamtschuld und Ausgleich

Verursachen mehrere Personen gemeinsam einen Schaden, haften sie regelmäßig gesamtschuldnerisch. Der Ausgleich untereinander richtet sich nach dem jeweiligen Beitrag zum Schaden und dem Maß des Verschuldens.

Mitwirkung des Geschädigten

Mitverschulden

Hat die geschädigte Person selbst zur Entstehung oder Erhöhung des Schadens beigetragen, wird der Anspruch entsprechend gekürzt. Maßgeblich ist das Verhältnis der Verursachungs- und Verschuldensanteile.

Schadensminderung

Die geschädigte Person hat im Rahmen des Zumutbaren dazu beizutragen, den Schaden nicht zu vergrößern. Unterlässt sie naheliegende Maßnahmen zur Begrenzung von Nachteilen, kann dies die Höhe des Anspruchs beeinflussen.

Durchsetzung und Beweis

Anspruchsgegner und Haftpflichtversicherung

Ansprüche richten sich gegen den Verursacher oder gegen die Person, der das Verhalten zugerechnet wird. In vielen Bereichen bestehen Haftpflichtversicherungen, über die die Regulierung abgewickelt wird.

Beweislast und Beweiserleichterungen

Die geschädigte Person muss grundsätzlich Rechtsverletzung, Kausalität und Schaden darlegen und beweisen. In besonderen Konstellationen kommen tatsächliche Vermutungen oder Beweiserleichterungen in Betracht, etwa bei typischen Geschehensabläufen oder bei beherrschbaren Risiken.

Fristen

Deliktische Ansprüche unterliegen Verjährungsfristen. Üblich sind kenntnisabhängige Fristen, die mit der Kenntnis von Schaden und Person des Ersatzpflichtigen beginnen, sowie kenntnisunabhängige Höchstfristen, nach deren Ablauf eine Durchsetzung regelmäßig ausgeschlossen ist.

Internationale Bezüge

Anwendbares Recht und Gerichtsstand

Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten richtet sich das anwendbare Recht häufig nach dem Ort, an dem der Schaden eintritt. Für den Gerichtsstand kommen neben dem Wohnsitz des Anspruchsgegners auch Gerichte am Erfolgsort in Betracht. Parteivereinbarungen können in gewissen Grenzen eine Rechtswahl ermöglichen.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was ist eine unerlaubte Handlung (Delikt)?

Eine unerlaubte Handlung ist eine rechtswidrige Verletzung geschützter Interessen, die außerhalb vertraglicher Beziehungen Ansprüche auf Schadensersatz, Unterlassung oder Beseitigung auslöst. Sie dient dem Ausgleich privat erlittenen Unrechts.

Worin unterscheidet sich das Deliktsrecht vom Vertragsrecht?

Das Deliktsrecht knüpft an die Verletzung allgemeiner Verhaltenspflichten an, unabhängig von einer Vereinbarung. Vertragsrecht setzt eine Abmachung voraus und regelt deren Erfüllung sowie Pflichtverletzungen innerhalb dieses Rahmens. Beide Regelungsbereiche können nebeneinander eingreifen.

Muss für eine Haftung immer Vorsatz vorliegen?

Nein. Fahrlässigkeit genügt in der Regel. Entscheidend ist, ob die erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen wurde. Vorsatz erhöht die Vorwerfbarkeit und kann sich auf den Umfang der Verantwortung auswirken.

Welche Schäden können ersetzt werden?

Ersatzfähig sind materielle Schäden wie Reparaturkosten, Wiederbeschaffung, Verdienstausfall und entgangener Gewinn sowie unter bestimmten Voraussetzungen immaterielle Nachteile, etwa bei Körper- und Persönlichkeitsverletzungen.

Gibt es auch Ansprüche auf Unterlassung?

Ja. Neben dem Ausgleich bereits entstandener Schäden können künftige Beeinträchtigungen durch Unterlassungsansprüche verhindert werden. Bei bestehenden Störungen kommen Beseitigung und gegebenenfalls Widerruf oder Berichtigung in Betracht.

Wer trägt die Beweislast?

Grundsätzlich muss die geschädigte Person Rechtsverletzung, Kausalität und Schaden darlegen und beweisen. In bestimmten Konstellationen bestehen tatsächliche Vermutungen oder Beweiserleichterungen zugunsten der geschädigten Person.

Haften Minderjährige für Schäden?

Die Haftung Minderjähriger hängt von deren Einsichts- und Urteilsfähigkeit ab. Daneben kann eine Verantwortlichkeit der Aufsichtspflichtigen bestehen, wenn notwendige Aufsichtsmaßnahmen pflichtwidrig unterlassen wurden.

Wie lange können deliktische Ansprüche geltend gemacht werden?

Deliktische Ansprüche verjähren nach gesetzlich vorgesehenen Fristen. Üblich sind kenntnisabhängige Fristen mit Beginn der Kenntnis sowie absolute Höchstfristen, die unabhängig von der Kenntnis laufen.