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Unerlaubte Handlung (Delikt)


Begriff und Grundstruktur der unerlaubten Handlung (Delikt)

Die unerlaubte Handlung, auch bezeichnet als Delikt im Sinne des Zivilrechts, stellt einen grundlegenden zivilrechtlichen Haftungstatbestand dar. Sie findet insbesondere in den §§ 823 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ihre gesetzliche Ausgestaltung. Die unerlaubte Handlung regelt die Voraussetzungen, unter denen eine Person, die einem anderen einen rechtswidrigen Schaden zufügt, zum Ersatz dieses Schadens verpflichtet ist. Sie dient neben vertraglichen Ansprüchen als essentielle Grundlage des Schadenersatzrechts im deutschen Zivilrecht.

Allgemeine Voraussetzungen der unerlaubten Handlung

Die Haftung wegen einer unerlaubten Handlung setzt das Vorliegen bestimmter gesetzlich geregelter Voraussetzungen voraus. Diese lassen sich – auch unter Bezugnahme auf die Struktur der §§ 823 ff. BGB – wie folgt darstellen:

Verletzung eines Schutzgesetzes oder eines absoluten Rechts

Zentral ist die Verletzung eines absoluten Rechtsguts wie Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum oder eines sonstigen Rechts nach § 823 Abs. 1 BGB. Alternativ kann auch ein Verstoß gegen ein Schutzgesetz (§ 823 Abs. 2 BGB) oder gegen Sondertatbestände, wie etwa bei Eingriffen in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, zur Haftung führen.

Handlungs- oder Kausalzusammenhang

Die schädigende Handlung muss in einem adäquaten Kausalzusammenhang zur Verletzung des geschützten Rechtsguts stehen. Es muss ein wesentlicher Zusammenhang zwischen der Handlung (Tun oder Unterlassen) und dem eingetretenen Schaden bestehen.

Rechtswidrigkeit

Das Verhalten des Schädigers muss gegen das Recht verstoßen und objektiv rechtswidrig sein. Eine Rechtfertigung, etwa durch Notwehr oder Einwilligung des Verletzten, schließt die Rechtswidrigkeit aus.

Verschulden

In der Regel ist für die Haftung ein Verschulden in Form von Vorsatz oder Fahrlässigkeit (§ 276 BGB) erforderlich. Bei einigen Deliktstatbeständen, insbesondere der Gefährdungshaftung, kann auf ein Verschulden verzichtet werden.

Schaden

Der Eintritt eines kausalen Schadens beim Verletzten ist zwingende Voraussetzung für das Entstehen eines Schadensersatzanspruchs. Der Schaden bemisst sich je nach Lage des Einzelfalles am materiellen Wert oder am entgangenen Nutzen.

Systematik der gesetzlichen Deliktstatbestände

Im deutschen Recht werden verschiedene Tatbestände unerlaubter Handlungen unterschieden. Diese gliedern sich nach ihrer Ausgestaltung und den jeweils geschützten Rechtsgütern.

Allgemeine Deliktstatbestände

Die allgemeinen Anspruchsgrundlagen finden sich primär in § 823 Abs. 1 BGB (Schadenersatz wegen Verletzung eines absoluten Rechtsgutes) sowie in § 823 Abs. 2 BGB (Verstoß gegen ein Schutzgesetz). Auch § 826 BGB (sittenwidrige vorsätzliche Schädigung) zählt hierzu.

Sonderdelikte und Gefährdungshaftung

Daneben kennt das BGB Sonderregelungen, z. B. für den Ersatz bei Verrichtungsgehilfen (§ 831 BGB) und bei Tierhaltern (§ 833 BGB). Eine Besonderheit nimmt die sogenannte Gefährdungshaftung ein, bei der eine Haftung auch ohne Verschulden eintreten kann, beispielsweise nach dem Straßenverkehrsgesetz (StVG) oder dem Produkthaftungsgesetz.

Die wichtigsten Anspruchsgrundlagen im Überblick

§ 823 Abs. 1 BGB

Regelt die Haftung für rechtswidrige Verletzung bestimmter absoluter Rechte durch eigenes Verhalten. Die Anspruchsgrundlage ist die tragende Vorschrift für deliktische Schadensersatzforderungen.

§ 823 Abs. 2 BGB

Erfasst die Verletzung eines Gesetzes, das den Schutz eines anderen bezweckt (Schutzgesetz). Beispiele sind das Strafgesetzbuch oder das Straßenverkehrsgesetz.

§ 826 BGB

Umfasst Fälle, in denen jemand einem anderen in sittenwidriger Weise vorsätzlich Schaden zufügt.

§ 831 BGB

Begründet die Haftung bei Verrichtungsgehilfen unter bestimmten Voraussetzungen, etwa, wenn ein Arbeitgeber für das Verhalten eines Mitarbeiters einstehen muss.

Weitere Anspruchsgrundlagen

Zudem existieren zahlreiche spezialgesetzliche Deliktstatbestände (wie Produkthaftung, Umwelthaftung, Haftung aus dem StVG etc.).

Rechtsfolgen der unerlaubten Handlung

Die zentrale Rechtsfolge einer unerlaubten Handlung ist der Schadensersatzanspruch (§ 249 BGB). Hierbei ist der Schädiger zur Herstellung des Zustands verpflichtet, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde. Bei Körperverletzungen können neben dem materiellen auch immaterielle Schäden (z. B. Schmerzensgeld nach § 253 BGB) geltend gemacht werden.

Umfang des Schadensersatzes

Der Umfang der Ersatzpflicht bemisst sich nach dem Grundsatz der Naturalrestitution (Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands), subsidiär ist Wertersatz möglich. Auch Folgeschäden und Nutzungsausfall können einzubeziehen sein.

Mitverschulden

Nach § 254 BGB ist ein Mitverschulden des Geschädigten zu berücksichtigen und kann zur Kürzung des Ersatzanspruchs führen.

Abgrenzung zu anderen Haftungstatbeständen

Die Haftung aus unerlaubter Handlung ist von vertraglichen Ansprüchen zu unterscheiden. Eine deliktische Haftung ist unabhängig vom Bestehen eines Vertragsverhältnisses. Auch die Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag und ungerechtfertigter Bereicherung sind eigenständig, wobei es im Einzelfall zu Anspruchskonkurrenzen kommen kann.

Zeitraum der Geltendmachung und Verjährung

Die Verjährung von Ansprüchen aus unerlaubter Handlung beträgt grundsätzlich drei Jahre (§ 195 BGB), beginnend mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger Kenntnis von Anspruch und Person des Schuldners erlangt hat (§ 199 BGB). Bei schwerwiegenden Delikten kann ausnahmsweise eine längere Verjährungsfrist einschlägig sein.

Internationale Aspekte und Vergleich

Auch in anderen mitteleuropäischen Rechtssystemen bestehen ähnliche Konzepte wie die unerlaubte Handlung des deutschen Rechts, wenn auch die Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfolgen abweichen können. Im anglo-amerikanischen Rechtskreis entspricht in etwa das „tort law“ dem deutschen Deliktsrecht.

Bedeutung in der Praxis

Die unerlaubte Handlung bildet einen fundamentalen Bestandteil des Zivilrechts und ist sowohl für den Individualschutz als auch für das Funktionieren des allgemeinen Schadensausgleichs von erheblicher Bedeutung. Sie ermöglicht es, Schäden aus Gesetz auch jenseits vertraglicher Beziehungen geltend zu machen, wodurch insbesondere Personen geschützt werden, die nicht durch einen Vertrag mit dem Schädiger verbunden sind.


Mit dieser umfassenden Darstellung ist der Begriff unerlaubte Handlung (Delikt) in all seinen rechtlichen Facetten erläutert und in die Systematik des deutschen Zivilrechts eingeordnet.

Häufig gestellte Fragen

Wer trägt die Beweislast bei einer unerlaubten Handlung?

Im deliktsrechtlichen Kontext liegt die Beweislast gemäß § 823 BGB grundsätzlich beim Geschädigten (Kläger). Das bedeutet, derjenige, der Schadensersatz wegen einer unerlaubten Handlung verlangt, muss das Vorliegen aller Anspruchsvoraussetzungen (Tatbestandselemente) darlegen und beweisen. Dazu gehören insbesondere die Handlung oder Unterlassung des Schädigers, die Rechtsgutsverletzung (z.B. Körper, Gesundheit, Eigentum), die Kausalität zwischen Verhalten und Schaden sowie das Verschulden des Schädigers (Vorsatz oder Fahrlässigkeit). In bestimmten Ausnahmefällen kommt es jedoch zu einer sogenannten Beweislastumkehr, etwa bei Gefährdungshaftungstatbeständen oder im Produkthaftungsrecht. Zudem können Beweiserleichterungen zugunsten des Geschädigten greifen, beispielweise bei groben Pflichtverletzungen oder typischen Geschehensabläufen („Anscheinsbeweis“).

Welche Verjährungsfristen gelten für Ansprüche aus unerlaubter Handlung?

Ansprüche aus einer unerlaubten Handlung unterliegen der regelmäßigen Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB, die grundsätzlich drei Jahre beträgt. Diese Frist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Geschädigte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen (§ 199 Abs. 1 BGB). Daneben existiert eine absolute Höchstfrist von zehn Jahren ab dem schädigenden Ereignis, unabhängig von der Kenntnis. Bei bestimmten Delikten wie Körperverletzung oder Tötung gelten teilweise längere Fristen von bis zu 30 Jahren (§ 199 Abs. 2, Abs. 3a BGB), etwa wenn die Tat zugleich als Straftat verfolgt werden kann und vorsätzlich begangen wurde.

Was versteht man unter Verschulden im Rahmen der unerlaubten Handlung?

Das Verschulden ist im deutschen Deliktsrecht eine zentrale Voraussetzung für die Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB. Es umfasst sowohl vorsätzliches als auch fahrlässiges Handeln. Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt (§ 276 Abs. 2 BGB). Vorsatz erfordert darüber hinaus das Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung. Die Beurteilung des Verschuldens richtet sich regelmäßig nach einem objektiven Maßstab, wobei individuelle Kenntnisse und Fähigkeiten (z.B. eines Fachmanns oder Minderjährigen) ebenfalls Berücksichtigung finden können (§ 276, § 828 BGB). Die Haftung kann in besonderen Fällen auch bei fehlendem Verschulden eintreten, etwa bei der Gefährdungshaftung.

Welche Schutzgüter werden durch das Deliktsrecht besonders geschützt?

Das Deliktsrecht, insbesondere durch die Generalklausel des § 823 Abs. 1 BGB, schützt eine Vielzahl von Rechtsgütern. Zu den am häufigsten relevanten zählen das Leben, der Körper, die Gesundheit, die Freiheit und das Eigentum. Darüber hinaus werden weitere absolute Rechte wie das Allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb geschützt. Auch Immaterialgüterrechte (z.B. Urheberrecht) können, abhängig vom Einzelfall, deliktischen Schutz genießen. Die Rechtsgüter genießen nicht nur gegenüber vorsätzlichen Eingriffen, sondern auch bei fahrlässigen Beeinträchtigungen unmittelbaren Schutz.

Können auch juristische Personen Opfer einer unerlaubten Handlung sein?

Ja, juristische Personen (z.B. GmbH, AG, eingetragener Verein) können wie natürliche Personen Träger bestimmter durch das Deliktsrecht geschützter Rechte und damit potenzielle Opfer unerlaubter Handlungen sein. Im Mittelpunkt steht hierbei insbesondere der Schutz des Eigentums und des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs. Allerdings sind Lebens-, Körper- oder Gesundheitsverletzungen juristischen Personen ihrem Wesen nach nicht möglich. Soweit eine unerlaubte Handlung gegen Rechte einer juristischen Person – also beispielsweise deren Unternehmensträgerrechte – gerichtet ist, kann diese entsprechend Schadensersatz verlangen.

Inwiefern kann Mitverschulden den Anspruch aus unerlaubter Handlung beeinflussen?

Das Mitverschulden des Geschädigten ist in § 254 BGB geregelt und bedeutet, dass der Schadensersatzanspruch gekürzt werden kann, wenn der Geschädigte an der Entstehung des Schadens mitgewirkt oder diesen begünstigt hat. Das kann durch eigenes fahrlässiges oder vorsätzliches Verhalten oder durch Unterlassen gebotener Handlungen erfolgen. Die Haftung des Schädigers mindert sich dann in dem Umfang, in dem das Mitverschulden ursächlich für den Schaden geworden ist. Die Gerichte nehmen in der Praxis eine umfassende Abwägung vor, bei der sämtliche Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden.

Wie wird der Schadensersatz im Deliktsrecht berechnet?

Im Deliktsrecht gilt der Grundsatz der vollständigen Kompensation, das heißt, der Geschädigte soll so gestellt werden, wie er ohne das schädigende Ereignis stünde (§ 249 BGB). Der Schadensersatz umfasst materielle Schäden (z.B. Reparaturkosten, Heilbehandlungskosten, Verdienstausfall), aber auch immaterielle Schäden, etwa ein Schmerzensgeld bei Körper- oder Gesundheitsverletzungen (§ 253 BGB). Die Schadensermittlung richtet sich nach dem konkreten Einzelfall und kann auf verschiedene Arten erfolgen, wie der konkreten Schadensberechnung oder der (schwierigeren) abstrakten Schadensschätzung. Gegebenenfalls kann der Geschädigte auch die Naturalrestitution wählen, also die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes.