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Unbeschränkte Steuerpflicht


Begriff und Grundlagen der Unbeschränkten Steuerpflicht

Die unbeschränkte Steuerpflicht ist ein zentraler Begriff im deutschen und internationalen Steuerrecht. Sie beschreibt die steuerliche Verpflichtung einer natürlichen oder juristischen Person, ihr gesamtes Einkommen oder Vermögen in einem bestimmten Hoheitsgebiet, regelmäßig im Staat ihres Wohnsitzes oder Sitzes, der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer zu unterwerfen. Die unbeschränkte Steuerpflicht steht im Gegensatz zur beschränkten Steuerpflicht, die sich lediglich auf bestimmte, meist inländische Einkünfte bezieht.

Rechtsgrundlagen der Unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland

Einkommensteuer

Im deutschen Einkommensteuerrecht regelt § 1 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht. Danach sind natürliche Personen mit Wohnsitz (§ 8 AO) oder gewöhnlichem Aufenthalt (§ 9 AO) im Inland (Deutschland) unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Diese Personen unterliegen der Steuerpflicht mit ihrem Welteinkommen (§ 2 Abs. 1 EStG), d.h. sämtlichen in- und ausländischen Einkünften.

Körperschaftsteuer

Bei juristischen Personen, insbesondere Kapitalgesellschaften wie Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung, bestimmt § 1 Abs. 1 Körperschaftsteuergesetz (KStG) die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht. Eine Körperschaft ist unbeschränkt steuerpflichtig, wenn sie ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz im Inland hat (§ 11 AO).

Gewerbesteuer und weitere Steuerarten

Bei der Gewerbesteuer gibt es keine unbeschränkte Steuerpflicht, da sie an den Ort der Betriebsstätte anknüpft. Allerdings setzt die unbeschränkte Steuerpflicht für andere Steuerarten, wie beispielsweise die Erbschaft- und Schenkungsteuer (§ 2 ErbStG), ebenfalls regelmäßig eine inländische Ansässigkeit voraus.

Voraussetzungen der Unbeschränkten Steuerpflicht

Natürliche Personen

Natürliche Personen unterliegen der unbeschränkten Steuerpflicht, wenn mindestens eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist:

  • Wohnsitz im Inland: Der Wohnsitz ist jede Wohnung, die zum Bewohnen geeignet und bestimmt ist und über die der Steuerpflichtige unter Umständen verfügt, die auf ein Beibehalten und Benutzen hinweisen.
  • Gewöhnlicher Aufenthalt im Inland: Der gewöhnliche Aufenthalt liegt vor, wenn sich eine Person mehr als sechs Monate ununterbrochen im Inland aufhält; kurze Unterbrechungen bleiben dabei unberücksichtigt.

Juristische Personen und Körperschaften

Für juristische Personen und Körperschaften ist die unbeschränkte Steuerpflicht gegeben, wenn:

  • Sitz im Inland: Der Sitz ist der Ort, der durch Gesetz, Gesellschaftsvertrag, Satzung oder vergleichbare Regelungen bestimmt ist.
  • Geschäftsleitung im Inland: Die Geschäftsleitung befindet sich dort, wo der maßgebliche Wille gebildet wird, also üblicherweise am Ort der Unternehmensführung.

Umfang der Unbeschränkten Steuerpflicht

Die unbeschränkte Steuerpflicht erfasst das Welteinkommen des Steuerschuldners. Das bedeutet, sämtliche inländische und ausländische Einkünfte sind in der Steuererklärung zu deklarieren und unterliegen grundsätzlich der deutschen Besteuerung. Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) können jedoch zu einer (teilweisen) Freistellung bestimmter ausländischer Einkünfte führen oder eine Anrechnung ausländischer Steuern vorsehen.

Abgrenzung zur beschränkten Steuerpflicht

Die beschränkte Steuerpflicht gilt für Personen ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, die jedoch inländische Einkünfte erzielen (§ 1 Abs. 4 EStG; § 2 Nr. 1 KStG). Im Gegensatz zur unbeschränkten Steuerpflicht sind bei der beschränkten Steuerpflicht nur bestimmte inländische Einkünfte steuerpflichtig, das Welteinkommen bleibt unberücksichtigt.

Steuerliche Folgen und Pflichten

Unbeschränkt Steuerpflichtige sind verpflichtet:

  • Das gesamte in- und ausländische Einkommen zu erklären
  • Steuererklärungen nach den Vorgaben der jeweiligen Steuergesetze abzugeben
  • Weltweit erzielte Einkünfte in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen
  • Bestimmte Nachweispflichten bei ausländischen Einkünften zu erfüllen

Die unbeschränkte Steuerpflicht führt typischerweise zu einer höheren steuerlichen Belastung als die beschränkte Steuerpflicht, kann jedoch auch inländische Steuervergünstigungen freischalten, wie z. B. Grundfreibetrag, Sonderausgabenabzug und außergewöhnliche Belastungen.

Unbeschränkte Steuerpflicht bei doppelter Besteuerung und internationalen Sachverhalten

In grenzüberschreitenden Sachverhalten besteht die Gefahr der Doppelbesteuerung, sofern zwei Staaten das gesamte Welteinkommen einer Person besteuern. Um dies zu vermeiden, schließen viele Staaten Doppelbesteuerungsabkommen ab, die die Vermeidung oder Minderung der Doppelbesteuerung durch Freistellungs- oder Anrechnungsmethode regeln. Deutschland hat mit zahlreichen Staaten entsprechende Abkommen abgeschlossen, deren Regelungen über nationalem Recht stehen (§ 2 AO).

Begrenzung und Wegfall der Unbeschränkten Steuerpflicht

Die unbeschränkte Steuerpflicht kann enden, wenn die Voraussetzungen nicht mehr erfüllt sind. Ein Wegzug aus dem Inland und damit der Wegfall des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts beendet grundsätzlich die unbeschränkte Steuerpflicht zum Ende des betreffenden Kalenderjahres. Allerdings können Nachwirkungen durch Wegzugsbesteuerung (§ 6 Außensteuergesetz – AStG) für bestimmte Personengruppen entstehen, insbesondere für Anteilseigner an Kapitalgesellschaften.

Sonderregelungen und Besonderheiten

Fiktive unbeschränkte Steuerpflicht

Deutsches Steuerrecht kennt die Möglichkeit einer „fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht“ für bestimmte Fälle. In § 1 Abs. 3 EStG ist geregelt, dass Personen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland auf Antrag wie unbeschränkt steuerpflichtig behandelt werden können, wenn sie inländische Einkünfte erzielen und bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Dadurch können auch beschränkt Steuerpflichtige in den Genuss persönlicher Steuervergünstigungen kommen.

Besonderheiten bei Ehegatten und Familien

Für Ehegatten, die beide unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind, besteht die Möglichkeit der Zusammenveranlagung (§ 26 EStG), mit entsprechenden steuerlichen Vorteilen durch den Splittingtarif.

Übersicht: Unbeschränkte Steuerpflicht – Tabellarische Darstellung

| Personenkreis | Voraussetzung | Steuerobjekt | Umfang der Steuerpflicht |
|——————————–|—————————————–|———————–|——————————|
| Natürliche Person | Wohnsitz/gewöhnl. Aufenthalt Inland | Einkommen | Weltweite Einkünfte |
| Juristische Person (KapGes.) | Sitz/Geschäftsleitung Inland | Einkommen | Weltweite Einkünfte |
| Außensteuerrecht (AStG) | Wegzug bestimmter Steuerpflichtiger | Anteilsveräußerung | Nachversteuerung bestimmter Gewinne |
| Ehegatten (Zusammenveranlagung)| Beide unbeschränkt steuerpflichtig | Einkommen beider Ehegatten| Zusammenveranlagung, Splittingtarif |

Literaturhinweise und weiterführende Links

Fazit:
Die unbeschränkte Steuerpflicht ist ein zentrales Prinzip der deutschen und internationalen Besteuerung und betrifft insbesondere Personen und Unternehmen mit Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthalt, Sitz oder Geschäftsleitung im Inland. Sie führt zur Besteuerung des gesamten Welteinkommens und ist oft Ausgangspunkt für grenzüberschreitende Fragestellungen sowie für die Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen. Die genaue Kenntnis der Voraussetzungen, Pflichten und etwaiger Ausnahmen ist für die steuerliche Einordnung unerlässlich.

Häufig gestellte Fragen

Welche Voraussetzungen müssen für die Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht erfüllt sein?

Die unbeschränkte Steuerpflicht nach deutschem Steuerrecht setzt voraus, dass eine natürliche Person entweder einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland (§ 1 Abs. 1 EStG) hat. Der Wohnsitz bezieht sich auf eine feste, nicht nur vorübergehende Bleibe, die der Person jederzeit zur Verfügung steht, wohingegen der gewöhnliche Aufenthalt dort vorliegt, wo sich die Person unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass der Aufenthalt nicht nur vorübergehend ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs gilt für den gewöhnlichen Aufenthalt ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten, wobei kurzfristige Unterbrechungen (z.B. Urlaubsreisen) unberücksichtigt bleiben. Maßgeblich ist stets eine objektive Betrachtung der tatsächlichen Lebensumstände, nicht nur die subjektiven Absichten des Steuerpflichtigen. Es genügt, wenn einer der beiden Tatbestände (Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt) vorliegt; es ist weder ein inländischer Arbeitsplatz noch die deutsche Staatsangehörigkeit erforderlich.

Welche steuerlichen Konsequenzen ergeben sich für Personen mit unbeschränkter Steuerpflicht?

Unbeschränkt steuerpflichtige Personen unterliegen in Deutschland der sogenannten Welt-Einkommensbesteuerung. Das bedeutet, dass sämtliche in- und ausländischen Einkünfte gemäß § 2 Abs. 1 EStG in die deutsche Einkommensteuerbemessungsgrundlage einbezogen werden. Die Besteuerung erfolgt nach den gleichen Regeln, die auch für Inländer gelten, unabhängig davon, ob die Einkünfte aus Tätigkeiten, Vermietung, Kapitalvermögen oder anderen Quellen stammen. Zudem stehen ihnen steuerliche Vergünstigungen und Freibeträge wie etwa der Grundfreibetrag, Kinderfreibeträge, das Ehegattensplitting und zahlreiche Abzugsmöglichkeiten uneingeschränkt zu. Bei Auslandseinkünften sind jedoch die Vorschriften zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zu beachten, insbesondere einschlägige Abkommen und Regelungen nach § 34c EStG.

Inwieweit kann ein Doppelwohnsitz zur unbeschränkten Steuerpflicht führen?

Personen, die über einen Wohnsitz in mehreren Staaten verfügen, insbesondere wenn sie sich sowohl im Ausland als auch in Deutschland fest aufhalten, unterliegen grundsätzlich in beiden Staaten der unbeschränkten Steuerpflicht. Es entsteht eine so genannte Doppelansässigkeit. In diesen Fällen greifen meist die Regelungen der Doppelbesteuerungsabkommen (DBA). Diese bestimmen nach bestimmten Kriterien (sogenannte Tie-Breaker-Regeln), welcher Staat das vorrangige Besteuerungsrecht erhält, z.B. anhand des Mittelpunkts der Lebensinteressen, gewöhnlichen Aufenthalts oder der Staatsangehörigkeit. Innerhalb Deutschlands bleibt die unbeschränkte Steuerpflicht jedoch bestehen, solange der inländische Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt aufrechterhalten wird. Eine Vermeidung einer Doppelbesteuerung erfolgt dann in der Regel auf Basis der zutreffenden Abkommen.

Wie und ab welchem Zeitpunkt endet die unbeschränkte Steuerpflicht?

Die unbeschränkte Steuerpflicht endet rechtlich mit dem Wegfall des Wohnsitzes und des gewöhnlichen Aufenthalts im Inland. Maßgeblich ist der Tag, an dem die melderechtliche Abmeldung erfolgt und/oder der gewöhnliche Aufenthalt tatsächlich aufgegeben wird. Für die Finanzverwaltung ist dabei von Bedeutung, dass die Wohnung im Inland tatsächlich nicht mehr zur Verfügung steht oder nicht mehr als Wohnsitz genutzt wird. Die bloße Abmeldung beim Einwohnermeldeamt reicht für die steuerliche Beurteilung nicht stets aus, insbesondere wenn es Anhaltspunkte gibt, dass die Wohnung weiterhin genutzt oder verfügbar gehalten wird. Analoges gilt für den gewöhnlichen Aufenthalt: Hier wird ein strenger Maßstab an die tatsächliche Lebensführung angelegt. Mit Wegfall beider Tatbestände endet die unbeschränkte Steuerpflicht taggenau.

Welche Möglichkeiten gibt es zur Vermeidung der unbeschränkten Steuerpflicht trotz bestehender Bindungen zum Inland?

Die bloße Aufgabe der deutschen Staatsangehörigkeit, des Arbeitsplatzes oder wirtschaftlicher Interessen reicht nicht aus, um die unbeschränkte Steuerpflicht zu beenden. Entscheidend ist immer die tatsächliche Beendigung des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts im Inland. In einzelnen Konstellationen – etwa bei doppeltem Wohnsitz oder kürzeren Aufenthalten – können spezielle Regelungen einschlägig sein, insbesondere wenn nach DBA der Mittelpunkt der Lebensinteressen nachweislich ins Ausland verlagert wurde. Wer eine unbeschränkte Steuerpflicht ausschließen will, muss sämtliche inländischen Wohnmöglichkeiten aufgeben und darf sich nicht längerfristig (mehr als sechs Monate) im Inland aufhalten. Zudem ist eine sorgfältige Dokumentation und ggf. Nachweisführung gegenüber den Finanzbehörden zu empfehlen, um eine unklare Sachlage zu vermeiden.

Welche steuerlichen Pflichten und Mitwirkungspflichten bestehen bei unbeschränkter Steuerpflicht?

Unbeschränkt Steuerpflichtige sind verpflichtet, jährlich eine Einkommensteuererklärung abzugeben, sofern sie Einkünfte oberhalb des Grundfreibetrags erzielen oder vom Finanzamt dazu aufgefordert werden (§§ 25, 46 EStG). Sie sind zur vollständigen und wahrheitsgemäßen Angabe sämtlicher in- und ausländischer Einkünfte verpflichtet, auch wenn diese nach DBA oder nationalem Recht teilweise von der Besteuerung ausgenommen werden. Des Weiteren entstehen umfangreiche Mitwirkungspflichten: Belegvorlage, Auskunftserteilung und ggf. Offenlegung ausländischer Vermögenswerte sind erforderlich. Bei Auslandssachverhalten sieht das deutsche Steuerrecht erhöhte Mitwirkungspflichten (§ 90 Abs. 2 AO) und bei Nichtbeachtung teils empfindliche Sanktionen vor. Die Abgabe der Steuererklärung kann sowohl in Papierform als auch elektronisch (ELSTER) erfolgen.

Welche Besonderheiten gelten bei der unbeschränkten Steuerpflicht juristischer Personen?

Während sich die vorhergehenden Ausführungen auf natürliche Personen beziehen, sieht das Gesetz auch für juristische Personen (Kapitalgesellschaften etc.) eine unbeschränkte Steuerpflicht vor (§ 1 Abs. 1 KStG). Hierbei gelten Sitz oder Geschäftsleitung als maßgebliche Anknüpfungspunkte. Ist eine juristische Person entweder nach ihrem Satzungssitz oder nach der tatsächlichen Geschäftsleitung im Inland ansässig, so unterliegt sie mit ihrem gesamten Welteinkommen der deutschen Körperschaftsteuer und ggf. Gewerbesteuer. Für die Anwendung einschlägiger Doppelbesteuerungsabkommen gelten teils abweichende Ansässigkeitstestate, sodass auch für juristische Personen eine detaillierte Prüfung anhand der jeweiligen Gesellschaftsform und Geschäftstätigkeit erforderlich ist.

Können Personen ohne deutschen Wohnsitz als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt werden?

Ja, nach § 1 Abs. 3 EStG können auch Personen ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland auf Antrag als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt werden, sofern sie inländische Einkünfte erzielen und bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Dadurch erhalten sie Anspruch auf inländische Steuervergünstigungen, die sonst nur unbeschränkt Steuerpflichtigen vorbehalten sind. Voraussetzung ist, dass mindestens 90% ihrer weltweiten Einkünfte der deutschen Einkommensteuer unterliegen oder die nicht in Deutschland steuerpflichtigen Einkünfte den Grundfreibetrag nicht übersteigen. Dieser Antrag ist regelmäßig insbesondere für Grenzpendler und Arbeitnehmer aus dem Ausland relevant, die ihren steuerlichen Lebensmittelpunkt zwar im Ausland haben, jedoch fast ausschließlich in Deutschland steuerpflichtige Einkünfte beziehen.