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Unbefugter Gebrauch von Fahrzeugen


Begriff und rechtliche Einordnung des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen

Der unbefugte Gebrauch von Fahrzeugen bezeichnet eine Straftat, die darin besteht, ein Kraftfahrzeug gegen oder ohne den Willen des Berechtigten zu benutzen, ohne das Ziel, es dauerhaft zu behalten (also ohne Zueignungsabsicht im Sinne eines Diebstahls). Die Norm dient dem Schutz des Eigentümers insbesondere gegenüber bloß vorübergehenden Besitzstörungen durch Dritte. Die Straftat ist in Deutschland in § 248b Strafgesetzbuch (StGB) geregelt und unterliegt spezifischen rechtlichen Voraussetzungen sowie Abgrenzungen zu anderen Vermögensdelikten.

Historische Entwicklung

Der Tatbestand wurde 1953 als Reaktion auf die zunehmende Motorisierung und häufigen Fälle des sogenannten „Joyridings“ eingeführt, um Strafbarkeitslücken zwischen Diebstahl und unbefugter Benutzung zu schließen. Vor Einführung dieser Regelung konnten Personen, die ein Fahrzeug kurzfristig und ohne Zueignungsabsicht gebrauchten, strafrechtlich oft nicht belangt werden.


Gesetzliche Grundlage in Deutschland

Gesetzestext und Tatbestandsmerkmale

Der § 248b StGB lautet auszugsweise:

„Wer ein Kraftfahrzeug oder ein Fahrrad gegen den Willen des Berechtigten in Gebrauch nimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist.“

Tathandlung

  • In-Gebrauch-Nehmen: Erfasst ist die tatsächliche, bestimmungsgemäße Nutzung zur Fortbewegung.
  • Kraftfahrzeuge: Darunter fallen alle Landfahrzeuge, die durch Maschinenkraft bewegt werden, inklusive Krafträder und Personenkraftwagen.
  • Berechtigter: Gemeint ist jede Person, die über die Verfügungsmacht am Fahrzeug verfügt, beispielsweise ein Eigentümer, Leasingnehmer oder Mieter.

Unbefugtheit

Das Merkmal der Unbefugtheit ist erfüllt, wenn der Berechtigte nicht zugestimmt hat oder seine Einwilligung nicht wirksam ist. Auch ein Täuschungsmanöver, das zum Zwecke der Erlangung des Fahrzeugs eingesetzt wird, kann zu einer Unbefugtheit führen.

Wille des Berechtigten

Der Wille des Berechtigten steht im Zentrum: Er kann ausdrücklich oder konkludent die Benutzung gestatten oder widersprechen. Die Bestimmung, wann genau ein entgegenstehender Wille vorliegt, ist häufig Auslegungsfrage im Einzelfall.

Verhältnis zu anderen Delikten

Das Delikt ist subsidiär, greift also nur, wenn keine schwerer bestrafen Vorschriften wie insbesondere Diebstahl (§ 242 StGB) oder unbefugter Gebrauch in Verbindung mit anderen Straftatbeständen einschlägig sind.


Abgrenzung zu ähnlichen Delikten

Unterschiede zum Diebstahl (§ 242 StGB)

Der wesentliche Unterschied zum Diebstahl besteht in der fehlenden Zueignungsabsicht. Während beim Diebstahl die Absicht besteht, das Fahrzeug dauerhaft zu behalten oder sich dessen Wert anzueignen, steht beim unbefugten Gebrauch allein der vorübergehende, widerrechtliche Nutzungsvorgang im Vordergrund.

Verhältnis zur Unterschlagung (§ 246 StGB)

Auch im Verhältnis zur Unterschlagung, bei der die rechtswidrige Zueignung einer fremden beweglichen Sache erforderlich ist, fehlt bei § 248b StGB die Aneignungsabsicht, sodass dieser Tatbestand speziell für sogenannte „Nutzungsdelikte“ geschaffen wurde.

Weitere Delikte im Kontext

  • Fahrerflucht (§ 142 StGB): Ein unbefugter Gebrauch kann gleichzeitig mit Fahrerflucht einhergehen, ist aber eigenständig zu prüfen.
  • Sachbeschädigung (§ 303 StGB): Werden am Fahrzeug Schäden verursacht, kann parallel eine Strafbarkeit wegen Sachbeschädigung bestehen.

Rechtsfolgen

Strafmaß

Die Strafandrohung umfasst Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. Die konkrete Strafzumessung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere der Schwere des Verstoßes, dem Wert des Fahrzeugs und dem Umfang der Nutzung.

Versuch und Vollendung

Der Versuch ist ebenfalls nach § 248b Abs. 3 StGB strafbar. Dies bedeutet, dass bereits das Ansetzen zur Tathandlung, zum Beispiel das Versuchen, das Fahrzeug zu starten, eine Strafbarkeit begründen kann.


Besondere Konstellationen und Fallgruppen

Gebrauch im Familienkreis

Nach § 248b Abs. 2 StGB kann ein Angehöriger des Geschädigten nur auf Antrag verfolgt werden. Das Interesse an einer strafrechtlichen Sanktionierung ist innerhalb von Familien- und verwandtschaftlichen Beziehungen geringer gewichtet, weshalb der Gesetzgeber hier eine Antragsdeliktregelung geschaffen hat.

Nutzung durch Minderjährige

Bei Taten durch Minderjährige finden neben dem StGB die Vorschriften des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) Anwendung, die besonderen Erziehungs- und Sanktionscharakter tragen.

Miet- und Leihverhältnisse

Im Kontext von Miet- und Leihfahrzeugen kann der unbefugte Gebrauch insbesondere dann vorliegen, wenn das Fahrzeug über die vereinbarte Zeit hinaus genutzt oder zielabweichend verwendet wird. Die genaue Qualifikation hängt von den vertraglichen Vereinbarungen und dem Einverständnis des Vermieters ab.


Praktische Bedeutung und Strafverfolgung

Statistik und Prävention

Der unbefugte Gebrauch von Fahrzeugen ist vergleichsweise häufig, insbesondere in Form des „Joyridings“ bei Jugendlichen und Heranwachsenden. Polizeiliche Präventionsmaßnahmen und Aufklärungsarbeit bilden zentrale Ansätze zur Reduzierung solcher Straftaten.

Anzeige und Strafantrag

Das Delikt kann grundsätzlich von Amts wegen verfolgt werden, soweit keine besondere Antragsvoraussetzung, wie beispielsweise im Familienkreis, gegeben ist. Praktisch ist es für die Strafverfolgungsbehörden bedeutsam, zu klären, ob eine Zueignungsabsicht, wie beim Diebstahl, oder lediglich eine unbefugte Nutzung besteht.


Internationale Rechtslage

Auch in anderen europäischen Rechtsordnungen sind Normen zum unbefugten Gebrauch von Fahrzeugen verankert, wenngleich die dogmatische Ausgestaltung teils voneinander abweicht. In Österreich und der Schweiz existieren ähnliche Straftatbestände, die den vorübergehenden unbefugten Zugriff auf Fahrzeuge erfassen.


Zusammenfassung

Der unbefugte Gebrauch von Fahrzeugen ist ein eigenständiges Vermögensdelikt, das die vorübergehende, unerlaubte Nutzung eines Kraftfahrzeugs oder Fahrrads gegen den Willen des Berechtigten unter Strafe stellt. Die Norm schließt Strafbarkeitslücken zwischen Diebstahl und anderen Delikten und dient ausschließlich dem Schutz vor missbräuchlicher Ingebrauchnahme, ohne dass eine dauerhafte Wegnahme beabsichtigt ist. Die Strafbarkeit setzt keinen Schaden voraus, wohl aber das Fehlen der Einwilligung des Berechtigten. Die Vorschrift hat besondere Relevanz im Zusammenhang mit Jugendlichen und im Familienkreis.

Siehe auch:

Häufig gestellte Fragen

Welche gesetzlichen Voraussetzungen müssen für einen unbefugten Gebrauch von Fahrzeugen vorliegen?

Für die Strafbarkeit des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen (§ 248b StGB) müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt sein. Zunächst muss es sich bei dem Tatobjekt um ein Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr handeln, worunter Kraftfahrzeuge sowie Fahrräder fallen. Der Täter darf nicht Eigentümer oder berechtigter Nutzer des Fahrzeugs sein, sondern muss das Fahrzeug „gegen den Willen des Berechtigten“ in Gebrauch nehmen. Dies bedeutet, dass entweder keine oder keine wirksame Einwilligung des Eigentümers oder Besitzers vorliegt. Relevanter Zeitpunkt für die Willensrichtung ist der Moment des Gebrauchs. Nicht erforderlich ist, dass das Fahrzeug dauerhaft entwendet wird, sondern es genügt bereits das vorübergehende Benutzen. Zudem muss Vorsatz hinsichtlich sämtlicher objektiver Tatbestandsmerkmale vorliegen, insbesondere bezüglich der Unbefugtheit und der Nutzung als Fortbewegungsmittel.

Welche Strafen drohen beim unbefugten Gebrauch von Fahrzeugen?

Der unbefugte Gebrauch von Fahrzeugen wird nach deutschem Recht gemäß § 248b Abs. 1 StGB in der Regel mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Es handelt sich um ein Antragsdelikt, das heißt, die Tat wird grundsätzlich nur auf Antrag des Geschädigten verfolgt, außer ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung liegt vor (§ 248b Abs. 3 StGB). Die konkrete Strafzumessung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, etwa dem Ausmaß der Unbefugtheit, den verursachten Schäden oder bereits bestehenden Vorstrafen. Neben der eigentlichen Strafe können zivilrechtliche Schadensersatzansprüche des Geschädigten bestehen.

Welche Unterschiede bestehen zwischen unbefugtem Gebrauch von Fahrzeugen und Diebstahl?

Der wesentliche Unterschied zwischen dem unbefugten Gebrauch von Fahrzeugen (§ 248b StGB) und Diebstahl (§ 242 StGB) liegt im Vorsatz und in der Dauer der Wegnahme. Während der Diebstahl die dauerhafte Zueignung fremder beweglicher Sachen zum Ziel hat (sog. Zueignungsabsicht), ist beim unbefugten Gebrauch von Fahrzeugen lediglich das vorübergehende Benutzen des Fahrzeugs ohne Berechtigung tatbestandlich. Mit der Rückgabe des Fahrzeugs entfällt regelmäßig eine Strafbarkeit wegen Diebstahls, bleibt aber nach § 248b StGB relevant. Der Strafrahmen ist beim Diebstahl zudem meist deutlich höher, insbesondere wenn Qualifikationen hinzutreten. Die unbefugte Ingebrauchnahme ist damit als milderes Delikt zu werten.

Wer ist „Berechtigter“ im Sinne des § 248b StGB?

Berechtigter im Sinne des § 248b StGB ist grundsätzlich derjenige, der das rechtliche Herrschaftsrecht über das Fahrzeug selbst oder im Auftrag des Eigentümers ausübt. Hierzu zählen insbesondere die Eigentümer, Leasingnehmer, Mieter oder auch Dienstwagenberechtigte, sofern ihnen die Nutzung des Fahrzeugs rechtlich zugeordnet ist. In Konstellationen von gemeinsamer Nutzung (z. B. in Familien oder Unternehmen) ist maßgeblich, wer tatsächlich über die Fahrzeugnutzung bestimmen darf. Fehlt eine eindeutige Berechtigungslage, bedarf es einer sorgfältigen Würdigung der Besitz- und Verfügungsrechte im Einzelfall.

Gilt der Tatbestand auch bei Fahrrädern oder nur bei Kraftfahrzeugen?

Nach § 248b Abs. 1 StGB bezieht sich der Tatbestand explizit nicht nur auf Kraftfahrzeuge, sondern ausdrücklich auch auf Fahrräder. Beide fallen unter die Vorschrift, solange sie ohne Einwilligung des Berechtigten für eine Fahrt in Gebrauch genommen werden. Die Anwendungsvoraussetzungen sind identisch, wobei bei Fahrrädern typischerweise geringere Gefährdungsmomente als bei Kraftfahrzeugen angenommen werden – was die Strafzumessung beeinflussen kann.

Was versteht man unter „Ingebrauchnahme zum Fahren“?

Mit dem Begriff der Ingebrauchnahme zum Fahren meint das Gesetz, dass das Fahrzeug tatsächlich in Bewegung gesetzt wird, also eine Nutzung als Fortbewegungsmittel vorliegt. Ein bloßes Betreten oder Starten des Motors ohne Fortbewegung reicht nicht aus. Erforderlich ist, dass der Täter das Fahrzeug räumlich versetzt, bestenfalls im öffentlichen Verkehrsraum, aber auch auf Privatgrundstücken, sofern der Wille des Berechtigten übergangen wurde. Die jeweils konkrete Beförderung spielt keine Rolle; entscheidend ist die objektive Eignung und der tatsächlich vollzogene Gebrauchsvorgang.

Wie verhält es sich mit der Strafbarkeit im Falle gemeinsamer Nutzung, etwa in Familien oder Wohngemeinschaften?

Die Strafbarkeit für den unbefugten Gebrauch von Fahrzeugen setzt voraus, dass der Täter den Willen des Berechtigten missachtet. Bei gemeinsamer Nutzung – beispielsweise in Ehen, Familien oder Wohngemeinschaften – kann sich die Berechtigungslage komplex gestalten. Ist die Nutzung allen Beteiligten ausdrücklich erlaubt oder besteht eine konkludente Nutzungserlaubnis, entfällt die Strafbarkeit. Wird aber ein ausdrücklich festgelegtes Nutzungsverbot oder eine individuelle Zuordnung (z. B. „Auto X darf nur Person A nutzen“) missachtet, kann der Tatbestand dennoch erfüllt sein. Maßgeblich ist die objektive Rechtslage in Zusammenschau mit dem Willen der Nutzungsberechtigten, der sich auch aus stillschweigenden Absprachen ergeben kann.