Begriff und rechtlicher Rahmen der Umschulung
Die Umschulung stellt im deutschen Recht ein wesentliches Element der beruflichen Weiterbildung dar und ist vornehmlich darauf ausgerichtet, Erwerbstätigen den Zugang zu einem neuen Berufsfeld zu ermöglichen. Rechtlich gesehen handelt es sich um eine Maßnahme, die in der Regel zur Anpassung an veränderte Anforderungen des Arbeitsmarkts oder den Wechsel in eine andere Branche dient. Umschulungen sind insbesondere im Kontext des Sozialgesetzbuches von Bedeutung und unterscheiden sich begrifflich und rechtlich von anderen Weiterbildungsmaßnahmen und der Erstausbildung.
Definition und Abgrenzung
Die Umschulung ist gemäß § 1 Absatz 5 Berufsbildungsgesetz (BBiG) darauf ausgerichtet, auf einen anderen Beruf als den ursprünglich erlernten vorzubereiten. Sie ist abzugrenzen von der Fortbildung, die eine Spezialisierung oder Vertiefung innerhalb des bereits ausgeübten Berufes zum Ziel hat, sowie von der Erstausbildung, die auf den erstmaligen Erwerb beruflicher Kenntnisse abzielt.
Rechtliche Grundlagen der Umschulung
Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III)
Das SGB III bildet die zentrale Rechtsgrundlage für Umschulungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Arbeitsförderung. Die Bundesagentur für Arbeit kann nach Maßgabe der §§ 81 ff. SGB III unter bestimmten Voraussetzungen Umschulungsmaßnahmen fördern. Eine Förderung kommt insbesondere in Betracht, wenn
- der ursprünglich erlernte Beruf nicht mehr ausgeübt werden kann (beispielsweise aus gesundheitlichen Gründen),
- der bisherige Beruf auf dem Arbeitsmarkt keine Perspektive mehr bietet, oder
- eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt ansonsten nicht möglich ist.
Die §§ 81 ff. SGB III regeln unter anderem Anspruchsvoraussetzungen, Förderungsfähigkeit, Dauer und Inhalte der Umschulungsmaßnahme sowie den Anspruch auf finanzielle Unterstützung wie das sogenannte Arbeitslosengeld während der Umschulung (Übergangsgeld).
Anspruchsvoraussetzungen und Zielgruppen
Anspruch auf eine geförderte Umschulung haben insbesondere
- Arbeitslose und von Arbeitslosigkeit bedrohte Arbeitnehmer,
- Personen, die aus gesundheitlichen Gründen ihren bisherigen Beruf nicht mehr ausüben können,
- Rehabilitanden im Sinne des SGB IX.
Die Umschulung muss notwendig sein, um die berufliche Eingliederung zu erreichen oder zu sichern und darf nicht mit zumutbaren Mitteln (z.B. Arbeitsplatzwechsel, Fortbildung) abgewendet werden können.
Berufsbildungsgesetz (BBiG)
Das Berufsbildungsgesetz regelt in §§ 60 ff. die Durchführung von Umschulungen. Nach § 60 BBiG sind Umschulungen so zu gestalten, dass sie in Inhalt, Ziel und Anforderungen einer Berufsausbildung entsprechen und auf einen anerkannten Ausbildungsberuf abzielen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen für Prüfungen und Abschlüsse sind den regulären Ausbildungsordnungen vergleichbar. Die Umschulung schließt i.d.R. mit der entsprechenden Kammerprüfung (z.B. IHK, HWK) ab.
Rehabilitation und besondere Rechtsgrundlagen
Für Personen, deren Umschulung infolge einer Behinderung oder Krankheit notwendig ist, greifen die Vorschriften des SGB IX und des Bundesversorgungsgesetzes (BVG). Die Träger der Rehabilitation (z.B. Rentenversicherung, Berufsgenossenschaften) sind verpflichtet, geeignete Maßnahmen der beruflichen Wiederherstellung zu erbringen, wozu auch Umschulungen zählen.
Arbeitsrechtliche Aspekte während der Umschulung
Umschulungen können sowohl in einem Ausbildungsverhältnis als auch außerhalb eines klassischen Beschäftigungsverhältnisses durchgeführt werden. Während einer geförderten Umschulung besteht in der Regel kein reguläres Arbeitsverhältnis, jedoch gelten besondere Schutzvorschriften, beispielsweise durch das Mutterschutzgesetz und das Jugendarbeitsschutzgesetz, soweit zutreffend.
Durchführung und rechtliche Anforderungen an Umschulungsmaßnahmen
Trägerzulassung und Maßnahmezertifizierung
Träger und Maßnahmen der beruflichen Umschulung müssen gemäß der Anerkennungs- und Zulassungsverordnung Weiterbildung (AZAV) zertifiziert sein, sofern sie über die Bundesagentur für Arbeit gefördert werden. Die Einhaltung umfangreicher Qualifikations- und Qualitätsstandards ist hierbei verpflichtend.
Prüfungsordnung und Abschluss
Die Umschulung endet mit einer anerkannten Abschlussprüfung vor einer Kammer (z.B. IHK, HWK). Rechtlich maßgeblich sind dabei die jeweiligen Prüfungsordnungen. Bei Bestehen der Prüfung wird ein dem Erstausbildungsberuf gleichwertiger Abschluss verliehen.
Rechte und Pflichten der Umschulenden
Umschulende unterliegen während der Maßnahme verschiedenen Pflichten, wie der regelmäßigen Teilnahme und der Mitwirkung bei Prüfungen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen knüpfen an die besonderen Erfordernisse der Umschulung als Weiterbildungsmaßnahme an (z.B. verkürzte Ausbildungszeiten, spezielle Lerninhalte).
Förderung und finanzielle Leistungen im Rahmen der Umschulung
Fördermöglichkeiten nach SGB III und SGB IX
Die Förderung umfasst sowohl die Übernahme der Lehrgangskosten als auch die Zahlung von Leistungen zum Lebensunterhalt (Übergangsgeld oder Arbeitslosengeld nach § 136 SGB III). Zusätzlich können Kosten für Lernmittel, Fahrten, Unterkunft und Kinderbetreuung übernommen werden. Die Höhe und Dauer der Förderung richtet sich nach den individuellen Voraussetzungen (§§ 77 ff. SGB III).
Steuerliche Aspekte
Leistungen im Rahmen einer geförderten Umschulung können unter Umständen steuerfrei sein (§ 3 Nr. 2 EStG), während selbst finanzierte Umschulungskosten nach § 9 EStG als Werbungskosten steuerlich absetzbar sein können.
Besonderheiten bei der Betrieblichen und außerbetrieblichen Umschulung
Die Umschulung kann sowohl innerbetrieblich als auch außerbetrieblich stattfinden. Bei einer betrieblichen Umschulung ist die Aufnahme eines Ausbildungsverhältnisses mit einem Ausbildungsbetrieb erforderlich, während außerbetriebliche Umschulungen häufig durch Bildungsträger in Kooperation mit der Agentur für Arbeit angeboten werden.
Rechtliche Folgen einer bestandenen Umschulung
Nach erfolgreicher Umschulung entsteht ein vollwertiger Berufsabschluss, der mit einer regulären Ausbildung gleichgestellt ist. Daraus ergeben sich weitreichende Rechte, insbesondere die Zulassung zu weiterführenden Qualifikationen, zu Fachschulausbildungen oder zu Hochschulzugängen (je nach Bundesland und Ausbildungsberuf).
Fazit
Die Umschulung ist im deutschen Recht umfassend geregelt und stellt ein zentrales Instrument zur Anpassung an den Wandel des Arbeitsmarktes sowie zur Sicherung der Erwerbsfähigkeit dar. Die gesetzlichen Regelungen gewährleisten den Zugang zu anerkannten Berufsabschlüssen, umfassende Fördermöglichkeiten und Schutzmechanismen für die Teilnehmenden. Eine sorgfältige Prüfung der individuellen Voraussetzungen und der rechtlichen Anforderungen ist Voraussetzung für den erfolgreichen Abschluss einer Umschulungsmaßnahme.
Häufig gestellte Fragen
Wer hat aus rechtlicher Sicht Anspruch auf eine Umschulung?
Ein Anspruch auf Umschulung ist in Deutschland vor allem im Sozialgesetzbuch (SGB) geregelt. Nach § 81 SGB III kann insbesondere Anspruch auf eine Umschulung bestehen, wenn eine berufliche Weiterbildung aufgrund fehlender beruflicher Qualifikationen notwendig ist, um Arbeitslosigkeit zu vermeiden oder zu beenden. Auch Personen, deren bisher ausgeübter Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr möglich ist, können nach § 49 SGB IX Anspruch auf eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben durch die Deutsche Rentenversicherung oder die Agentur für Arbeit geltend machen. Ein rechtlicher Anspruch setzt voraus, dass die Maßnahme notwendig und geeignet ist, die Arbeitsmarktchancen wesentlich zu verbessern. Außerdem muss eine vorherige Beratung und Prüfung durch die zuständigen Stellen wie Arbeitsagentur oder Rentenversicherungsträger erfolgen. Ansprüche sind in der Regel individuell zu würdigen und setzen meist voraus, dass Eigeninitiative zur Arbeitsaufnahme gezeigt wird.
Welche rechtlichen Grundlagen regeln die Finanzierung einer Umschulung?
Die Finanzierung einer Umschulung wird in Deutschland rechtlich vor allem durch das Dritte Sozialgesetzbuch (SGB III) und das Neunte Sozialgesetzbuch (SGB IX) geregelt. Hauptträger sind die Bundesagentur für Arbeit, die Deutsche Rentenversicherung und Unfallversicherungsträger. Es besteht ein Rechtsanspruch auf Übernahme der notwendigen Weiterbildungskosten, Fahrtkosten, Kinderbetreuung und ggf. Kosten für auswärtige Unterbringung, sofern die rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Die Förderung erfolgt in der Regel mittels eines Bildungsgutscheins (§ 81 SGB III). Bei Berufsunfähigkeit oder Erwerbsminderung sind Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 SGB IX relevant. Ein Rechtsanspruch besteht nur, wenn kein anderer Kostenträger vorrangig zuständig ist und die Voraussetzungen nach individueller Prüfung vorliegen.
Können Arbeitgeber eine Umschulung verweigern oder verlangen?
Arbeitgeber können grundsätzlich nicht einseitig eine Umschulung verlangen. Eine arbeitsrechtliche Verpflichtung zur Teilnahme an einer Umschulung ergibt sich für Beschäftigte nur, wenn dies ausdrücklich im Arbeitsvertrag, in einer Betriebsvereinbarung oder im Tarifvertrag geregelt ist. Im Rahmen des Direktionsrechts (§ 106 GewO) kann der Arbeitgeber Anweisungen im Rahmen des Arbeitsverhältnisses erteilen, eine generelle Verpflichtung zur Umschulung besteht indes nicht. Umgekehrt darf ein Arbeitgeber die Umschulung im Rahmen öffentlich-rechtlicher Maßnahmen (z. B. gefördert durch die Agentur für Arbeit oder Rentenversicherung) nicht verweigern, wenn der Mitarbeiter die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt und freigestellt werden muss (§ 616 BGB, § 3 ArbZG, § 37 BetrVG). Evtl. bestehen Regelungen zur Freistellung oder unbezahlten Urlaub, sofern betriebliche Abläufe nicht unverhältnismäßig erschwert werden.
Welche rechtlichen Pflichten bestehen während der Umschulungsmaßnahme?
Während einer Umschulung bestehen für Teilnehmende verschiedene rechtliche Pflichten. Dazu gehört insbesondere die Teilnahme- und Mitwirkungspflicht an allen vorgesehenen Unterrichtseinheiten und Prüfungen. Verstöße können zum Abbruch der Maßnahme und zur Rückforderung gewährter Leistungen führen (§ 61 SGB I, § 144 SGB III). Bei öffentlich geförderten Umschulungen besteht die Pflicht zur unverzüglichen Mitteilung von Änderungen persönlicher oder beruflicher Verhältnisse (z. B. Krankheit, Arbeitsaufnahme) an den Kostenträger. Eine Verletzung dieser Pflichten kann Sanktionen wie Sperrzeiten, Einstellung von Leistungen oder Erstattungspflichten nach sich ziehen. Weiterhin unterliegen Umschüler in Betrieben häufig den gleichen Pflichten wie Auszubildende nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG), etwa zur Einhaltung der Betriebsordnung.
Welche rechtlichen Auswirkungen hat ein Abbruch der Umschulung?
Der Abbruch einer Umschulung hat verschiedene rechtliche Konsequenzen. Wird die Umschulung ohne wichtigen Grund abgebrochen, kann der Kostenträger (z. B. Agentur für Arbeit oder Rentenversicherung) die Leistungen einstellen und bereits gezahlte Leistungen zurückfordern (§ 45 SGB X). Zudem kann ein solcher Abbruch zu Sperrzeiten beim Arbeitslosengeld führen (§ 159 SGB III). Bei triftigen Gründen (etwa gesundheitliche Einschränkungen) kann die Maßnahme in Absprache mit dem Träger beendet oder unterbrochen werden, ohne dass negative Konsequenzen drohen. Arbeitsrechtlich kann ein Abbruch je nach Einzelfall zu Konflikten mit dem Arbeitgeber führen, insbesondere wenn eine Freistellung vereinbart war. Rechtlich gesehen ist eine sorgfältige Dokumentation der Gründe und die sofortige Information des Kostenträgers unerlässlich.
Unter welchen Bedingungen ist ein Wechsel der Umschulungsmaßnahme rechtlich zulässig?
Ein Wechsel der Umschulungsmaßnahme ist rechtlich nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Hierzu muss ein wichtiger Grund im Sinne des § 45 SGB X oder § 44 SGB IX vorliegen, beispielsweise gravierende gesundheitliche Einschränkungen, nachweisliche fachliche oder pädagogische Mängel der bisherigen Maßnahme oder eine Veränderung der Arbeitsmarktsituation. Der Wechsel bedarf der vorherigen Zustimmung des Kostenträgers, der die Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen trifft. Ohne Zustimmung können Leistungen eingestellt werden und es können Rückforderungen entstehen. Das Verfahren erfordert in der Regel eine schriftliche Antragstellung und eine ausführliche Begründung.
Welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen bei Streitigkeiten während oder nach einer Umschulung?
Kommt es während oder nach einer Umschulung zu Streitigkeiten, z. B. hinsichtlich Kostenübernahme, Anerkennung der Umschulungsinhalte oder Leistungsbewertung, bestehen verschiedene rechtliche Möglichkeiten. Entscheidungen der Agentur für Arbeit oder anderer Kostenträger können mit einem Widerspruch angefochten werden (§ 83 SGG). Nach erfolglosem Widerspruch steht der Klageweg vor dem Sozialgericht offen. Weiterhin kann eine Beratung durch den Betriebsrat in Anspruch genommen werden; bei arbeitsrechtlichen Konflikten ggf. durch die Einigungsstelle (§ 76 BetrVG). Bei Differenzen mit Umschulungsträgern besteht ggf. ein Beschwerde- oder Schlichtungsverfahren nach Maßgabe des jeweiligen Berufsbildungsgesetzes oder der jeweiligen Kammern (IHK, HWK). Rechtsbeistand durch Fachanwälte für Sozialrecht kann sinnvoll sein, um Ansprüche durchzusetzen.