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Überziehungskredit (Dispositionskredit)


Überziehungskredit (Dispositionskredit): Rechtliche Einordnung und Grundlagen

Der Überziehungskredit, auch Dispositionskredit oder kurz „Dispo“ genannt, ist eine besondere Form des Kreditvertrags im Bankwesen, der es dem Kontoinhaber ermöglicht, sein Girokonto über das verfügbare Guthaben hinaus bis zu einem vorab vereinbarten Kreditrahmen zu belasten. Rechtlich bildet der Überziehungskredit einen Kontokorrentkredit, der typischerweise unbefristet und auf unbestimmte Zeit eingeräumt wird. Im Folgenden werden die verschiedenen rechtlichen Aspekte des Überziehungskredits ausführlich dargestellt und erklärt.


Vertragliche Grundlagen des Überziehungskredits

Vertragsabschluss und Rechtsnatur

Der Überziehungskredit basiert auf einem Kreditvertrag gemäß §§ 488 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Der Vertragsschluss erfolgt in der Regel im Rahmen der Eröffnung eines Girokontos oder durch Zusatzvereinbarungen. Es handelt sich um ein Angebot der Bank, dem Kontoinhaber bis zu einem bestimmten Betrag (Disposition) die Möglichkeit der Kontoüberziehung einzuräumen. Die Annahme dieses Angebots erfolgt konkludent durch die Nutzung des Kreditrahmens.

Abgrenzung zum geduldeten Überziehungskredit

Vom eingeräumten Überziehungskredit (Dispositionskredit) zu unterscheiden ist der sogenannte „geduldete Überziehungskredit“ (§ 505 BGB). Hierbei wird das Konto über den eingeräumten Kreditrahmen hinaus überzogen, ohne dass eine ausdrückliche vertragliche Vereinbarung mit der Bank besteht. Die Bank gestattet dies stillschweigend, jedoch mit der Option, die Duldung jederzeit zu widerrufen.


Rechtliche Rahmenbedingungen

Gesetzliche Regelungen und Verbraucherschutz

Der Überziehungskredit unterliegt insbesondere den Vorgaben des Bürgerlichen Gesetzbuches und den gesetzlichen Bestimmungen zum Verbraucherkreditrecht (§§ 491 ff. BGB). Aufgrund der besonderen Verbraucherschutzvorschriften muss die Bank den Kontoinhaber über die Bedingungen des Dispositionskredits und insbesondere über den effektiven Jahreszinssatz informieren. Dies geschieht üblicherweise im Rahmen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) sowie durch regelmäßige Mitteilungen, insbesondere über Zinsänderungen.

Informationspflichten der Bank

Gemäß § 493 BGB ist die Bank verpflichtet, einmal jährlich dem Bankkunden wesentliche Vertragsbedingungen schriftlich oder auf einem dauerhaften Datenträger mitzuteilen. Dazu zählen insbesondere Informationen über den Zinssatz, die Zinssatzänderungen und etwaig anfallende Kosten.

Widerrufsrecht

Für Überziehungskredite, die über einen festen Kreditbetrag hinausgehen und dem Verbraucher gewährt werden, besteht nach § 495 BGB grundsätzlich ein Widerrufsrecht. Hiervon bestehen jedoch Ausnahmen, etwa wenn der Rahmenkredit dem Girokonto unmittelbar zugeordnet ist und der Verfügungsrahmen fortlaufend genutzt werden kann.


Zinssätze und Entgeltregelungen

Effektivzins

Für die Nutzung des Überziehungskredits verlangen Kreditinstitute in Deutschland meist einen deutlich erhöhten Sollzinssatz im Vergleich zu anderen Kreditformen. Der Zinssatz ist variabel und richtet sich nach den bankinternen Regelungen, die regelmäßig angepasst werden. Daher muss der Zinssatz nach § 6 Abs. 3 Preisangabenverordnung (PAngV) in den Preis- und Leistungsverzeichnissen sowie bei Kontoauszügen transparent ausgewiesen werden.

Überziehungszinsen

Werden Beträge über den Dispositionsrahmen hinaus beansprucht (geduldete Überziehung), können zusätzlich sog. Überziehungszinsen berechnet werden, die zum Teil noch höher ausfallen als die Zinsen für den eigentlichen Dispositionskredit. Auch hier haben Banken Transparenzpflichten bezüglich der Höhe und Berechnung dieser Zinsen.


Beendigung und Kündigung des Überziehungskredits

Ordentliche und außerordentliche Kündigung

Der Dispositionskredit ist typischerweise auf unbestimmte Zeit eingeräumt und kann von beiden Parteien nach § 489 Abs. 2 BGB mit einer Frist von einem Monat gekündigt werden. In besonderen Fällen – beispielsweise bei wesentlichen Vertragsverletzungen oder Zahlungsrückständen – kann die Bank den Überziehungskredit gemäß § 490 BGB auch fristlos kündigen, sofern berechtigte Interessen bestehen.

Rückzahlungspflichten

Nach Beendigung des Überziehungskredits ist der gesamte ausstehende Saldo umgehend fällig. Es steht dem Kreditinstitut frei, den fällig gewordenen Betrag zu verzinsen und notfalls im Wege der Zwangsvollstreckung einzutreiben.


Schutzmechanismen und Risiken

Schufa-Meldung und Kreditwürdigkeit

Die Inanspruchnahme eines Dispositionskredits sowie dessen Nutzung können von Banken an Auskunfteien gemeldet werden (z.B. SCHUFA). Eine dauerhafte oder ständige Überziehung kann sich negativ auf die Bonität des Kontoinhabers auswirken und Einfluss auf die Vergabe weiterer Kredite haben.

Verschuldungsrisiko

Durch die kurzfristige und flexible Verfügbarkeit birgt der Überziehungskredit ein erhöhtes Verschuldungsrisiko für Verbraucher. Die hohen Zinssätze können dazu führen, dass sich aus einer kurzfristigen Liquiditätsüberbrückung eine dauerhafte Überschuldung entwickelt.


Steuerliche Behandlung und Pfändungsschutz

Steuerrechtliche Aspekte

Die für Dispositionskredite gezahlten Zinsen sind steuerlich als Kosten der privaten Lebensführung einzustufen und können nicht als Werbungskosten bei der Einkommenssteuer geltend gemacht werden. Abweichend hierzu können im Rahmen betrieblicher Girokonten anfallende Sollzinsen im Rahmen der Gewinnermittlung als Betriebsausgaben berücksichtigt werden.

Pfändungsschutz

Guthaben auf Girokonten mit Dispositionskredit sind im Zuge von Kontopfändungen besonders geschützt, wenn das Konto als Pfändungsschutzkonto (P-Konto) geführt wird (vgl. §§ 850k ZPO). Der Dispositionsrahmen selbst wird durch die Umwandlung in ein P-Konto jedoch nicht automatisch geschützt und kann von der Bank reduziert oder gekündigt werden.


Zusammenfassung

Der Überziehungskredit (Dispositionskredit) stellt eine weit verbreitete und rechtlich klar definierte Kreditform für Girokonten dar. Durch gesetzliche Regelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch sowie ergänzende Vorschriften wird dem Schutz des Verbrauchers besondere Bedeutung zugemessen. Neben der flexiblen Nutzungsmöglichkeit gehen jedoch auch signifikante Risiken wie hohe Zinsbelastung, Kreditwürdigkeitseinbußen und erhöhte Verschuldungsgefahr mit dieser Kreditform einher. Die rechtliche Ausgestaltung gewährleistet sowohl Transparenz als auch Schutzmechanismen für Kontoinhaber und verpflichtet Banken zu umfassender Information und Klarheit über die jeweiligen Vertragsbedingungen.

Häufig gestellte Fragen

Welche gesetzlichen Rahmenbedingungen gelten für die Einrichtung eines Überziehungskredits?

Die Einrichtung eines Überziehungskredits (Dispositionskredit) unterliegt in Deutschland den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), insbesondere den §§ 488 ff. BGB, die das Darlehensrecht regeln. Zusätzlich wird das Verbraucherdarlehen durch die §§ 491 ff. BGB konkretisiert, wodurch besondere Schutznormen für Verbraucher gelten. Gemäß § 500 BGB besteht zudem eine spezielle Regelung für Kreditverträge mit Überziehungsmöglichkeiten (sog. laufende Kontoüberziehungen). Hierbei verpflichtet der Gesetzgeber die Kreditinstitute, dem Kunden bestimmte Mindestinformationen, wie die Höhe des Zinssatzes, Rückzahlungsbedingungen sowie etwaige Kosten, auf verständliche Weise mitzuteilen. Weiterhin gelten die Vorgaben der Preisangabenverordnung (PAngV), wonach der effektive Jahreszins im Rahmen des Preisaushangs und bei Vertragsabschluss offenzulegen ist. Der Dispositionskredit bedarf keiner schriftlichen Vereinbarung; ein konkludenter Vertragsschluss durch die Verfügung über das Konto ist gesetzlich zulässig. Allerdings müssen Änderungen des Vertrags, vor allem hinsichtlich der Zinshöhe, den Kunden rechtzeitig, d. h. spätestens zwei Monate vor Inkrafttreten, von der Bank mitgeteilt werden (§ 675g BGB).

Welche Informationspflichten treffen Banken gegenüber Verbrauchern bei Abschluss eines Dispositionskredits?

Banken sind gesetzlich verpflichtet, Verbraucher vor und während des Bestehens eines Dispositionskredits umfassend und transparent zu informieren. Nach § 491a BGB und § 500 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 247 § 13 EGBGB sind insbesondere Angaben zu Sollzinssatz, effektiver Jahreszins, Rückzahlungsmodalitäten, Gesamtkosten und etwaigen Entgelten zu machen. Die Bank muss dem Kunden zudem regelmäßig – spätestens alle drei Monate – einen Kontoauszug mit den Angaben zu den in Anspruch genommenen Kreditbeträgen, fälligen Zinsen, Kosten sowie Rückzahlungen bereitstellen. Eine Erhöhung des Sollzinssatzes muss nicht nur rechtzeitig angekündigt, sondern auch klar begründet werden. Kommt die Bank ihrer Informationspflicht nicht nach, kann dies zivilrechtliche Schadensersatzansprüche sowie aufsichtsrechtliche Maßnahmen durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) nach sich ziehen.

Besteht für den Kunden die Verpflichtung, den Dispositionskredit zu nutzen?

Rechtlich gesehen besteht für den Inhaber eines Kontos mit Dispositionskredit keinerlei Verpflichtung, diesen tatsächlich in Anspruch zu nehmen. Der Dispositionskredit stellt lediglich ein Angebot der Bank dar, d. h., der Kunde erhält die Möglichkeit zur kurzfristigen Kontoüberziehung im gesetzten Rahmen. Die Nutzung ist völlig freiwillig, und es entstehen nur dann Zinskosten oder Gebühren, wenn tatsächlich ein Kreditbetrag in Anspruch genommen wird. Eine vertragliche Verpflichtung oder ein Mindestnutzungszwang ist nach geltendem Recht unzulässig; etwaige Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen wären unwirksam (§ 307 BGB).

Welche rechtlichen Vorgaben betreffen den Widerruf eines eingeräumten Dispositionskredits?

Für Dispositionskredite besteht grundsätzlich ein Widerrufsrecht gemäß § 495 BGB, soweit der Vertrag mit einem Verbraucher geschlossen wurde. Das Widerrufsrecht kann innerhalb von 14 Tagen nach Vertragsschluss, auch ohne Angabe von Gründen, ausgeübt werden. Der dafür notwendige Hinweis auf das Widerrufsrecht muss durch die Bank in Textform erteilt werden (§ 355 BGB). Fehlt diese Widerrufsbelehrung oder ist sie fehlerhaft, verlängert sich das Widerrufsrecht bis zur ordnungsgemäßen Nachholung. Nach Ausübung des Widerrufs haben beide Seiten die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und ggf. gezogene Nutzungen zu ersetzen.

Unter welchen Bedingungen darf die Bank einen Dispositionskredit kündigen oder widerrufen?

Ein Dispositionskredit ist rechtlich gesehen ein unbefristetes Darlehen mit einer vertraglich festgelegten oder nach banküblicher Praxis eingeräumten Kündigungsfrist. Die Bank kann das Kreditverhältnis nach den Grundsätzen des § 488 Abs. 3 BGB jederzeit mit einer Frist von mindestens zwei Wochen kündigen, sofern nichts anderes vereinbart ist. In besonderen Fällen, etwa bei einer wesentlichen Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Kontoinhabers (§ 490 BGB), kann die Bank das Darlehen aus wichtigem Grund fristlos kündigen. Eine vorherige Abmahnung ist in aller Regel geboten, es sei denn, eine solche wäre offensichtlich erfolglos. Die Kündigung bedarf der Textform. Nach Kündigung ist das überzogene Guthaben samt aufgelaufener Zinsen und Kosten unverzüglich auszugleichen.

Welche besonderen Schutzvorschriften gelten für Verbraucher im Zusammenhang mit Überziehungskrediten?

Das BGB sowie die zugehörigen Informationspflichten der EGBGB enthalten zahlreiche Schutzmechanismen, um Verbraucher vor einer Überschuldung zu bewahren. Dazu gehört neben der regelmäßigen Mitteilungspflicht zur Inanspruchnahme und den angefallenen Kosten (§ 500 Abs. 1 Nr. 2 BGB) eine verpflichtende Beratung durch die Bank, wenn der Kreditrahmen über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten in erheblicher Höhe und dauerhaft ausgeschöpft wird (§ 504a BGB). In solch einem Fall ist die Bank zur Kontaktaufnahme verpflichtet, um gemeinsam mit dem Kunden nach nachhaltigen Rückführungsmöglichkeiten zu suchen. Darüber hinaus gelten für Überziehungszinsen Obergrenzen nach § 138 BGB (Wucher), sodass außergewöhnlich hohe Zinssätze anfechtbar sind.

Können Dispositionszinsen einseitig von der Bank erhöht werden?

Dispositionszinsen können von der Bank grundsätzlich einseitig angepasst werden, wenn sich die maßgeblichen Zinsparameter ändern und entsprechende Anpassungsklauseln klar und verständlich im Vertrag geregelt sind (§ 308 Nr. 4 BGB). Änderungen dürfen nur nach billigem Ermessen erfolgen (§ 315 BGB) und müssen dem Kunden mindestens zwei Monate vor Inkrafttreten in Textform mitgeteilt werden (§ 675g BGB). Dem Kunden steht ein Sonderkündigungsrecht zu, wenn er der Änderung widerspricht. Fehlt es an einer klaren Regelung zur Zinsanpassung oder wird diese nicht transparent kommuniziert, ist eine einseitige Zinserhöhung unzulässig. Unwirksame Zinsanpassungsklauseln können dazu führen, dass die Bank zu viel berechnete Zinsen zurückerstatten muss.