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Übertragbare Krankheiten


Übertragbare Krankheiten – Rechtliche Grundlagen und Begriffsbestimmung

Definition und medizinischer Hintergrund

Übertragbare Krankheiten, auch Infektionskrankheiten genannt, sind Erkrankungen, die durch Mikroorganismen wie Bakterien, Viren, Pilze oder Parasiten verursacht und von einem Organismus auf einen anderen direkt oder indirekt weitergegeben werden können. Rechtlich sind sie von nicht-übertragbaren Krankheiten sowie von Erbkrankheiten abzugrenzen. Die Übertragung kann durch Kontaktinfektion, Tröpfcheninfektion, Schmierinfektion, Blut, Lebens- oder Futtermittel oder Vektoren erfolgen. Aufgrund ihres Potentials, schnell größere Bevölkerungskreise zu betreffen, genießen übertragbare Krankheiten in der Gesetzgebung einen besonderen Stellenwert.

Rechtliche Definition im Infektionsschutzrecht

Im deutschen Recht ist der Begriff „übertragbare Krankheiten“ primär im Infektionsschutzgesetz (IfSG) geregelt. § 2 Absatz 3 IfSG definiert eine übertragbare Krankheit als „eine durch Krankheitserreger oder deren toxische Produkte unmittelbar oder mittelbar übertragbare Krankheit“. Dazu gehören namentlich erfasste Infektionen, aber auch Krankheitsbilder, die durch neue oder bisher unbekannte Erreger verursacht werden können.

Das IfSG bildet die zentrale Rechtsgrundlage für Prävention und Bekämpfung von Infektionskrankheiten in Deutschland. Dies gilt sowohl für meldepflichtige Krankheiten als auch für das Management und die Eindämmung von Ausbrüchen.

Meldepflichten und behördliche Maßnahmen

Meldepflicht nach dem Infektionsschutzgesetz

Das IfSG regelt in den §§ 6 und 7 eine umfangreiche Meldepflicht für bestimmte Krankheiten und Krankheitserreger. Diese Meldepflichten treffen insbesondere Ärzte, Leiter medizinischer Einrichtungen und Labore. Gemeldet werden müssen sowohl Verdachts-, Erkrankungs- als auch Todesfälle im Zusammenhang mit einer Vielzahl infektionsrelevanter Erreger und Krankheitsbilder.

Die Meldung erfolgt an die zuständigen Gesundheitsämter. Diese leiten relevante Informationen an die Landesbehörden und das Robert Koch-Institut (RKI) als Bundesinstitut weiter. Ziel ist es, Transmissionswege nachzuvollziehen, Ausbrüche frühzeitig zu erkennen und Eindämmungsmaßnahmen zu ergreifen.

Maßnahmen der Gesundheitsbehörden

Im Falle des Auftretens übertragbarer Krankheiten sind die Behörden gemäß IfSG zu verschiedenen Maßnahmen befugt. Dazu zählen:

  • Anordnung von Beobachtungen und Untersuchungen (§ 16 IfSG)
  • Quarantäne (Absonderung) und Isolierung erkrankter oder verdächtiger Personen (§§ 28, 30 IfSG)
  • Tätigkeitsverbote für betroffene Personen, insbesondere in Gemeinschaftseinrichtungen oder Lebensmittelbetrieben (§ 31 IfSG)
  • Maßnahmen zur Kontaktnachverfolgung und, falls erforderlich, zwangsweise Durchsetzung per Verwaltungsakt oder unmittelbarem Zwang.

Schutzmaßnahmen in besonderen Einrichtungen

Besondere Schutzvorschriften bestehen für Gemeinschaftseinrichtungen, wie Schulen, Kindergärten und Pflegeheime. Hier gelten spezifische Regelungen zu Information, Isolierung und Rückkehr nach Infektionsfällen (vgl. §§ 33-36 IfSG). Zudem müssen Betreiber und das Personal regelmäßig Schulungen sowie Hygienemaßnahmen nachweisbar umsetzen.

Arbeitsrechtliche und sozialrechtliche Aspekte

Beschäftigungsverbote und Entschädigungsansprüche

Treten bei Arbeitnehmern übertragbare Krankheiten auf, können behördlich angeordnete Tätigkeitsverbote arbeitsrechtliche Konsequenzen haben. Nach § 56 IfSG besteht für betroffene Personen ein Anspruch auf Entschädigung für Verdienstausfall und ggf. auf Ersatz der Mehraufwendungen. Die Entschädigung wird durch die zuständige Behörde gewährt; der Arbeitgeber kann in Vorleistung treten und erhält den Aufwand erstattet.

Kündigungsschutz und Weiterbeschäftigung

Grundsätzlich ist eine Erkrankung an einer übertragbaren Krankheit kein automatischer Kündigungsgrund. Der Arbeitgeber bleibt jedoch verpflichtet, die Belegschaft und Dritte vor Ansteckung zu schützen. Tätigkeitsverbote können in Ausnahmefällen betriebsbedingte Kündigungen nach sich ziehen, falls aus objektiven Gründen keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit besteht.

Mitwirkungspflichten und Schweigepflicht

Menschen mit meldepflichtigen übertragbaren Krankheiten sind nach § 16 Absatz 2 IfSG verpflichtet, an behördlichen Maßnahmen mitzuwirken. Gleichzeitig gilt jedoch der Datenschutz: Gesundheitsdaten unterliegen besonderen Verschwiegenheitspflichten nach § 8 IfSG und weiteren datenschutzrechtlichen Vorschriften.

Internationale Regelungen und Meldepflichten

Internationale Gesundheitsvorschriften (IGV/IHR)

Auch auf internationaler Ebene bestehen völkerrechtliche Bestimmungen zum Umgang mit übertragbaren Krankheiten, insbesondere im Rahmen der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IHR 2005) der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Ziel ist die globale Überwachung, Meldung und Koordinierung von Maßnahmen gegen grenzüberschreitende Ausbreitung. Deutschland ist verpflichtet, internationale Meldepflichten umzusetzen und meldepflichtige Ereignisse im Gesundheitswesen an die WHO zu kommunizieren (§ 6 Abs. 3 IfSG i.V.m. IGV).

Koordination innerhalb der Europäischen Union

Innerhalb der EU existiert mit dem Frühwarn- und Reaktionssystem (EWRS) ein Instrument zur schnellen Information und Koordination bei übertragbaren Krankheiten. Die Mitgliedstaaten melden relevante Krankheitsereignisse an die Europäische Kommission und das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC).

Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht

Strafvorschriften bei Verstößen gegen Infektionsschutzmaßnahmen

Das Strafrecht enthält zahlreiche Vorschriften zum Schutz vor der Verbreitung übertragbarer Krankheiten. Zu den wichtigsten Normen zählt § 74 IfSG: Die vorsätzliche Verbreitung von Krankheitserregern ist mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bedroht. Bereits fahrlässiges Handeln kann als Ordnungswidrigkeit geahndet werden (§ 73 IfSG).

Weitere relevante Tatbestände finden sich im Strafgesetzbuch (StGB), etwa bei Körperverletzung (§§ 223 ff. StGB), wenn eine Infektion absichtlich oder fahrlässig herbeigeführt wird.

Bußgelder und Durchsetzung

Neben strafrechtlichen Sanktionen sieht das Infektionsschutzgesetz Bußgeldvorschriften vor, etwa bei Verletzung von Melde-, Mitwirkungs- und Hygienepflichten. Die Höhe der Bußgelder bemisst sich am Einzelfall sowie an der Schwere des Verstoßes.

Zusammenfassung und Ausblick

Der Begriff „übertragbare Krankheiten“ ist in Deutschland und auf internationaler Ebene umfassend rechtlich geregelt. Ziel aller Vorschriften ist der Schutz der Bevölkerung vor der Ausbreitung gesundheitlicher Gefahren, insbesondere durch Prävention, Meldepflichten und behördliche Interventionen. Arbeitgeber, medizinische Einrichtungen und Einzelpersonen sind durch das Infektionsschutzgesetz und flankierende Vorschriften zu umfassenden Schutz-, Melde- und Mitwirkungshandlungen verpflichtet. Daneben greifen arbeits- und sozialrechtliche Schutzmechanismen sowie nationale und internationale Koordinierungsmaßnahmen. Die Entwicklungen im Bereich des Infektionsschutzrechts werden fortlaufend an neue wissenschaftliche Erkenntnisse und gesellschaftliche Erfordernisse angepasst.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Meldepflichten bestehen bei übertragbaren Krankheiten?

In Deutschland regelt das Infektionsschutzgesetz (IfSG) die Meldepflichten für übertragbare Krankheiten. Danach sind Ärzte, Labore und teilweise auch Leiter von Gemeinschaftseinrichtungen verpflichtet, bestimmte Infektionskrankheiten und Erreger nach festgelegten Fristen dem zuständigen Gesundheitsamt zu melden (§§ 6-9 IfSG). Die Meldepflicht erstreckt sich nicht nur auf Verdachts-, Krankheits- oder Todesfälle, sondern auch auf den direkten Nachweis bestimmter Krankheitserreger, unabhängig davon, ob dabei tatsächlich eine Erkrankung aufgetreten ist. Die Meldungen erfolgen personenbezogen und im Regelfall innerhalb von 24 Stunden. Damit soll eine schnelle Erfassung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten gewährleistet werden. Verstöße gegen die Meldepflicht sind als Ordnungswidrigkeit oder im Einzelfall sogar als Straftat (vgl. § 73 IfSG) sanktioniert und können zu empfindlichen Bußgeldern führen. Die genaue Liste der meldepflichtigen Krankheiten und Erreger ergibt sich aus den Anlagen zum IfSG und wird regelmäßig aktualisiert.

Welche Rechte und Pflichten haben betroffene Personen bei einer behördlich angeordneten Quarantäne?

Wird eine Quarantäne gemäß § 30 IfSG durch die zuständige Gesundheitsbehörde angeordnet, besteht für die betroffene Person die Pflicht, die Vorgaben der Behörde strikt einzuhalten. Sie darf den bezeichneten Ort, meist die eigene Wohnung, für die Dauer der Quarantäne nicht verlassen und keinen Besuch von Personen empfangen, soweit dies nicht ausdrücklich gestattet ist. Die Verletzung dieser Verpflichtungen kann zu einer zwangsweisen Durchsetzung der Quarantäne (notfalls mit polizeilicher Hilfe) und einem Bußgeld führen. Gleichzeitig haben betroffene Personen Anspruch auf Rechtsmittel, insbesondere kann gegen die Anordnung Widerspruch eingelegt beziehungsweise im Eilverfahren vor den Verwaltungsgerichten Rechtsschutz gesucht werden. Ferner haben Quarantänepflichtige nach § 56 IfSG in bestimmten Fällen Anspruch auf Entschädigung des Verdienstausfalls.

Unter welchen Voraussetzungen dürfen Arbeitgeber Informationen zu einer übertragbaren Krankheit ihrer Beschäftigten erfragen oder weitergeben?

Der Umgang mit Gesundheitsdaten, insbesondere Informationen zu einer übertragbaren Krankheit, unterliegt strengen datenschutzrechtlichen Vorgaben (DSGVO, BDSG). Arbeitgeber dürfen derartige Daten grundsätzlich nur dann erfragen, wenn dies zur Erfüllung arbeitsrechtlicher Pflichten – etwa gegenüber dem Arbeitsschutz oder zum Schutz anderer Beschäftigter – zwingend erforderlich ist und keine milderen Mittel zur Verfügung stehen. Die Weitergabe solcher sensiblen Daten an Dritte ist nur zulässig, wenn eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage dies gestattet, etwa im Falle einer gesetzlich vorgesehenen Meldepflicht gegenüber den Gesundheitsbehörden. Verstöße gegen Datenschutzbestimmungen können zu empfindlichen Bußgeldern führen und Schadensersatzansprüche der Betroffenen nach sich ziehen.

Inwiefern besteht Anspruch auf Entschädigung bei Arbeitsausfall aufgrund einer Infektion oder behördlich angeordneter Maßnahmen?

Nach § 56 IfSG besteht für Personen, denen aufgrund einer übertragbaren Krankheit die Ausübung ihrer Erwerbstätigkeit untersagt oder Quarantäne angeordnet wurde, ein gesetzlicher Anspruch auf Entschädigung für den Verdienstausfall. Für Arbeitnehmer zahlt der Arbeitgeber zunächst die Entschädigung aus und kann sie sich von der zuständigen Behörde erstatten lassen. Selbstständige müssen den Antrag direkt bei der Behörde stellen. Die Höhe der Entschädigung richtet sich nach dem Verdienstausfall und wird grundsätzlich für bis zu sechs Wochen in voller Höhe gezahlt; anschließend erfolgt eine Zahlung in Höhe des Krankengeldes. Eventuell zusätzlich entstehende Kosten, zum Beispiel für Kinderbetreuung, können unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls ersetzt werden.

Welche arbeitsrechtlichen Folgen kann der Verdacht auf oder der Nachweis einer übertragbaren Krankheit haben?

Sowohl der Verdacht als auch der Nachweis einer übertragbaren Krankheit kann zu arbeitsrechtlichen Maßnahmen führen. Neben der vorübergehenden Freistellung zum Schutz anderer Beschäftigter kann, bei längerfristiger Arbeitsunfähigkeit oder einer dauerhaften Gesundheitsgefahr für Kollegen, im Einzelfall auch eine personenbedingte Kündigung in Betracht kommen. Arbeitgeber sind allerdings verpflichtet, alle milderen Maßnahmen auszuschöpfen, bevor eine Kündigung zulässig wäre. Eine Kündigung allein wegen der Erkrankung ist regelmäßig unzulässig, solange keine negativen betrieblichen Auswirkungen oder eine dauerhafte Störung des Arbeitsverhältnisses vorliegen. Daneben sind die gesetzlichen und tariflichen Entgeltfortzahlungsansprüche zu beachten.

Unter welchen Voraussetzungen dürfen personenbezogene Daten im Rahmen der Seuchenbekämpfung an Behörden weitergegeben werden?

Die Weitergabe personenbezogener Daten im Rahmen der Seuchenbekämpfung ist nur dann zulässig, wenn hierfür eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage besteht, namentlich im Infektionsschutzgesetz oder den entsprechenden landesrechtlichen Regelungen. Sie ist zulässig, soweit dies zur Erfüllung der Meldepflichten, zur Identifikation und Benachrichtigung von Kontaktpersonen oder zur Bekämpfung einer Ausbreitung der Krankheit erforderlich ist. Die weitergegebenen Daten dürfen ausschließlich zu diesen Zwecken verwendet und müssen nach Wegfall der Erforderlichkeit nach den datenschutzrechtlichen Vorschriften gelöscht werden. Betroffene Personen sind grundsätzlich über die Datenverarbeitung zu informieren, soweit dadurch der Zweck der Maßnahme nicht gefährdet wird.

Welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen gegen behördliche Maßnahmen im Zusammenhang mit übertragbaren Krankheiten?

Gegen Maßnahmen der Gesundheitsbehörden wie Quarantäneanordnungen, Tätigkeitsverbote, Zwangsimpfungen oder andere infektionsschutzrechtliche Anordnungen steht der Rechtsweg offen. Betroffene können rechtliches Gehör geltend machen, Widerspruch gegen die Entscheidung einlegen und gegebenenfalls klageweise vorgehen (Verwaltungsrechtsweg). Handelt es sich um besonders eilbedürftige Angelegenheiten, besteht die Möglichkeit, einstweiligen Rechtsschutz vor den zuständigen Verwaltungsgerichten zu beantragen. Die Anordnungen sind in der Regel sofort vollziehbar, können jedoch auf Antrag ausgesetzt werden, wenn begründete Zweifel an deren Rechtmäßigkeit vorgebracht werden.