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Überplanmäßige Ausgaben (Staatshaushalt)


Überplanmäßige Ausgaben (Staatshaushalt)

Begriffliche Einordnung und Abgrenzung

Überplanmäßige Ausgaben sind ein zentrales Instrument der Haushaltsbewirtschaftung im öffentlichen Finanzwesen. Im Kontext staatlicher Haushalte bezeichnen überplanmäßige Ausgaben diejenigen Ausgaben, die im Haushaltsplan nicht oder nicht in der betreffenden Höhe etatisiert wurden, deren Leistung jedoch rechtlich und tatsächlich zwingend erforderlich wird. Sie unterscheiden sich von außerplanmäßigen Ausgaben, bei denen kein entsprechender Haushaltstitel vorhanden ist. Im Gegensatz zu Nachträgen zum Haushalt, die im Rahmen einer Nachtragshaushaltssatzung beschlossen werden, werden überplanmäßige Ausgaben im Wege der laufenden Haushaltsbewirtschaftung genehmigt.

Rechtsgrundlagen

Bundesrechtliche Regelungen

Die zentralen bundesrechtlichen Vorschriften zu überplanmäßigen Ausgaben befinden sich insbesondere in § 37 Abs. 1 der Bundeshaushaltsordnung (BHO):

„Über- und außerplanmäßige Ausgaben sind nur zulässig, wenn sie unabweisbar sind. Sie dürfen nur mit Zustimmung des Bundesministeriums der Finanzen geleistet werden. […] In Fällen von unerheblicher Bedeutung kann die Zustimmung allgemein erteilt werden.“

Eine entsprechende Regelung enthalten auch die haushaltsrechtlichen Vorschriften der Bundesländer, beispielsweise § 34 Abs. 1 Landeshaushaltsordnung Nordrhein-Westfalen (LHO NRW).

Ziel des Verbots der Haushaltsüberschreitung

Das Haushaltsrecht folgt dem Grundsatz der Budgetbindung (Kameralistik), der die Verwaltung an den durch das Haushaltsgesetz bereitgestellten Finanzrahmen bindet. Nur ausnahmsweise soll die Leistungsbefugnis die vorgesehene Mittelüberschreitung ermöglichen. Ziel ist die Sicherstellung der parlamentarischen Kontrolle über die Haushaltsführung.

Voraussetzungen überplanmäßiger Ausgaben

Unabweisbarkeit

Eine überplanmäßige Ausgabe ist nur zulässig, wenn sie „unabweisbar“ ist. Dies bedeutet, es muss eine rechtliche oder zwingende tatsächliche Verpflichtung vorliegen, die keinen Aufschub duldet und auch nicht durch einen Nachtragshaushalt abgedeckt werden kann. Die Verwaltung hat dabei einen strengen Maßstab anzulegen.

Nichtvorhersehbarkeit

Überplanmäßige Ausgaben sind typischerweise dann geboten, wenn der Bedarf bei der Haushaltsaufstellung nicht vorhersehbar war und die bestehende Bewilligungssumme den tatsächlichen Mehrbedarf nicht abdeckt. Organisation und Sorgfaltspflichten der bewirtschaftenden Stellen sind dabei zu berücksichtigen, d. h., überplanmäßige Mittel dürfen nicht durch mangelnde Planung ausgelöst werden.

Genehmigungserfordernis

Die Bewilligung überplanmäßiger Ausgaben unterliegt der Zustimmung des Haushaltsgesetzgebers bzw. des zuständigen Finanzministeriums, das die Einhaltung der Voraussetzungen prüft. Einzelne Kompetenzen zur Genehmigung können innerhalb des Haushaltsvollzugs auch delegiert sein.

Deckungsmittel

Zur Deckung überplanmäßiger Ausgaben muss sichergestellt sein, dass ausreichende Haushaltsmittel zur Verfügung stehen. Dies erfolgt zumeist über sogenannte „Deckungsvermerke“ oder aus ersparten Ausgaben anderer Titel. Ein Haushaltsausgleich ist zwingend.

Verfahrensablauf und Dokumentationspflichten

Überplanmäßige Ausgaben werden durch einen formalen Bewilligungsantrag der sachlich zuständigen Verwaltungsstelle eingeleitet. Die Haushaltsabteilung prüft anschließend das Vorliegen der Zulässigkeitsvoraussetzungen und dokumentiert die Entscheidung in den Haushaltsunterlagen. Über die genehmigten überplanmäßigen Ausgaben ist dem Parlament regelmäßig Bericht zu erstatten, häufig in Form von Haushaltsübersichten oder Rechnungserlassen.

Abgrenzung zu außerplanmäßigen Ausgaben

Der Unterschied zwischen über- und außerplanmäßigen Ausgaben besteht darin, dass bei überplanmäßigen Ausgaben ein Haushaltstitel zwar vorhanden ist, die veranschlagte Summe aber überschritten wird. Bei außerplanmäßigen Ausgaben hingegen existiert kein entsprechender Titel, sodass eine noch weitergehende haushaltsrechtliche Ausnahme gegeben ist und eine besonders strikte Prüfung verlangt wird.

Sanktionen bei Verstößen

Die Beachtung der haushaltsrechtlichen Vorschriften ist für die Ordnungsmäßigkeit der Haushaltsführung essenziell. Verstöße gegen das Genehmigungserfordernis überplanmäßiger Ausgaben können sowohl beamtenrechtliche als auch haushaltsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Je nach Bundes- oder Landesrecht können fiskalische Sanktionen, disziplinarische Maßnahmen oder haushaltsrechtliche Anordnungen zur Folge haben.

Typische Praxisfälle

Überplanmäßige Ausgaben treten beispielsweise infolge von Naturkatastrophen, plötzlichen Gefahrenlagen, unvorhergesehenen Kostensteigerungen bei Großprojekten oder zwingend erforderlichen Rechtsansprüchen Dritter auf, sofern diese nicht im Voraus angemessen eingeplant werden konnten.

Zusammenspiel mit anderen haushaltsrechtlichen Instrumenten

Nachtragshaushalt vs. überplanmäßige Ausgabe

Während der Nachtragshaushalt eine umfassende Nachsteuerung des gesamten Haushaltsplans, meist bei größeren Abweichungen, ermöglicht, bietet die überplanmäßige Ausgabe ein Instrument zur kurzfristigen und punktuellen Reaktion auf Einzelereignisse ohne den Umweg über ein formelles Gesetzgebungsverfahren.

Deckungsvermerke und Einnahmeüberschüsse

Zunehmend werden zur Flexibilisierung der Haushaltsbewirtschaftung sogenannte Deckungsvermerke genutzt. Sie erlauben die Verwendung von Ansätzen anderer Titel zur Deckung überplanmäßiger Ausgabebedarfe, ohne dass ein formaler Haushaltsverstoß vorliegt, sofern die Deckung im Gesetz zugelassen ist.

Kontrolle und Transparenz

Die Genehmigung und Durchführung überplanmäßiger Ausgaben unterliegt der Nachprüfung durch die jeweiligen Rechnungshöfe (z. B. Bundesrechnungshof, Landesrechnungshöfe), die die Einhaltung der haushaltsrechtlichen Vorgaben wachen. Hiervon unberührt bleibt die politische Kontrollfunktion des Parlaments, das im Rahmen der Haushaltskontrolle regelmäßig Bericht erhält.

Literaturhinweise und weiterführende Regelwerke

  • Bundeshaushaltsordnung (BHO)
  • Landeshaushaltsordnungen (LHO) der Bundesländer
  • einschlägige Erlasse des Bundesministeriums der Finanzen bzw. der Landesfinanzministerien
  • Kommentierungen zum Haushaltsrecht, beispielsweise im „Handbuch der Haushaltswirtschaft“ oder „Kommentar zur Bundeshaushaltsordnung“

Überplanmäßige Ausgaben sind ein notwendig begrenztes, aber dennoch wesentliches Instrument einer funktionsfähigen und zugleich flexiblen Haushaltsbewirtschaftung, das einen Ausgleich zwischen Planungsbindung und Handlungserfordernissen herstellt. Sie stehen im Spannungsfeld zwischen Budgetdisziplin, parlamentarischer Kontrolle und staatlicher Handlungsfähigkeit.

Häufig gestellte Fragen

In welchen Fällen sind überplanmäßige Ausgaben nach deutschem Haushaltsrecht zulässig?

Überplanmäßige Ausgaben sind nach deutschem Haushaltsrecht grundsätzlich nur dann zulässig, wenn sie unabweisbar sind und entweder eine gesetzliche Verpflichtung besteht oder der Haushaltsplan sie nicht oder nicht in ausreichender Höhe vorsieht (§ 37 Bundeshaushaltsordnung – BHO, bzw. entsprechende Regelungen in Landeshaushaltsordnungen). Die Unabweisbarkeit ist streng auszulegen: Es darf weder auf die Erledigung verzichtet noch auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden können. Zudem müssen vor Bewilligung überplanmäßiger Ausgaben mögliche Deckungsmöglichkeiten innerhalb des Haushalts geprüft werden. Erst wenn geklärt ist, dass keine andere Finanzierung möglich ist, können überplanmäßige Ausgaben rechtmäßig werden. In der Regel ist dafür die vorherige Zustimmung des Finanzministeriums (bzw. zuständigen Ministeriums) und die Information des Parlaments notwendig, um das parlamentarische Budgetrecht zu wahren.

Welche rechtlichen Verfahren und Genehmigungen sind für überplanmäßige Ausgaben erforderlich?

Das Verfahren zur Genehmigung überplanmäßiger Ausgaben ist streng reglementiert. Zunächst muss die dienstliche Notwendigkeit und rechtliche Zulässigkeit durch die jeweilige Verwaltung festgestellt und begründet werden. Nach Prüfung auf Unabweisbarkeit und Alternativen erfolgt die Beantragung beim zuständigen Finanzministerium. Dieses prüft die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen und trifft die Entscheidung über die erforderliche Genehmigung. Zusätzlich ist nach § 37 Abs. 4 BHO in begründeten Fällen die Mitteilung an den Bundestag vorgeschrieben. In einzelnen Fällen kann auch die Zustimmung des Haushaltsausschusses erforderlich sein, insbesondere bei größeren Summen oder politisch bedeutsamen Vorhaben.

Wie werden überplanmäßige Ausgaben haushaltsrechtlich dokumentiert und kontrolliert?

Überplanmäßige Ausgaben müssen sowohl in der Haushaltsführung als auch in der Haushaltsrechnung gesondert dokumentiert werden. Sie werden in der Buchführung als eigenständige Buchungsfälle mit entsprechenden Vermerken (z.B. „überplanmäßig genehmigt“) kenntlich gemacht. Jede erteilte Genehmigung ist aktenkundig zu machen und in den Haushaltsunterlagen festzuhalten. Im Rahmen der Haushaltsrechnung ist über Art, Höhe und Anlass überplanmäßiger Ausgaben detailliert zu berichten. Die Rechnungshöfe des Bundes und der Länder kontrollieren im Rahmen ihrer Prüfungsrechte die Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit dieser Ausgaben nachträglich und können Beanstandungen aussprechen.

Welche Bedeutung hat das parlamentarische Budgetrecht bei überplanmäßigen Ausgaben?

Das parlamentarische Budgetrecht ist ein zentrales Kontrollinstrument über die Verwendung öffentlicher Mittel und darf durch überplanmäßige Ausgaben nicht umgangen werden. Deshalb sieht das Haushaltsrecht vor, dass der Haushaltsgesetzgeber – in der Regel der Bundestag bzw. die Landtage – entweder direkt in die Genehmigung einbezogen wird oder zumindest umgehend zu informieren ist. Überplanmäßige Ausgaben dürfen nicht zum Regelfall werden, da sie eine Ausnahme von der vom Parlament beschlossenen Haushaltsführung darstellen. Eine fortlaufende oder systematische Überschreitung des Haushaltsplans ohne parlamentarische Kenntnisnahme oder Zustimmung würde das Budgetrecht verletzen und kann als rechtswidrig beurteilt werden.

Welche Konsequenzen drohen bei rechtswidrigen überplanmäßigen Ausgaben?

Werden überplanmäßige Ausgaben ohne die erforderliche haushaltsrechtliche Genehmigung oder entgegen den gesetzlichen Bestimmungen vorgenommen, liegt ein Haushaltsverstoß vor. Dies kann sowohl disziplinarrechtliche als auch strafrechtliche Konsequenzen für die verantwortlichen Amtsträger nach sich ziehen, insbesondere im Zusammenhang mit dem Haushaltsgrundsätzegesetz, den einschlägigen Haushaltsordnungen und den Straftatbeständen des Haushaltsuntreue (§ 266 StGB) oder der Haushaltsuntreue im Amt (§ 348 StGB). Außerdem können solche Verstöße durch Rechnungshöfe beanstandet werden und negative Auswirkungen auf die künftige Haushaltsbewilligung und das Vertrauen in die Haushaltsführung haben.

Gibt es besondere Vorschriften für Eilfälle?

Für Eilfälle enthält das Haushaltsrecht Sonderregelungen, nach denen – sofern eine sofortige Entscheidung unabweisbar ist – auch eine Vorabgenehmigung telefonisch oder per elektronischer Kommunikation eingeholt werden kann. Die haushaltsrechtliche Nachgenehmigung und ordnungsgemäße Dokumentation müssen jedoch schnellstmöglich nachgeholt werden. Diese Möglichkeit darf nicht dazu missbraucht werden, dauerhaft die haushaltsrechtlichen Verfahren zu umgehen; sie dient ausschließlich echten Notfällen, in denen ein sonstiger Schaden für den Staat eintreten würde.

Wie unterscheiden sich überplanmäßige Ausgaben von außerplanmäßigen Ausgaben?

Während überplanmäßige Ausgaben solche sind, die einen bestehenden Haushaltsansatz überschreiten, beziehen sich außerplanmäßige Ausgaben auf Fälle, bei denen im Haushaltsplan gar kein Ansatz vorgesehen ist. Während beide Arten von Ausgaben im Kern einer erhöhten Rechtfertigung und besonderen Genehmigungs- sowie Dokumentationspflichten unterliegen, müssen außerplanmäßige Ausgaben zusätzlich regelmäßig eine Änderung des Haushalts durch einen Nachtragshaushalt oder eine spezielle parlamentarische Billigung erfahren. Der rechtliche Prüfungsmaßstab hinsichtlich Unabweisbarkeit und Zweckbindung ist in beiden Fällen besonders streng.