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Überörtliche Sozialhilfeträger


Begriff und Einordnung der Überörtlichen Sozialhilfeträger

Überörtliche Sozialhilfeträger sind Einrichtungen der öffentlichen Verwaltung in Deutschland, die auf Landesebene spezifische Aufgaben der Sozialhilfe wahrnehmen. Sie agieren als Institutionen im Rahmen des Sozialgesetzbuches (SGB), insbesondere des SGB XII, und ergänzen die Arbeit der örtlichen Sozialhilfeträger. Die Aktivitäten und Kompetenzen der überörtlichen Sozialhilfeträger sind rechtlich detailliert geregelt und betreffen sowohl die Verwaltung als auch die Finanzierung und Durchführung bestimmter Aspekte der Sozialhilfe.

Definition

Der Begriff „überörtliche Sozialhilfeträger“ bezeichnet Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts, die auf Landesebene oder in Abstimmung mehrerer Kommunen für die Wahrnehmung überregionaler Aufgaben der Sozialhilfe zuständig sind. Während die örtlichen Sozialhilfeträger (meist Kreise und kreisfreie Städte) die Grundsicherung und sonstige Leistungen auf kommunaler Ebene organisieren, betreuen überörtliche Sozialhilfeträger diejenigen Aufgaben, die aufgrund ihres Umfangs, ihrer Spezialisierung oder Effizienz landesweit koordiniert werden sollen.

Gesetzliche Grundlage und Funktion

Die rechtliche Grundlage für die Einrichtung und die Aufgaben überörtlicher Sozialhilfeträger findet sich im SGB XII sowie in Landesausführungsgesetzen. Das Sozialgesetzbuch XII differenziert zwischen örtlichen und überörtlichen Trägern und weist ihnen spezifische Befugnisse zu.

Sozialgesetzbuch (SGB) XII

Gemäß § 3 SGB XII sind die Träger der Sozialhilfe:

  • örtliche Träger (in der Regel die Kreise und kreisfreien Städte)
  • überörtliche Träger (durch Landesrecht bestimmt)

Das Gesetz sieht vor, dass durch Landesrecht bestimmt werden kann, welche Aufgaben auf überörtliche Träger übertragen werden. In vielen Bundesländern übernehmen diese beispielsweise die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen sowie Hilfen für Blinde oder besondere Einzelfallprüfungen.

Landesrechtliche Regelungen

Die konkrete Gestalt und die Aufgabenzuweisung der überörtlichen Sozialhilfeträger richtet sich nach den Landesausführungsgesetzen zum SGB XII. Hier werden Zuständigkeiten, Organisationsformen und damit verbundene Verwaltungsstrukturen verbindlich geregelt. In einzelnen Ländern bestehen Landeswohlfahrtsverbände, Landesämter für Soziales oder Integrationsämter als überörtliche Sozialhilfeträger.

Kooperation und Aufgabenteilung

Die Aufgabenverteilung zwischen örtlichen und überörtlichen Sozialhilfeträgern ist abgestuft. Während die örtlichen Träger für laufende Leistungen der Sozialhilfe und persönliche Hilfe in Alltagsangelegenheiten zuständig sind, ergänzen die überörtlichen Träger dies durch spezielle Leistungen und koordinierende Rollen.

Aufgaben und Zuständigkeitsbereiche

Überörtliche Sozialhilfeträger tragen Verantwortung in verschiedenen, insbesondere komplexeren oder landesweit bedeutsamen Fragen der Sozialhilfe.

Eingliederungshilfe und spezialisierte Leistungen

Ein zentrales Tätigkeitsfeld ist die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen (§ 94 SGB IX), wobei die überörtlichen Träger die Planung und Organisation überregionaler Angebote und Einrichtungen übernehmen. Ebenso sind sie häufig Träger von Einrichtungen der stationären Behindertenhilfe oder ermöglichen überregionale integrative Angebote.

Blindenhilfe und Sonderleistungen

Bestimmte spezialisierte Hilfen, wie die Blindenhilfe (§ 72 SGB XII), werden ebenfalls in vielen Bundesländern zentral durch die überörtlichen Sozialhilfeträger erbracht, da deren Organisation besondere Fachkenntnisse und eine zentrale administrative Behandlung erfordern.

Fachliche Unterstützung und Steuerung

Überörtliche Sozialhilfeträger nehmen auch Aufgaben im Bereich der Qualitätsentwicklung, der Beratung und der Koordination zwischen regionalen Akteuren wahr. Zu ihren Aufgaben gehört die Entwicklung landesweiter Standards, die Durchführung von Prüfverfahren sowie die Finanzierung und Förderung innovativer sozialer Projekte.

Organisation und Struktur

Die Organisation überörtlicher Sozialhilfeträger ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich und orientiert sich an regionalen Verwaltungstraditionen und Bedarfen.

Rechtsform und Organe

Überörtliche Sozialhilfeträger werden typischerweise als Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts geführt. Die Organe werden durch Landesgesetze geregelt und sind mit Entscheidungskompetenzen in fachlichen und administrativen Fragen ausgestattet.

Beispiele für überörtliche Sozialhilfeträger in Deutschland

  • Baden-Württemberg: Landeswohlfahrtsverband Baden
  • Hessen: Landeswohlfahrtsverband Hessen (LWV Hessen)
  • Nordrhein-Westfalen: Landschaftsverbände Rheinland (LVR) und Westfalen-Lippe (LWL)
  • Sachsen: Kommunaler Sozialverband Sachsen

Jedes Bundesland regelt die Ausgestaltung seiner überörtlichen Sozialhilfeträger individuell, weshalb regionale Unterschiede in Zuständigkeit und Aufgabenverteilung möglich sind.

Rechtliche Kontrolle und Aufsicht

Überörtliche Sozialhilfeträger unterliegen der Rechtsaufsicht durch das jeweilige Bundesland. Die Kontrolle erfolgt durch die zuständigen Landesministerien, in der Regel das Ministerium für Soziales oder das Innenministerium, welches die Beachtung der gesetzlichen und haushaltsrechtlichen Bestimmungen überwacht.

Widerspruchs- und Klageverfahren

Entscheidungen der überörtlichen Sozialhilfeträger können durch die Betroffenen mittels Widerspruchs und anschließender Klage vor dem Sozialgericht überprüft werden. Damit gelten die allgemeinen Rechtsbehelfe aus der Verwaltungsgerichtsordnung und den Vorschriften des Sozialgesetzbuchs.

Finanzierung

Die Finanzierung überörtlicher Sozialhilfeträger wird im Wesentlichen über Umlagen der Landkreise, Pflichtbeiträge der Kommunen oder direkt durch das jeweilige Bundesland sichergestellt. Einzelheiten zur Mittelherkunft und Mittelverwendung regeln jeweils die Landesgesetze sowie die Haushaltsordnungen der Träger.

Reformen und aktuelle Entwicklungen

Mit der Reform des Bundesteilhabegesetzes und der Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe (§ 94 SGB IX) hat sich die Rolle der überörtlichen Sozialhilfeträger in den vergangenen Jahren verändert. Die Aufgabenverteilung wird fortlaufend angepasst, um den Bedarfen der Leistungsberechtigten und Entwicklungen im Sozialrecht gerecht zu werden.

Bedeutung im deutschen Sozialhilfesystem

Überörtliche Sozialhilfeträger bilden aufgrund ihrer Fachkenntnis und landesweiten Zuständigkeit ein wesentliches Element der Sozialhilfestruktur in Deutschland. Sie tragen maßgeblich zur Sicherstellung spezialisierter und komplexer sozialer Hilfen bei, entlasten die örtlichen Träger und fördern die landesweite Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse.


Quellen:

  • Sozialgesetzbuch (SGB) XII – Sozialhilfe
  • Sozialgesetzbuch (SGB) IX – Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen
  • Landesausführungsgesetze zum SGB XII (jeweilige Bundesländer)
  • Offizielle Webseiten der Landeswohlfahrtsverbände und Landschaftsverbände

Diese ausführliche Darstellung bietet eine umfassende Übersicht und vertiefte Informationen zum Begriff „Überörtliche Sozialhilfeträger“ im deutschen Sozialrecht, deren rechtliche Grundlagen, Aufgaben und administrative Besonderheiten.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Grundlagen regeln die Zuständigkeit überörtlicher Sozialhilfeträger?

Die Zuständigkeit überörtlicher Sozialhilfeträger wird in Deutschland insbesondere durch das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) festgelegt. Nach §§ 94 ff. SGB XII sind die Aufgaben der Sozialhilfe grundsätzlich auf örtliche und überörtliche Träger verteilt. Überörtliche Träger nehmen landesweit übergeordnete Aufgaben wahr, deren Wahrnehmung durch die örtlichen Träger nicht sachgerecht oder nicht möglich ist. Die genaue Abgrenzung, welche Aufgaben den überörtlichen Trägern zufallen, ist Ländersache und wird durch die jeweiligen Ausführungsgesetze der Bundesländer (z.B. Landesausführungsgesetz zum SGB XII) konkretisiert. Oftmals sind dies Aufgaben mit landesweit erheblicher Bedeutung, wie zum Beispiel die Hilfe für behinderte Menschen oder Hilfen in besonderen Einzelfällen, die sehr aufwendig oder teuer sind. Daneben ist das Sozialverwaltungsverfahren durch die Vorschriften des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) standardisiert geregelt.

Wie ist das Verhältnis zwischen örtlichen und überörtlichen Sozialhilfeträgern rechtlich gestaltet?

Das Verhältnis zwischen örtlichen und überörtlichen Trägern ist rechtlich als Aufgabenteilung konzipiert. Grundsätzlich sind gemäß § 97 SGB XII die Landkreise und kreisfreien Städte örtliche Träger der Sozialhilfe, während überörtliche Träger meistens die jeweiligen Landeswohlfahrtsverbände oder vergleichbare Einrichtungen sind. Die örtlichen Träger sind für die Durchführung der laufenden Sozialleistungsfälle zuständig. Überörtliche Träger nehmen ergänzend Aufgaben wahr, die ihnen durch Landesrecht zugewiesen werden und häufig spezielle oder besonders aufwändige Sozialhilfemaßnahmen betreffen. Rechtsgrundlage für die Aufgabenübertragung und Zusammenarbeit liefert neben dem SGB XII das jeweilige Landesausführungsgesetz, das Aufgaben, Zuständigkeiten und gegebenenfalls auch Aufsichtsrechte regelt.

Welche Rechtsmittel stehen hilfesuchenden Personen gegenüber Entscheidungen überörtlicher Sozialhilfeträger zur Verfügung?

Gegen Verwaltungsakte eines überörtlichen Sozialhilfeträgers können sich Betroffene mit dem förmlichen Widerspruch gemäß §§ 78 ff. SGG (Sozialgerichtsgesetz) zur Wehr setzen. Wird dem Widerspruch nicht abgeholfen, besteht die Möglichkeit, Klage vor dem Sozialgericht zu erheben (§ 54 SGG). Dabei gelten dieselben Vorschriften wie für alle anderen Sozialleistungsträger: Das sozialgerichtliche Verfahren ist prinzipiell kostenfrei, und die Betroffenen haben Anspruch auf rechtliches Gehör sowie Akteneinsicht (§ 25 SGB X). Besonderheiten ergeben sich aus der jeweils anwendbaren landesrechtlichen Ausgestaltung der Trägerschaft, da darunter auch interne Schlichtungsverfahren vorgesehen sein können.

In welchen Fällen übernehmen überörtliche Sozialhilfeträger die Kosten für Sozialleistungen?

Überörtliche Sozialhilfeträger übernehmen in erster Linie Kosten für Maßnahmen, die einen außergewöhnlichen finanziellen Umfang haben oder besondere Fachkenntnisse erfordern, zum Beispiel bei bestimmten Angeboten der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen, stationären Hilfen oder für Hilfen außerhalb des üblichen Einzugsbereichs der örtlichen Träger. Grundlage hierfür ist der rechtlich definierte Aufgabenkatalog gemäß Landesausführungsgesetz zum SGB XII, der die Kostenträgerschaft explizit benennt. Darüber hinaus können sie als „Auffangträger“ einspringen, wenn bei unklaren Zuständigkeiten ein schnelles Tätigwerden erforderlich ist, um den Sozialhilfebedarf zu decken (sogenannte Eilzuständigkeit nach § 98 Abs. 2 SGB XII).

Können überörtliche Sozialhilfeträger Weisungen an örtliche Träger erteilen?

Überörtliche Sozialhilfeträger sind in der Regel keine Weisungsbehörden gegenüber den örtlichen Trägern, sondern agieren eigenständig innerhalb des ihnen übertragenen Aufgabenbereichs. Ein Weisungsrecht besteht regelmäßig nur insoweit, wie es das jeweilige Landesausführungsgesetz bestimmt. In den meisten Bundesländern ist daher eine klare Aufgaben- und Verantwortungstrennung vorgesehen; lediglich in Ausnahmekonstellationen – vor allem bei fachaufsichtlichen oder koordinierenden Funktionen – können überörtliche Träger aufsichtsrechtliche Anweisungen erteilen, meist aber nicht in das eigentliche Verwaltungshandeln der örtlichen Ebene hineininstruieren.

Welche Kontroll- und Aufsichtsrechte bestehen gegenüber überörtlichen Sozialhilfeträgern?

Überörtliche Sozialhilfeträger unterliegen der Rechtsaufsicht durch das jeweils zuständige Landesministerium (zumeist das Sozialministerium). Dabei wird überprüft, ob das Verwaltungshandeln mit geltendem Recht und den allgemeinen Verwaltungsvorschriften in Einklang steht. Die Fachaufsicht, bei der auch die Zweckmäßigkeit und Angemessenheit des Handelns bewertet würde, ist jedoch vielfach eingeschränkt und greift nur bei bestimmten Angelegenheiten. Die Einzelheiten hierzu regelt das Landesausführungsgesetz; ferner gelten die allgemeinen Vorschriften für die Verwaltungskontrolle des öffentlichen Rechts, zum Beispiel hinsichtlich der Rechnungsprüfung oder Jahresabschlusserstellung.