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Übernahme einer Schuld


Begriff und rechtliche Einordnung der Übernahme einer Schuld

Die Übernahme einer Schuld stellt im deutschen Schuldrecht eine zentrale Möglichkeit dar, eine bestehende Verpflichtung durch eine andere Person als den ursprünglichen Schuldner ganz oder teilweise erfüllen zu lassen. Sie ist eine Form der Schuldverpflichtung, bei der eine dritte Person die Verpflichtung zur Leistung entweder zusätzlich oder anstelle des bisherigen Schuldners übernimmt. Maßgeblich geregelt ist sie im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) und umfasst verschiedene Erscheinungsformen sowie zahlreiche rechtliche Implikationen hinsichtlich der Wirkungen und des Verhältnisses zwischen den Beteiligten.


Rechtsgrundlagen und Arten der Schuldübernahme

Gesetzliche Grundlage

Die gesetzliche Grundlage für die Übernahme einer Schuld findet sich insbesondere in den §§ 414 ff. BGB. Sie unterscheidet sich grundlegend von anderen schuldrechtlichen Verfügungen wie Abtretung oder Schuldbeitritt und ist in ihren Voraussetzungen und Rechtsfolgen ausführlich geregelt.

Schuldübernahme und Schuldbeitritt

Es werden vor allem zwei zentrale Formen unterschieden:

1. Vertragliche Schuldübernahme (§§ 414-415 BGB)

Bei der vertraglichen Schuldübernahme wird zwischen zwei Arten unterschieden:

  • Befreiende Schuldübernahme (§ 414 BGB): Hierbei übernimmt der Dritte die Schuld und löst damit den bisherigen Schuldner aus dem Schuldverhältnis. Voraussetzung ist die ausdrückliche Einigung zwischen Gläubiger und Übernehmer; der bisherige Schuldner muss der Entlassung zustimmen oder der Gläubiger muss sich hierzu verpflichten.
  • Schuldübernahme durch Vertrag zugunsten Dritter (§ 415 BGB): Ein Dritter kann im Wege eines Vertrags zu Gunsten des Gläubigers verpflichtet werden. Ist diese Verpflichtung zwischen dem bisherigen Schuldner und dem Übernehmer vereinbart, benötigt der Gläubiger für die Wirksamkeit noch die Zustimmung zur Übernahme.

2. Schuldbeitritt (kumulative Schuldübernahme)

Der Schuldbeitritt ist keine klassische Schuldübernahme, sondern eine Erweiterung des Schuldnerkreises. Der Beitretende übernimmt die Schuld zusätzlich zum bisherigen Schuldner und wird gemeinsam mit diesem zur Erfüllung verpflichtet (Gesamtschuld). Dies ist häufig bei Bürgschaften oder Sicherheiten anzutreffen.


Wirksamkeitsvoraussetzungen der Schuldübernahme

Für die Wirksamkeit der Schuldübernahme müssen bestimmte formale und materielle Voraussetzungen erfüllt sein:

Einigung mit dem Gläubiger

Eine wirksame Übernahme liegt erst vor, wenn eine Einigung zwischen dem Gläubiger und dem Übernehmer erfolgt ist. Diese Einigung ist ein schuldrechtlicher Vertrag, für den grundsätzlich keine besondere Form vorgeschrieben ist, sofern das zugrundeliegende Schuldverhältnis keine Formbedürftigkeit vorsieht (z. B. bei Grundstückskaufverträgen).

Zustimmung des bisherigen Schuldners

In der Regel ist für die Schuldübernahme die Zustimmung des bisherigen Schuldners erforderlich, wenn dieser aus dem Schuldverhältnis entlassen werden soll. Die Zustimmung kann grundsätzlich auch nachträglich erteilt werden.

Schriftform bei bestimmten Schuldverhältnissen

Ist das zu übernehmende Schuldverhältnis formbedürftig (z. B. bei Verbraucherdarlehen oder Immobiliengeschäften), muss auch die Schuldübernahme diese Form einhalten.


Rechtsfolgen der Schuldübernahme

Die Übernahme einer Schuld hat weitreichende rechtliche Konsequenzen für alle Beteiligten des Schuldverhältnisses:

Wechsel des Schuldners

Im Falle der befreienden Schuldübernahme wird der bisherige Schuldner aus dem Schuldverhältnis entlassen. Der Gläubiger kann die Leistung nun ausschließlich vom neuen Schuldner verlangen.

Haftung und Einreden

Der Übernehmer übernimmt grundsätzlich sämtliche Rechte und Pflichten des ursprünglichen Schuldners. Dazu gehören sowohl Einwendungen und Einreden aus dem ursprünglichen Schuldverhältnis als auch solche, die ihm selbst zustehen können.

Sicherheiten und Nebenrechte

Gemäß § 415 Abs. 1 Satz 2 BGB gehen insbesondere bestehende Sicherungsrechte – wie Bürgschaften, Hypotheken und Pfandrechte – grundsätzlich mit auf den Übernehmer über, sofern nicht vertraglich etwas anderes vereinbart wurde. Ist die Schuldübernahme nicht ausdrücklich mit der Übertragung der Sicherheiten verbunden, besteht das Risiko, dass der Gläubiger auf Sicherheiten aus dem Verhältnis zum bisherigen Schuldner verzichten muss.


Abgrenzung zu anderen Vertragstypen

Die Übernahme einer Schuld ist von ähnlichen Konstruktionen zu unterscheiden:

Abtretung (Zession)

Im Gegensatz zur Schuldübernahme, bei der die Person des Schuldners wechselt, wird bei der Abtretung lediglich die Forderung (Gläubigerstellung) auf einen Dritten übertragen.

Vertrag zugunsten Dritter

Beim Vertrag zugunsten Dritter wird der Dritte Gläubiger, bei der Schuldübernahme hingegen Schuldner. Die Rechtsfolgen und Anforderungen unterscheiden sich grundlegend.

Bürgschaft

Bei der Bürgschaft übernimmt ein Dritter die Verpflichtung, für die Erfüllung der Schuld einzustehen, falls der Hauptschuldner nicht leistet. Im Unterschied zum Schuldbeitritt besteht die Haftung des Bürgen nur subsidiär.


Rückgriffsrechte und Regress des neuen Schuldners

Nach einer wirksamen Schuldübernahme steht dem neuen Schuldner, der die Schuld erfüllt hat, in der Regel ein Rückgriffsrecht gegen den ursprünglichen Schuldner zu, sofern die Übernahme im Rahmen eines gesetzlichen Schuldnerschaftswechsels oder auf dessen Veranlassung erfolgt ist (interner Ausgleichsanspruch).


Bedeutung in der Praxis und Anwendungsbereiche

Die Übernahme einer Schuld findet zahlreiche praktische Anwendungsfälle. Sie tritt insbesondere in folgenden Situationen auf:

  • Im Rahmen von Unternehmensübertragungen oder Umwandlungen zur Übernahme von Verbindlichkeiten
  • Bei der Umschuldung oder Kreditablösung im Bankenbereich
  • Bei der Nachfolgeregelung in Erbengemeinschaften oder bei Scheidungen zur Übernahme gemeinsamer Darlehen

Gerade im Wirtschaftsleben ermöglicht die Schuldübernahme eine flexible Anpassung von Verträgen und Verbindlichkeiten an wechselnde wirtschaftliche Verhältnisse.


Fazit

Die Übernahme einer Schuld ist ein komplexes, aber äußerst flexibles Instrument des deutschen Schuldrechts. Sie ermöglicht einen Wechsel des Schuldners im bestehenden Schuldverhältnis unter Wahrung der Interessen aller Beteiligten und unterliegt detaillierten gesetzlichen Vorgaben. Die Abgrenzung zu verwandten Rechtsinstituten wie Bürgschaft, Schuldbeitritt oder Abtretung ist dabei essenziell. Die exakte Kenntnis der rechtlichen Voraussetzungen und Folgen ist für die Gestaltung und Abwicklung solcher Verträge von zentraler Bedeutung.


Quellen und weiterführende Literatur:

  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), § 414 ff.
  • Palandt, BGB-Kommentar
  • Brox/Walker, Schuldrecht Allgemeiner Teil
  • Münchener Kommentar zum BGB

Häufig gestellte Fragen

Welche Voraussetzungen müssen für eine wirksame Schuldübernahme vorliegen?

Für eine wirksame Schuldübernahme müssen nach deutschem Recht mehrere Voraussetzungen erfüllt sein. Zunächst bedarf es eines wirksamen Vertrags zwischen dem Schuldübernehmer und dem Gläubiger (bei der sogenannten „befreienden Schuldübernahme“ gemäß § 414 BGB) oder zwischen dem Schuldübernehmer und dem Schuldner (bei der „schuldrechtlichen Schuldübernahme“). Weiterhin ist die Zustimmung des Gläubigers erforderlich, da dieser letztlich entscheidet, ob er den neuen Schuldner akzeptieren möchte und den bisherigen Schuldner aus der Verantwortung entlässt. Die Erklärung der Übernahme muss eindeutig und bestimmt sein und den übernommenen Schuldgegenstand klar umreißen. Darüber hinaus dürfen keine gesetzlichen Verbote entgegenstehen, beispielsweise wenn der zu übernehmende Vertrag nicht übertragbar ist oder eine persönliche Bindung an den ursprünglichen Schuldner wesentliche Vertragsgrundlage war. Formvorschriften bestehen grundsätzlich nicht, es sei denn, das zugrundeliegende Schuldverhältnis verlangt eine bestimmte Form, wie etwa bei Grundstückskaufverträgen.

Welche rechtlichen Wirkungen hat eine Schuldübernahme auf den ursprünglichen Schuldner?

Mit der erfolgten und vom Gläubiger akzeptierten (befreienden) Schuldübernahme tritt der neue Schuldner an die Stelle des bisherigen Schuldners. Der frühere Schuldner wird gemäß § 415 BGB von seiner Verpflichtung gegenüber dem Gläubiger vollständig befreit und ist nicht mehr zur Leistung verpflichtet. Alle Einwendungen, die dem bisherigen Schuldner gegen den Gläubiger zustanden, gehen grundsätzlich auf den neuen Schuldner über, es sei denn, diese sind ausschließlich an die Person des ursprünglichen Schuldners gebunden. Im Falle einer kumulativen Schuldübernahme, bei der ein weiterer Schuldner hinzutritt, bleibt jedoch der ursprüngliche Schuldner ebenfalls verpflichtet und der Gläubiger kann beide in Anspruch nehmen.

Kann der Gläubiger Sicherheiten, die ihm vom bisherigen Schuldner oder einem Dritten bestellt wurden, weiterhin in Anspruch nehmen?

Die Frage, inwieweit Sicherheiten bestehen bleiben, nachdem eine Schuldübernahme stattgefunden hat, ist im Gesetz ausdrücklich geregelt. Nach § 418 BGB erstreckt sich die Schuldübernahme im Zweifel nicht auf Sicherheiten, die von einem Dritten gestellt wurden, es sei denn, dieser stimmt der Übernahme ausdrücklich zu. Sicherheiten, die der bisherige Schuldner persönlich bestellt hat (z.B. eine Grundschuld auf ein eigenes Grundstück), können unter Umständen auf den neuen Schuldner übergehen, sofern dies nicht ausgeschlossen wurde. Die Regelungen dienen dem Schutz von Bürgen und anderen Sicherungsgebern, die nicht gegen ihren Willen mit einem neuen, ihnen möglicherweise weniger vertrauenswürdigen Schuldner konfrontiert werden sollen.

Welche Bedeutung hat die Zustimmung des Gläubigers im Rahmen der Schuldübernahme?

Die Zustimmung des Gläubigers ist ein zwingendes Tatbestandsmerkmal für die Wirksamkeit der Schuldübernahme im Sinne des deutschen Rechts. Ohne ausdrückliche oder zumindest konkludente (also aus schlüssigem Verhalten abgeleitete) Zustimmung des Gläubigers kommt keine rechtswirksame Schuldübernahme zustande und das ursprüngliche Schuldverhältnis bleibt unverändert bestehen. Die Zustimmung gewährleistet, dass der Gläubiger nicht gegen seinen Willen mit einem neuen Vertragspartner auskommen muss, der möglicherweise ein abweichendes Risiko der Zahlungsunfähigkeit oder andere Nachteile für ihn birgt. Die Zustimmung kann gleichzeitig mit dem Vertrag zwischen Schuldner und Übernehmer oder auch nachträglich erklärt werden.

Wie grenzt sich die Schuldübernahme von der Schuldmitübernahme und der bloßen Verpflichtungserklärung (Schuldbeitritt) ab?

Die Schuldübernahme ist davon zu unterscheiden, dass sich bei der Schuldmitübernahme oder dem Schuldbeitritt ein weiterer Schuldner neben dem bisherigen verpflichtet, sodass der Gläubiger mehrere Schuldner in Haftung nehmen kann (meist als Gesamtschuldner gemäß § 421 BGB). Bei einer echten Schuldübernahme hingegen wird der bisherige Schuldner entlassen und nur noch der neue Schuldner ist verpflichtet. Der Schuldbeitritt stellt also eine zusätzliche Verpflichtungserklärung dar, keine Entlassung. Der Unterschied ist insbesondere für die Haftungsverteilung und die verbleibenden Sicherheiten relevant.

Welche Rolle spielen Einwendungen und Einreden im Rahmen der Schuldübernahme?

Mit der Schuldübernahme erwirbt der neue Schuldner grundsätzlich das Recht auf alle Einwendungen und Einreden, die dem alten Schuldner gegen den Gläubiger zugestanden hätten (z.B. Verjährung, Erfüllung, Anfechtung). Ausgenommen davon sind höchstpersönliche Einreden oder solche, die sich ausschließlich auf das Verhältnis zwischen dem ursprünglichen Schuldner und dem Gläubiger beziehen, beispielsweise Aufrechnung mit einer Forderung, die nur dem bisherigen Schuldner zusteht. Wurde ein Urkundsprozess geführt oder ein Titel geschaffen, kann der neue Schuldner nur noch eingeschränkt Einwendungen geltend machen.

Welche Formvorschriften müssen bei der Übernahme einer Schuld beachtet werden?

Nach deutschem Recht ist die Schuldübernahme prinzipiell formfrei möglich. Allerdings gelten Formvorschriften, wenn das dem Schuldverhältnis zugrundeliegende Geschäft seinerseits formbedürftig ist. So muss eine Schuldübernahme hinsichtlich einer Grundschuld notariell beurkundet werden, wenn sie Bestandteil eines notariellen Grundstückskaufvertrages ist. Auch die Übernahme öffentlicher Verbindlichkeiten kann besondere Formen verlangen. Fehlt die erforderliche Form, ist die Übernahme unwirksam, was sowohl den Schutz der Beteiligten als auch die Rechtssicherheit gewährleisten soll.