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Überholen im Straßenverkehr


Überholen im Straßenverkehr: Rechtliche Grundlagen und Vorschriften

Das Überholen im Straßenverkehr gehört zu den komplexesten und risikoreichsten Fahrmanövern und ist bundesweit durch detaillierte rechtliche Vorgaben geregelt. Der Begriff bezeichnet das Vorbeifahren an einem sich in der gleichen Richtung bewegenden oder verkehrsbedingt wartenden Fahrzeug auf einer Fahrbahn. Die gesetzlichen Regelungen dienen dabei vor allem der Verkehrssicherheit und der Vermeidung von Unfällen.

Definition und Abgrenzung des Überholvorgangs

Das Überholen ist in der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) umfassend geregelt. Nach § 5 Abs. 1 StVO ist Überholen das Vorbeifahren an einem Fahrzeug, das auf derselben Fahrbahn in derselben Richtung fährt oder verkehrsbedingt hält. Vom Überholen zu unterscheiden ist das Vorbeifahren an einem haltenden Fahrzeug, etwa an einem abgestellten Fahrzeug am Fahrbahnrand.

Besonderheiten

  • Überholen vs. Vorbeifahren: Beim Überholen bewegt sich das überholte Fahrzeug ebenfalls (Fahren oder Warten), beim Vorbeifahren steht das Fahrzeug meist dauerhaft still.
  • Einbahnstraßen und mehrspurige Fahrbahnen: Verkehrsspezifische Besonderheiten gelten auf Straßen mit mehreren Fahrstreifen oder Einbahnstraßen.

Rechtliche Voraussetzungen des Überholens

Allgemeine Voraussetzungen

Gemäß § 5 Abs. 1 StVO darf nur überholt werden, wenn es gefahrlos möglich ist. Das bedeutet insbesondere:

  • Ausreichende Sicht: Der Überholvorgang darf nur durchgeführt werden, wenn die Übersicht über die Verkehrslage und eine ausreichende Sichtweite gegeben ist.
  • Kein Behinderungs- und Gefährdungsverbot: Es darf weder eine Behinderung noch eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer erfolgen.
  • Freie Fahrbahn: Die Fahrbahn muss ausreichend frei sein, sodass das Überholen problemlos beenden werden kann.

Spezielle Überholverbote

Das Gesetz kennt eine Vielzahl von expliziten Überholverboten und Beschränkungen. Dazu zählen unter anderem:

  • Unübersichtliche Stellen: Überholen ist an unübersichtlichen Kurven, Kuppen oder kurz vor Fußgängerüberwegen verboten (§ 5 Abs. 3 Nr. 1 und 2 StVO).
  • Schienenfahrzeuge: Das Überholen rechts ist grundsätzlich nicht erlaubt, mit Ausnahmen für Straßenbahnen (§ 5 Abs. 7 StVO).
  • Überholverbotsschilder: Verkehrszeichen wie das Zeichen 276 oder 277 StVO verbieten das Überholen aller Kraftfahrzeuge oder speziell von Lastkraftwagen.

Pflichten und Verhaltensregeln beim Überholen

Überholabstände

Ein ausreichender Seitenabstand hat beim Überholen oberste Priorität. Nach der 2020 novellierten StVO gilt:

  • Radfahrer, Fußgänger, E-Scooter: Mindestens 1,5 Meter innerorts sowie 2 Meter außerorts.
  • Kraftfahrzeuge: Ein ausreichender Abstand, welcher einen Unfall ausschließt.

Überholvorgang und Wiedereinordnung

Der Überholende muss mit deutlich höherer Geschwindigkeit als der Überholte fahren. Die Wiedereinordnung muss so erfolgen, dass kein anderer Verkehrsteilnehmer gefährdet oder behindert wird.

Verbotenes Rechtsüberholen

Das Überholen ist grundsätzlich nur links gestattet. Rechtsüberholen ist ausschließlich in besonderen Situationen erlaubt, beispielsweise:

  • Bei Schienenfahrzeugen (§ 5 Abs. 7 StVO)
  • Bei der Fahrt auf bestimmten Fahrstreifen innerorts
  • Im dichtem Verkehr auf Autobahnen und Kraftfahrstraßen, wenn unterschiedliche Fahrstreifen für eine Richtung vorhanden sind

Besondere Konstellationen des Überholens

Überholen von Kolonnen

Bei Fahrzeugkolonnen gelten besondere Sorgfaltspflichten. Das Überholen ganzer Kolonnen ist zulässig, solange die Voraussetzungen nach § 5 StVO beachtet werden.

Überholen bei Gegenverkehr und auf Landstraßen

Auf Straßen ohne bauliche Trennung von Gegenfahrbahnen sind erhöhte Anforderungen zu beachten, insbesondere in Bezug auf Sicht und Verkehrsdichte.

Überholen von Schülertransporten und Bussen

Beim Vorbeifahren beziehungsweise Überholen an haltenden Bussen mit eingeschaltetem Warnblinklicht ist besondere Vorsicht geboten, oft muss mit Schrittgeschwindigkeit gefahren werden (§ 20 StVO).

Rechtsfolgen bei Verstößen gegen Überholvorschriften

Ordnungswidrigkeiten

Bei Verstößen gegen die Überholregeln drohen Bußgelder, Punkte in Flensburg und im Einzelfall Fahrverbote. Zu den typischen Ordnungswidrigkeiten zählen etwa:

  • Unzulässiges Überholen
  • Zu geringer Seitenabstand
  • Überholen trotz Überholverbotszeichen

Straftatbestände

Kommt es durch eine Überholaktion zu einer Gefährdung oder zu einem Unfall, können Straftatbestände wie Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c StGB) oder fahrlässige Körperverletzung (§ 229 StGB) erfüllt sein.

Besondere Bestimmungen für bestimmte Verkehrsteilnehmer

Überholen von Radfahrern, Elektrokleinstfahrzeugen und landwirtschaftlichen Fahrzeugen

Speziell beim Überholen dieser Verkehrsteilnehmer bestehen erhöhte Sorgfaltspflichten und teils abweichende Mindestabstände, da sie als besonders schutzbedürftig gelten.

Überholen im Zusammenhang mit Schwerlasttransporten und Sonderfahrzeugen

Auch für das Überholen von überbreiten oder langsam fahrenden Sonderfahrzeugen gelten besondere Vorsichtsmaßnahmen und gegebenenfalls weitere Überholbeschränkungen.

Relevanz für die Unfallverhütung und Haftungsverteilung

Die Einhaltung der Überholvorschriften ist ein essentieller Beitrag zur Vermeidung schwerer Verkehrsunfälle. Bei Unfällen im Zusammenhang mit dem Überholen ist oft von einer Mithaftung oder Alleinhaftung des Überholenden auszugehen, wenn Überholvorschriften verletzt wurden.

Zusammenfassung

Das Überholen im Straßenverkehr ist umfassend gesetzlich geregelt und stellt hohe Anforderungen an alle Beteiligten. Neben allgemeinen Voraussetzungen und speziellen Verboten sind insbesondere die Seitenabstände, die Sorgfaltspflicht und ein verantwortungsbewusstes Verhalten entscheidend für die Verkehrssicherheit und die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben. Verstöße gegen Überholvorschriften können erhebliche rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Wer sich über die geltenden Bestimmungen hinaus umsichtig verhält, trägt wesentlich zur Minimierung des Unfallrisikos bei.

Häufig gestellte Fragen

Wer darf im Straßenverkehr überholen und welche gesetzlichen Voraussetzungen müssen vorliegen?

Im deutschen Straßenverkehrsrecht ist das Überholen grundsätzlich allen Verkehrsteilnehmern erlaubt, sofern sie die notwendigen Voraussetzungen erfüllen. Gemäß § 5 der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) darf nur überholen, wer sicherstellen kann, dass während des gesamten Überholvorgangs niemand gefährdet oder behindert wird. Zu den gesetzlichen Voraussetzungen zählt, dass der Überholende wesentlich schneller als der zu Überholende fährt, ausreichend Platz zum Ein- und Ausscheren vorhanden ist und das Überholen zudem nicht durch Verkehrszeichen, Fahrbahnmarkierungen oder sonstige Verkehrseinrichtungen ausdrücklich untersagt ist. Auch die persönliche Fahreignung spielt eine Rolle: Überholmanöver sind beispielsweise Fahranfängern mit begleitendem Fahren nicht gestattet (§ 48a FeV). Besondere Sorgfalt ist bei Sichtbehinderungen, an Bahnübergängen oder bei unklarer Verkehrslage geboten. Verboten ist das Überholen weiterhin an unübersichtlichen Stellen wie Kuppen, engen Kurven oder vor Fußgängerüberwegen. Im Falle von Verstößen drohen empfindliche Bußgelder, Punkte in Flensburg sowie unter Umständen Fahrverbote.

Welche besonderen Regeln gelten beim Überholen innerorts und außerorts?

Die StVO unterscheidet beim Überholen zwischen innerörtlichen und außerörtlichen Straßen. Innerhalb geschlossener Ortschaften ist legendlich das Linksüberholen erlaubt, außer in Fällen, in denen das Rechtsüberholen explizit erlaubt wird, wie beispielsweise auf mehrspurigen Fahrbahnen oder wenn Fahrzeuge den linken Abbiegestreifen benutzen. Außerhalb geschlossener Ortschaften ist das Überholen grundsätzlich ebenfalls links vorzunehmen, es sei denn, durch Verkehrslage oder entsprechende Zeichen ist etwas anderes gestattet. Besonders streng sind die Regelungen für das Überholen an Haltestellen öffentlicher Verkehrsmittel oder in der Nähe von Schulen, wo Schrittgeschwindigkeit einzuhalten ist, sobald gefährdete Personen zu erwarten sind. Zusätzlich gelten außerorts höhere Anforderungen an die überblickbare Straßenlänge, um die Sicherheit des Überholvorgangs zu gewährleisten.

Welche rechtlichen Konsequenzen drohen bei unerlaubtem oder gefährlichem Überholen?

Unerlaubtes oder gefährliches Überholen stellt eine Ordnungswidrigkeit dar, die gemäß Bußgeldkatalog mit Geldbußen, Punkten im Fahreignungsregister sowie Fahrverboten geahndet werden kann. Die Höhe der Sanktionen ist abhängig von der Gefährdungslage: So kostet das Überholen trotz unklarer Verkehrslage mindestens 100 Euro und einen Punkt, bei Gefährdung oder Sachbeschädigung steigt dies auf bis zu 300 Euro, zwei Punkte und ein Monat Fahrverbot. Im Falle eines Unfalls mit Personenschaden kann aus dem Überholvorgang sogar eine Straftat (z.B. fahrlässige Körperverletzung oder Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315c StGB) resultieren. Die Rechtsprechung sieht dabei keine Toleranz für vorsätzliche oder grob fahrlässige Verstöße.

Wie ist das Überholen von rechts gesetzlich geregelt?

Das Überholen von rechts ist im deutschen Straßenverkehr grundsätzlich verboten und stellt eine erhebliche Verkehrsgefährdung dar. Ausnahmen bestehen lediglich auf mehrspurigen Fahrbahnen innerorts, im stockenden Verkehr bei bestimmtem Fahrstreifenwechsel, oder auf Autobahnen bei Fahrzeugschlangen und zähfließendem Verkehr, wenn die Geschwindigkeit der linken Fahrspur niedriger ist als die Ihrer Spur. Diese Ausnahmen sind im § 7 Abs. 2a StVO geregelt. Außerhalb dieser ausdrücklich genannten Ausnahmen führt ein rechtsseitiges Überholen zur Ahndung mit Bußgeld, Punkten sowie gegebenenfalls einem Fahrverbot. Für Kraftfahrer besteht zudem eine erhöhte Sorgfaltspflicht, da in Missachtung dieser Regelung regelmäßig Unfälle mit schwerwiegenden Folgen entstehen können.

Gibt es spezielle Vorschriften für das Überholen von Radfahrern oder Fußgängern?

Ja, das Überholen von Radfahrern und Fußgängern unterliegt nach § 5 Abs. 4 StVO besonderen gesetzlichen Schutzbestimmungen: Kraftfahrzeuge müssen beim Überholen innerorts einen Mindestabstand von 1,5 Metern, außerorts mindestens 2 Meter einhalten. Diese Vorschrift dient dem besonderen Schutz der schwächeren Verkehrsteilnehmer. Kommt es zu einer Unterschreitung der Abstandsregelungen, drohen Bußgelder, deren Höhe sich nach der Gefährdungslage und etwaigen Unfallfolgen richtet. Das Überholen ist in diesen Fällen zudem nur bei ausreichend freier Sicht und klar erkennbarem Gegenverkehr gestattet. Bei Verstößen gegen die Abstandsregelungen haften Kraftfahrer regelmäßig mit einem hohen Verschuldensanteil im Falle eines Unfalls.

Was ist beim Überholen von Kolonnen oder mehreren Fahrzeugen hintereinander aus rechtlicher Sicht zu beachten?

Das Überholen von Kolonnen, also mehreren hintereinander fahrenden Fahrzeugen, ist grundsätzlich zulässig, verlangt aber eine besonders sorgfältige Einschätzung der Verkehrslage. Die Straßenverkehrsordnung (§ 5 Abs. 3 StVO) fordert, dass die gesamte Überholstrecke überschaubar und frei von Gegenverkehr sein muss. Es ist zudem sicherzustellen, dass der Überholvorgang ohne Behinderung oder Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer abgeschlossen werden kann. Das Ein- und Ausscheren darf dabei nicht zu einer Gefährdung oder Behinderung führen. Besondere Sorgfalt gilt für unübersichtliche Streckenabschnitte. Im Falle von Verstößen drohen Bußgelder und bei verursachten Unfällen auch eine Haftung für entstandene Schäden. In bestimmten Situationen, wie z. B. bei Gegenverkehr oder unklarer Lage, ist das Kolonnenüberholen untersagt.

Welche Informations- und Warnpflichten bestehen beim Überholen laut StVO?

Die Straßenverkehrsordnung verpflichtet den Überholenden dazu, sich eindeutig und rechtzeitig erkennbar zu machen (§ 5 Abs. 5 StVO ). Dies beinhaltet insbesondere das Setzen des Fahrtrichtungsanzeigers vor dem Ausscheren und Wiedereinordnen; der Überholende muss sich also durch Blinken eindeutig bemerkbar machen. Außerdem muss vor jedem Überholvorgang durch Rückspiegel oder Schulterblick sichergestellt werden, dass der Überholvorgang begonnen werden kann, ohne andere zu gefährden oder zu behindern. Zusätzlich besteht eine Wartepflicht gegenüber Verkehrsteilnehmern, die sich bereits im Überholvorgang befinden. Die Missachtung dieser Pflichten gilt als schwerer Verstoß und wird als Ordnungswidrigkeit geahndet.