Begriff und Wesen der „Übereignung an den, den es angeht“
Die „Übereignung an den, den es angeht“ bezeichnet einen besonderen Vorgang im Sachenrecht des deutschen Zivilrechts, bei welchem ein Eigentumserwerb an beweglichen Sachen gemäß §§ 929 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zugunsten eines zunächst unbestimmten Erwerbers vollzogen wird. Die Formulierung beschreibt einen Fall, in dem der Veräußerer die Sache nicht an eine konkret bezeichnete Person übereignet, sondern an denjenigen, der im Nachgang ein berechtigtes Interesse nachweist oder aus einem bestimmten Grund als Erwerber bestimmt wird. Dieses Rechtsinstitut ist insbesondere bei Situationen anzutreffen, in denen zum Zeitpunkt der Übergabe des Besitzes an der Sache noch nicht feststeht, wer letztlich als Erwerber Eigentümer werden soll.
Rechtliche Grundlagen
Die rechtlichen Grundlagen der Übereignung finden sich im Bürgerlichen Gesetzbuch, insbesondere in den Vorschriften der §§ 929 bis 931 BGB. Während das Gesetz vorwiegend von einer Übereignung an eine bestimmte Person ausgeht, lässt die Konstruktion „an den, den es angeht“ ausnahmsweise eine nachträgliche Konkretisierung des Erwerbers zu.
Voraussetzungen der Übereignung
Einigung und Übergabe
Auch bei der Übereignung an den, den es angeht, sind die essentialia negotii einer Eigentumsübertragung einzuhalten:
- Die dingliche Einigung muss zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber erfolgen (§ 929 Satz 1 BGB).
- Die Übergabe der beweglichen Sache ist erforderlich.
Im Unterschied zur regulären Übereignung kann die Einigung mit einer noch unbestimmten Person vorgenommen werden. Erst durch die nachträgliche Bestimmung konkretisiert sich der Erwerber und wird, falls alle übrigen Voraussetzungen vorliegen, Eigentümer der Sache.
Bestimmbarkeit des Erwerbers
Voraussetzung ist, dass die Person des Erwerbers bestimmbar ist und mit objektiven Kriterien im Zeitpunkt der späteren Konkretisierung festgelegt werden kann. Die Bestimmungsbefugnis muss auf sachlichen, nachprüfbaren Kriterien beruhen, nicht auf bloßem Ermessen eines Dritten oder des Veräußerers.
Bedeutung und Anwendungsbereiche
Typische Fälle
Die Übereignung „an den, den es angeht“ findet insbesondere in folgenden praktischen Konstellationen Anwendung:
- Sammeltransporte oder Lagergeschäfte: Wenn ein Wirtschaftsgut mehreren möglichen Erwerbern zugedacht wird und erst nachträglich, etwa durch Losziehung oder Erklärung eines bestimmten Vorgangs, festgelegt wird, wer den Erwerb vollzieht.
- Auktionen und Versteigerungen: Übergabe an den erfolgreichen Bieter, der erst am Ende des Vorgangs bestimmt ist.
- Handelsgeschäfte bei Platzgeschäften: Bei Konsignationslagern kann Ware an denjenigen übereignet werden, der sie aus dem Lager entnimmt und somit zu einem späteren Zeitpunkt als Erwerber konkretisiert wird.
Abgrenzungen
Die Übereignung an den, den es angeht, ist von der Übereignung durch Vertreter ohne Vertretungsmacht (§§ 177 ff. BGB) und echten Bedingungsfällen abzugrenzen. Die Konstellation „an den, den es angeht“ setzt eine nachträglich objektiv zu klärende Bestimmung des Erwerbers voraus, keine bloß bedingte Eigentumsübertragung oder Stellvertretung ohne Vertretungsmacht.
Rechtliche Wirkung und Zeitpunkt des Eigentumserwerbs
Zeitpunkt des Eigentumserwerbs
Der Eigentumserwerb tritt erst im Zeitpunkt der konkreten Individualisierung des Erwerbers ein. Bis zur Bestimmung bleibt die Sache im Eigentum des Veräußerers. Mit Eintritt der Bestimmung (z.B. Feststellung des berechtigten Empfängers, Losentscheid o. Ä.) erwirbt die betreffende Person originär das Eigentum, sofern keine weiteren rechtshindernden Einwendungen bestehen.
Gutglaubensschutz
Der gutgläubige Erwerb nach § 932 BGB kann im Einzelfall Anwendung finden, soweit die rechtlichen Voraussetzungen bestehen. Insbesondere muss der Besitz der Ware auf den Erwerber übergehen und das Vorliegen von Legitimationstatbeständen geprüft werden. Der Grundsatz der Publizität des Besitzes verlangt eine eindeutige Zuordnung der Sache an ihren neuen Eigentümer.
Rückabwicklung und Herausgabe
Kommt es nicht zur bestimmungsgemäßen Übergabe oder Individualisierung des Erwerbers, verbleibt die Sache im Eigentum des ursprünglichen Veräußerers. Sollte die Bestimmung des Erwerbers angefochten, ihre Wirksamkeit verneint oder eine vertragswidrige Zuweisung vorgenommen worden sein, ist eine Rückabwicklung nach den Vorschriften des Bereicherungsrechts oder Deliktsrechts möglich.
Rechtsprechung und Literatur
Klassische Leitentscheidungen
Die Rechtsprechung akzeptiert dieses Konstrukt in engen Grenzen und betont die Bedeutung der Bestimmbarkeit und unbedingten Zuweisung der Erwerberstellung. Maßgeblich ist, dass der Kreis möglicher Erwerber von Anfang an feststeht und die Verteilung nicht willkürlich erfolgen kann. Beispielsfälle finden sich in Urteilen zu Versteigerungen, Warenbestellungen im Handelsrecht und bei der Zuweisung von Lagergütern.
Wissenschaftliche Einordnung und Diskussion
In der Literatur wird die Praxis der Übereignung an den, den es angeht, vor allem im Kontext des Handelsrechts und des Transportrechts erörtert. Diskutiert werden dabei vor allem die Anforderungen an die Bestimmtheit und die Auswirkungen von Fehlern bei der nachträglichen Konkretisierung.
Zusammenfassende Bewertung
Die Übereignung an den, den es angeht, stellt eine anerkannte Ausnahme von der Individualisierung des Erwerbers bei der Eigentumsübertragung dar. Ihre Anwendung setzt voraus, dass bereits bei Vornahme der Übergabe der Kreis der potenziellen Erwerber bestimmbar ist und die endgültige Bestimmung aufgrund objektiver und nachvollziehbarer Kriterien nachgeholt werden kann. Dieses Rechtsinstitut bietet im Wirtschaftsleben Flexibilität, birgt jedoch zugleich rechtliche Herausforderungen, insbesondere bei der Bestimmung des Eigentumserwerbs, der Rückabwicklung und dem Schutz gutgläubiger Dritter.
Siehe auch:
Literaturhinweise:
- Münchener Kommentar zum BGB, Sachenrecht, §§ 929 ff.
- Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Sachenrecht
- Staudinger, Sachenrecht, Übereignung an den, den es angeht
Rechtsprechungshinweise:
- Bundesgerichtshof, Urteil vom [Datum], Az.: [Aktenzeichen]
- [Landgericht/Amtsgericht], Urteil vom [Datum], Az.: [Aktenzeichen]
Häufig gestellte Fragen
Welche Formerfordernisse sind bei der Übereignung beweglicher Sachen zu beachten?
Die Übereignung beweglicher Sachen richtet sich in Deutschland nach den §§ 929 ff. BGB. Das Gesetz verlangt für die Übereignung grundsätzlich keinen schriftlichen Vertrag. Erforderlich ist ein sogenannter dinglicher Vertrag (Einigung, auch „Auflassung“ genannt) zwischen dem Veräußerer und Erwerber sowie die Übergabe der beweglichen Sache an den Erwerber. Die Einigung kann mündlich oder durch schlüssiges Handeln erfolgen; eine ausdrückliche Erklärung ist nicht zwingend. Ausnahmen bestehen bei gesetzlichen Sonderregelungen, etwa beim Eigentumsvorbehalt nach § 449 BGB oder im Rahmen von Sonderformen wie Sicherungsübereignungen, bei denen oftmals aus Beweisgründen schriftliche Vereinbarungen getroffen werden. Die Einigung muss auf die Übertragung des Eigentums an einer konkreten (hinreichend bestimmten) Sache gerichtet sein. Gemäß § 929 Satz 2 BGB kann die Übergabe entbehrlich sein, wenn der Erwerber bereits im Besitz der Sache ist (Besitzkonstitut). Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die Übereignung beweglicher Sachen formlos gültig ist, sofern nicht besondere gesetzliche Vorschriften eine Form vorsehen.
Kann die Übereignung einer Sache auch unter einer aufschiebenden oder auflösenden Bedingung erfolgen?
Die Übereignung kann grundsätzlich auch unter einer aufschiebenden oder auflösenden Bedingung nach § 158 BGB vereinbart werden. Das bedeutet, dass das Eigentum erst mit Eintritt der Bedingung auf den Erwerber übergeht (aufschiebende Bedingung) oder wieder auf den Veräußerer zurückfällt, wenn eine bestimmte Voraussetzung eintritt (auflösende Bedingung). Allerdings ist zu beachten, dass bis zum Eintritt der Bedingung zwar ein Anwartschaftsrecht beim Erwerber entsteht, das volle Eigentum aber erst mit Eintritt der vereinbarten Bedingung übertragen wird. Solche aufschiebenden Bedingungen finden insbesondere beim Eigentumsvorbehalt Anwendung, bei dem das Eigentum an der Sache erst mit vollständiger Kaufpreiszahlung trotz bereits erfolgter Übergabe übergeht (§ 449 BGB). Die Parteien sollten genau definieren, welche Bedingungen maßgeblich sind, um spätere Streitigkeiten über die Eigentumslage zu vermeiden.
Welche Rolle spielt der gute Glaube beim Erwerb des Eigentums durch Übereignung?
Der gute Glaube des Erwerbers spielt insbesondere dann eine Rolle, wenn die Veräußerung von einem Nichtberechtigten erfolgt. Nach § 932 BGB kann der Erwerber das Eigentum an einer beweglichen Sache auch dann erwerben, wenn der Veräußerer nicht Eigentümer war, sofern er gutgläubig ist und die Sache durch Einigung und Übergabe erworben wurde. Der Erwerber muss also darauf vertrauen dürfen, dass der Veräußerer tatsächlich Eigentümer ist. Ausnahmen bestehen, wenn der Erwerber grob fahrlässig nicht erkennt, dass der Veräußerer nicht berechtigt ist oder wenn ihm sogar bekannt ist, dass der Veräußerer nicht Eigentümer ist. Kein gutgläubiger Erwerb ist möglich, wenn die Sache abhandengekommen war, also insbesondere gestohlen, verloren oder sonst ohne den Willen des Eigentümers abhandengekommen ist (§ 935 BGB).
Welche Auswirkungen hat ein bestehendes Besitzmittlungsverhältnis auf die Übereignung?
Ist die zu übereignende Sache bereits im Besitz des Erwerbers (z.B. als Mieter oder Entleiher), kann die Übereignung auch ohne erneute Übergabe erfolgen (§ 929 Satz 2 BGB, Erwerb „kurzer Hand“). Das Besitzmittlungsverhältnis wird in der Regel durch den Eigentumsübergang beendet oder umgestaltet. Daneben gibt es die Möglichkeit, dass der Veräußerer im Besitz der Sache bleibt und für den Erwerber als sogenannter Besitzmittler fungiert (Besitzkonstitut gemäß § 930 BGB). Hierzu bedarf es einer ausdrücklichen oder schlüssigen Vereinbarung, die das Besitzmittlungsverhältnis konkret regelt (z.B. als Leihvertrag, Verwahrungsvertrag oder Mietvertrag). Ein wirksames Besitzmittlungsverhältnis ist Voraussetzung für die Wirksamkeit der Übereignung durch Besitzkonstitut. Das Verhältnis muss so ausgestaltet sein, dass der Erwerber gegenüber Dritten als mittelbarer Besitzer angesehen werden kann.
Welche Bedeutung hat die Einigung (Übereignungsvereinbarung) bei der Übertragung des Eigentums?
Die Einigung im Sinne des § 929 Satz 1 BGB ist das zentrale Element der Übereignung. Es handelt sich um einen abstrakten, dinglichen Vertrag, der losgelöst vom zugrunde liegenden schuldrechtlichen (z.B. Kauf-) Vertrag geschlossen wird. Die Einigung ist somit unabhängig davon wirksam, ob der Veräußerer zur Verfügung berechtigt ist (Trennungs- und Abstraktionsprinzip). Solange keine wirksame Einigung und Übergabe erfolgt sind, bleibt der Eigentumsübergang aus. Die Einigung kann jederzeit von beiden Parteien bis zur Übergabe widerrufen werden. Nach erfolgter Übergabe ist der Eigentumswechsel grundsätzlich nicht mehr rückgängig zu machen, es sei denn, es bestehen Anfechtungs- oder Rückabwicklungsgründe.
Wie wirken sich Mängel in der Einigung oder Übergabe auf die Wirksamkeit der Übereignung aus?
Mängel in der Einigung führen dazu, dass kein wirksamer Eigentumsübergang stattfinden kann. Die mangelhafte Einigung kann z.B. durch Irrtum, Täuschung oder Drohung angefochten werden (§§ 119 ff. BGB). Wird der dingliche Vertrag erfolgreich angefochten, gilt das Eigentum als von Anfang an nicht übergegangen (ex tunc). Mängel in der Übergabe (z.B. wenn keine tatsächliche Besitzverschaffung erfolgt oder ein Besitzmittlungsverhältnis nicht wirksam begründet worden ist) führen ebenfalls dazu, dass die Wirksamkeit der Übereignung scheitert. Die Besitzverschaffung muss so ausgestaltet sein, dass der Erwerber tatsächlich oder rechtlich die Sachherrschaft ausüben kann und der Veräußerer diese aufgibt. Jeder Fehler in diesen Tatbestandsvoraussetzungen steht dem Eigentumserwerb entgegen.