Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L)
Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) ist ein zentrales rechtliches Regelungswerk im deutschen Arbeitsrecht, das die Arbeitsbedingungen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern der Bundesländer – mit Ausnahme Hessens – normiert. Im Folgenden werden die Entstehungsgeschichte, rechtlichen Grundlagen, Anwendungsbereiche, wesentlichen Regelungsinhalte sowie die Bedeutung des TV-L im Gefüge der deutschen Tarifverträge detailliert dargestellt.
Entstehungsgeschichte und Hintergrund
Der TV-L wurde am 12. Oktober 2006 durch die Tarifvertragsparteien vereinbart und löste damit in den Bundesländern den bis dahin geltenden Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) sowie darauf basierende Tarifverträge ab. Ziel war die Harmonisierung und Modernisierung der tariflichen Regelungen für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst der Länder. Ausgenommen ist das Land Hessen, das eigene tarifliche Regelungen anwendet (TV-H).
Rechtliche Grundlagen
Tarifvertragsgesetz (TVG)
Die rechtliche Basis für die Anwendung und Wirksamkeit des TV-L bildet das Tarifvertragsgesetz (TVG). Der TV-L ist ein normativer Tarifvertrag im Sinne der §§ 3 ff. TVG und entfaltet unmittelbare und zwingende Wirkung für die tarifgebundenen Parteien.
Tarifgebundenheit und Geltungsbereich
Die Tarifgebundenheit des TV-L wird durch die Mitgliedschaft der Arbeitgeber in der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) und der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den tarifschließenden Gewerkschaften begründet. Der Geltungsbereich des TV-L umfasst:
- Unmittelbarer persönlicher Geltungsbereich: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einem Arbeitsverhältnis mit einem Land, das Mitglied der TdL ist, ausgenommen beamtete Beschäftigte.
- Räumlicher Geltungsbereich: Alle deutschen Bundesländer, mit Ausnahme des Landes Hessen.
- Sachlicher Geltungsbereich: Sämtliche Arbeitsverhältnisse, für die keine spezielleren tarifvertraglichen Vorschriften bestehen.
Wesentliche Inhalte des TV-L
Entgeltregelungen
Der TV-L regelt die Eingruppierung, Vergütung und das Verfahren der Stufenzuordnung. Die Entgeltgruppen und -stufen orientieren sich vorrangig an der auszuübenden Tätigkeit. Die Entgeltordnungen unterscheiden hierbei die allgemeinen Entgeltgruppen sowie spezielle Gruppen für Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst oder in der Pflege.
Arbeitszeit
Gemäß dem TV-L beträgt die regelmäßige Wochenarbeitszeit für Vollzeitbeschäftigte derzeit 39 Stunden (Ost) bzw. 40 Stunden (West), abhängig vom Bundesland. Ausnahmen und Sonderregelungen sind für bestimmte Beschäftigtengruppen vorgesehen.
Urlaub und Arbeitsbefreiung
Beschäftigte haben gemäß TV-L Anspruch auf einen kalenderjährlichen Erholungsurlaub von mindestens 30 Arbeitstagen bei einer Fünf-Tage-Woche. Daneben normiert der TV-L Sonderurlaubsregelungen und Arbeitsbefreiung aus persönlichen Gründen, wie zum Beispiel bei Eheschließung oder Geburt eines Kindes.
Weitere arbeitsrechtliche Regelungen
Zu den weiteren wesentlichen Regelungsinhalten des TV-L gehören:
- Probezeitregelungen
- Kündigungsfristen
- Befristung und Verlängerung von Arbeitsverhältnissen
- Rechte und Pflichten der Beschäftigten
- Anspruch auf Jahressonderzahlung
- Regelungen zu Überstunden und Mehrarbeit
- Maßnahmen der Personalentwicklung und Weiterbildung
- Regelungen zu Arbeitsunfähigkeit und Entgeltfortzahlung
Besonderheiten und Abweichungen
Sonderregelungen für bestimmte Beschäftigtengruppen
Der TV-L enthält zahlreiche Sonderregelungen, etwa für Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst, Pflegeberufe oder Auszubildende. Diese Sonderregelungen sind in eigenständigen Abschnitten oder ergänzenden Tarifverträgen (z.B. TV Prakt-L) geregelt.
Abweichungen und Nebenregelungen
Neben dem TV-L existieren Haustarifverträge oder ergänzende Dienstvereinbarungen, die einzelne Regelungsbereiche weiter ausgestalten können, sofern sie nicht gegen zwingende tarifvertragliche Bestimmungen verstoßen.
Kündigung, Änderung und Laufzeit
Kündigungsfristen und Beendigung
Der TV-L enthält differenzierte Kündigungsfristen, die sich nach der Dauer des Arbeitsverhältnisses richten. Für bestimmte Personengruppen bestehen Sonderkündigungsschutzvorschriften, wie etwa für Schwangere, Schwerbehinderte oder Mitglieder der Personalvertretung.
Laufzeit und Änderungsverfahren
Der TV-L ist regelmäßig kündbar. Änderungen erfolgen im Rahmen von Tarifverhandlungen zwischen der TdL und den zuständigen Gewerkschaften, insbesondere ver.di, der GEW und anderen.
Verhältnis zu anderen Tarifverträgen
Abgrenzung zum TVöD und anderen Tarifwerken
Der TV-L ist von anderen Tarifverträgen im öffentlichen Dienst, insbesondere vom Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD), abzugrenzen. Letzterer gilt für den Bund und die Kommunen, während der TV-L exklusiv für die Bundesländer – mit Ausnahme Hessens – Anwendung findet.
Anwendungsvorrang und Tarifpluralität
Kommt ein anderer, speziellerer Tarifvertrag oder eine Öffnungsklausel zur Anwendung, geht dieser dem TV-L vor, sofern dies gesetzlich oder tarifvertraglich vorgesehen ist.
Bedeutung und praktische Auswirkungen
Steuerung der Arbeitsverhältnisse im Landesdienst
Der TV-L stellt den zentralen Ordnungsrahmen für rund 1,2 Millionen Beschäftigte im öffentlichen Dienst der Bundesländer dar. Die Regelungen des TV-L bestimmen maßgeblich die Einkommens- und Arbeitsbedingungen in Schulen, Hochschulen, Justiz, Verwaltung sowie in weiteren öffentlichen Einrichtungen.
Tarifpolitische Bedeutung
Die regelmäßigen Tarifrunden und Anpassungen des TV-L sind von hoher tarifpolitischer Relevanz und haben richtungsweisenden Charakter für die gesamte Arbeitswelt im öffentlichen Dienst Deutschlands.
Weiterführende Literatur
- Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L), aktueller Text: TdL – Tarifgemeinschaft deutscher Länder
- Böhm/Franzen/Gallner, TV-L – Kommentar zum Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder, aktuelle Auflage
- Wendeling-Schröder/Wiese, TV-L – Tarifrecht für den öffentlichen Dienst der Länder, aktuelle Auflage
Weblinks
- Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL)
- Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) – TV-L
- Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) – TV-L
Stand der Informationen: Juni 2024
Häufig gestellte Fragen
Wie erfolgt die Eingruppierung von Beschäftigten nach dem TV-L aus rechtlicher Sicht?
Die Eingruppierung von Beschäftigten im öffentlichen Dienst der Länder richtet sich nach den Regelungen des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L). Maßgeblich sind dabei insbesondere die §§ 12 und 13 TV-L samt den Entgeltordnungen. Die rechtliche Grundlage fordert, dass die Tätigkeit des Beschäftigten anhand einer sogenannten Arbeitsvorgangsanalyse bewertet wird. Dabei werden die auszuübenden Tätigkeiten in sogenannte Arbeitsvorgänge unterteilt und jeweils hinsichtlich ihrer Anforderungen mit den in der Entgeltordnung aufgeführten Tätigkeitsmerkmalen verglichen. Für die Eingruppierung relevant ist dabei ausschließlich die auszuübende Tätigkeit, nicht etwa die Ausbildung oder bisherige Berufserfahrung der Beschäftigten. Die richtige Eingruppierung ist wesentlicher Bestandteil des Arbeitsvertrags und Gegenstand der Direktionsbefugnis des Arbeitgebers, sie unterliegt aber gleichzeitig der rechtsverbindlichen tariflichen Bindung, sodass falsche Eingruppierungen in der Regel korrigiert werden können und die Beschäftigten einen entsprechenden Anspruch haben. Bei Unklarheiten erfolgt eine Feststellung durch die Arbeitsgerichte im Rahmen eines sogenannten Eingruppierungsfeststellungsverfahrens.
Wie sind die rechtlichen Vorgaben zur Stufenzuordnung im TV-L geregelt?
Die Stufenzuordnung nach dem TV-L ist im Wesentlichen in § 16 TV-L geregelt. Nach Einstellung wird der Beschäftigte grundsätzlich der Stufe 1 der jeweiligen Entgeltgruppe zugeordnet, es sei denn, einschlägige Berufszeiten nach § 16 Abs. 2 TV-L ermöglichen eine höhere Einstufung. Anerkennungsfähig sind dabei grundsätzlich nur Zeiten, die bei einem anderen öffentlichen Arbeitgeber oder einer dem TV-L vergleichbaren Institution erbracht wurden, wobei auch einschlägige Berufserfahrung im Privatrechtlichen anerkannt werden kann, soweit dies „fördern“ ist. Für jede Stufe sind bestimmte Zeiten der ununterbrochenen Tätigkeit beim selben Arbeitgeber erforderlich, bevor ein Aufstieg in die nächsthöhere Stufe erfolgen kann. Abweichungen können im Rahmen von § 16 Abs. 5 TV-L erfolgen, wenn ein besonderes Personalgewinnungsinteresse besteht. Die getroffene Entscheidung über die Stufenzuordnung ist Bestandteil der arbeitsvertraglichen Regelungen und kann per Klage bei den Arbeitsgerichten überprüft werden.
Welche rechtlichen Anforderungen bestehen an die Gewährung und Berechnung von Zulagen nach TV-L?
Zulagen sind ergänzende Bestandteile des Arbeitsentgelts und im TV-L in verschiedenen Paragraphen sowie den jeweiligen Sonderregelungen getroffen. Dazu zählen etwa die Zulagen für Schichtdienst, Wechselschichtdienst, Erschwerniszuschläge oder Funktionszulagen für bestimmte Tätigkeitsbereiche. Die rechtliche Grundlage für die Gewährung ergibt sich nicht aus dem Arbeitsvertrag selbst, sondern allein aus dem Tarifvertrag, der durch die jeweiligen Paragraphen und Anhänge bestimmt wird. Ein individueller Anspruch besteht daher immer nur, sofern und solange die tariflichen Voraussetzungen erfüllt sind. Bei Unstimmigkeiten bezüglich der Höhe oder des Anspruchs auf eine Zulage besteht die Möglichkeit der gerichtlichen Geltendmachung, wobei der Arbeitgeber eine Nachweispflicht für die Ablehnung zu führen hat. Die Berechnung richtet sich dabei in der Regel nach Pauschalsätzen oder bestimmten Prozentsätzen des monatlichen Tabellenentgelts, die im Tarifvertrag oder den Anlagen zum TV-L explizit festgelegt sind.
Wie werden Änderungen der Entgeltgruppe im laufenden Arbeitsverhältnis rechtlich umgesetzt?
Eine Änderung der Entgeltgruppe, beispielsweise durch Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit, ist rechtlich als „Höher- oder Rückgruppierung“ zu betrachten, geregelt in §§ 12, 13 und 17 TV-L. Maßgeblich ist immer die tatsächliche Ausübung der entsprechenden Tätigkeiten und deren tarifliche Bewertung. Die Höhergruppierung erfolgt mit dem Zeitpunkt der Übertragung der höherwertigen Tätigkeit. Dabei ist der Beschäftigte so zu stellen, als hätte er von Anfang an dieser Entgeltgruppe angehört, jedoch greift bei Höhergruppierungen zum Teil eine besondere Regelung für die Stufenzuordnung, die eine finanzielle Besserstellung sichern soll (sog. Garantiebetrag). Bei Umgruppierungen ist nach § 17 Abs. 4 TV-L auch festgelegt, in welche Stufe der neuen Entgeltgruppe der Beschäftigte einzustufen ist. Änderungen der Eingruppierung sind für den Beschäftigten rechtserhebliche Maßnahmen und müssen daher schriftlich angezeigt werden. Bei Differenzen ist wiederum die arbeitsgerichtliche Klärung möglich.
Was ist aus rechtlicher Sicht bei der Übertragung höherwertiger Aufgaben im Sinne einer vorübergehenden Tätigkeit zu beachten?
Die Übertragung höherwertiger Aufgaben auf Zeit ist im TV-L in § 14 TV-L geregelt. Hierbei wird Beschäftigten für die Dauer der tatsächlichen Ausübung einer höherwertigen Tätigkeit eine entsprechende „Vorübergehende Entgeltgruppenzulage“ gezahlt. Die Voraussetzungen sind rechtlich eindeutig: Die höherwertige Aufgabe muss mindestens für einen Zeitraum von einem Monat ununterbrochen übertragen werden; ab dem ersten Tag besteht dann ein Anspruch auf die entsprechende Zulage. Die vorübergehende Übertragung wird vom Arbeitgeber verfügt und muss nicht zwingend vorab schriftlich erfolgen, sollte aber aus Gründen der Rechtssicherheit dokumentiert werden. Ein Rückfall in die vorherige Eingruppierung ist nach Ablauf der Übertragungsdauer rechtlich statthaft. Eine dauerhafte Übertragung hingegen löst in der Regel einen Anspruch auf Höhergruppierung aus.
Wie ist das Verfahren zur Geltendmachung von Ansprüchen aus dem TV-L rechtlich ausgestaltet?
Ansprüche aus dem TV-L unterliegen bestimmten rechtlichen Fristen, sogenannten Ausschlussfristen, geregelt in § 37 TV-L. Danach verfallen Ansprüche, wenn sie nicht innerhalb von sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich beim Arbeitgeber geltend gemacht werden. Dies betrifft sowohl Ansprüche auf Entgelt, Stufenzuordnung, Eingruppierung bis hin zu Zulagen und sonstigen Leistungen. Nach erfolgloser Geltendmachung beim Arbeitgeber kann der Beschäftigte binnen weiterer drei Monate Klage beim Arbeitsgericht erheben. Die Einhaltung dieser Fristen ist zwingend, andernfalls gehen die Ansprüche endgültig verloren. Für Beamte gelten im Zweifel abweichende Fristen und Verfahren. Maßgeblicher Zeitpunkt für den Fristbeginn ist jeweils die tatsächliche Kenntniserlangung von der Anspruchsentstehung.