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Trunkenheit im Verkehr

Trunkenheit im Verkehr: Begriff und Einordnung

Trunkenheit im Verkehr bezeichnet das Führen eines Fahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr in alkohol- oder rauschmittelbedingtem Zustand, der die sichere Verkehrsteilnahme beeinträchtigt. Gemeint ist nicht nur das klassische „Trunkenheitsfahren“ mit dem Auto, sondern je nach Konstellation auch das Führen anderer Fahrzeuge wie Fahrräder, E‑Scooter oder motorisierte Zweiräder. Entscheidend ist, dass die Fahrtüchtigkeit infolge von Alkohol, Drogen oder bestimmten Medikamenten aufgehoben oder zumindest erheblich vermindert ist.

Kernbedeutung

Der rechtliche Kern besteht darin, dass jemand ein Fahrzeug führt, obwohl er oder sie aufgrund berauschender Mittel nicht mehr zuverlässig in der Lage ist, das Verkehrsgeschehen sicher zu beherrschen. Der Begriff umfasst sowohl Fälle, in denen die Fahruntüchtigkeit bereits aufgrund festgelegter Grenzwerte unwiderlegbar angenommen wird (absolute Fahruntüchtigkeit), als auch Fälle, in denen konkrete Ausfallerscheinungen hinzutreten müssen (relative Fahruntüchtigkeit).

Abgrenzung zu verwandten Tatbeständen

Vom strafbaren Verhalten der Trunkenheit im Verkehr zu unterscheiden sind rein ordnungsrechtliche Verstöße mit geringerer Alkoholisierung ohne Ausfallerscheinungen. Außerdem existieren gesonderte Regelungen für Fahranfänger und Personen unter 21 Jahren. Eine eigenständige, besonders schwere Konstellation liegt vor, wenn unter Alkoholeinfluss konkrete Gefahren oder Schäden verursacht werden; diese Fälle werden gesondert bewertet.

Voraussetzungen und Beurteilungsmaßstäbe

Führen eines Fahrzeugs

„Führen“ bedeutet, ein Fahrzeug unter eigener Antriebs- und Richtungsbestimmung in Bewegung zu setzen oder in Bewegung zu halten. Dazu gehören Kraftfahrzeuge wie Pkw, Motorräder und E‑Scooter, aber auch Fahrräder. Maßgeblich ist die Teilnahme am öffentlichen Verkehr, also auf Straßen, Wegen und Plätzen, die für jedermann oder eine unbestimmte Personengruppe zugänglich sind.

Rauschbedingte Fahruntüchtigkeit

Die Fahruntüchtigkeit kann sich aus zwei anerkannten Beurteilungsmodellen ergeben:

  • Absolute Fahruntüchtigkeit: Ab bestimmten Blutalkoholwerten wird unwiderlegbar vermutet, dass ein Fahrzeugführer ein Kraftfahrzeug nicht mehr sicher führen kann. Für Radfahrende gelten höhere Schwellenwerte. Diese Werte beruhen auf gesicherten verkehrsmedizinischen Erkenntnissen.
  • Relative Fahruntüchtigkeit: Bereits bei geringerer Alkoholisierung kann Fahruntüchtigkeit vorliegen, wenn deutliche alkoholtypische Ausfallerscheinungen hinzukommen. Hierzu zählen etwa unsichere Fahrweise, verlangsamte Reaktionen, Fehleinschätzungen, erhebliche Spurabweichungen oder Auffälligkeiten bei der Ansprache.

Promille- und Atemalkoholwerte

In der Praxis haben sich folgende Eckwerte etabliert:

  • Für Führer von Kraftfahrzeugen gilt ein Promillewert, ab dem absolute Fahruntüchtigkeit angenommen wird (Richtgröße: etwa 1,1 ‰). Bereits ab deutlich geringeren Werten kann relative Fahruntüchtigkeit vorliegen, wenn Ausfallerscheinungen auftreten (Anhaltswert: ab etwa 0,3 ‰).
  • Für Radfahrende liegt die Schwelle der absoluten Fahruntüchtigkeit höher (Richtgröße: etwa 1,6 ‰). Auch hier kann bei niedrigeren Werten relative Fahruntüchtigkeit gegeben sein, wenn alkoholtypische Auffälligkeiten hinzukommen.
  • Für Ordnungswidrigkeiten ohne Ausfallerscheinungen ist ein geringerer Grenzwert maßgeblich (Richtgröße: 0,5 ‰ Blutalkohol oder etwa 0,25 mg/l Atemalkohol).

Atemalkoholmessungen werden häufig als Schnellmethode eingesetzt. Für die beweissichere Feststellung in Strafverfahren wird regelmäßig eine Blutprobe herangezogen.

Ausfallerscheinungen und Beweise

Typische Beweismittel sind Atemalkoholmessungen, Blutproben, polizeiliche Beobachtungen, Zeugenaussagen, Videoaufzeichnungen und Dokumentationen über Fahrfehler oder Auffälligkeiten. Bei relativer Fahruntüchtigkeit kommt es maßgeblich auf die Verbindung von Alkoholisierung und konkreten Ausfallerscheinungen an.

Besondere Konstellationen

Fahrräder, Pedelecs und E‑Bikes

Auch das Führen von Fahrrädern kann unter den Begriff der Trunkenheit im Verkehr fallen. Für Radfahrende gelten im Vergleich zu Kraftfahrzeugen höhere Grenzwerte für die Annahme absoluter Fahruntüchtigkeit. Pedelecs bis 25 km/h gelten als Fahrräder; schnellere S‑Pedelecs sind rechtlich Kraftfahrzeuge und werden entsprechend behandelt.

Elektrokleinstfahrzeuge (E‑Scooter)

E‑Scooter werden rechtlich wie Kraftfahrzeuge eingeordnet. Damit gelten dieselben Maßstäbe hinsichtlich absoluter und relativer Fahruntüchtigkeit sowie die ordnungsrechtlichen Grenzwerte.

Drogen und Medikamente

Trunkenheit im Verkehr umfasst nicht nur Alkohol. Auch andere berauschende Mittel – etwa bestimmte Betäubungsmittel oder Medikamente mit zentralnervöser Wirkung – können die Fahrsicherheit erheblich beeinträchtigen. Für verschiedene Wirkstoffe existieren differenzierte Beurteilungsmaßstäbe. Entscheidend ist, ob die Fahrtüchtigkeit rauschbedingt aufgehoben oder erheblich herabgesetzt ist.

Rechtsfolgen und Nebenfolgen

Straftat oder Ordnungswidrigkeit

Die rechtlichen Konsequenzen hängen von der Einordnung ab. Trunkenheit im Verkehr als Straftat setzt Fahruntüchtigkeit voraus; Rechtsfolgen können Geld- oder Freiheitsstrafe sein. Bei der Ordnungswidrigkeit genügt die Überschreitung eines niedrigeren Grenzwerts ohne Ausfallerscheinungen; Folgen sind in der Regel Bußgeld, Punkte und ein befristetes Fahrverbot. Wiederholungen oder erschwerende Umstände führen zu erhöhten Sanktionen.

Fahrverbot, Entziehung und Sperrfrist

Ein Fahrverbot untersagt das Führen von Kraftfahrzeugen für eine befristete Zeit, die Fahrerlaubnis bleibt grundsätzlich bestehen. Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist schwerwiegender: Die Berechtigung erlischt, und es wird eine Sperrfrist festgesetzt, innerhalb der keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf. Eine Wiedererteilung setzt die Eignung zum Führen von Fahrzeugen voraus.

Punkte und Eintragungen

Verstöße werden im Fahreignungsregister eingetragen. Je nach Schweregrad kommen unterschiedlich viele Punkte in Betracht. Die Tilgung erfolgt nach festgelegten Fristen, die unabhängig voneinander laufen.

Versicherungs- und arbeitsrechtliche Folgen

Kommt es unter Alkoholeinfluss zu einem Unfall, drohen versicherungsrechtliche Konsequenzen. In der Kfz‑Haftpflicht kann ein Regress bis zu einer gesetzlich vorgesehenen Höchstsumme in Betracht kommen; in der Kaskoversicherung kann der Leistungsumfang reduziert oder versagt werden. Berufskraftfahrer können zusätzlich mit arbeitsrechtlichen Maßnahmen konfrontiert sein.

Fahrerlaubnisrechtliche Eignung und MPU

Nach gravierenden oder wiederholten alkoholbedingten Vorkommnissen kann die Fahreignung überprüft werden. Häufig wird zur Klärung die Teilnahme an einer medizinisch‑psychologischen Untersuchung (MPU) angeordnet. Maßgeblich sind die individuellen Umstände, die Werte, die Vorgeschichte und die Prognose zur zukünftigen Teilnahme am Straßenverkehr.

Probezeit und unter 21 Jahren

Für Fahranfänger in der Probezeit und Personen unter 21 Jahren gilt eine zusätzliche Null‑Promille‑Regelung. Verstöße haben fahranfängerrechtliche Maßnahmen zur Folge und können – je nach Höhe der Alkoholisierung und Begleitumständen – mit weiteren Sanktionen verbunden sein.

Ablauf typischer Kontroll- und Ermittlungsverfahren

Polizeiliche Kontrolle

Im Rahmen von Verkehrskontrollen kann die Polizei bei Verdacht auf Alkoholeinfluss zunächst eine Atemalkoholmessung anbieten und die körperliche Verfassung beobachten. Weitere Maßnahmen richten sich nach dem konkreten Verdacht und den festgestellten Auffälligkeiten.

Alkoholmessungen und Blutentnahme

Vorläufige Atemtests dienen der Orientierung. Für eine beweissichere Feststellung – insbesondere bei strafrechtlicher Bewertung – wird regelmäßig eine Blutprobe entnommen und im Labor untersucht. Die Durchführung folgt festgelegten Verfahrensstandards.

Dokumentation von Ausfallerscheinungen

Für die Beurteilung relativer Fahruntüchtigkeit ist die Dokumentation von Fahrfehlern, Reaktionen, Orientierung und motorischen Auffälligkeiten bedeutsam. Zeugenaussagen und technische Aufzeichnungen können ergänzend herangezogen werden.

Häufig gestellte Fragen

Ab welchem Promillewert liegt Trunkenheit im Verkehr bei Kraftfahrzeugen vor?

Bei Kraftfahrzeugen wird ab einem bestimmten Blutalkoholwert absolute Fahruntüchtigkeit angenommen (Richtgröße: etwa 1,1 ‰). Bereits ab deutlich geringeren Werten kann bei alkoholtypischen Ausfallerscheinungen relative Fahruntüchtigkeit vorliegen (Anhaltswert: ab etwa 0,3 ‰). Unabhängig davon stellt schon die Überschreitung der niedrigeren Ordnungswidrigkeitsgrenze ohne Ausfallerscheinungen einen sanktionierten Verstoß dar.

Gilt das für E‑Scooter genauso wie für Autos?

Ja. E‑Scooter werden rechtlich wie Kraftfahrzeuge behandelt. Damit gelten dieselben Maßstäbe für absolute und relative Fahruntüchtigkeit sowie die ordnungsrechtlichen Grenzwerte.

Welche Rolle spielen Atemalkoholmessung und Blutprobe?

Die Atemalkoholmessung dient häufig der ersten Einschätzung. Für eine beweissichere Feststellung, insbesondere bei strafrechtlicher Bewertung, wird regelmäßig eine Blutprobe herangezogen. Atemalkoholwerte werden bei Ordnungswidrigkeiten anerkannt; für Straffälle kommt es meist auf die Blutalkoholkonzentration an.

Was ist der Unterschied zwischen Fahrverbot und Entziehung der Fahrerlaubnis?

Das Fahrverbot untersagt das Führen von Kraftfahrzeugen für einen begrenzten Zeitraum; die Fahrerlaubnis bleibt bestehen. Bei der Entziehung erlischt die Fahrerlaubnis vollständig. Zusätzlich wird eine Sperrfrist angeordnet, vor deren Ablauf keine Neuerteilung möglich ist.

Kann auch Fahrradfahren unter Alkoholeinfluss strafbar sein?

Ja. Für Radfahrende gilt eine höhere Schwelle der absoluten Fahruntüchtigkeit (Richtgröße: etwa 1,6 ‰). Bei geringeren Werten kann Strafbarkeit eintreten, wenn alkoholtypische Ausfallerscheinungen hinzukommen. Unabhängig davon können weitere verwaltungsrechtliche Maßnahmen zur Klärung der Fahreignung folgen.

Welche Folgen drohen bei einem Erstverstoß ohne Ausfallerscheinungen?

Liegt nur eine Überschreitung der ordnungsrechtlichen Grenze ohne Ausfallerscheinungen vor, handelt es sich um eine Ordnungswidrigkeit. Typische Folgen sind Bußgeld, Punkte und ein befristetes Fahrverbot. Die genaue Höhe und Dauer hängen von der individuellen Konstellation und möglichen Voreintragungen ab.

Spielen Drogen und Medikamente eine vergleichbare Rolle wie Alkohol?

Ja. Auch andere berauschende Mittel können die Fahrsicherheit beeinträchtigen und zu straf- oder ordnungsrechtlichen Konsequenzen führen. Maßgeblich sind Wirkung, Nachweis und der Grad der Beeinträchtigung. Bei bestimmten Wirkstoffen existieren spezifische Beurteilungskriterien.