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Treiben von Vieh


Begriff und Definition: Treiben von Vieh

Das Treiben von Vieh bezeichnet im rechtlichen Sinne das bewusste und gezielte Fortbewegen oder Leiten von Tieren, insbesondere Nutztieren wie Rindern, Schweinen, Schafen, Ziegen oder Pferden, durch Menschen innerhalb eines bestimmten Territoriums oder Verkehrsraumes. Dieser Vorgang kann auf öffentlichen Straßen, Wegen sowie auf privaten Flächen stattfinden. Die rechtlichen Rahmenbedingungen und Begrenzungen sind im öffentlichen und privaten Recht vielfältig geregelt und betreffen sowohl das Straßenverkehrsrecht als auch das Haftungsrecht und spezielle Regularien im Tierschutzrecht.


Rechtliche Einordnung und Bedeutung

Straßenverkehrsrechtliche Bestimmungen

Das Treiben von Vieh auf öffentlichen Straßen und Wegen unterliegt in Deutschland insbesondere den Vorschriften der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO). § 28 StVO regelt explizit das Führen oder Treiben von Tieren im Straßenverkehr. Nach dieser Vorschrift sind Tiere auf öffentlichen Straßen so zu führen, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmender ausgeschlossen ist.

Pflichten beim Treiben von Vieh

  • Sicherstellung der Verkehrssicherheit: Das Vieh darf lediglich unter ständiger Aufsicht und Führung über Straßen getrieben werden.
  • Kennzeichnungspflicht: Nach § 28 Abs. 2 StVO muss das Vieh bei Dunkelheit, schlechter Sicht oder auf Straßen ohne gehobene Fahrbahneinfassung mit geeigneten, deutlich sichtbaren Leuchten (Beleuchtungspflicht) kenntlich gemacht werden.
  • Begleitpersonen und Hilfsmittel: Je nach Tiergattung und -anzahl sind ausreichende Begleitpersonen und Sicherungsmaßnahmen vorgeschrieben, um einen sicheren Ablauf des Viehtriebs zu gewährleisten.
  • Vorrang für fließenden Verkehr: Treiben mehrere Herden oder Gruppen, darf der übrige Verkehr nicht übermäßig beeinträchtigt werden.

Haftungsrechtliche Aspekte

Das Treiben von Vieh wirft regelmäßig Fragen der verschuldensunabhängigen Tierhalterhaftung nach § 833 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) auf. Verursacht das Vieh beim Treiben einen Schaden, etwa durch das Ausbrechen aus der Herde oder durch unvermeidbare Auswirkungen auf den Verkehr, bleibt der Tierhalter in aller Regel haftbar.

Haftungsumfang

  • Gefährdungshaftung: Haftungsgrundlage ist die besondere Tiergefahr. Der Tierhalter haftet grundsätzlich unabhängig von eigenem Verschulden.
  • Haftungsausschluss: Ein Haftungsausschluss kommt nur in Betracht, wenn der Halter nachweist, dass er die erforderliche Sorgfalt beachtet oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden wäre.
  • Beteiligung Dritter: Sind weitere Personen (z. B. Viehtreiber) beteiligt, kommt neben der Halterhaftung auch eine Haftung des Treibers gemäß § 831 BGB (Haftung für Erfüllungsgehilfen) in Betracht.

Eigentums- und Besitzrechtliche Regelungen

Die bestehenden Regelungen zum Viehtrieb betreffen auch eigentums- und besitzrechtliche Fragen. Das Treiben von Vieh über fremde Grundstücke bedarf grundsätzlich einer Gestattung oder eines Wegerechts. Das widerrechtliche Betreten fremder Flächen durch Vieh gilt als Besitzstörung (§ 862 BGB) und kann Unterlassungs- oder Schadenersatzansprüche des Grundstückseigentümers auslösen.

Weiderechte und Triebwege

Gerade im ländlichen Raum bestehen historisch gewachsene Triebwege und Weiderechte, die das Treiben von Vieh über bestimmte Flächen rechtlich erlauben. Umfang und Inhalt solcher Rechte richten sich nach Grundbucheintragungen, öffentlich-rechtlichen Satzungen oder Gewohnheitsrecht.


Tierschutzrechtliche Vorschriften

Das Treiben von Vieh unterliegt zudem den Bestimmungen des Tierschutzgesetzes (TierSchG). Nach § 3 TierSchG ist es verboten, einem Tier ohne vernünftigen Grund erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden zuzufügen. Das sachgemäße Treiben gilt als zulässig, solange es dem sicheren Zweck dient und die eingesetzten Methoden tierschutzgerecht sind.

Anforderungen an Treibmittel und -methoden

  • Verbotene Hilfsmittel: Elektroschocker, Stacheln oder andere tierschutzwidrige Geräte dürfen nicht verwendet werden.
  • Treibintensität: Übermäßiger Zwang oder Gewalt beim Viehtrieb ist unzulässig.
  • Schulung von Viehtreibern: Wer Tiere professionell treibt, muss geschult sein und die Bedürfnisse der jeweiligen Tierart berücksichtigen.

Ordnungswidrigkeiten und Sanktionen

Bei Verstößen gegen die gesetzlichen Vorschriften zum Treiben von Vieh können ordnungswidrigkeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zu Bußgeldern drohen. Gemäß § 49 StVO stellen Verstöße gegen § 28 StVO (Missachtung der Sicherungspflichten, fehlende Beleuchtung etc.) eine Ordnungswidrigkeit dar. Auch im Bereich des Tierschutzes können entsprechende Maßnahmen nach § 18 TierSchG verhängt werden.


Internationales und Besonderheiten

In anderen Staaten, etwa Österreich oder der Schweiz, gelten teilweise abweichende Regelungen zum Viehtrieb. Oft bestehen besondere örtliche Wegrechte oder Übergangsregelungen in Alpendestinationen, die sowohl den Straßenverkehr als auch Haftungsfragen eigenständig regeln.


Zusammenfassung

Das Treiben von Vieh ist ein rechtsrelevanter Vorgang, der in einer Vielzahl von Normen des Straßenverkehrs-, Zivil-, Besitz- und Tierschutzrechts geregelt ist. Die zentrale Bedeutung liegt im Gefahrenabwehr-, Haftungs- und Tierschutzkontext. Die Einhaltung der einschlägigen Vorschriften ist für alle am Viehtrieb Beteiligten verpflichtend, um Sicherheit und Rechtsfrieden zu gewährleisten. Bei Nichteinhaltung drohen sowohl haftungsrechtliche als auch ordnungsbehördliche Konsequenzen.

Häufig gestellte Fragen

Wer haftet für Schäden, die durch das Treiben von Vieh auf öffentlichen Straßen entstehen?

Für Schäden, die während des Treibens von Vieh auf öffentlichen Straßen entstehen, haftet in der Regel der Viehtreiber beziehungsweise derjenige, der das Viehwesen betreibt, wie zum Beispiel der Tierhalter nach § 833 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch). Dies gilt insbesondere, wenn ein Verschulden wie mangelnde Aufsicht, unzureichende Sicherung oder Zuwiderhandlung gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften – etwa die Straßenverkehrsordnung oder kommunale Satzungen – vorliegt. Die Haftung erstreckt sich auch auf sogenannte Gefährdungshaftungstatbestände, das heißt, sie kann unabhängig vom Verschulden eintreten, falls das gehaltene Tier typisch unberechenbares Verhalten zeigt oder ausbricht. Eine eventuelle Mitverantwortung Dritter (zum Beispiel anderer Verkehrsteilnehmer) kann im Rahmen des Mitverschuldens bei der Schadensverteilung berücksichtigt werden. In vielen Bundesländern bestehen zudem besondere Vorschriften zur Haftung beim Viehtrieb, die unter anderem die Anmeldungspflicht bei Behörden oder bestimmte erhöhte Sorgfaltsanforderungen vorsehen. Wichtig ist außerdem, dass der Tierhalter meist eine spezielle Tierhalterhaftpflichtversicherung abschließen sollte, um finanzielle Risiken durch solche Schadensfälle abzufedern.

Welche Genehmigungen sind für das Treiben von Vieh auf öffentlichen Wegen erforderlich?

In Deutschland ist das Treiben von Vieh auf öffentlichen Wegen in vielen Fällen an eine vorherige Genehmigung oder Anmeldung bei der zuständigen Behörde gebunden. Je nach Bundesland und Gemeinde gelten dazu teilweise unterschiedliche Vorschriften. Oft muss mindestens eine Anzeige beim Ordnungsamt oder der Polizei erfolgen, insbesondere wenn ein geordneter Viehtrieb mit mehreren Tieren oder über größere Strecken stattfindet. Die zuständigen Behörden können Auflagen erteilen, etwa in Bezug auf Begleitpersonal, Sicherungsmaßnahmen (z.B. Warnwesten, Absperrungen) und Zeitpunkte (zum Beispiel zur Vermeidung des Berufsverkehrs). Ohne entsprechende Erlaubnis kann das unerlaubte Treiben von Vieh unter Umständen als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Landwirte und Tierhalter sollten sich daher vorab bei ihrer Kommune nach den geltenden Vorschriften und Erfordernissen erkundigen.

Welche Verkehrssicherungspflichten bestehen beim Viehtrieb?

Beim Treiben von Vieh auf öffentlichen Wegen und Grundstücken bestehen umfangreiche Verkehrssicherungspflichten für den Viehtreiber beziehungsweise Tierhalter. Hierzu gehört die Pflicht, alle zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um Gefahren für Dritte – insbesondere Verkehrsteilnehmer und Anwohner – zu minimieren. Es sind ausreichend Aufsichtspersonen einzuplanen, damit das Vieh jederzeit unter Kontrolle ist. Gegebenenfalls sind Verkehrszeichen, Warnflaggen oder sonstige Absperrmaßnahmen zu verwenden. Das Treiben darf nicht in für den Straßenverkehr kritischen Zeiträumen erfolgen, zum Beispiel während dichter Verkehrslagen oder in der Dämmerung bei schlechten Sichtverhältnissen. Die Tiere müssen zudem so geführt werden, dass ein plötzliches Ausscheren oder Durchgehen vermieden wird. Das Missachten dieser Pflichten kann nicht nur zu zivilrechtlicher Haftung führen, sondern auch ordnungswidrigkeiten- oder strafrechtliche Konsequenzen haben.

Gibt es spezielle Vorschriften beim Viehtrieb in Naturschutzgebieten?

Das Treiben von Vieh in oder durch Naturschutzgebiete ist von besonderen rechtlichen Einschränkungen geprägt. Die Regelungen ergeben sich aus den jeweiligen Landesnaturschutzgesetzen, Schutzgebietsverordnungen sowie oft auch weiteren umweltrechtlichen Vorgaben. Häufig ist ein Viehtrieb nur unter Einhaltung strenger Auflagen möglich, etwa zum Schutz empfindlicher Flächen, Tierarten oder Pflanzenbestände. Es kann ein grundsätzliches Betretungs- oder Fahrverbot für Wege außerhalb bestimmter Trassen bestehen. Verstöße gegen die naturschutzrechtlichen Vorschriften können zu Bußgeldern und behördlichen Maßnahmen bis hin zum Verbot des Viehtriebs führen. Es empfiehlt sich daher, mögliche Vorhaben rechtzeitig mit den Naturschutzbehörden oder den Unteren Landschaftsbehörden abzustimmen und alle relevanten Genehmigungen einzuholen.

Welche Regelungen bestehen für den Viehtrieb durch private Grundstücke?

Das Betreten oder Durchtreiben von Vieh über fremde, also private Grundstücke, ist grundsätzlich nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Eigentümers zulässig (§ 903 BGB). Ohne Einwilligung stellt das Durchtreiben von Tieren über privates Land unter Umständen eine Besitzstörung, widerrechtliche Nutzung oder sogar Sachbeschädigung dar. Ausnahmen können in Form von bestehenden Dienstbarkeiten oder landwirtschaftlichen Nutzungsrechten eingeräumt sein, beispielsweise wenn ein Viehtriebweg öffentlich als solcher gewidmet ist. In den meisten Fällen ist jedoch eine privatrechtliche Vereinbarung mit dem Grundstückseigentümer erforderlich. Streitigkeiten über die Nutzung solcher Wege werden regelmäßig vor den Zivilgerichten ausgetragen und unterliegen den allgemeinen Regeln des BGB.

Was ist bei grenzüberschreitendem Viehtrieb (international) zu beachten?

Für den grenzüberschreitenden Viehtrieb innerhalb der Europäischen Union und in Drittländer gelten spezielle tierseuchenrechtliche, zollrechtliche und veterinärrechtliche Vorschriften. Zu beachten sind unter anderem Meldepflichten, Tiergesundheitsbescheinigungen, Quarantäneauflagen und gegebenenfalls Kennzeichnungs- und Dokumentationspflichten nach EU-Verordnungen sowie den jeweiligen nationalen Gesetzgebungen der betroffenen Länder. Ein Verstoß kann schwerwiegende Konsequenzen haben, darunter Bußgelder, Zurückweisung an der Grenze oder sogar Strafverfahren. Darüber hinaus können besondere Regelungen zum Tierschutz gelten, etwa zur maximal zulässigen Transportdauer und zu Pausenzeiten. In jedem Fall sind die notwendigen Genehmigungen rechtzeitig bei den zuständigen Veterinär- und Zollbehörden einzuholen.