Legal Lexikon

Tragezeit


Tragezeit – Rechtliche Definition und Relevanz

Die Tragezeit ist ein rechtlicher Begriff, der in verschiedenen Rechtsgebieten, insbesondere im Arbeitsrecht, im Bereich der Haftung für Arbeitskleidung und im Steuerrecht, spezifische Bedeutung besitzt. Im rechtlichen Kontext bezeichnet die Tragezeit vorrangig den Zeitraum, in dem ein Gegenstand – häufig Arbeitskleidung, persönliche Schutzausrüstung oder ähnliches – bestimmungsgemäß verwendet werden darf oder muss. Die korrekte Bestimmung und Beachtung der Tragezeit ist insbesondere für Arbeitgeber und Arbeitnehmer von Bedeutung, da hierdurch Pflichten und Rechte etwa hinsichtlich Ersatzansprüchen, Kostenübernahmen, steuerlicher Abschreibung oder Verantwortlichkeiten bei Schäden beeinflusst werden.


Tragezeit im Arbeitsrecht

Begriffliche Abgrenzung

Im Arbeitsrecht bezeichnet die Tragezeit den Zeitrahmen, in dem Arbeitnehmer persönliche Ausrüstungsgegenstände oder Arbeitskleidung, die ihnen vom Arbeitgeber gestellt oder vorgeschrieben wird, anzulegen und zu benutzen haben. Sie unterscheidet sich von Umkleidezeiten und Wegzeiten und ist insbesondere relevant, wenn es um die Vergütungspflicht solcher Zeiten geht.

Tragezeit und Vergütung

Gemäß § 611a BGB ist die eigentliche Arbeitszeit grundsätzlich zu vergüten. Ob die Tragezeit, insbesondere das An- und Ablegen von Arbeitskleidung, als vergütungspflichtige Arbeitszeit zählt, hängt von weiteren Faktoren ab – etwa, ob das Tragen vorgeschrieben ist und sich das Umkleiden nur im Betrieb vollziehen lässt (vgl. BAG, Urteil vom 19.09.2012 – 5 AZR 678/11). In diesem Sinne ist die Tragezeit integraler Bestandteil der Arbeitszeit, wenn der Gebrauch von Arbeitskleidung explizit arbeitsvertraglich oder betrieblich angeordnet wird.

Haftung und Verantwortlichkeiten

Während der Tragezeit obliegt dem Arbeitnehmer die Obhutspflicht für die überlassene Ausrüstung. Bei Beschädigung oder Abhandenkommen sind Haftungsfragen regelmäßig nach den Grundsätzen der Arbeitnehmerhaftung zu bewerten. Die Beurteilung hängt davon ab, ob die Beschädigung leicht fahrlässig, grob fahrlässig oder vorsätzlich herbeigeführt wurde. Der Arbeitgeber bleibt während der Tragezeit für die Funktionsfähigkeit und Sicherheit der zur Verfügung gestellten Arbeitskleidung verantwortlich.


Tragezeit im Sinne der Produkthaftung und Sicherheitsvorschriften

Rechtsgrundlagen für Schutzkleidung

Die Tragezeit von persönlicher Schutzausrüstung wie Helmen, Schutzbrillen oder Sicherheitsschuhen ist rechtlich insbesondere durch das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG), die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) und die PSA-Benutzungsverordnung (PSA-BV) geregelt.

Festlegung der Tragezeiten

Nach § 2 Abs. 2 PSA-BV ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem Arbeitnehmer mitzuteilen, wie lange die persönliche Schutzausrüstung im Tagesverlauf getragen werden darf, um gesundheitliche Beeinträchtigungen zu vermeiden. Die empfohlene maximale Tragezeit ergibt sich dabei aus Herstellerangaben, arbeitsmedizinischen Erkenntnissen und der Gefährdungsbeurteilung.


Tragezeit in Haftungs- und Ersatzfragen

Ersatzanspruch und Zumutbarkeit

Die Höhe der Ersatzansprüche bei Beschädigung oder Verlust von Gegenständen während der Tragezeit richtet sich nach dem Wert des Gegenstands und der tatsächlichen Nutzungsdauer. Maßgeblich ist dabei, ob der Gegenstand unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Tragedauer unter normalen Umständen ersetzt werden müsste oder nicht.

Berücksichtigung bei der steuerlichen Abschreibung

Arbeitgeber, die Arbeitsmittel zur Verfügung stellen, berücksichtigen die Tragezeit zur Ermittlung der Abschreibungsdauer (AfA). Die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer wird nach den amtlichen AfA-Tabellen festgelegt. Wird der Gegenstand über die vorgesehene Tragezeit hinaus abgenutzt, besteht kein weitergehender Ersatzanspruch; bei einer vorzeitigen Abnutzung kann ein Sonderbedarf vorliegen.


Tragezeit und Sozialversicherungsrecht

Auswirkungen auf Arbeitsunfälle

Wird während der Tragezeit, etwa infolge des An- oder Ablegens der Arbeitskleidung, ein Unfall erlitten, wird dieser als Arbeitsunfall im sozialversicherungsrechtlichen Sinne gewertet, sofern der Vorgang in einem inneren Zusammenhang mit der Arbeit steht. In der Gesetzlichen Unfallversicherung (§ 8 SGB VII) sind solche Fälle explizit als versichert anerkannt.


Tragezeit im Tarif- und Beamtenrecht

Tarifvertragliche Regelungen

Vielfach sehen Tarifverträge konkrete Bestimmungen zur maximal zulässigen Tragezeit vor, etwa bei regelmäßig zu wechselnder Schutzkleidung. Die Einhaltung dieser Vorgaben ist verpflichtend, Verstöße begründen gegebenenfalls Ansprüche auf Schadensersatz oder Entschädigung.

Besonderheiten im Beamtenverhältnis

Auch im öffentlichen Dienst spielt die Tragezeit etwa für Polizeiuniformen oder Feuerwehrschutzkleidung eine Rolle. Hier bestehen gesonderte Regelwerke hinsichtlich der maximalen Tragedauer, der Verpflichtung zur Benutzung und zu Inspektionsintervallen.


Tragezeit im Steuerrecht

Abschreibung und Werbungskosten

Im Steuerrecht wird die Tragezeit bei der Geltendmachung von Werbungskosten oder bei der Abschreibung betrieblich genutzter Ausrüstungsgegenstände berücksichtigt. Die Tragezeit bestimmt dabei mittelbar die Höhe der abzugsfähigen Beträge, etwa dann, wenn der Gegenstand nur anteilig beruflich genutzt wird.


Fazit

Die Tragezeit ist ein zentraler Begriff zahlreicher Rechtsbereiche. Sie betrifft sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer sowie die öffentliche Hand, da sie Fragen der Arbeitssicherheit, Haftung, steuerlichen Behandlung und der Vergütungspflicht tangiert. Die Kenntnis und Einhaltung der gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen zur Tragezeit ist für die praktische rechtliche Handhabung im Alltag unerlässlich. Ein sorgsamer Umgang und eine korrekte Beachtung entsprechender Vorgaben sind daher im betrieblichen wie individuellen Interesse von großer Bedeutung.

Häufig gestellte Fragen

Wie wird die Tragezeit arbeitsrechtlich definiert und welche Rechtsquellen sind maßgeblich?

Im arbeitsrechtlichen Kontext beschreibt die Tragezeit jenen Zeitraum, in dem Arbeitnehmer bestimmte Arbeitskleidung, Schutzkleidung oder persönliche Schutzausrüstung während der Ausübung ihrer Tätigkeit zu tragen haben. Die maßgeblichen Rechtsquellen hierfür sind das Arbeitszeitgesetz (ArbZG), das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) sowie einschlägige Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen. Besonders relevant ist hierbei § 2 ArbZG, der die Arbeitszeit im Sinne des Gesetzes definiert, wobei unter anderem auch Umkleide- und Rüstzeiten – und damit Tragezeit – berücksichtigt werden können, sofern diese Teil der arbeitsvertraglichen oder tariflichen Pflichten sind. Auch das Bundesarbeitsgericht hat in mehreren Urteilen (u. a. BAG, Urteil vom 06.09.2017 – 5 AZR 382/16) konkretisiert, unter welchen Voraussetzungen Trage- und Umkleidezeiten als vergütungspflichtige Arbeitszeit gelten.

Ist die Tragezeit grundsätzlich als Arbeitszeit zu vergüten?

Ob Tragezeit vergütungspflichtige Arbeitszeit darstellt, hängt maßgeblich davon ab, ob das Ankleiden und Tragen der Arbeitskleidung qua Weisung des Arbeitgebers oder aus verbindlichen Rechtsvorschriften zwingend vorgeschrieben ist. Laut Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist das Tragen besonderer Arbeitskleidung dann als Arbeitszeit zu vergüten, wenn die Kleidung nicht privat getragen werden kann und das Umkleiden in der Betriebsstätte – etwa aus hygienischen oder sicherheitsrelevanten Gründen – erfolgen muss. In diesen Fällen zählt die Tragezeit zur sogenannten „fremdnützigen“ Zeit, da sie ausschließlich im Interesse des Arbeitgebers liegt. Ist das Tragen hingegen freiwillig und könnte die Arbeitskleidung bereits zu Hause angelegt werden, so besteht grundsätzlich kein Vergütungsanspruch für diese Zeit.

Welche Pflichten hat der Arbeitgeber im Hinblick auf die Erfassung und Vergütung der Tragezeit?

Arbeitgeber sind verpflichtet, die Arbeitszeit der Beschäftigten ordnungsgemäß zu erfassen (§ 16 Abs. 2 ArbZG). Dies schließt – sofern die Tragezeit als Arbeitszeit zu werten ist – auch die erfassten Zeiten für das Umkleiden, An- und Ablegen der Schutzausrüstung sowie etwaige Wegezeiten innerhalb des Betriebs ein. Versäumt es der Arbeitgeber, diese Zeiten zu berücksichtigen, kann der Arbeitnehmer Nachvergütung verlangen. In Bestimmungen von Tarifverträgen oder bestehenden Betriebsvereinbarungen sind oft konkrete Regelungen zur Erfassung und Vergütung der Tragezeit enthalten. Die praktische Umsetzung reicht dabei von pauschalen Zuschlägen über minutengenaue Erfassung bis hin zur Berücksichtigung bestimmter Zeitfenster.

Welche Unterschiede bestehen zwischen Umkleidezeit und Tragezeit im Rechtssinn?

Im rechtlichen Sinne ist die Umkleidezeit die für das An- und Ausziehen der Arbeitskleidung erforderliche Zeit, während die Tragezeit den Zeitraum umfasst, in dem sich der Arbeitnehmer tatsächlich in der vorgeschriebenen Arbeitskleidung befindet. Beide Zeiten können als Arbeitszeit qualifiziert werden, falls sie ausschließlich im Interesse des Arbeitgebers erfolgen und zwingend während der betrieblichen Anwesenheit stattfinden müssen. Während jedoch die Umkleidezeiten in der Hauptsache den Beginn und das Ende des Arbeitstages betreffen, bezieht sich die Tragezeit auf die eigentliche Dauer, in der die Kleidung während der Arbeitsausführung getragen werden muss.

Gibt es Höchstgrenzen für die tägliche Tragezeit von Schutzkleidung laut Gesetz?

Das Arbeitszeitgesetz enthält keine speziell auf die Tragezeit von Schutzkleidung beschränkten Höchstgrenzen. Allerdings resultiert aus allgemeinen Fürsorge- und Arbeitsschutzpflichten des Arbeitgebers (§ 3 ArbSchG), dass Belastungen durch das Tragen besonders schwerer oder unangenehmer Schutzausrüstung, zum Beispiel bei Hitzeschutzanzügen oder Chemikalienschutz, angemessen reduziert werden müssen. Bei besonders einschränkender Schutzkleidung können Tarifverträge, Gefährdungsbeurteilungen oder Betriebsvereinbarungen vorsehen, dass Tragezeiten limitiert oder durch zusätzliche Pausen unterbrochen werden. Die Einhaltung der allgemeinen Höchstarbeitszeiten pro Tag (meist 8 bis 10 Stunden) ist dabei stets zu beachten.

Inwiefern können Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen von den gesetzlichen Regelungen zur Tragezeit abweichen?

Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen können spezifische Regelungen zur Tragezeit vorsehen, die im Rahmen des § 77 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz) und der tariflichen Öffnungsklauseln auch von den gesetzlichen Grundlagen abweichen dürfen, soweit sie keine zwingenden Arbeitsschutzvorschriften verletzen. Dies betrifft sowohl die zeitliche Zuordnung als Arbeitszeit, die Form der Arbeitszeiterfassung als auch die konkrete Vergütungsmodalität. Beispielsweise können auch pauschale Zeitgutschriften oder besondere Zuschläge für das Tragen von Schutzausrüstung festgelegt werden. Maßgeblich ist stets der konkrete Inhalt der tariflichen oder betrieblichen Regelung, der auch über die Mindeststandards des Arbeitszeitgesetzes hinausgehen kann.

Welche Mitbestimmungsrechte hat der Betriebsrat hinsichtlich der Tragezeit?

Gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG steht dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bezüglich Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit sowie bei Fragen der Ordnung im Betrieb, wozu auch das Tragen bestimmter Arbeitskleidung gehört, zu. Der Betriebsrat kann daher mitgestalten, wie Trage- und Umkleidezeiten im Betrieb gehandhabt, erfasst und vergütet werden. Dies betrifft die Aufstellung von Zeitplänen, die Gestaltung von Umkleideeinrichtungen sowie die Vereinbarung spezifischer Regelungen betreffend die Anerkennung der Tragezeit als Arbeitszeit. Wird das Mitbestimmungsrecht vom Arbeitgeber nicht berücksichtigt, kann der Betriebsrat dies gerichtlich durchsetzen lassen.