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Tod des Prozessbevollmächtigten


Begriff und rechtliche Einordnung des Todes eines Prozessbevollmächtigten

Unter dem Begriff Tod des Prozessbevollmächtigten wird im deutschen Zivilprozessrecht das vorprozessuale oder prozessuale Versterben des Rechtsanwalts oder einer anderen zur Rechtsvertretung im Prozess zugelassenen Person verstanden. Der Prozessbevollmächtigte ist dabei diejenige Person, die eine Partei mit der rechtlichen Vertretung im gerichtlichen Verfahren und der Vornahme von Prozesshandlungen wirksam bevollmächtigt hat.

Gesetzliche Grundlagen

Die Vorschriften zur Vertretung im Prozess und den Wirkungen des Todes des Prozessbevollmächtigten finden sich insbesondere in der Zivilprozessordnung (ZPO). Zentrale Normen sind insbesondere § 87 ZPO, §§ 80 ff. ZPO sowie ergänzend weitere Regelungen aus Prozessordnungen anderer Gerichtsbarkeiten (beispielsweise Arbeitsgerichtsgesetz, Verwaltungsgerichtsordnung).


Auswirkungen des Todes eines Prozessbevollmächtigten auf das Verfahren

Fortgang des Verfahrens

§ 87 ZPO bestimmt, dass der Tod des Prozessbevollmächtigten die Prozessvollmacht nicht beendet. Das Verfahren wird zunächst mit dem verbliebenen Vertreter oder unter Hinzuziehung eines neuen Bevollmächtigten fortgesetzt. Besteht keine weitere Vertretungsmöglichkeit, ist die betroffene Partei zur Bestellung eines neuen Prozessvertreters verpflichtet.

Verstirbt der bevollmächtigte Rechtsanwalt in einem Anwaltsprozess (z. B. vor Landgericht, Oberlandesgericht, Bundesgerichtshof), ist die Partei verpflichtet, innerhalb angemessener Frist einen neuen Prozessbevollmächtigten zu bestellen, um die Prozesshandlungen weiterführen zu können.

Unterbrechung und Ruhen des Verfahrens

Im Gegensatz zum Tod einer Partei, der in bestimmten Fällen die Unterbrechung des Verfahrens nach § 239 ZPO auslöst, führt der Tod des Prozessbevollmächtigten grundsätzlich nicht zur Verfahrensunterbrechung. Das Gericht hat jedoch Rücksicht darauf zu nehmen, dass der Partei genügend Zeit bleibt, einen neuen Bevollmächtigten zu bestellen. Ergibt sich aus der Notwendigkeit einer Einarbeitung in das Verfahren, insbesondere bei komplexen Prozessen, dass ein zügiger Fortgang unzumutbar ist, kann das Gericht das Verfahren aussetzen und Fristverlängerungen gewähren.

Zustellung von Schriftstücken

Die gerichtliche Kommunikation mit dem verstorbenen Bevollmächtigten ist nach dessen Tod unwirksam. Bereits zugestellte Schriftstücke gelten als nicht wirksam zugestellt, sofern der Tod des Prozessbevollmächtigten vor der Zustellung eingetreten ist. In diesen Fällen muss das Gericht für eine erneute wirksame Zustellung an den neuen Bevollmächtigten oder – falls noch kein Vertreter existiert – unmittelbar an die Partei sorgen.

Fristen und Wiedereinsetzung

Wird der Partei durch den Tod des Bevollmächtigten die Wahrnehmung prozessualer Fristen (z. B. Berufungsbegründungsfrist, Klageerwiderungsfrist) unmöglich, kann sie unter Umständen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 233 ZPO beantragen. Voraussetzung für die Gewährung der Wiedereinsetzung ist, dass die Partei ohne Verschulden gehindert war, die Frist einzuhalten, und dass sie die Säumnis nicht zu vertreten hat.


Prozesstypische Problemfelder und besondere Konstellationen

Mehrfachvertretung

Hat die Partei mehrere Prozessbevollmächtigte bestellt, wirkt der Tod eines einzelnen Bevollmächtigten nicht auf die verbleibenden Mandatsträger. Die Prozessvollmacht der verbleibenden Vertreter bleibt wirksam, das Verfahren kann durch diese fortgeführt werden.

Nichtanwalts-Vertretungen

Sofern in Ausnahmefällen eine Person ohne Anwaltszulassung als Bevollmächtigter auftritt (beispielsweise im Verfahren vor dem Amtsgericht oder in anderen Fällen der sog. Volksvertretung), gelten die Grundsätze entsprechend, jedoch sind die Anforderungen an die Auswahl eines Ersatzbevollmächtigten weniger streng.

Wirkung auf die Mandantschaft

Mit dem Tod des Prozessbevollmächtigten endet das zugrundeliegende Geschäftsbesorgungsverhältnis (Auftragsverhältnis) nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (§§ 673, 675 BGB). Die prozessrechtliche Wirkung, also die Fortdauer der Prozessvollmacht, wird hiervon jedoch nicht berührt (§ 87 ZPO).


Rechtsfolgen für anhängige und abgeschlossene Verfahren

Noch nicht rechtskräftige Verfahren

In Verfahren, die noch nicht rechtskräftig abgeschlossen sind, muss die Partei sich baldmöglichst um Ersatz für den verstorbenen Prozessbevollmächtigten bemühen, insbesondere um keinen Rechtsnachteil zu erleiden. Das Gericht kann auf Antrag hin Fristen verlängern oder aussetzen, bis ein neuer Vertreter bestellt ist.

Rechtskraft nach Prozessende

Ist das Verfahren bereits in die Rechtskraft gegangen, hat der Tod des ehemaligen Prozessbevollmächtigten auf die materiellen Rechtswirkungen keinen Einfluss mehr. Lediglich Abwicklungs- oder Nachlassangelegenheiten hinsichtlich des Mandatsverhältnisses oder der Abrechnung können unter Umständen noch zwischen Mandantschaft und Erben des verstorbenen Bevollmächtigten zu klären sein.


Spezialfälle in anderen Verfahrensordnungen

Auch in anderen Prozessordnungen wie etwa dem Arbeitsgerichts-, Verwaltungsgerichts- oder Sozialgerichtsverfahren finden die Grundsätze zur Beendigung der Vertretung durch Tod des Bevollmächtigten entsprechende Anwendung, teilweise mit individuellen Besonderheiten hinsichtlich der Notwendigkeit von Rechtsanwälten oder anderen Vertretungsformen.


Zusammenfassung und praxisrelevante Hinweise

Der Tod des Prozessbevollmächtigten hat prozessrechtlich nicht die Beendigung der Vollmacht zur Folge, sodass das Verfahren im Regelfall ununterbrochen weitergeführt werden kann. Gleichwohl bedarf es eines effektiven Schutzes der Parteien, insbesondere hinsichtlich der Fristwahrung und wirksamer Vertretung. Verzögerungen aufgrund der Einarbeitungszeit eines neuen Bevollmächtigten sind mit Augenmaß durch das Gericht zu berücksichtigen. Es empfiehlt sich, im Rahmen des Mandatsverhältnisses frühzeitig Vorsorge für derartige Fälle zu treffen. Die vollständige rechtswirksame Wiederaufnahme der Prozessvertretung liegt im Interesse der Partei und der Sicherstellung eines fairen und geordneten Verfahrensablaufs.

Häufig gestellte Fragen

Was passiert mit einem anhängigen Gerichtsverfahren, wenn der Prozessbevollmächtigte während des Prozesses verstirbt?

Verstirbt der Prozessbevollmächtigte während eines noch laufenden Gerichtsverfahrens, ist grundsätzlich zu unterscheiden, ob es sich um einen Anwalt eines Klägers oder Beklagten handelt. Im Zivilverfahren nach der Zivilprozessordnung (ZPO) gilt, dass die Partei im Anwaltsprozess zwingend durch einen Rechtsanwalt vertreten sein muss (§ 78 ZPO bei Land- und Oberlandesgerichten). Mit dem Tod des Prozessbevollmächtigten entfällt die wirksame Vertretung der Partei vor Gericht. Das Gericht setzt der betroffenen Partei gemäß § 246 Abs. 1 ZPO eine angemessene Frist zur Bestellung eines neuen Anwalts. Innerhalb dieser Frist wird das Verfahren unterbrochen, d. h., das Gericht kann keine weiteren prozessualen Entscheidungen zu Ungunsten der Partei treffen. Sollte die Partei keinen neuen Anwalt bestellen, kann das Gericht die Frist nach Ermessen verlängern oder nach Fristablauf das Verfahren nach den allgemeinen Regeln weiterführen, was im Zweifel zu einem Säumnisurteil oder einer Klageabweisung mangels Vertretung führen kann.

Müssen die bisherigen prozessualen Erklärungen des verstorbenen Prozessbevollmächtigten erneut abgegeben werden?

Die bisherigen prozessualen Erklärungen des verstorbenen Prozessbevollmächtigten, z. B. Anträge oder Schriftsätze, behalten grundsätzlich ihre Wirksamkeit. Die Handlungen des Anwalts binden die Partei, es sei denn, sie werden ausdrücklich widerrufen oder geändert. Der neue Prozessbevollmächtigte kann, sofern gesetzlich oder prozessual zulässig, Erklärungen widerrufen, modifizieren oder ergänzen. Die Vertreterkette wirkt in der Regel fort, wobei allerdings stets zu prüfen ist, ob eventuelle Erklärungen einer ausdrücklichen Bestätigung bedürfen oder ob sich Handlungsbedarf aus der konkreten Verfahrenssituation ergibt.

Welche Pflichten bestehen für die Erben des verstorbenen Prozessbevollmächtigten in Bezug auf das Mandat?

Die Erben des verstorbenen Prozessbevollmächtigten nehmen nicht automatisch dessen Mandate wahr. Sie sind jedoch verpflichtet, den Tod unverzüglich dem zuständigen Gericht und – soweit bekannt – der Partei sowie dem zuständigen Anwaltsgericht anzuzeigen. Zudem haben sie dafür Sorge zu tragen, dass Mandatsunterlagen sicher verwahrt und im Zweifelsfall herausgegeben werden, um dem Mandanten die nahtlose Fortführung des Mandats mit einem neuen Anwalt zu ermöglichen (§§ 27, 29 BORA). Darüber hinaus müssen Erben sich ggf. um die ordnungsgemäße Abwicklung der anwaltlichen Kanzlei kümmern und offene Rechtsakten oder Fristsachen (beispielsweise durch Information der Mandanten) absichern.

Wie lange wird das Verfahren durch den Tod des Prozessbevollmächtigten unterbrochen?

Das Verfahren wird so lange unterbrochen, bis die Partei einen neuen Anwalt beauftragt und dies dem Gericht nachgewiesen ist, längstens jedoch bis zum Ablauf einer vom Gericht gesetzten Frist gemäß § 246 Abs. 1 ZPO. Die Frist setzt das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen fest; sie soll ausreichend lang sein, damit die Partei realistisch die Möglichkeit hat, einen neuen Rechtsanwalt zu finden. In der Praxis werden häufig Fristen von 2 bis 4 Wochen gewährt. Wird innerhalb dieser Frist kein neuer Bevollmächtigter benannt, kann das Gericht das Verfahren fortführen, was tatsächlichen oder rechtlichen Nachteilen für die nicht vertretene Partei führen kann.

Welche Auswirkungen hat der Tod des Prozessbevollmächtigten in nicht-anwaltspflichtigen Verfahren?

In Verfahren, in denen keine Anwaltspflicht besteht (z. B. vor den Amtsgerichten in Zivilsachen), kann die betroffene Partei nach dem Tod ihres Vertreters grundsätzlich selbst auftreten oder einen anderen Bevollmächtigten, der kein Anwalt sein muss, bestellen. Das Gericht wird grundsätzlich auch hier auf den Tod des bisherigen Vertreters Rücksicht nehmen, eine Frist zur Stellung eines neuen Bevollmächtigten setzen und das Verfahren vorübergehend aussetzen, damit der Partei kein Nachteil aus dem unvorhersehbaren Wegfall ihrer Vertretung erwächst.

Ist der Tod des Prozessbevollmächtigten ein Grund für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand?

Der Tod des Prozessbevollmächtigten kann ein Grund für die Bewilligung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 233 ZPO sein, wenn der Partei dadurch unverschuldet eine Frist versäumt wird. Voraussetzung ist stets, dass die Partei nachweisen kann, dass der Tod ihres Anwalts ursächlich für die Fristversäumnis war und trotz zumutbarer Sorgfalt die Bestellung eines neuen Anwalts oder die Einreichung prozessualer Erklärungen nicht rechtzeitig möglich war. Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss unverzüglich nach Wegfall des Hindernisses gestellt werden.

Wer trägt die Kosten für eine durch den Tod des Prozessbevollmächtigten notwendig gewordene Fristverlängerung oder Verfahrensunterbrechung?

Die Kosten des Verfahrens richten sich weiterhin nach dem Ausgang des Prozesses. Die durch den Tod des Prozessbevollmächtigten entstehenden Kosten (z. B. für die Unterbrechung oder Fristverlängerung) sind grundsätzlich keine eigenständigen erstattungsfähigen Kosten innerhalb der Kostengrundentscheidung. Die Kosten eines neuen Prozessbevollmächtigten – also das erneute Entstehen von Anwaltsgebühren wegen eines notwendigen Anwaltswechsels – gehören grundsätzlich zu den vom Mandanten zu tragenden Kostenpositionen. Sie werden im Rahmen der Kostenfestsetzung nur gegen die gegnerische Partei geltend gemacht, wenn diese die Kosten des Rechtsstreits insgesamt zu tragen hat. Mehrkosten durch einen Anwaltswechsel können im Einzelfall als nicht notwendige Kosten gewertet werden, wenn die Notwendigkeit (z. B. in Folge der Mandatsniederlegung und nicht des Todes) nicht überzeugend dargelegt wird.