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Tierwohllabel


Begriff und rechtliche Einordnung des Tierwohllabels

Definition und allgemeine Bedeutung

Das Tierwohllabel ist eine Auszeichnung, die tierischen Produkten verliehen wird, um Verbrauchern Informationen über die Einhaltung spezifischer Tierschutzstandards bei der Erzeugung, Haltung und Verarbeitung landwirtschaftlicher Nutztiere zu bieten. Ziel ist es, Transparenz über tierschutzbezogene Aspekte der Lebensmittelproduktion herzustellen und eine bewusste Kaufentscheidung zu ermöglichen. Im deutschen und europäischen Kontext sind Tierwohllabels unterschiedlich ausgestaltet und unterliegen verschiedenen rechtlichen Rahmenbedingungen, die sowohl öffentlich-rechtliche Regelungen als auch privatrechtliche Standards umfassen.

Rechtsgrundlagen des Tierwohllabels

Europarechtliche Rahmenbedingungen

Das Recht der Europäischen Union (EU) normiert bereits grundlegende Anforderungen an den Tierschutz in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung, etwa durch die Verordnung (EG) Nr. 1/2005 über den Schutz von Tieren beim Transport sowie die Richtlinie 98/58/EG über den Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere. Ein einheitliches EU-weites Tierwohllabel existiert bislang nicht. Dennoch wird auf Unionsebene kontinuierlich über die Entwicklung und Einführung eines verbindlichen EU-Tierwohlkennzeichens diskutiert, um einen harmonisierten Rechtsrahmen zu schaffen.

Nationale Rechtsvorschriften in Deutschland

In Deutschland ist der allgemeine Tierschutz verfassungsrechtlich im Grundgesetz (Art. 20a GG) verankert und durch das Tierschutzgesetz (TierSchG) konkretisiert. Die Verwendung und Gestaltung von Tierwohllabels unterliegt keiner speziellen gesetzlichen Regelung. Sie fallen überwiegend in den Anwendungsbereich des allgemeinen Wettbewerbsrechts (§§ 3, 5 UWG) und des Lebensmittelrechts, speziell der Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV, VO (EU) Nr. 1169/2011).

Arten von Tierwohllabels und deren rechtlicher Status

Staatliche Tierwohllabels

Im Jahr 2019 wurde in Deutschland das sogenannte „Nationale Tierwohlkennzeichen“ als freiwilliges staatliches Label eingeführt. Es bietet Anforderungen, die über die gesetzlichen Tierschutzvorgaben hinausgehen. Die Teilnahme von Unternehmen ist freiwillig, allerdings werden die Vorgaben und die Kontrolle staatlich geregelt. Für die Verwendung des Labels ist die Einhaltung genau definierter, kontrollierter Tierschutzstandards erforderlich.

Private und verbandliche Label

Daneben existieren zahlreiche private Labels von Wirtschafts- und Tierschutzorganisationen, beispielsweise „Tierschutzlabel – Für mehr Tierschutz“ des Deutschen Tierschutzbundes oder das „Neuland“-Label. Diese werden durch privatrechtliche Vereinbarungen geregelt. Die Kontrolle und Zertifizierung übernimmt jeweils der Labelinhaber oder eine beauftragte unabhängige Stelle. Verbraucherschutzrechtlich müssen die versprochenen Standards transparent und überprüfbar sein.

Handelsmarken und Eigenmarken

Zahlreiche Lebensmitteleinzelhandelsunternehmen bieten eigene Stufenmodelle und Label an, wie z. B. „Haltungsform“ oder „Pro Planet“. Diese Labels fußen auf markenrechtlichen, wettbewerbsrechtlichen und lebensmittelrechtlichen Grundlagen. Die Kontrolle erfolgt in der Regel über Auditierungen nach internen oder öffentlich zugänglichen Prüfkriterien.

Rechtliche Anforderungen an Tierwohllabels

Irreführungsschutz und Verbraucherinformationspflichten

Gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 dürfen Informationen im Zusammenhang mit Tierwohllabels keine falschen, irreführenden oder zweideutigen Angaben enthalten. Irreführende Werbung ist nach § 5 UWG unzulässig. Verstöße können zivilrechtliche Ansprüche (Abmahnungen, Unterlassungs- und Schadensersatzforderungen) sowie aufsichtsrechtliche Maßnahmen nach sich ziehen. Die Anforderungen an Transparenz und Nachprüfbarkeit werden auch durch die ständige Rechtsprechung sowie durch Entscheidungen der Lebensmittelüberwachungsbehörden geprägt.

Kontrolle und Durchsetzung

Die Kontrolle staatlicher Tierwohllabels erfolgt durch beauftragte Prüforganisationen und unterliegt der staatlichen Aufsicht. Private Tierwohllabels werden durch Auditierungen, Kontrollen vor Ort oder Dokumentenprüfungen überprüft, wobei die Prüfzyklen und Sanktionen bei Verstößen in den jeweiligen Programmbedingungen geregelt sind. Bei Pflichtverstößen sind Maßnahmen wie Entzug des Labels, Vertragsstrafen oder Ausschluss von Programmen vorgesehen. Aufsichtsbehörden prüfen daneben die Einhaltung verbraucherschutzrelevanter Vorgaben.

Schutz des Tierwohllabels als Marke

Viele Tierwohllabels sind als Marken (insbesondere Kollektiv- oder Gewährleistungsmarken) beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) oder beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) registriert. Der Markenschutz gewährt dem Inhaber das ausschließliche Recht, das Label zu verwenden beziehungsweise Dritten die Nutzung zu untersagen. Im Fall einer unberechtigten oder missbräuchlichen Verwendung stehen Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche nach Markengesetz (MarkenG) zu.

Entwicklungen und aktuelle Diskussionen

Die Entwicklung und Fortführung von Tierwohllabels ist ein ständig fortschreitender Prozess, der geprägt ist von gesellschaftlichen Erwartungen an Tierschutz, gesetzgeberischen Initiativen und Anforderungen an den Verbraucherschutz. Bewertet wird häufig die Transparenz, Vergleichbarkeit und Glaubwürdigkeit bestehender Labelsysteme sowie der effektive Tierschutz, der durch diese erreicht werden kann. Auf europäischer Ebene steht eine stärkere Harmonisierung und rechtliche Absicherung von Tierwohllabels im Fokus.

Fazit

Tierwohllabels sind wesentlich für die Information der Verbraucher über übergesetzliche Tierschutzstandards. Sie unterliegen je nach Ausgestaltung unterschiedlichen rechtlichen Anforderungen, insbesondere im Bereich des Wettbewerbs-, Marken-, Tierschutz- und Lebensmittelrechts. Die Auswahl geeigneter Kontrollmechanismen und die klare, transparente Kommunikation der Labelkriterien sind maßgeblich für die rechtliche Zulässigkeit und Akzeptanz auf dem Markt. Laufende Entwicklungsprozesse auf nationaler wie europäischer Ebene werden die rechtliche Ausgestaltung von Tierwohllabels weiter beeinflussen.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Vorgaben gelten für die Nutzung von Tierwohllabels in Deutschland?

Die Nutzung von Tierwohllabels in Deutschland unterliegt mehreren rechtlichen Vorgaben. Zunächst müssen alle auf Produkten angebrachten Tierwohllabels den allgemeinen lebensmittelrechtlichen Kennzeichnungsvorschriften entsprechen, wie sie im Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) und der Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV) verankert sind. Diese sehen vor, dass Verbraucher nicht in die Irre geführt werden dürfen, insbesondere darf ein Label keine falschen oder täuschenden Angaben zur Tierhaltung oder den damit verbundenen Standards machen. Zusätzlich greifen wettbewerbsrechtliche Vorschriften, darunter das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), wobei irreführende oder nicht gerechtfertigte Angaben abgemahnt werden können. Für bestimmte Labelprogramme, etwa das staatliche Tierwohlkennzeichen, gibt es spezielle rechtliche Anforderungen und Zulassungsverfahren, die den Nachweis bestimmter Tierhaltungsbedingungen sowie unabhängige Kontrollen und Zertifizierungen durch Dritte voraussetzen. Die rechtskonforme Nutzung eines Labels ist daher eng an die Einhaltung definierter Kriterien und an transparente Kommunikationsregeln gebunden.

Ist die Vergabe von Tierwohllabels gesetzlich geregelt oder handelt es sich um freiwillige Initiativen?

Die Vergabe von Tierwohllabels erfolgt auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen. In Deutschland existieren sowohl freiwillige Label-Initiativen von privaten oder brancheneigenen Organisationen als auch staatlich regulierte Siegel. Während staatliche Labels, wie etwa das geplante staatliche Tierhaltungskennzeichen nach dem Tierhaltungskennzeichnungsgesetz (TierHaltKennzG), an gesetzliche Kriterien und ein genau festgelegtes Verfahren der Kontrolle und Vergabe gebunden sind, unterliegen private und eigenverantwortliche Labelprogramme primär den allgemeinen wettbewerbs- und kennzeichnungsrechtlichen Vorgaben. Bei freiwilligen Labeln muss die Organisation die Einhaltung der ausgelobten Standards durch geeignete Nachweise und externe Kontrollen sicherstellen, um rechtlichen Beanstandungen hinsichtlich Irreführung oder Verbrauchertäuschung zu entgehen. Gesetzliche Vorgaben bestehen folglich primär für staatliche Kennzeichen, während freiwillige Labels einen privatrechtlichen Charakter haben, wobei allerdings stets die einschlägigen Verbraucherschutzvorschriften zu beachten sind.

Welche Konsequenzen drohen bei unzulässiger Verwendung von Tierwohllabels?

Die unzulässige Verwendung von Tierwohllabels kann verschiedene rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Wird ein Label verwendet, dessen zugrunde liegende Kriterien nicht erfüllt sind oder dessen Nutzung durch missbräuchliche Angaben Verbraucher in die Irre führt, drohen Unterlassungsforderungen und Abmahnungen von Mitbewerbern, Verbraucherverbänden oder Aufsichtsbehörden gestützt auf das UWG und das LFGB. Zudem können Bußgelder verhängt werden, wenn gegen spezifische Kennzeichnungsregelungen verstoßen wird. Im Fall von staatlichen oder behördlich geschützten Kennzeichen kann ein Verstoß auch strafrechtliche Folgen mit sich bringen, etwa bei Urkundenfälschung oder bei Verstößen gegen Zertifizierungsvorschriften. Nicht zuletzt besteht das Risiko kostspieliger Rückrufaktionen, Imageschäden und zivilrechtlicher Schadensersatzforderungen bei nachgewiesenen Wettbewerbsverstößen.

Wer überwacht die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben bei Tierwohllabels?

Die Überwachung der rechtlichen Vorgaben für Tierwohllabels erfolgt durch verschiedene Instanzen. Staatliche Organe wie die Lebensmittelüberwachungsbehörden der Länder sind für die Kontrolle der Einhaltung lebensmittelrechtlicher Kennzeichnungsanforderungen zuständig. Bei Verstößen gegen Wettbewerbsrecht greifen zudem die Möglichkeiten der Mitbewerber, Verbraucherverbände und gegebenenfalls spezialisierte Wettbewerbszentralen, über Abmahnungen und gerichtliche Verfahren die Unterlassung oder Beseitigung einer missbräuchlichen Labelnutzung zu erzwingen. Staatliche Labels oder gesetzlich geschützte Kennzeichen werden zudem durch eigens vorgesehene Kontrollinstanzen, wie unabhängige Zertifizierungsstellen, überwacht, wobei regelmäßige Audits und Plausibilitätskontrollen verpflichtend sind. Bei privatwirtschaftlichen Labelprogrammen liegt die Überwachung häufig bei akkreditierten Prüfstellen im Auftrag der Labelgeber, die wiederum an allgemein anerkannte Standards der Akkreditierung gebunden sind.

Gibt es einheitliche rechtliche Standards für die Anforderungen hinter Tierwohllabels?

Es existieren bislang keine europaweit einheitlichen rechtlichen Standards für die Anforderungen hinter Tierwohllabels, sodass die Ausgestaltung und Kontrolle der Kriterien nationalem Recht und/oder privaten Regelwerken obliegt. Während EU-Verordnungen grundsätzliche Bestimmungen zur Lebensmittelkennzeichnung und zu speziellen Tierwohlaspekten (z.B. bei Bio-Produkten per EU-Öko-Verordnung) setzen, bleiben die konkreten Anforderungen der meisten Tierwohllabels in Deutschland entweder privatwirtschaftlichen Normen unterworfen oder werden – im Falle staatlicher Kennzeichnungsvorgaben – durch nationale Gesetze wie das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz geregelt. Diese Rechtslage führt dazu, dass die Anforderungen an Tierhaltung, Stall- und Auslaufgrößen, Futter, Transport oder Schlachtung zwischen den einzelnen Labeln erheblich variieren können, solange sie keine irreführende Wirkung entfalten.

Sind Verstöße gegen die Labelstandards auch strafrechtlich relevant?

Verstöße gegen die Standards von Tierwohllabels sind in der Regel zivil- und verwaltungsrechtlich zu sanktionieren, insbesondere nach dem UWG, LFGB oder den einschlägigen Marktüberwachungsregeln. Strafrechtliche Relevanz kann allerdings dann gegeben sein, wenn durch die unbefugte Nutzung oder Fälschung amtlicher Kennzeichen, Urkunden oder Prüfberichte ein Straftatbestand – beispielsweise der Urkundenfälschung (§ 267 StGB) oder des Betruges (§ 263 StGB) – erfüllt wird. Dies ist insbesondere bei staatlichen, gesetzlich besonders geschützten Kennzeichen oder Zertifikaten der Fall, wenn diese vorsätzlich missbräuchlich verwendet werden. Auch strafrechtliche Ermittlungen wegen Täuschungen mit erheblichen Schäden für Verbraucher oder Mitbewerber sind im Ausnahmefall denkbar.

Müssen die Kriterien von Tierwohllabels öffentlich zugänglich gemacht werden?

Ja, die Kriterien von Tierwohllabels müssen aus rechtlicher Sicht für Verbraucher und Kontrollinstanzen öffentlich zugänglich sein, um Transparenz und Nachprüfbarkeit zu gewährleisten. Dies ergibt sich zum einen aus dem Transparenzgebot der Lebensmittelinformationsverordnung sowie aus dem allgemeinen Verbraucherinteresse an Nachvollziehbarkeit von Labelversprechen. Der Anbieter eines Labels muss die zugrunde liegenden Standards nachvollziehbar dokumentieren und regelmäßig aktualisieren. Bei staatlichen Labels besteht hierfür eine gesetzliche Pflicht, während bei privatwirtschaftlichen Labeln ein Versäumnis, die Kriterien offen zu legen, zu einer wettbewerbsrechtlichen Irreführung führen kann. Die öffentliche Zugänglichkeit erfolgt meist über Internetplattformen, Broschüren oder Veröffentlichungen durch die Labelorganisation selbst.