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Tierschutzrecht


Begriff und Bedeutung des Tierschutzrechts

Das Tierschutzrecht ist ein eigenständiges Rechtsgebiet, das dem Schutz der Tiere als Mitgeschöpfe dient. Es umfasst sämtliche nationale und internationale Regelungen, die darauf ausgerichtet sind, Tieren ein Mindestmaß an Wohlbefinden, artgerechte Haltung und den Schutz vor unnötigem Leiden zu gewährleisten. Tierschutzrechtliche Vorschriften gelten für alle Lebensbereiche, in denen der Mensch in Beziehung zu Tieren tritt, unter anderem in Landwirtschaft, Forschung, Handel, Transport, Zucht sowie private und gewerbliche Tierhaltung.


Historische Entwicklung des Tierschutzrechts

Die Entwicklung des Tierschutzrechts begann bereits im 19. Jahrhundert. Die ersten gesetzlichen Regelungen wurden mit dem Ziel geschaffen, Leid und Qual der Tiere, insbesondere von Arbeitstieren, zu verhindern. In Deutschland wurde mit der Reichstierschutzgesetzgebung von 1933 ein landesweites Regelwerk etabliert. Das moderne deutsche Tierschutzrecht erfuhr insbesondere mit der Einführung des Tierschutzgesetzes (TierSchG) von 1972 und seinen nachfolgenden Novellierungen sowie mit der Aufnahme des Tierschutzes als Staatsziel (Art. 20a GG) im Grundgesetz im Jahr 2002 erhebliche Weiterentwicklungen. Auch auf europäischer sowie internationaler Ebene kam es zu bedeutenden rechtlichen Fortschritten.


Rechtsquellen und Struktur des Tierschutzrechts

Nationale Rechtsquellen

Tierschutzgesetz (TierSchG)

Das deutsche Tierschutzgesetz (TierSchG) bildet die zentrale Grundlage des Tierschutzrechts in Deutschland. Es regelt insbesondere

  • den Schutz des Lebens und Wohlbefindens von Tieren,
  • das Verbot, einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zuzufügen,
  • Anforderungen an Haltung, Pflege und Umgang,
  • artgerechte Unterbringung, Pflege und Fütterung,
  • Verbot bestimmter Handlungen wie Tierquälerei, Verstümmelung oder Kampfveranstaltungen.

Verordnungen zum Tierschutz

Das Tierschutzgesetz wird durch zahlreiche spezielle Verordnungen ergänzt, die detaillierte Anforderungen und Standards für unterschiedliche Bereiche vorsehen. Beispiele sind:

  • Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV)
  • Tierschutztransportverordnung (TierSchTrV)
  • Tierschutz-Hundeverordnung (TierSchHuV)
  • Versuchstierverordnung (VersTierV)

Europäische und internationale Rechtsquellen

EU-Tierschutzrecht

Das Tierschutzrecht der Europäischen Union setzt verbindliche Mindeststandards für alle Mitgliedstaaten, beispielsweise für Schlachtung, Versuchstiere und Transport. Zentrale Regelungen finden sich insbesondere in

  • der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 (Tierschutz beim Transport),
  • der Richtlinie 2010/63/EU (Schutz von Tieren für wissenschaftliche Zwecke),
  • der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 (Tierschutz bei der Schlachtung).

Internationale Abkommen

Neben EU-Recht wirken internationale Übereinkommen, maßgeblich das Europäische Übereinkommen zum Schutz von Tieren in landwirtschaftlichen Tierhaltungen (Europarat) und das Washingtoner Artenschutzübereinkommen (CITES).


Zentrale Grundsätze des Tierschutzrechts

Unnötiges Leiden und Vernünftiger Grund

Ein zentrales Prinzip des Tierschutzrechts ist das Verbot, einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zuzufügen (§ 1 TierSchG). Ein vernünftiger Grund ist insbesondere gegeben bei Nahrungsgewinnung, Forschung (sofern gesetzlich zugelassen), Seuchenbekämpfung oder aus Gründen der Gefahrenabwehr. Nicht erlaubt sind Handlungen aus bloß wirtschaftlicher Zweckmäßigkeit oder Bequemlichkeit.

Pflicht zur artgerechten Haltung

Tierhalter sind verpflichtet, für eine art- und bedürfnisgerechte Haltung, Pflege und Ernährung der Tiere zu sorgen (§ 2 TierSchG). Dies beinhaltet

  • ausreichenden Bewegungsraum,
  • Zugang zu Wasser und geeignetem Futter,
  • Schutz vor Schmerzen, Leiden, Schäden und Stress,
  • Beschäftigungs- und Rückzugsmöglichkeiten.

Konkrete Anforderungen werden durch Verordnungen weiter definiert.

Verbot von Tierversuchen und Ausnahmen

Tierversuche sind grundsätzlich verboten, außer es besteht eine ausdrückliche gesetzliche Zulassung. Versuche an Wirbeltieren bedürfen einer behördlichen Genehmigung und unterliegen strengen ethischen und rechtlichen Vorgaben. Die Unvermeidbarkeit des Eingriffs sowie ein überwiegendes Interesse am Versuchszweck müssen belegt werden.

Schutz besonderer Tierarten

Das Tierschutzrecht berücksichtigt die Besonderheiten verschiedener Tierarten. Für bestimmte Tiere (z. B. gefährdete Arten) gelten erhöhte Schutzvorschriften, zum Beispiel nach dem Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) oder internationalen Artenschutzabkommen.


Verwaltung und Durchsetzung des Tierschutzrechts

Zuständige Behörden

Die Durchsetzung tierschutzrechtlicher Vorschriften ist Aufgabe der zuständigen Behörden der Bundesländer (vorrangig Veterinärämter). Ihnen obliegt

  • Kontrolle und Überwachung von Tierhaltungen, Tiertransporten und Versuchseinrichtungen,
  • Erteilung und Widerruf von Genehmigungen,
  • Anordnung von Maßnahmen bei Tierschutzverstößen (zum Beispiel Tierentzug, Betriebsuntersagungen).

Sanktionen bei Verstößen

Verstöße gegen tierschutzrechtliche Vorschriften werden mit Bußgeldern, Untersagungsverfügungen und bei schweren Tatbeständen mit strafrechtlichen Sanktionen geahndet. Nach § 17 TierSchG ist die vorsätzliche oder grob fahrlässige Tötung oder erhebliche Misshandlung von Tieren mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bedroht.


Tierschutzrecht und Grundrechte

Mit der Aufnahme des Tierschutzes als Staatsziel in das Grundgesetz wurde der Schutz der Tiere zum Verfassungsrang erhoben (Art. 20a GG). Dies hat zur Folge, dass Tierschutzbelange bei der Auslegung und Anwendung anderer Rechte (beispielsweise Landwirtschaftsfreiheit, Wissenschaftsfreiheit, Eigentum) verstärkt zu berücksichtigen sind und in einer grundrechtlichen Abwägung mit einfließen.


Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen im Tierschutzrecht

Das Tierschutzrecht ist einer stetigen Weiterentwicklung unterworfen. Gesellschaftlicher Wertewandel, wissenschaftlicher Fortschritt und internationale Verpflichtungen führen regelmäßig zu Anpassungen der Rechtslage. Schwerpunkte aktueller Diskussionen liegen auf den Bereichen Nutztierhaltung, Transportbedingungen, Tierversuche, Heimtierhaltung, Tierhandel im Internet sowie dem Ausbau von Kontrollmöglichkeiten und der Verschärfung von Straf- und Bußgeldtatbeständen. Zudem wird verstärkt die Bedeutung des Tierwohls und der Umweltschutzaspekte in den Fokus gerückt.


Literatur und Weblinks