Rechtliche Grundlagen tierischer Nebenprodukte
Tierische Nebenprodukte sind ein zentraler Begriff des Lebensmittel- und Veterinärrechts der Europäischen Union sowie des deutschen Rechts. Sie umfassen alle Teile von Tieren oder Erzeugnisse tierischen Ursprungs, die nicht für den menschlichen Verzehr bestimmt sind. Die gesetzliche Regulierung dieser Stoffe dient dem Gesundheits- und Umweltschutz und ist ein integraler Bestandteil der Bekämpfung von Tierseuchen und der Sicherstellung hygienischer Standards entlang der Produktionskette.
Begriffsdefinition und Abgrenzung
Tierische Nebenprodukte (oft mit ANP oder ENP abgekürzt) sind erfasst durch die Verordnung (EG) Nr. 1069/2009. Nach Art. 3 Abs. 1 dieser Verordnung handelt es sich um „ganze Körper oder Teile von Tieren, Erzeugnisse tierischen Ursprungs oder andere, von Tieren stammende Erzeugnisse, die nicht für den menschlichen Verzehr bestimmt sind“, einschließlich Eiern, Embryonen und Samen, soweit sie die Voraussetzungen der Verordnung erfüllen.
Nicht als tierische Nebenprodukte gelten:
- Wildtiere, die nicht verdächtigt werden, mit übertragbaren Krankheiten infiziert zu sein und nicht für die Lebensmittelkette bestimmt sind,
- Fäkalien, Harn, Magen- und Darminhalt (wenn nicht im Zusammenhang mit anderen Nebenprodukten), sofern nicht zur Verwendung in der Landwirtschaft bestimmt,
- Milch, Kolostrum und Erzeugnisse daraus, sofern für den Verkehr zugelassen.
Klassifizierung der tierischen Nebenprodukte
Im rechtlichen Sinn erfolgt eine Einteilung in drei Hauptkategorien, wie sie in Art. 8 bis Art. 10 der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 normiert sind:
Kategorie 1: Höchstrisikomaterial
Hierunter fallen unter anderem:
- Ganze Kadaver, Körperteile und daraus hergestellte Produkte von Tieren, die auf oder verdächtig an einer auf Menschen übertragbaren Tierseuche erkrankt sind (z. B. BSE),
- Material aus internationalem Reiseverkehr,
- Spezifiziertes Risikomaterial (SRM).
Die Entsorgung erfolgt ausnahmslos durch Verbrennung oder Mitverbrennung in hierfür zugelassenen Anlagen oder, in Ausnahmen, durch Drucksterilisation mit anschließender Verbrennung.
Kategorie 2: Material mit mittlerem Risiko
Darunter gehören:
- Gülle und tierische Nebenprodukte, die nicht unter Kategorie 1 fallen, aber etwa durch Rückstände von Tierarzneimitteln belastet sind oder aus Tierseuchenbekämpfungsmaßnahmen stammen,
- Erzeugnisse, deren Verfütterung aufgrund zoonotischer Risiken nicht zugelassen ist.
Kategorie-2-Material kann nach Hygienisierung bestimmten Zwecken zugeführt werden, etwa als landwirtschaftlicher Dünger, muss jedoch meist ebenfalls einer spezifischen Behandlung (z. B. Drucksterilisation, Kompostierung) unterzogen werden.
Kategorie 3: Material mit geringem Risiko
Hierzu zählen:
- Teile geschlachteter Tiere, die als genusstauglich eingestuft, aber nicht für den menschlichen Verzehr bestimmt sind (z. B. Knochen, Häute),
- Blut und sonstige tierische Nebenprodukte, die keine Anzeichen von Krankheiten zeigen,
- Erzeugnisse tierischen Ursprungs, die wegen produktionstechnischer oder kommerzieller Gründe nicht in die Lebensmittelkette gelangen.
Diese Materialien können weiterverwendet werden, z. B. als Rohstoffe für Heimtierfutter, technische Produkte, Biodiesel oder Düngemittel.
Rechtliche Anforderungen an Sammlung, Transport, Verarbeitung und Entsorgung
Register- und Genehmigungspflichten
Die Beförderung, Lagerung, das Sammeln sowie die Verarbeitung und Beseitigung tierischer Nebenprodukte unterliegt strengen Zulassungs- und Registrierungspflichten. Betriebe, Unternehmen oder Transporteuren ist der Umgang in der Regel nur nach Anzeige bei oder Genehmigung durch die zuständigen Lebensmittel- beziehungsweise Veterinärbehörden gestattet. Die Einhaltung der Vorgaben unterliegt einer laufenden Überwachung.
Kennzeichnung und Nachweisführung
Es gelten besondere Anforderungen an die Kennzeichnung, Dokumentation und Rückverfolgbarkeit. Gemäß Artikel 21 der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 müssen alle Bewegungen tierischer Nebenprodukte sowie deren Folgeprodukte im Rahmen eines betrieblichen Eigenkontrollsystems erfasst und für mindestens zwei Jahre aufbewahrt werden.
Hygienische Anforderungen und Verarbeitungsverfahren
Betriebe müssen umfangreiche technische, hygienische und organisatorische Maßnahmen sicherstellen. Dazu zählt die Vermeidung von Kreuzkontaminationen ebenso wie das Einhalten spezifischer Lagertemperaturen und räumlicher Trennung von Materialien unterschiedlicher Kategorien. Die zugelassenen Verarbeitungsverfahren sind in der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 142/2011 festgelegt. Je nach Risikokategorie sind bestimmte Temperatur-Zeit-Prozesse, Sterilisations- und Hygienisierungsmaßnahmen verbindlich.
Sondervorschriften und nationale Umsetzungen
Deutsche Regelungen
Die europarechtlichen Vorgaben sind in Deutschland durch das Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetz (TierNebG) sowie die Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsverordnung (TierNebV) konkretisiert. Hier sind insbesondere das Meldewesen, die Pflicht zur Überlassung bestimmter Nebenprodukte an zugelassene Entsorgungsunternehmen und Sanktionen bei Verstößen geregelt.
Die Länder überwachen vornehmlich die Einhaltung der Vorschriften durch regionale Behörden. Die Zentrale Koordinierungsstelle für den Vollzug des Tierseuchenrechts (ZK-VTR) und entsprechende Landesbehörden übernehmen hierbei spezifische Aufgaben im Rahmen der Fachaufsicht.
Straf- und Bußgeldvorschriften
Verstöße gegen die Vorschriften zur Sammlung, Behandlung oder Beseitigung tierischer Nebenprodukte stellen nach deutschem Recht Ordnungswidrigkeiten dar und können mit empfindlichen Geldbußen geahndet werden. Bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz, mit dem die öffentliche Gesundheit gefährdet oder Tierseuchenverbreitung begünstigt wird, kann auch strafrechtliche Relevanz vorliegen.
Wirtschaftliche Bedeutung und Umweltaspekte
Tierische Nebenprodukte haben trotz der hohen Anforderungen eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung. Sie werden als Rohstoff bei der Herstellung von Futtermitteln, technischen Fetten, Biodiesel, Düngemitteln, pharmazeutischen Erzeugnissen und Kosmetika verwendet. Insbesondere die umweltgerechte Entsorgung nach modernen Standards leistet einen Beitrag zur Erhaltung der Tiergesundheit sowie zum Umweltschutz.
Um einer möglichen Umweltbelastung etwa durch unsachgemäße Lagerung, Transport oder Verarbeitung entgegenzuwirken, enthält das Regelwerk umfassende Umwelt- und Gesundheitsschutzvorschriften, einschließlich spezieller Bestimmungen für bestimmte Produktionszweige (z. B. Biogasanlagen).
Zusammenfassung
Tierische Nebenprodukte stellen einen sensiblen und vielschichtig regulierten Bereich des Lebensmittel- und Umweltrechts dar. Die rechtlichen Bestimmungen auf europäischer und nationaler Ebene definieren präzise die Kategorien, Hygiene- und Verarbeitungsstandards sowie die Zuständigkeiten und Überwachungspflichten. Ziel der Regulierung ist der Schutz von Mensch, Tier und Umwelt vor spezifischen Risiken, die von diesen Produkten ausgehen können. Die korrekte Handhabung und Verwertung tierischer Nebenprodukte ist ein zentrales Element der nachhaltigen Kreislaufwirtschaft und der öffentlichen Gesundheit.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Vorschriften regeln den Umgang mit tierischen Nebenprodukten in der Europäischen Union?
Der Umgang mit tierischen Nebenprodukten in der Europäischen Union wird vor allem durch die Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 und die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 142/2011 geregelt. Diese Vorschriften legen fest, wie tierische Nebenprodukte und daraus gewonnene Erzeugnisse gesammelt, befördert, gelagert, behandelt, verwendet und beseitigt werden müssen, um Risiken für die Gesundheit von Mensch und Tier sowie für die Umwelt zu minimieren. Die Verordnungen ordnen tierische Nebenprodukte in Risikokategorien (Kategorie 1, 2 und 3) ein und regeln explizit, welche Verwendungs- und Entsorgungswege für jede Kategorie zulässig sind. Darüber hinaus bestehen weitere nationale Regelungen und Ausführungsvorschriften, die die Vorgaben der EU-Verordnungen spezifizieren und ergänzen. Unternehmen und Einrichtungen, die mit tierischen Nebenprodukten umgehen, unterliegen einer Registrierungs- bzw. Zulassungspflicht und regelmäßigen behördlichen Kontrollen.
Inwieweit sind Betreiber von Tierkörperbeseitigungsanlagen rechtlich verantwortlich?
Betreiber von Tierkörperbeseitigungsanlagen (TKBA) unterliegen strengen gesetzlichen Anforderungen bezüglich Betrieb, Hygiene, Rückverfolgbarkeit und Berichterstattung. Sie müssen gewährleisten, dass die Verarbeitung, Lagerung und Entsorgung tierischer Nebenprodukte gemäß den einschlägigen EU- und nationalen Vorschriften erfolgt. Dies beinhaltet die Pflicht zur Akkreditierung durch die zuständigen Behörden, die Umsetzung von Maßnahmen zur Verhinderung etwaiger Kontaminationen und die lückenlose Dokumentation aller Annahmen, Behandlungen und Weiterleitungen der Materialien. Zudem müssen sie sicherstellen, dass nur dazu befugte und geschulte Mitarbeiter im Betrieb tätig sind und sämtliche technischen und baulichen Standards eingehalten werden. Bei Verstößen drohen empfindliche Sanktionen, einschließlich Bußgeldern und dem Entzug der Betriebserlaubnis.
Welche Anforderungen bestehen an den Transport bzw. die Beförderung tierischer Nebenprodukte?
Die Beförderung tierischer Nebenprodukte unterliegt speziellen gesetzlichen Vorschriften hinsichtlich Hygiene, Kennzeichnung und Dokumentation. Fahrzeuge und Behältnisse für den Transport müssen leicht zu reinigen und zu desinfizieren sein und dürfen keine Gefahr für Mensch, Tier oder Umwelt darstellen. Der Transport der Nebenprodukte ist zudem ausschließlich von registrierten oder zugelassenen Unternehmen durchzuführen. Für jede Lieferung ist ein Begleitdokument gemäß Anhang II der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 142/2011 mitzuführen, aus dem Ursprung, Kategorie, Menge, Bestimmungsort und Empfänger hervorgehen. Die Einhaltung der Kühlkettenpflicht ist bei bestimmten Kategorien zwingend erforderlich; zudem sind Transportzeiten und -wege zu dokumentieren. Die Behörden können jederzeit Kontrollen und Nachverfolgungen durchführen.
Welche Pflichten bestehen hinsichtlich der Rückverfolgbarkeit von tierischen Nebenprodukten?
Die Rückverfolgbarkeit tierischer Nebenprodukte ist gesetzlich streng vorgeschrieben. Jede Stufe von der Erzeugung über den Transport bis hin zur Behandlung oder Beseitigung muss dokumentiert und für mindestens zwei Jahre aufbewahrt werden. Jeder Wirtschaftsbeteiligte muss jederzeit die Herkunft, Menge, Kategorie, den Verbleib und das Datum der Annahme bzw. Weitergabe der tierischen Nebenprodukte nachvollziehbar machen können. Diese Dokumentationspflicht gewährleistet die Rückverfolgung im Fall von Kontaminationen oder Seuchenausbrüchen und ermöglicht den Behörden eine effektive Überwachung der Einhaltung aller gesetzlichen Anforderungen.
Wie werden Verstöße gegen das Nebenproduktegesetz geahndet?
Verstöße gegen das Nebenproduktegesetz bzw. die zugrunde liegenden EU-Verordnungen werden als Ordnungswidrigkeit oder – bei schwerwiegenden Fällen – als Straftat verfolgt. Je nach Schwere des Verstoßes reichen die Sanktionen von Verwarnungen und Bußgeldern bis hin zu Freiheitsstrafen. Zusätzlich kann die zuständige Behörde Betriebserlaubnisse widerrufen, Betriebe schließen oder weitere Auflagen erteilen. Wiederholte oder schwere Verstöße, insbesondere wenn dadurch Gefahren für die öffentliche Gesundheit, die Tiergesundheit oder die Umwelt entstehen, führen regelmäßig zu besonders strikten Maßnahmen. Darüber hinaus sind Betriebe und verantwortliche Personen eventuell zivilrechtlich haftbar, falls durch ihr Fehlverhalten Dritte zu Schaden kommen.
Gibt es besondere Anforderungen für die Verwendung tierischer Nebenprodukte zu Futtermittelzwecken?
Ja, die Verwendung tierischer Nebenprodukte in Futtermitteln ist detailliert reguliert. Grundsätzlich dürfen nur bestimmte Nebenprodukte der Kategorie 3 und aus deklarierten, zugelassenen Herkunftsbetrieben nach vorheriger genehmigter Verarbeitung und unter Beachtung aller Hygienevorschriften als Futtermittel verwendet werden. Jegliche Verwendung für Nutztiere, die Lebensmittel produzieren, ist dabei besonders streng reglementiert. Die Herstellung, das Inverkehrbringen und die Verwendung solcher Futtermittel unterliegen einem Zulassungsverfahren sowie einer laufenden amtlichen Überwachung. Zudem besteht die Pflicht, stets die Identität des Materials und seiner Verarbeitung nachweisen zu können.
Welche Rolle spielen veterinärrechtliche Kontrollen bei tierischen Nebenprodukten?
Veterinärrechtliche Kontrollen sind zentrales Instrument zur Überwachung der Einhaltung sämtlicher Vorschriften im Bereich tierischer Nebenprodukte. Zuständige amtliche Veterinärbehörden führen sowohl angemeldete als auch unangekündigte Betriebskontrollen bei Erzeugern, Transporteuren, Verarbeitern und Beseitigungsanlagen durch. Überprüft werden insbesondere die Einhaltung von Hygieneauflagen, Lagerungsbedingungen, Rückverfolgbarkeit, ordnungsgemäße Entsorgung sowie die Dokumentationsführung. Die Ergebnisse dieser Kontrollen werden protokolliert und können bei Nachweis von Verstößen zur Einleitung weiterer Maßnahmen führen. Zudem nehmen veterinärrechtliche Kontrollen eine Schlüsselrolle im Seuchenschutz und in der Prävention von Einträgen durch Tierseuchen ein.
Welche Dokumentations- und Meldepflichten gelten für die Inverkehrbringung von Erzeugnissen aus tierischen Nebenprodukten?
Für das Inverkehrbringen von Erzeugnissen, die aus tierischen Nebenprodukten gewonnen wurden, gibt es umfangreiche Dokumentations- und Meldepflichten. Hersteller und Vertreiber müssen lückenlos nachweisen, dass alle Produkte entsprechend den gesetzlichen Vorschriften behandelt und gelagert wurden; dies umfasst Herkunftsnachweis, Verarbeitungsweg, Verwendungszweck und den Verwendungsort. Bei bestimmten Erzeugnissen, wie Düngemittel oder technischen Produkten, ist zudem die vorherige Anmeldung oder Genehmigung durch die zuständige Behörde notwendig. Jede Lieferung muss mit entsprechenden Begleitpapieren versehen sein und sowohl für interne als auch für behördliche Kontrollen dokumentiert werden. Verstöße gegen diese Pflichten werden ebenso ordnungsrechtlich geahndet.