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Tierhalterhaftung


Begriff und rechtlicher Rahmen der Tierhalterhaftung

Die Tierhalterhaftung ist ein zentrales Thema im deutschen Deliktsrecht. Sie regelt, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang eine Person, die ein Tier hält, für Schäden haftet, die durch das Tier verursacht werden. Im Vordergrund steht dabei der Ausgleich zwischen den berechtigten Interessen des Geschädigten am Schadensersatz und dem Risiko, das vom Halten eines Tieres für die Allgemeinheit ausgeht.

Gesetzliche Grundlagen

Die maßgeblichen Vorschriften zur Tierhalterhaftung finden sich in den §§ 833-834 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Der grundsätzliche Anknüpfungspunkt ist, dass die Tierhaltung eine sogenannte Gefährdungshaftung begründet, das heißt, eine Haftung unabhängig von einem eigenen Verschulden des Tierhalters.

§ 833 BGB – Haftung des Tierhalters

Nach § 833 Satz 1 BGB haftet der Halter eines Tieres grundsätzlich für alle von diesem verursachten Schäden. Dies gilt unabhängig davon, ob der Halter ein Verschulden trifft. Das Gesetz unterscheidet jedoch zwischen Luxustieren (Haustieren, die nicht beruflichen Zwecken dienen) und Nutztieren (insbesondere zur Erwerbstätigkeit gehaltene Tiere):

  • Für Luxustiere gilt die Gefährdungshaftung uneingeschränkt.
  • Für Nutztiere besteht eine Entlastungsmöglichkeit durch den Nachweis, dass der Tierhalter die erforderliche Sorgfalt beachtet hat.

§ 834 BGB – Haftung des Tieraufsehers

Neben dem Halter können auch sogenannte Tieraufseher, also Personen, denen die Aufsicht über ein Tier vertraglich oder faktisch übertragen wurde, unter bestimmten Umständen haftbar gemacht werden.

Voraussetzungen der Tierhalterhaftung

Tatbestandsmerkmale der Haftung

Folgende Bedingungen müssen erfüllt sein, damit die Haftung greift:

  1. Tierhaltung

– Der Haftende muss Halter des Tieres sein. Halter ist, wer das Tier für eigene Rechnung und auf eigene Gefahr hält.

  1. Schaden

– Es muss ein durch das Tier verursachter Sach-, Personen- oder Vermögensschaden vorliegen.

  1. Kausalität

– Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem tierischen Verhalten und dem eingetretenen Schaden ist erforderlich.

  1. Spezifische Tiergefahr

– Der Schaden muss auf eine typische Tiergefahr zurückzuführen sein, nicht auf andere Ursachen.

Unterschied: Luxustier- und Nutztierhalterhaftung

Luxustierhalterhaftung

Bei Haustieren, die nicht der Erwerbstätigkeit dienen, haftet der Halter grundsätzlich ohne Entlastungsmöglichkeit und unabhängig davon, ob ihn ein Verschulden trifft.

Nutztierhalterhaftung

Halter von Tieren, die der Erwerbstätigkeit dienen (z.B. Zugpferde, Hütehunde), können sich von der Haftung befreien, indem sie nachweisen, dass sie die gebotene Sorgfalt beachtet oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre (§ 833 Satz 2 BGB).

Umfang des Schadensersatzes

Ersatzfähige Schäden

Der Tierhalter haftet für alle typischen Schäden, die durch sein Tier verursacht wurden. Dies umfasst insbesondere:

  • Sachschäden (z.B. beschädigte Gegenstände)
  • Personenschäden (z.B. Verletzung durch einen Hundebiss)
  • Vermögensschäden, sofern sie eine Folge eines Sach- oder Personenschadens sind.

Mitverschulden und Haftungsausschluss

Ein Mitverschulden des Geschädigten (§ 254 BGB) kann zur Kürzung des Anspruchs führen. Zudem bestehen unter bestimmten Voraussetzungen Haftungsausschlüsse, etwa wenn sich der Geschädigte bewusst einer besonderen Gefahr ausgesetzt hat.

Tierhalterhaftung unter Tierhaltern

Kommt es zu einer Auseinandersetzung zwischen Tierhaltern (z.B. beim Zusammentreffen von zwei Hunden), werden die Verantwortlichkeiten im Wege der sogenannten Tiergefahrenteilung abgegrenzt.

Verhältnis zur Tieraufseherhaftung

Tieraufseher im Rechtssinne

Darunter versteht man jede Person, die mit der Aufsicht über das Tier betraut ist, sei es entgeltlich oder unentgeltlich, vorübergehend oder dauerhaft. Für die Haftung ist entscheidend, ob es sich um eine eigenständige Übernahme der Aufsichtspflicht handelt.

Haftungstatbestände

Auch Tieraufseher haften nach § 834 BGB, jedoch nur dann, wenn sie ihre Aufsichtspflicht schuldhaft verletzt haben. Die Haftung ist damit in der Regel als Verschuldenshaftung ausgestaltet.

Besonderheiten der Tierhalterhaftung

Mehrere Tierhalter

Sind mehrere Personen Halter desselben Tieres (zum Beispiel bei Lebensgemeinschaften), haften sie gesamtschuldnerisch, d. h. gemeinsam und einzeln gegenüber dem Geschädigten.

Versicherungspflicht

Halter bestimmter Tiere, wie Hunde oder Pferde, sind in mehreren Bundesländern verpflichtet, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen. Diese übernimmt im Schadensfall die Regulierung berechtigter Ansprüche.

Ansprüche gegen Dritte (Rückgriff)

Hat der Halter den Schaden beglichen, steht ihm unter Umständen ein Rückgriff gegen den eigentlichen Verursacher zu, etwa wenn das Tier auf Veranlassung einer dritten Person gehandelt hat.

Tierhalterhaftung im internationalen Vergleich

Die Haftung des Tierhalters ist auch außerhalb Deutschlands ein häufig gesetzlich geregeltes Risiko. In den meisten europäischen Ländern gilt ein ähnliches Modell der Gefährdungshaftung, wenngleich die gesetzlichen Details voneinander abweichen können.

Praxistipps zur Haftungsvermeidung

  • Sorgfältige Verwahrung und Beaufsichtigung von Tieren
  • Abschluss einer Tierhalterhaftpflichtversicherung
  • Klare Absprachen bei der Übergabe eines Tieres an Dritte

Zusammenfassung

Die Tierhalterhaftung ist ein zentrales Element des Haftungsrechts, das das Risiko, das von Tierhaltung für Dritte ausgeht, steuert und ausgleicht. Sie dient dem Schutz von Geschädigten, fordert jedoch vom Halter besondere Aufmerksamkeit und Sorgfalt. Umfang, Voraussetzungen und Durchsetzung der Tierhalterhaftung sind in Deutschland detailliert gesetzlich geregelt. Eine Übertragung der Aufsicht sowie der Abschluss einer Haftpflichtversicherung mindern das Haftungsrisiko und bieten Sicherheit für Halter und Geschädigte gleichermaßen.

Häufig gestellte Fragen

Wer haftet bei einem Schaden, der durch ein Tier verursacht wurde?

Im rechtlichen Kontext der Tierhalterhaftung haftet grundsätzlich der Tierhalter, also die Person, die aus eigenem Interesse das Tier für eine gewisse Dauer in ihrer Obhut und Verantwortung hält. Die Haftung ist verschuldensunabhängig ausgestaltet (§ 833 BGB für Deutschland), was bedeutet, dass bereits die Tatsache des Eigentums oder der Haltung des Tieres eine Ersatzpflicht auslöst, ohne dass der Halter auf ein Fehlverhalten oder mangelnde Sorgfalt überprüft werden muss. Ausnahmen bestehen lediglich für Nutztiere, die beruflichen oder gewerblichen Zwecken dienen; hier kommt eine Haftungsminderung in Betracht, wenn der Halter nachweisen kann, dass er die erforderliche Sorgfalt beachtet hat. Kommt es zu einem Schaden durch das Verhalten eines Tieres, etwa ein Hund beißt einen Passanten oder ein Pferd läuft auf die Straße und verursacht einen Unfall, kann somit direkt der Tierhalter in Anspruch genommen werden, unabhängig davon, ob ihm eine unmittelbare Schuld nachgewiesen werden kann.

Welche Schäden sind von der Tierhalterhaftung erfasst?

Die Tierhalterhaftung umfasst alle typischen Schäden, die durch das sogenannte tierische Verhalten entstehen, also Schäden, die auf natürliche Verhaltensweisen des Tieres wie Beißen, Treten, Weglaufen oder Erschrecken zurückzuführen sind. Erfasst werden sowohl Personen- als auch Sachschäden, gegebenenfalls auch Vermögensschäden, sofern sie als Folge eines durch das Tier verursachten Ereignisses eintreten. Dazu zählen Verletzungen von Menschen, Zerstörung oder Beschädigung fremder Gegenstände wie Kleidung, Fahrzeuge, Haustüren oder anderer Tiere. Auch Folgeschäden, die sich aus dem Primärschaden ergeben (zum Beispiel Arztkosten, Verdienstausfall oder Nutzungsausfall eines beschädigten Gegenstands), fallen darunter. Voraussetzung ist stets ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Schaden und dem tierischen Verhalten.

Kann der Tierhalter sich durch Sorgfaltsbeweis von der Haftung befreien?

Im Rahmen der sogenannten Gefährdungshaftung nach § 833 BGB ist eine Befreiung von der Haftung für private Tierhalter grundsätzlich nicht möglich, da es sich um eine verschuldensunabhängige Haftung handelt. Lediglich bei Nutztieren, die beruflichen oder gewerblichen Zwecken dienen, eröffnet das Gesetz die Möglichkeit eines sogenannten Entlastungsbeweises: Der Halter kann sich von der Haftung befreien, wenn er beweist, dass er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet hat oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden wäre. Bei Luxustieren (insbesondere Haustieren, die aus Freude am Tier gehalten werden) besteht diese Möglichkeit jedoch nicht – der Halter haftet auch bei größtmöglicher Sorgfalt.

Wie verhält es sich, wenn mehrere Personen Halter des Tieres sind?

Sind mehrere Personen gemeinsam Halter eines Tieres, so haften sie als Gesamtschuldner. Das bedeutet, dass im Außenverhältnis – also gegenüber dem Geschädigten – jeder Halter in voller Höhe des Schadens haftbar gemacht werden kann. Die beteiligten Halter können, sofern einer von ihnen den gesamten Schaden ersetzt hat, im Innenverhältnis über Rückgriff die anteilige Beteiligung der übrigen Halter einfordern. Dieser Grundsatz ist insbesondere bei Ehepaaren oder WG-Konstellationen von Bedeutung, wenn das Tier von mehreren Personen gemeinsam gehalten und betreut wird.

Gilt die Tierhalterhaftung auch für Tiere, die nur vorübergehend in Obhut genommen werden?

Die rechtliche Einordnung als Halter und damit die Haftung für ein Tier kann auch bei vorübergehender Obhutnahme entstehen, sofern die Person die tatsächliche Gewalt über das Tier übernimmt und eigenverantwortlich für dessen Versorgung und Beaufsichtigung zuständig ist. In der Praxis ist hierbei zu differenzieren: Wird ein Tier lediglich kurzfristig beaufsichtigt (beispielsweise Gassi gehen für einen Freund), bleibt in der Regel weiterhin der ursprüngliche Halter haftbar. Wird jedoch das Tier für einen längeren Zeitraum vollständig übergeben (Urlaubsbetreuung, Pflege), kann der Betreuer als sogenannter Tieraufseher ebenfalls (wenn auch subsidiär) haftungsrechtlich in Anspruch genommen werden, insbesondere wenn die Sorgfaltspflichten verletzt wurden.

In welchen Fällen kann die Tierhalterhaftung ausgeschlossen oder begrenzt sein?

Der vollständige Ausschluss oder die Begrenzung der Tierhalterhaftung ist nur in eng begrenzten Ausnahmefällen möglich: Einerseits kann der Geschädigte auf Ersatzansprüche verzichten (etwa durch vertragliche Haftungsausschlüsse, die zwischen Privatpersonen vereinbart werden), wobei solche Vereinbarungen nicht gegen gesetzliche Verbote oder die guten Sitten verstoßen dürfen. Andererseits kann ein sogenanntes Mitverschulden des Geschädigten (§ 254 BGB) zu einer Anspruchsminderung führen, beispielsweise wenn dieser das Tier bewusst gereizt oder in gefährdende Situationen gebracht hat. Auch bei Fällen höherer Gewalt (z.B. plötzlicher Blitzschlag, der das Tier unerwartet erschreckt) kann die Haftung ganz entfallen, wenn nachweislich keine Sorgfaltspflichtverletzung vorliegt.

Welche Rolle spielt eine Tierhalterhaftpflichtversicherung im Rahmen der Haftung?

Eine Tierhalterhaftpflichtversicherung deckt die finanziellen Folgen der gesetzlichen Haftung des Halters bei Schäden, die durch das Tier entstehen. Sie ist für bestimmte Tiere, wie etwa Hunde oder Pferde, vielerorts gesetzlich vorgeschrieben, in jedem Fall aber dringend empfohlen. Die Versicherung leistet sowohl bei berechtigten Ansprüchen Dritter mittels Schadenersatzzahlung als auch im Rahmen der Abwehr unberechtigter Forderungen gegenüber dem Halter (passiver Rechtsschutz). Sie übernimmt in der Regel Personen-, Sach- und Vermögensschäden und schützt den Tierhalter somit vor den wirtschaftlichen Folgen der Haftung, die insbesondere bei Personenschäden existenzbedrohend sein können. Es ist jedoch darauf zu achten, dass Vertragsbedingungen, Deckungssummen und etwaige Ausschlüsse im Schadensfall beachtet werden müssen.