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Testamentswiderruf


Begriff und rechtliche Einordnung des Testamentswiderrufs

Unter dem Begriff Testamentswiderruf versteht man die rechtsverbindliche Aufhebung eines zuvor errichteten Testaments oder einer testamentarischen Verfügung durch die testierfähige Person. Der Testamentswiderruf ist ein zentrales Institut des deutschen Erbrechts und in den §§ 2253 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) kodifiziert. Er stellt die zentrale Möglichkeit dar, ein Testament ganz oder teilweise außer Kraft zu setzen und so auf veränderte Lebensumstände oder den eigenen Willen des Erblassers zu reagieren.

Gesetzliche Grundlagen zum Testamentswiderruf

Die fundamentalen Regelungen finden sich im Dritten Buch des BGB, insbesondere in den §§ 2253 bis 2258a. Diese Vorschriften definieren die verschiedenen Möglichkeiten, ein Testament wirksam zu widerrufen, und unterscheiden zwischen ausdrücklichem und konkludentem (stillschweigenden) Widerruf.

§ 2253 BGB: Grundsatz des Widerrufs

Nach § 2253 BGB kann der Erblasser sein Testament jederzeit widerrufen. Diese Vorschrift verdeutlicht das Prinzip der Testierfreiheit, welches es einer Person ermöglicht, über ihr Vermögen nach ihrem Tod frei zu verfügen und diese Verfügung jederzeit abzuändern oder aufzuheben.

§§ 2254-2258a BGB: Formen des Widerrufs

Die Gesetze regeln dabei sowohl den Widerruf eines Einzeltestaments als auch die Besonderheiten bei gemeinschaftlichen Testamenten und Erbverträgen.

Arten und Formen des Testamentswiderrufs

Eine testamentarische Verfügung kann nach geltendem Recht auf verschiedene Weisen widerrufen werden. Unterschieden wird zwischen ausdrücklichem und konkludentem Widerruf sowie dem Widerruf durch Errichtung eines neuen Testaments.

Ausdrücklicher Widerruf

Der ausdrückliche Widerruf erfolgt durch eine formgültige, eigenständige Widerrufserklärung gemäß § 2254 BGB, die dieselben Formvorschriften wie ein Testament erfüllen muss. Für ein eigenhändiges Testament ist daher eine eigenhändig geschriebene und unterschriebene Widerrufserklärung erforderlich. Ein notariell beurkundetes Widerrufstestament muss wiederum der notariellen Form entsprechen.

Widerruf durch Vernichtung des Testaments

Nach § 2255 BGB gilt ein Testament als widerrufen, wenn es vom Erblasser absichtlich vernichtet wird (zum Beispiel zerreißen oder verbrennen des Schriftstücks). Die Vernichtung muss mit dem Willen zum Widerruf geschehen und dokumentiert somit einen eindeutigen Widerrufswillen. Ein nicht vom Testierenden selbst, sondern durch Dritte auf Veranlassung des Erblassers vernichtetes Testament, setzt eine entsprechende Beauftragung und eindeutig feststellbaren Willen voraus.

Widerruf durch Errichtung eines neuen Testaments

Ein sogenannter konkludenter Widerruf liegt gemäß § 2258 BGB vor, wenn der Erblasser ein neues Testament errichtet, das inhaltlich mit dem vorherigen Testament nicht vereinbar ist. Die frühere Verfügung wird insoweit aufgehoben, als sie dem späteren Testament widerspricht. Ist das neue Testament insgesamt widerrufen, lebt das frühere grundsätzlich nicht wieder auf (§ 2258 Absatz 2 BGB), es sei denn, das Gesetz bestimmt etwas anderes.

Widerruf durch Rücknahme eines Testaments aus amtlicher Verwahrung

Wird ein notarielles Testament aus der besonderen amtlichen Verwahrung beim Nachlassgericht zurückgenommen (§ 2256 BGB), gilt dies als Widerruf der Verfügung (mit Ausnahme von Erbverträgen oder gemeinschaftlichen Testamenten, hierbei gelten Sonderregelungen).

Sonderfälle des Testamentswiderrufs

Widerruf gemeinschaftlicher Testamente

Bei gemeinschaftlichen Testamenten nach §§ 2265 ff. BGB (Ehegatten-Testament, Berliner Testament) sind besonders strenge Regeln zu beachten. Bis zum Tod eines der Ehegatten ist der Widerruf gemäß §§ 2270, 2271 BGB einseitig möglich; danach ist ein Widerruf jedoch ausgeschlossen, sobald eine wechselbezügliche Verfügung vorliegt.

Widerruf bei Erbverträgen

Der Widerruf eines Erbvertrags ist grundsätzlich nur unter engen Voraussetzungen möglich (§§ 2290 ff. BGB). Einfache Widerrufshandlungen durch Testament oder Rücknahme aus amtlicher Verwahrung sind nicht ausreichend, sofern der Vertragspartner nicht zustimmt.

Voraussetzungen und Wirksamkeit des Widerrufs

Der Testamentswiderruf setzt die Testierfähigkeit des Erblassers voraus. Der Widerruf wird erst mit Zugang des neuen Testaments bzw. Eintritt des Widerrufstatbestands und nicht bereits mit dessen Erstellung wirksam. Im Falle mehrerer Testamente ist stets das zuletzt errichtete, noch gültige Testament maßgeblich, sofern es nicht später widerrufen wird.

Wirkungen des Testamentswiderrufs

Der Testamentswiderruf hebt die Rechtswirkungen des zuvor errichteten Testaments ganz oder teilweise auf. Betroffene Testamentsverfügungen werden rechtlich als nie existent behandelt, sofern sie vom Widerruf erfasst sind. Der Erblasser fällt in die gesetzliche Erbfolge zurück oder es gelten die im letzten gültigen Testament getroffenen Bestimmungen.

Anfechtung eines Widerrufs

Die Wirksamkeit eines Testamentswiderrufs kann aus verschiedenen Gründen angefochten werden, etwa wegen Irrtums, Drohung oder Täuschung (§ 2078 BGB). Bei erfolgreicher Anfechtung lebt die widerrufene Verfügung nicht automatisch wieder auf; stattdessen wird nach den Vorschriften des BGB eine individuelle erbrechtliche Lösung gefunden.

Bedeutung in der Praxis

Der Testamentswiderruf ist ein wichtiges Instrument zur Wahrung der Testierfreiheit und flexiblen Anpassung letztwilliger Verfügungen an veränderte Lebensverhältnisse. Um spätere Streitigkeiten zu vermeiden, empfiehlt es sich, den Widerruf eindeutig, schriftlich und unter Einhaltung der gesetzlichen Formvorschriften zu erklären. Die rechtswidrige oder irrtümliche Vernichtung eines Testaments kann weitreichende Auswirkungen auf die Nachlassregelung haben.

Literatur und Rechtsquellen

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), §§ 2253-2258a
Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar
* MüKo-BGB, Münchener Kommentar zum BGB, Erbrecht


Hinweis: Die dargestellten Ausführungen bieten eine umfassende Übersicht zum Begriff „Testamentswiderruf“ und dienen der Information über die rechtliche Einordnung, Voraussetzungen, Formen und Wirkungen dieses Rechtsinstituts.

Häufig gestellte Fragen

Wie kann ein Testament rechtlich wirksam widerrufen werden?

Ein Testament kann nach deutschem Recht grundsätzlich jederzeit vom Erblasser widerrufen werden, solange dieser testierfähig ist. Der Widerruf kann auf verschiedene Weisen erfolgen: Erstens durch die Errichtung eines neuen Testaments, das ausdrücklich oder stillschweigend das vorherige Testament ganz oder teilweise aufhebt. Zweitens ist der Widerruf auch durch eine Vernichtung des Testaments möglich, sofern dies in der Absicht geschieht, das Testament aufzuheben (§ 2255 BGB). Im Falle eines notariellen Testaments kommt zudem der Widerruf durch Erklärung gegenüber dem Notar in Betracht (§ 2256 BGB). Bei gemeinschaftlichen Testamenten ist außerdem zu beachten, dass der Widerruf zusätzliche formale Anforderungen hat (beispielsweise nach § 2271 BGB). Es ist ratsam, jeden Widerruf juristisch eindeutig zu gestalten, um spätere Streitigkeiten unter den Erben zu vermeiden.

Kann ein handschriftliches Testament einfach durch Zerreißen widerrufen werden?

Das Zerreißen, Zerstören oder sonstige Vernichten eines eigenhändigen Testaments stellt einen wirksamen Testamentswiderruf dar, sofern dies in der Absicht geschieht, die darin enthaltenen Verfügungen aufzuheben (sog. Widerrufswille). Es spielt dabei keine Rolle, ob das Testament vollständig oder nur teilweise vernichtet wird – wichtig ist, dass aufgrund der Handlung und Begleitumstände der Wille zum Widerruf deutlich erkennbar ist. Wird das Testament allerdings versehentlich beschädigt oder vernichtet, ohne dass der Erblasser es widerrufen wollte, bleibt die letztwillige Verfügung gültig, sofern der Text noch lesbar und rekonstruierbar ist.

Welche Formerfordernisse gelten für den Widerruf eines Testaments?

Das Gesetz unterscheidet zwischen unterschiedlichen Formen des Testaments und regelt dementsprechend auch den formellen Widerruf. Beim eigenhändigen Testament reicht etwa das Vernichten oder ein neues handschriftliches Testament mit abweichenden Verfügungen. Bei öffentlichen (notariellen) Testamenten ist der Widerruf auch durch notarielle Erklärung möglich. Besonders bei gemeinschaftlichen Testamenten und Erbverträgen bestehen erhöhte Formerfordernisse: Hier muss der Widerruf notariell beurkundet und dem anderen Vertragspartner zugehen. Wird der Widerruf nicht in der gesetzlich vorgesehenen Form erklärt, bleibt das ursprüngliche Testament grundsätzlich wirksam.

Können auch einzelne Verfügungen in einem Testament widerrufen werden?

Ja, es ist möglich, einzelne Verfügungen in einem Testament zu widerrufen, statt das gesamte Testament aufzuheben. Dies kann entweder durch (teilweises) Vernichten entsprechender Passagen erfolgen – sofern der Widerrufswille klar erkennbar ist – oder durch ein ergänzendes Testament, das bestimmte Bestimmungen aufhebt oder abändert. Auch hier gelten die Grundsätze über den Testierwillen und die Form, je nachdem, ob es sich um ein handschriftliches oder notarielles Testament handelt. Die Aufhebung einzelner Verfügungen darf nicht zur Unwirksamkeit des gesamten Testaments führen, sofern dies nicht dem Willen des Erblassers entspricht.

Ist der Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments möglich?

Der Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments (z.B. „Berliner Testament“) unterliegt besonderen gesetzlichen Vorschriften. Während beide Ehegatten zu Lebzeiten das gemeinschaftliche Testament gemeinsam aufheben können, ist ein einseitiger Widerruf während beider Lebenszeit nur mittels notariell beurkundeter Erklärung wirksam, die dem anderen Ehegatten zugehen muss (§ 2271 BGB). Nach dem Tod eines Ehepartners ist ein Widerruf grundsätzlich ausgeschlossen, wenn Bindungswirkung besteht. Deshalb kommt es besonders bei gemeinschaftlichen Testamenten auf eine anwaltliche Beratung an, um rechtssicher zu widerrufen und spätere Auseinandersetzungen zu vermeiden.

Welche Konsequenzen hat ein formunwirksamer Widerruf?

Ein formunwirksamer Widerruf – etwa ein Widerruf per Brief, der nicht den gesetzlichen Formerfordernissen genügt – hat rechtlich keine Auswirkungen. Das ursprüngliche Testament bleibt in vollem Umfang gültig, solange der Widerruf nicht wirksam erklärt wurde. Dies kann erhebliche Folgen für die Erbfolge haben, vor allem wenn mehrere Testamente oder widersprüchliche Verfügungen existieren. Besonders bei notariellen oder gemeinschaftlichen Testamenten ist daher auf die Einhaltung der gesetzlichen Formerfordernisse strikt zu achten.

Kann ein einmal widerrufenes Testament wieder in Kraft gesetzt werden?

Ein Testament, das widerrufen wurde – sei es durch Vernichtung, ausdrückliche Widerrufserklärung oder Errichtung eines neuen Testaments – kann nicht „wiederbelebt“ werden. Möchte der Erblasser die früheren Regelungen erneut gelten lassen, muss ein entsprechendes neues Testament mit gleichem Inhalt errichtet werden. Die bloße Erklärung, der ursprüngliche letzte Wille solle erneut gelten, reicht nicht aus, wenn dieses Testament bereits wirksam widerrufen wurde.

Welche Bedeutung hat ein notarielles Widerrufszeugnis?

Ein notarielles Widerrufszeugnis bestätigt den Widerruf eines notariellen Testaments oder Erbvertrags durch den Erblasser und dient als wichtiger Nachweis für die Wirksamkeit des Widerrufs gegenüber Dritten, insbesondere im Hinblick auf die spätere Erbauseinandersetzung. Es wird von dem Notar ausgestellt, der die Widerrufserklärung aufgenommen hat. Dieses Dokument stellt die ordnungsgemäße Beurkundung und Wirksamkeit des Widerrufs sicher, vor allem, wenn mehrere potenzielle Testamente vorliegen oder Erben von der Änderung benachrichtigt werden sollen.